Erste Wege zur Einigung Europas

EGKS und EVG aus der Sicht Adenauers


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

24 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung

2 Die Europäische Integration
2.1 Die weltpolitische Lage
2.2 Drei Politiker für Europa an der Macht
2.3 Antikommunismus, Demokratie und christliche Werte
2.4 Realpolitische Schritte
2.4.1 EGKS
2.4.2 Pleven-Plan

3 Fazit

4 Literaturverzeichnis
4.1 Quellen
4.1.1 Akten/ Dokumente
4.1.2 Memoiren, Reden
4.2 Darstellungen
4.2.1 Monografien
4.2.2 Aufsätze

1 Problemstellung

Die politische Situation Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg wirkt wie ein Porträt, das – wenn auch mit anderen Akteuren – eine Momentaufnahme von der Situation nach dem Versailler Vertrag zeigt. Anstelle Gustav Stresemanns steht nun Konrad Adenauer, für Briand tritt Robert Schuman an. Eine deutsch-französische Versöhnung ist das ausgemachte Ziel für die Sicherung des Friedens in Europa. Dennoch bemängelt Adenauer die Außenpolitik seines Zeitgenossen, wenn er sagt:

Wenn ich mich auch nach Abschluß von Locarno vollständig, auch innerlich, auf den Boden der Tatsachen stellte, um möglichst viel nunmehr für Deutschland herauszuholen, so gefalle mir, doch dies Unstete und Schaukelnde an der deutschen Auslandspolitik, die Art, wie diese Politik gemacht werde, nicht.[1]

Adenauer musste sich gegen die einzige Großmacht im traditionellen Sinne, die auf dem europäischen Festland verblieben war, durchsetzen, um die drei Nahziele „Westintegration“, „äußere Sicherheit“ und „Gleichberechtigung“[2] für die verhasste Mittelmacht zu erreichen, und gleichzeitig sollte die politische und wirtschaftliche Einheit Europas erreicht werden, um ein Machtvakuum zu füllen, das (Vereinigtes Europa) – auch unter Einschluss Großbritanniens – niemals so stark sein werde, um eines der beiden Weltmächte gefährlich zu werden, aber zumindest mächtig genug sein werde, um sein Gewicht in die Waagschale des Friedens legen zu können.[3] Abgesehen davon, dass die Briten sich nie als Europäer in diesem Sinne verstanden, gab es für eine Einigung Europas nur eine Möglichkeit, welche dem deutschen Staatsmann schon sehr früh bewusst war, die deutsch-französische Freundschaft.[4] Doch wie war diese Prämisse durchzusetzen, wenn man die politische und moralische Ungleichheit von Frankreich und Deutschland sowie die unterschiedlichen Konzepte der USA, der Briten und der teilweise sehr nationalistischen Franzosen betrachtet?

In dieser Arbeit soll das sich entwickelnde Verhältnis zwischen Frankreich, Deutschland, Großbritannien und den USA anhand der Europapolitik untersucht werden, wobei überwiegen aus der Sicht Adenauers argumentiert werden wird, da er einerseits als einer der drei Gründungsväter Europas gelten muss und er andererseits das Land vertrat, welches die maßgebliche Problematik im Einigungsprozess darstellte, „denn die deutschen und die europäischen Interessesen sind absolut identisch“[5].

Dabei soll die These bewiesen werden, dass in den betroffenen Staaten – gerade in der BRD – keineswegs die europäische Einigung in den Köpfen der Menschen oberste Priorität besaß, sondern dass vielmehr die christlichen und demokratischen Wert- und Moralvorstellungen der führenden Politiker in Frankreich, Deutschland und Italien den Stein der Einigung auf lange Zeit ins Rollen brachten.

Außerdem soll deutlich werden, dass Adenauer trotz seiner sehr hoch gesteckten Ziele ein ausgezeichneter Realpolitiker war, der – teilweise sehr störrisch wirkend – von bestimmten Forderungen, auch wenn sie die europäische Integration bedrohten, nicht abging und die stringenten Ziele der Gleichberechtigung und der Souveränität stets in die Europapolitik mit einflossen.

Um diese Thesen angemessen beweisen und bearbeiten zu können, ist es notwendig, das Thema aufgrund des sehr begrenzten Umfangs der Arbeit deutlich einzuschränken. Da es hier unmöglich ist, drei Staaten mit ihren politischen Strömungen, Empfindungen und außenpolitischen Ansprüchen gleichermaßen zu untersuchen, sollen größtenteils die Umstände Nachkriegsdeutschlands und deren Wertigkeit für die weltpolitische Lage aus der Perspektive Adenauers betrachtet werden. Natürlich müssen dennoch einleitend die Beziehungen und Machtpositionen zwischen den einzelnen Siegermächten und den „Verlierern“ in einem kurzen Weltpolitischen Abriss behandelt werden, sodass anschließend der ungewöhnliche Glücksfall, dass Schuman, Adenauer und de Gasperi gleichzeitig an der Macht waren, verstanden werden kann. Im letzten Teil soll dann das politische Taktieren und die Verwirklichung von Adenauers Europavorstellungen aufgezeigt werden, wobei sein lange gehegter Wunsch zur deutsch-französischen Industrieverflechtung als einzige Garantie eines dauerhaften Friedens[6] über die EGKS bis hin zum Scheitern der EVG bezüglich der realpolitischen Probleme wie die Saarfrage, den innenpolitischen Druck und der Wiederbewaffnung betrachtet werden soll.

Schon Haftendorn meinte, dass die Außenpolitik des ersten Kanzlers zu den am besten erforschten Bereichen deutscher Nachkriegsgeschichte gehöre und sie klammerte lediglich die europäische Sicherheit aus.[7] Weidenfeld, der eine umfangreiche Monografie mit dokumentarischem Anhang verfasste, nennt nicht nur verschiedene Stadien der Analyse, sondern auch fünf Bereiche als Gegenstand differenzierter Kritik.[8] Schon allein anhand dieser Differenzierung wird deutlich, dass hier eine Analyse des Forschungsstandes nicht hinreichend realisiert werden kann, da so sämtliche Schriften zu Schuman, de Gasperi und Adenauer sowie zur EGKS und zur EVG mit einbezogen werden müssten. Deshalb soll abschließend noch auf die verwendeten Quellen und Literatur hingewiesen werden.

Die Akten und Dokumente zu Adenauer und zu Europa sind schier unendlich. Für Adenauer an sich sind natürlich seine Memoiren und die Bundestagsreden besonders aufschlussreich für seine Person, denn hier zeigt sich die Grenze von dem, was er sagen wollte und was er sagen konnte. Zudem sind die zusammengefassten Reden und Gespräche, herausgegeben von Becker, gerade für die Zeit vor der Gründung der BRD sehr aufschlussreich. Für seine Kindheit und Jugendzeit ist das Buch zur Ausstellung im Wohnhaus in Rhöndorf sehr hilfreich, da neben Schulzeugnissen und Urkunden auch erstaunliche Quellen zutage treten, sodass er beispielsweise seiner Empörung über die Sozialistengesetzgebung Ausdruck verleiht, oder er schildert, wie er Wilhelm I. gesehen habe.[9] Für seine außenpolitische Tätigkeit sind natürlich die Akten der Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland und – speziell für Europa – die Dokumentensammlungen von Siegler prädestiniert, zumal sie nahezu als lückenlos gelten können. Neben weiteren Quellenbänden wurden die Darstellungen von Weidenfeld, Baring, Kohler und der Vortrag von Schwarz bevorzugt verwendet.

2 Die Europäische Integration

2.1 Die weltpolitische Lage

Nach dem Ende des Dritten Reiches stand Europa vor einer demografischen Katastrophe und einer gänzlichen Neuverteilung der politischen Mächte. Die einzelnen Positionen der kriegführenden Parteien schienen trotz oder gerade wegen der vergangenen Jahrzehnte äußerst verschränkt zu sein. Frankreich – während des Weltkrieges kaum an der Niederlage Hitlers beteiligt – wurde als Siegermacht anerkannt, Italien, obwohl es gegen Ende des Krieges erbitterten Widerstand in Guerillakämpfen gegen die Nationalsozialisten leistete, wurde hingegen eindeutig als Verlierer behandelt, sodass die neu entstandene Demokratie, anstatt unterstützt zu werden, erst einmal „traditionelle“ Reparationen zahlen und sogar Gebietsabtretungen hinnehmen sollte.[10] Für Nachkriegsdeutschland galten natürlich weitaus härtere Bestimmungen, sodass es – geteilt in vier Besatzungszonen – von einem Kontrollrat[11] regiert wurde, weshalb natürlich auch wesentliche Pflichten entstanden. Adenauer selbst brachte das Hauptproblem in den ersten Jahren nach dem Krieg in seiner Grundsatzrede im Nordwestdeutschen Rundfunk über das Programm der CDU vom 6. März 1946 auf den Tisch, wenn er sagt:

Unser Land wird im Höchstfall 40 Millionen Menschen ernähren können, aber unsere Einwohnerzahl wird über 60 Millionen sein. Das Gespenst des Hungertodes für viele Millionen können wir nur bannen, wenn wir unserem Boden auch das letzte abringen und wenn andererseits die Alliierten uns genügend industrielle Produktionsstätten belassen, um durch Export und Import unsere Menschen ernähren und kleiden zu können.[12]

Da schon zu viel Zeit vergangen war und die Sowjets großen Einfluss auf die Deutschlandpolitik nahmen, was ja, wie bereits erwähnt, ihr gutes Recht war, zog US-Außenminister Byrnes im Dezember 1946 einen ersten Schlussstrich und kündigte offiziell die Partnerschaft mit der UdSSR. Im darauffolgenden Jahr mussten den Amerikanern alle Illusionen genommen worden sein, die Eindämmungspolitik und die Truman-Doktrin waren die Folge.[13] Eine weitere Verschärfung des Verhältnisses war mit dem Scheitern der Moskauer Konferenz (April 1947), der Kominform (Oktober 1947), dem Prager Putsch (Februar 1948) und natürlich der Berlin-Blockade (Juni 1948) die logische Folge der kommunistischen Expansion und dem Versuch ihrer Eindämmung.

Aus einer befürchteten militärischen Pattsituation wurde mit der Zeit ein russisches Übergewicht, und zwar vor der Zündung der ersten sowjetischen Atombombe. Gerade für Europa und speziell für die BRD gab es keine vertraglichen Garantien vonseiten der USA zur Unterstützung der Westeuropäer im Falle einer Offensive der Sowjets. Lediglich vage „Beistandsverpflichtungen“ wurden erteilt.[14] Natürlich war den Amerikanern, die schon seit 1948 Überlegungen für eine deutsche Wiederbewaffnung anstellten, klar, dass die ehemalige Militärmacht Deutschland Truppen stellen müsse, wenn die Verteidigung Europas überhaupt eine Chance haben sollte. Die rational denkenden Generäle im Pentagon unterschätzten aber die Empfindungen der Westeuropäer gegenüber dem ehemaligen Erzfeind. Als es 1950 zu konkreten Äußerungen diesbezüglich kam, fühlten sich die Franzosen hintergangen und protestierten vehement.

Spätestens an dieser Stelle wird klar, wie sich die Karten in der Welt verteilt hatten. Die USA sahen in der BRD einen wichtigen Baustein zur Abwehr des Kommunismus – anders verhielt es sich mit Frankreich.[15] Die Sowjets expandierten, ohne einen Hehl daraus zu machen und waren permanent daran interessiert, den Status quo in Europa zu erzwingen, um die Grenzen festzusetzen und die sich langsam zusammenfindende europäische Gemeinschaft zu stören. Adenauer lässt keinen Zweifel darüber, dass er dies eindeutig so entlarvte, wenn er in einer Regierungserklärung vom 8. November 1950 zur russischen Note Stellung nimmt und sagt:

Nach unserem Dafürhalten ist die sowjetische Note nichts anderes als einer der bekannten Störungsversuche Sowjetrußlands, um jede Konsolidierung einer Abwehrfront gegen die sowjetrussische Aggression zu verhindern oder wesentlich zu verlangsamen.[16]

Die Briten standen zwar in einem festen Bündnis mit den Vereinigten Staaten, fühlten sich aber nur indirekt für Europa verantwortlich. Großbritannien, das sich als eigenständige Macht aufgrund des Empires interpretierte, unterstütze zwar sämtliche Bestrebungen für eine mitteleuropäische Abwehrfront und eine europäische Zusammenarbeit, beteiligte sich aber nicht selbst an aktiven Verpflichtungen – für Adenauer eine Unmöglichkeit, die er erst 1951/52 allmählich akzeptiert habe[17]. Frankreich, das in den ersten Jahren nach dem Weltkrieg faktisch kaum regierungsfähig war, blieb nun als einzig verbleibende „Großmacht“ auf dem europäischen Festland übrig und verfiel sofort in den alten Trott, Deutschland, wenn sich schon eine vollständige „Zersetzung“ einer politischen Einheit nicht erreichen ließe, doch wenigstens an der kurzen Leine zu halten, sodass es sich nie wieder zu einer Bedrohung aufbäumen könne. So wurde am 17. März 1948 der Brüsseler Pakt von Frankreich, Großbritannien und den Beneluxstaaten unterzeichnet und auf 50 Jahre Unkündbarkeit festgesetzt. Dieses von Kohler als „eine Art Treppenwitz der nationalistisch gebliebenen Diplomatiegeschichte“[18] bezeichnete Sicherheitsbündnis gegen Deutschland verkörpert nicht nur die realpolitische Verblendung der europäischen Siegermächte, sondern auch das mangelnde Feingefühl gegenüber des neu entstehenden Deutschlands. Alcide de Gasperi verweigerte den Beitritt in diesen Pakt, da er – in einer ähnlichen Position gefangen wie Adenauer – deutlich weitsichtiger war als die paktierenden Regierungen und einen stringenten Weg in Richtung Europa anstrebte. Dass Frankreich nicht schon früher in eine nationalistische Großmachtpolitik übergegangen ist, kann zu einem Großteil Schuman angerechnet werden, was später noch erläutert werden wird. Trotz des erheblichen Misstrauens gegenüber Deutschland spielte die Französische Republik eine ganz entscheidende Rolle, die sich sowohl Adenauer als auch de Gasperi zu Nutze machen mussten, denn ohne das internationale politische Gewicht Frankreichs hätte eine europäische Verständigung nicht funktioniert. Die Lage in Italien ist natürlich keinesfalls positiv einzuschätzen, denn neben der politischen Bevormundung als „Verlierer“ gab es erhebliche wirtschaftliche Probleme vor allem im Bereich der Schwerindustrie, die im Süden Europas praktisch nicht vorhanden war. Auch der Absatz der landwirtschaftlichen Produkte war ein äußerst schwer zu lösendes Problem. Ähnlich wie in Frankreich existierte auch hier ein großer kommunistischer Einfluss, sodass de Gasperi 1947 sogar eine Minderheitenregierung bilden musste. Doch wie und aus welchen Grundlagen konnte ein europäisches Bündnis erwachsen, in dem sich eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen „Siegern“ und „Verlierern“ manifestierte, wenn man sich diese Machtverschränkung im Herzen Europas vor Augen führt, zumal das für Europa größte Problem, Deutschland, zwischen zwei Weltanschauungen schwebte?

2.2 Drei Politiker für Europa an der Macht

Auch wenn sich Adenauer und de Gasperi als politische Garde Sturzos schon seit Mitte der 20er Jahre aufgrund der gemeinsamen Arbeit für die christlichen, demokratischen Parteien sehr gut kannten und der spätere Kanzler und Schuman sich sogar schon 1912 beim Rheinischen Katholikentag begegneten,[19] lässt sich auf den ersten Blick nicht erkennen, warum die drei Politiker wenige Jahrzehnte später ein gemeinsames Europa über die nationalen Empfindungen ihrer Heimatstaaten stellen sollten.

Allerdings lassen sich aus den einzelnen Biografien sehr auffällige Gemeinsamkeiten entdecken, welche die Sozialisation der drei Politiker entscheidend beeinflussten. Robert Schuman wurde 1886 in Luxemburg/Clausen geboren, er war also Lothringer[20] und hatte sogar die deutsche Staatsbürgerschaft. Zudem studierte er zeitweilig in verschiedenen Städten Deutschlands. Seine Jugend war durch ein katholisches Familienleben geprägt, sodass es kaum verwunderlich erscheint, dass er sich auch früh aktiv für seine Kirchengemeinschaft einsetzte. Seine eigentliche Karriere begann 1913, als er den Katholikentag in Metz erfolgreich plante und durchführte. Während des Ersten Weltkrieges kämpfte er – wenn auch nicht durch Dienst an der Waffe – auf der Seite des Kaiserreichs, bevor er nach der Frontverschiebung in der gleichen Position auf französischer Seite wirkte. Sein Weg in die französische Politik begann schlagartig nach dem Weltkrieg, denn er machte es sich zur Aufgabe als „Jurist“ der Lothringer in der „Union républicaine lorraine“ den Sonderstatus seiner Heimat zu verteidigen und vor allem die „religiösen Freiheiten Elsaß-Lothringens gegen den französischen Staatslaizismus“[21] zu bewahren. Dabei verfuhr er nach der eher unkonventionellen Vorgehensweise, darauf zu verweisen, dass die einzelnen deutschen Gesetze nie aufgehoben wurden und dementsprechend noch immer Geltung besaßen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, seiner Verhaftung im September 1940 und seiner Flucht zwei Jahre später in den unbesetzten Teil Frankreichs[22] kehrte er prompt in hohe politische Ämter zurück und wurde 1946 Finanzminister, 1947 Ministerpräsident und von 1948-1952 Außenminister, wobei beachtet werden muss, dass dieses Amt aufgrund der Schwäche der gebildeten Regierungen mit besonderen Befugnissen verbunden war und er damit objektiv das wohl wichtigste Amt der Vierten anfangs auch der Fünften Republik innehatte.

Alcide de Gasperi wurde 1881 in Pieve Tesino – also bei Trient – geboren und war Bürger Österreich-Ungarns. Während er in Wien von 1900 bis 1905 studierte und promovierte, wurde er 1902 zum Vorsitzenden des Trentiner Katholischen Akademikerverbandes gewählt. 1911 zog er als Abgeordneter für einen ländlichen Wahlkreis bei Trient ins Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrates ein, wenngleich er in seiner Wahlkampfkampagne mehr Autonomie für die Provinz und mehr Demokratie fürs Volk forderte sowie sich gegen militärischen und absolutistischen Zentralismus stellte.[23] Während und nach dem Ersten Weltkrieg hielt er vehement zu seinen Trentinern, sodass er während des Krieges ein Hilfskomitee für die Flüchtlinge aus dem Süden einberief und nach dem Krieg, als er in der Italienischen Volkspartei seine politische Heimat gefunden hatte, von der anderen Seite aus gegen die italienische Bürokratie wetterte und die des ehemaligen Gegners, Österreich-Ungarn, in hohen Tönen lobte.[24] Kohler fasste das passend in den Worten zusammen: „Die Feder des Direktors des „Il Nuovo Trentino“, nur sich selbst treu bleibend, kämpfte in derselben Richtung nur gegen einen anderen Gegner weiter für die Menschen seiner Heimat.“[25]

[...]


[1] Randbemerkung aus einer Aufzeichnung Adenauers über die Hintergründe seiner Reichskanzlerkandidatur, 14. Mai 1926, in: Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus (Hrsg.): Konrad Adenauer. Dokumente aus vier Epochen deutscher Geschichte, Bad Honnef, Rhöndorf 1977, S. 56.

[2] Vgl. G. Schöllgen: Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 3. Aufl., München 2004, S. 20.

[3] Vgl. Adenauer für die Vereinigten Staaten von Europa als dritte Macht, 21. Mai 1950, in: Heinrich von Siegler (Hrsg.): Dokumentation der Europäischen Integration mit besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses EWG-EFTA, Bd. 1(1946-1962), Bonn u.a. o. J., Nr. 39, S. 42.

[4] Vgl. Niederschrift eines Interviews mit der „Bild“-Zeitung, 22. Dezember 1965, in: Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus (Hrsg.), a.a.O., S. 44; „Heute ist es fast schon zu einem Axiom der Politik geworden, daß ohne eine Annäherung, Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland Europa nicht erhalten werden kann. Schon damals habe ich mir vorgenommen, dann, wenn ich jemals wirklich in der Politik tätig sein würde, alles daran zu setzen, um ein gutes Verhältnis zu Frankreich herzustellen.“

[5] Aus einer Wahlkampfrede in der Aula der Universität zu Köln, 13. April 1947, in: Felix Becker (Hrsg.): Konrad Adenauer. „Die Demokratie ist für uns eine Weltanschauung“, Reden und Gespräche 1946-1967, Köln u.a. 1998, S. 36. (27-41)

[6] Vgl. Papiere aus französischen Geheimakten, 1923, in: Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus (Hrsg.), a.a.O., S. 45.

[7] Vgl. H. Haftendorn: Adenauer und die Europäische Sicherheit, in: Dieter Blumenwitz u.a. (Hrsg.): Konrad Adenauer und seine Zeit. Politik und Persönlichkeit des ersten Bundeskanzlers, Bd. 2, Stuttgart 1976, S. 92.

[8] Vgl. W. Weidenfeld: Konrad Adenauer und Europa. Die geistigen Grundlagen der westeuropäischen Integrationspolitik des ersten Bonner Bundeskanzlers (= Europäische Studien des Instituts für Europäische Politik, 7), Bonn 1976, S. 17 ff; Die fünf Bereiche lauten: 1. Die Grundlagen der Europapolitik, 2. Die antinomischen Elemente der Europapolitik, 3. Die Funktion der Europapolitik im umfassenderen politischen Kontext, 4. Einzelne Phasen der Europapolitik, 5. Sektoral begrenzte Probleme der Europapolitik.

[9] Vgl. Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus (Hrsg.), a.a.O., S. 23.

[10] Vgl. A. Kohler: Alcide de Gasperi 1881-1954. Christ, Staatsmann, Europäer, Bonn 1979; Infolge der Forderungen, die vor allem Frankreich unter Schuman stellte, sollte Italien alle Kolonien abtreten, die Kriegsflotte ausliefern, 404 Millionen Dollar Reparationen zahlen und Gebiete an der Alpengrenze abtreten.

[11] Anfangs war für Beschlüsse des Kontrollrates noch Einstimmigkeit vorgeschrieben.

[12] Felix Becker (Hrsg.), a.a.O., S. 7f. (1-10)

[13] Vgl. K. Adenauer: Erinnerungen, Bd. 1(1945-1953), Stuttgart 1965, S. 112 f; „Die Gegensätze zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion entwickelten sich in diesen Jahren in verschiedenen Teilen der Welt: in Deutschland, in Korea, dessen Besetzung ähnliche Probleme aufwarf wie die Besetzung Deutschlands, in Persien, wo die Sowjetunion sich weigerte, den von ihr besetzten nördlichen Teil gemäß einem Abkommen mit den Westalliierten bis zum 2. März 1946 zu räumen, in Griechenland, wo eine starke kommunistische Aktivität zu einem Bürgerkrieg führte, und in der Türkei. Die Aufdeckung sowjetrussischer Atomspionage in Kanada brachte eine weitere Belastung des Verhältnisses zwischen Ost und West. Die Hilfe, die die Sowjetunion den Kommunisten in Griechenland gab, veranlaßte den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Truman, am 11. März 1947 eine sehr scharfe und eindeutige Erklärung an die Adresse der Sowjetunion zu richten.“

[14] Vgl. G. Schöllgen, a.a.O., S. 26; In einem Kommuniqué zur Tagung des Nato-Rates in New York am 19. September 1950 sei lediglich zugesichert worden, dass jeder Angriff gegen die BRD oder Berlin, egal von welcher Seite aus, so behandelt werde, als wäre es ein Angriff gegen sie selbst.

[15] Vgl. H. A. Lücker: Robert Schuman und die Einigung Europas, Luxemburg 2000, S. 54; Im Jahre 1947 musste Schuman sogar ein Gesetz gegen die Kommunisten erlassen, die zu diesem Zeitpunkt sogar die stärkste Partei besaßen.

[16] K. Adenauer: Bundestagsreden, Josef Selbach (Hrsg.), Bonn 1967, S. 72.

[17] Vgl. H.-P. Schwarz: Adenauer und Europa (= Straßburger Gespräche, 1), Melle 1985, S. 14.

[18] A. Kohler, a.a.O., S. 116.

[19] Vgl. H. A. Lücker, a.a.O., S. 16, 58.

[20] Lothringen wechselte von 1871 bis 1945 vier Mal den Landesherren!

[21] H. Maier: Robert Schuman und die Anfänge der deutsch-französischen Versöhnung. Voraussetzung der europäischen Einheit, in: Karl Heinz Debus (Hrsg.): Robert Schuman. Lothringer, Europäer, Christ, Speyer 1995, S. 24.

[22] Vgl. Brief Robert Schumans an Frau Agnes Ernst, in: Ebd. S. 194; Er teilt er sogar vor seiner Flucht mit, dass sie ihn unter dieser Adresse nicht mehr erreichen wird, was beweist, dass er nicht unter ständiger Bewachung stand.

[23] Vgl. Kohler, a.a.O., S. 40f.

[24] Er wollte die regionale Autonomie des Trentino wahren und die österreichische Sozialgesetzgebung beibehalten.

[25] Kohler, a.a.O., S. 47.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Erste Wege zur Einigung Europas
Untertitel
EGKS und EVG aus der Sicht Adenauers
Hochschule
Universität Potsdam  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Europabilder im 20. Jahrhundert
Note
2.0
Autor
Jahr
2009
Seiten
24
Katalognummer
V135905
ISBN (eBook)
9783640439430
ISBN (Buch)
9783640439331
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erste, Wege, Einigung, Europas, EGKS, Sicht, Adenauers
Arbeit zitieren
Marc Benning (Autor:in), 2009, Erste Wege zur Einigung Europas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135905

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Erste Wege zur Einigung Europas



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden