Aggressivität im Alltag einer Heimgruppe - Aggressionen erkennen und bewältigen


Studienarbeit, 2008

22 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


I. Einleitung

1. Hinführung zum und Begründung des Themas

Warum sind Kinder aggressiv? Woher kommt dieses Verhalten? Was ist eigentlich aggressives Verhalten? Und was können die Kinder, aber auch die Erziehungspersonen tun, um ihre Aggressionen angemessen zu bewältigen und richtig mit ihnen umzugehen oder sie gar nicht erst entstehen zu lassen? Man könnte die Liste der Fragen, welche um den Begriff der „Aggressionen“ entstehen, beliebig erweitern. Während meines bisherigen Berufspraktikums in einem Ingolstädter Heim für Kinder und Jugendliche bin ich schon oft auf Aggressionen im Alltag gestoßen und habe mir diese und andere Fragen immer wieder und öfter gestellt. Das Thema meiner Facharbeit habe ich gewählt, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Mir ist aufgefallen, dass die Gruppenkohäsion und die Entwicklung der Gruppe unter den ständigen Konflikten zwischen den Gruppen-mitgliedern, leiden. Die Aggressionen, die täglich in der Praxis auftreten, sollen erkannt und gezielt abgebaut werden, um das Gruppenklima zu verbessern.

2. Eingrenzung des Themas und Schwerpunktsetzung

Bei meiner Arbeit möchte ich mich auf das eigene Erkennen von Aggressionen und die Bewältigung dieser beschränken. Der Schwerpunkt liegt hierbei darauf, dass den Kindern ihre Aggressionen bewusst werden sollen (Was ist aggressives Verhalten? Wann und warum bin ich aggressiv?) und sie Wege kennenlernen sollen, mit diesen angemessen umzugehen (was kann ich tun, um meine Aggressionen abzubauen oder sie angemessen auszuleben?).

3. Aufbau der Arbeit

Der Praxisteil meiner Facharbeit ist ein ca. 6-wöchiges Projekt mit dem Thema „Aggressionen – Aggressionsbewältigung“, welches ich mit der Gesamtgruppe, bestehend aus 10 Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren, durchführe. Der theoretische und praktische Teil dieser Arbeit sollen sich fließend ergänzen. Nach jedem Theorieteil gebe ich einen Einblick, wie ich das theoretische Wissen praktisch mit der Gruppe erarbeitet habe. Zu Beginn möchte ich jedoch zunächst die aktuelle Situation und das vorliegende Problem in der Heimgruppe schildern, welches mich zum Schreiben dieser Arbeit inspiriert hat und ich werde die genauen Ziele meiner Facharbeit benennen. Anschließend werde ich auf den Begriff der „Aggressionen“ eingehen. Ich möchte die Schwierigkeit, diesen Begriff zu definieren, darstellen und verschiedene Definitionen anführen. Danach folgt die Beschreibung, wie ich den Begriff praktisch mit der Gruppe erarbeitet habe. Im zweiten Teil gehe ich auf die Frage, wie Aggressionen entstehen, ein. Ich stelle die psychologischen Entstehungstheorien dar und führe dazu praktische Beispiele aus der Praxis an. Außerdem zeige ich weitere Ursachen für die Entstehung aggressiven Verhaltens, sowie Beispiele dafür aus der Praxis auf und beschreibe die praktische Durchführung in der Gruppe mit dem Thema: „Auslöser für Wut und Aggressionen erkennen“. Im nächsten Abschnitt gehe ich auf die verschiedenen Arten der Aggressionen ein und beschreibe wie sich diese in der Praxis äußern. Der letzte Punkt meiner Arbeit beinhaltet die Aggressionsbewältigung. Ich führe verschiedene Methoden der Aggressionsbewältigung, sowie die Durchführung dieser in der Praxis, auf. Außerdem gebe ich eine kurze Übersicht darüber, was Erzieher in der täglichen Arbeit tun können, um Aggressionen in der Gruppe vorzubeugen. Der Schlussteil umfasst die Zusammenfassung und die Reflexion des Projekts.

1. Problemstellung

Die Zielgruppe der heilpädagogisch-orientierten Jugendhilfe-einrichtung, in der ich mein Praktikum mache, sind Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren und ihre Eltern und Familien, deren derzeitige Situation und Problemlage eine ausreichende Erziehung und Versorgung der Kinder nicht gewährleistet. Das heißt u.a., dass die Kinder aus sogenannten „zerrütteten Lebensverhältnissen“ kommen, was zum Beispiel in dem Vorhandensein einer Suchtproblematik eines oder beider Elternteile besteht, die zu Gewalttätigkeiten und Misshandlung gegenüber dem Kind oder dem Partner führt. In vielen Fällen sind die Kinder bereits selbst aggressiv oder gewalttätig anderen oder sich selbst gegenüber geworden. Dies äußert sich im Gruppenalltag meistens durch verbale Aggressionen. Die Kinder schreien sich gegenseitig, oder aber auch die Erzieher, an und sie betiteln sich gegenseitig mit Schimpf-wörtern. Immer öfter kommt es in der Gruppe auch zu körperlichen Aggressionen (die Mädchen schlagen zu), sowie zu Autoaggressionen (Selbstverletzung z.B. durch Ritzen). Ein schwerwiegendes Problem hierbei ist, dass die Mädchen ihre Aggressionen nicht richtig wahrnehmen und diese für sie bereits normal geworden sind.

Sie wissen oft nicht warum sie aggressiv sind und kennen keine Wege richtig mit diesem Gefühl umzugehen. Dies konnte ich u.a. an folgenden Aussagen der Jugendlichen erkennen: „Lass mich in Ruhe, ich bin gerade aggressiv!“ oder „Ich habe das gemacht um meine Aggressionen raus zulassen!“.

2. Zielsetzung

Die Jugendlichen sollen den Begriff „Aggressionen“ kennenlernen und ihn richtig einsetzen, d.h. sie sollen erkennen: Wann bin ich aggressiv und warum? Wie fühlen sich Aggressionen an und was kann ich dagegen tun? Wie kann ich Aggressionen positiv bewältigen und ausleben, ohne andere oder mich selbst dabei zu verletzen? Den Jugendlichen sollen ihre Aggressionen bewusst gemacht werden und sie sollen sie selbst erkennen und einschätzen können. Mein Ziel ist es außerdem, dass die Mädchen Methoden zur Aggressions-bewältigung kennenlernen, eine geeignete Methode für sich auswählen und diese dann später selbstständig anwenden. Aggressionen im Alltag sollen vermindert und somit das Gruppenklima verbessert und das alltägliche Zusammenleben harmonischer gestaltet werden.

3. Der Begriff „Aggressionen“

3.1. Schwierigkeiten der genauen Definition des Begriffs „Aggressionen“

Grundsätzlich ist es nicht möglich festzuhalten, welche Verhaltensweisen aggressiv sind, sondern nur, welche wir aggressiv nennen. Dies gilt auch für Definitionen aus dem wissenschaftlichen Bereich. Die Unterschiede im individuellen Begriffsverständnis sind vielfältig. Auch wenn in der Alltagswelt eine weitgehende Übereinstimmung darüber zu bestehen scheint, was im menschlichen Verhalten als aggressiv gilt, gibt es wissenschaftlich keine eindeutige und allumfassende Definition des Begriffs Aggression. Aggressivität ist ein sehr komplexes Phänomen und „ein unscharfer Sammelbegriff für ein großes Spektrum von Gefühlsäußerungen und Verhaltensweisen…“ (Sommerfeld, 1996, S.55)

3.2. Definition: „Aggression“

Aggression leitet sich von dem lateinischen Verb „ad-gredi“ ab, was die Bedeutung „sich nähern“, „mutiges Draufzugehen“ hat. (vgl. Huber, 1995, S.10). Der ursprüngliche Begriff bezeichnet somit ein prosoziales Verhalten, während der Begriff heute meist negativ besetzt wird. Auch in der wissenschaftlichen Aggressionsforschung gibt es keine einheitliche Definition des Begriffs; aus diesem Grund existieren unterschiedliche Definitionen: Der Duden gibt für Aggression eine völker-rechtliche und eine psychologische Definition. „1. rechtswidriger Angriff auf ein fremdes Staatsgebiet, Angriffskrieg. 2. (Psychol.) a) [affektbedingtes] Angriffsverhalten, feindselige Haltung eines Menschen od. eines Tieres mit dem Ziel, die eigene Macht zu steigern oder die Macht des Gegners zu mindern…“ (Duden – Das Fremdwörterbuch 8.Auflage, 2005). Nolting fasst die verschiedenen Aspekte des Begriffs Aggression so zusammen: Aggression ist ein „…Verhalten, das darauf gerichtet ist, andere Individuen zu schädigen oder ihnen wehzutun“ (Nolting, 2005, S.15) und im Hobmair steht geschrieben: „Unter Aggression versteht man alle Verhaltensweisen, die eine direkte oder indirekte Schädigung von Organismen und/oder Gegenständen beabsichtigt.“ (Hobmair, Altenthan, Betscher-Ott, Dirrigl, Gotthardt, & Ott, 2003). Es ist ersichtlich, dass es nicht möglich ist, eine einheitliche Definition für den Aggressionsbegriff zu finden. Jedoch scheint es mir sinnvoll festzuhalten, und da bin ich einer Meinung mit Nolting, dass es einen gemeinsamen Kern in allen Definitionen gibt: Aggression umfasst drei Merkmale a) Schaden, b) Intention und c) Normabweichung (vgl. Nolting, 2005, S.14).

3.3. Praktische Erarbeitung des Begriffs „Aggression“ in der Gruppe

Als Ausgangspunkt und zugleich Einleitung des Projekts teilte ich der Gruppe meine Beobachtungen der letzten Wochen, d.h. die auftretenden Aggressionen im Gruppenalltag, mit. Als Ziel des Projekts definierten wir, den Begriff „Aggression“ besser kennenzulernen und einen Einblick in verschiedene Methoden zur Aggressionsbewältigung zu bekommen, um dadurch langfristig die Aggressionen im Gruppenalltag abzubauen.

Zunächst definierte jeder Einzelne für sich auf einem Blatt Papier, was er unter Aggression versteht und gegen wen oder was sich Aggressionen richten können. Ich wollte sehen, auf welchem Wissensstand die Mädchen sich befinden und ob sie erkennen, dass sich Aggressionen auch gegen Tiere, Gegenstände und sich selbst richten können. Den Mädchen fiel es sichtlich schwer einen ganzen Satz zu formulieren, sie notierten einzelne Wörter z.B. Stress, Schreien, Schlagen, Wut usw. Um aufzuzeigen, dass Aggression ein sehr subjektiver Begriff ist und jeder darunter etwas anderes versteht, folgte diese Übung: Die Mädchen zogen einen Zettel auf dem eine mehr oder weniger aggressive Handlung stand (z.B.: „ein Mädchen sagt zu ihrer Erzieherin ‚Du Nutte!‘“, „ein Junge sprüht ein Graffiti an die Hauswand des Heims.“, „ein Autofahrer rast mit Tempo 50 durch eine Spielstraße.“ , usw. Auf einer Einschätzungsskala von 1 bis 10 (1 = nicht aggressiv, 10 = sehr aggressiv) ordneten die Mädchen ihre Aussage ein und die anderen gaben ihre Einschätzung zum selben Verhalten. Auffällig bei dieser Übung war, dass über die Hälfte der Aussagen bei 1 abgelegt wurden und keine bei 10. Ich gehe davon aus, dass die Mädchen folglich keine realistische Aggressionswahrnehmung haben und sehr abgehärtet gegenüber aggressiven Verhaltensweisen sind. Für die Weiterarbeit innerhalb des Projekts sehe ich es daher als notwendig, die Jugendlichen für Aggressivität zu sensibilisieren. Im Alltag werde ich sie auf ihre aggressiven Handlungen oder Äußerungen aufmerksam machen und fragen, auf welche Aggressionsstufe sie sie einordnen würden. Ich sage ihnen auch, auf welche Stufe ich ihre Handlung oder Äußerung einordnen würde. Als Abschluss des ersten Teils, suchten die Mädchen in Kleingruppen verschiedene Definitionen des Begriffs „Aggression“ aus Fachbüchern heraus und die Gesamtgruppe suchte Gemeinsamkeiten in allen Definitionen, so dass zum Schluss eine allgemeine Definition auf ein großes Plakat geschrieben werden konnte, welches wir im Flur der Gruppe auf hingen. Den meisten Jugendlichen wurde zum ersten Mal vor Augen geführt, was Aggression eigentlich ist und was der Begriff bedeutet. Viele hatten das Wort zuvor verwendet, ohne die genaue Bedeutung zu kennen. Im Projektverlauf sollen noch weitere Plakate und Anschauungs-material zum Thema folgen, damit am Ende ein Gesamt-wandbild entsteht, welches als Dokumentation sowie auch als Erinnerung des Projekts dienen soll.

4. Arten von Aggressionen und wie sie sich in der Praxis äußern

4.1. Körperliche – verbale - symbolische Aggressionen

Man kann zunächst zwischen körperlichen, verbalen und symbolischen Aggressionen unterscheiden:

Körperliche Aggression ist die direkte, körperliche Schädigung einer Person oder eines Gegenstandes.

Ich betrachte körperliche Aggression als körperliche Gewalt. Im Gruppenalltag tritt diese Art von Aggressionen z.B. in Form von anrempeln, am Arm packen, Gegenstände auf den Boden schmeißen usw. auf. So hat z.B. J. aus Wut schon einmal die Haustüre eingetreten und T. hat J. daraufhin eine Ohrfeige gegeben.

Verbale Aggressionen passieren ohne Berührungen und treten z.B. in Form von abfälligen Bemerkungen, Beleidigun-gen, Schimpfen und Drohen auf. Sie haben die persönliche Herabsetzung des Gegenübers zum Ziel. Verbale Aggressionen kommen in der Gruppe täglich vor. Ich habe das Gefühl, dass sie bereits so normal geworden sind, dass es einige Jugendliche nicht mehr berührt, wenn sie von anderen beleidigt werden. Ich betrachte es daher als wichtig, den Mädchen aufzuzeigen, dass Aggression nicht gleich körperliche Gewalt ist. Sie müssen lernen, dass bereits eine Beschimpfung eine starke Aggressionsäußerung ist.

Symbolische Aggression geschieht nonverbal und ohne körperliche Berührung. Sie äußert sich in Form von abfälligen Handbewegungen, Gesten und Gebärden. In der Gruppe kann ich oft beobachten, dass sich der Mittelfinger gezeigt wird oder aber auch dem Gegenüber mit der Faust gedroht wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Aggressivität im Alltag einer Heimgruppe - Aggressionen erkennen und bewältigen
Hochschule
Fachakdemie für Sozialpädagogik und Heilpädagogik
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V135888
ISBN (eBook)
9783640621026
ISBN (Buch)
9783640621439
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Aggressivität, Alltag, Heimgruppe, Aggressionen
Arbeit zitieren
Stefanie Wallner (Autor:in), 2008, Aggressivität im Alltag einer Heimgruppe - Aggressionen erkennen und bewältigen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135888

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Aggressivität im Alltag einer Heimgruppe - Aggressionen erkennen und bewältigen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden