Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts

Rechtsnatur und Grenzen der Ausperrung II - BAG GS 21.4.1971, AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf


Seminararbeit, 2008

18 Seiten, Note: 8 (18-Punkte-System verwendet)


Leseprobe


GLIEDERUNG

A) EINLEITUNG

B) DIE RECHTSNATUR DER AUSSPERRUNG UND EIN KURZER ÜBERBLICK ÜBER DIE GESCHICHTE DER AUSSPERRUNG

C) DIE ENTSCHEIDUNG DES BUNDESARBEITSGERICHTS VOM 21.4.1971 UND IHR BEITRAG ZUR ENTWICKLUNG DES ARBEITSKAMPFRECHTS
I. Das Gebot der Verhältnissmäßigkeit
II. Die Suspendierung Aussperrung und die ausnahmeweise lösende Aussperrung

D) ABSCHLIEßENDE BEURTEILUNG
I. Zusammenfassung und Ausblick.

LITERATURVERZEICHNIS

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Chancengleichheit im Arbeitskampf, Köln 1978.

Brox/Rüthers/Henssler, Arbeitsrecht, 17.Auflage, Stuttgart 2007.

Däubler, Wolfgang (Hrsg.), Arbeitskampfrecht, 2.Auflage, Baden-Baden 1987

DGB Bildungswerk, Arbeitnehmerrechte Globalisieren: Gewerkschaften und Arbeitsbeziehungen in Brasilien, den Niederlanden und Deutschland, Düsseldorf 2003 (unter http://www.observatoriosocial.org.br/download/revistasindicalismo.pdf )

Dütz, Wilhelm, Arbeitsrecht, 12.Auflage, München 2007.

Eichmanns, Max, Der Grundsatz der Kampfparität, RdA 1977, 135.

Friauf, Karl Heinrich, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben einer gesetzlichen oder tarifvertraglichen Arbeitskampfordnung, RdA 1986, 188.

Gamillscheg, Franz, Kollektives Arbeitsrecht Band 1, München 1997.

Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, 14.Auflage, Neuwied 2007.

Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht Band 2, 3.Auflage, Passau 2004.

Kalb, Heinz-Jürgen, Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts durch das Bundesarbeitsgericht, RdA 1994, 385.

Kissel, Otto Rudolf, Arbeitskampfrecht: Ein Leitfaden, 1. Auflage, München 2002

Kittner, Michael, Verbot der Aussperrung, Schriftenreihe der IG Metall nr.80, Frankfurt am Main 1978.

Löwisch, Manfred, Besteht ein Grund, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Aussperrung zu ändern?, RdA 1980, 1.

Musa, Wilhelm, Zur Rechtfertigung der Aussperrung, RdA 1971, 346.

Ohm, Wolfgang, Die anerkannte Aussperrung, Köln, 1981.

Otto, Hansjörg, Arbeitskampf und Schlichtungsrecht, 1. Auflage, München 2006.

Preis, Ulrich, Arbeitsrecht, Köln, 2003.

Reuter, Dieter, Streik und Aussperrung, RdA 1975, 275.

Richardi, Reinhard, Kollektives Arbeitsrecht, München 2007.

Richardi, Reinhard, Der Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 21. April 1971, RdA 1971, 334.

Schneider, Michael, Aussperrung: ihre Geschichte und Funktion vom Kaiserreich bis heute, Köln, 1980.

Scholz, Rupert/Konzen, Horst, Die Aussperrung im System von Arbeitsverfassung und kollektivem Arbeitsrecht, Berlin 1979.

Seiter, Hugo, Streikrecht und Aussperrungsrecht, 1.Auflage, Tübingen 1975

Söllner/Waltermann, Arbeitsrecht, 14.Auflage, München 2007.

Söllner, Alfred, Zur Zulässigkeit der Aussperrung nach geltenden Recht aus rechtsgeschichtlicher Sicht, RdA 1980, 14.

Steinmeyer/Waltermann, Casebook Arbeitsrecht, 2.Auflage, München 2000.

Wolf, Ernst, Das Recht zur Aussperrung, München 1981.

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A) EINLEITUNG

Die Arbeitsbeziehungen in Deutschland sind geprägt von einer langen Geschichte gewerkschaftlicher Kämpfe, welche zu den Sozialpartnerschaften eines Arrangements von Rechten und Pflichten gebracht hat, die sich in der Nachkriegszeit langsam entwickelt und gefestigt haben.

Die Sozialpartnerschaft wird von den Säulen der Tarifautonomie, des Flächentarifvertrags und der Mitbestimmung getragen. Außerdem ist die Koalitionsfreiheit durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert.

Das Erreichen einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Löhne bringt manchmal Streit, welcher eine Arbeitskampfmaßnahme, sowie Streik, Ausperrung oder Boykott ausrufen kann.

Jedoch in diesem spezifischen Bereich, der als Arbeitskampfrecht genannt ist, haben nicht einmal die Jahre aus gewerkschaftlichen Kämpfen genügt, um eine gesetzliche Regelung zu schaffen[1], so dass in diesem Gebiet die Gerichtesentscheidungen eine wichtige Rolle spielen.

Das Arbeitskampfrecht ist einer von diesen sehr stark vom Richterrecht geprägten Bereiche, das nur in Art. 9 Abs.3 des Grundgesetzes ausdrücklich erwähnt ist[2]. Jedoch enthält dieser Artikel nicht den Begriff „Aussperrung“[3] und auch in der Literatur ist die Aussperrung ebenso umstritten.

Es obliegt den Gerichten diesen rechtsleeren Raum auszufüllen und die Frage der Zulässigkeit der Aussperrung festzulegen, sowie die Voraussetzung ihre Zulässigkeit.

Diese Seminararbeit hat als Ziel, die Grundentscheidung von 21.4.1971 und ihren Beitrag zur Entwicklung des Arbeitskampfrechts, insbesondere in Bezug auf die Rechtnatur und den Grenzen der Aussperrung, zu analisieren.

B) DIE RECHTSNATUR DER AUSSPERRUNG UND EIN KURZER ÜBERBLICK ÜBER DIE GESCHICHTE DER AUSSPERRUNG.

Arbeitskampf ist „die kollektive Maßnahme der Arbeitgeber – oder Arbeitnehmerseite zur Störung der Arbeitsbeziehungen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen“[4]. Die Druckausübung muss einerseits von mehreren Arbeitnehmern in kollektiver Verbundenheit getragen werden und anderseits auch gegen mehreren Personen oder einen einzelner Arbeitgeber gerichtet sein.

Die Aussperrung, sowie der Streik, ist eine Erscheinungsform des Arbeitskampfrechts und stellt ein Kampfmittel der Arbeitgeberseite dar. Damit kann die Arbeitgeberseite in das Kampfgeschehen eingreifen und sich nicht nur darauf beschränken, einen Streik hinzunehmen.

Durch die Ausperrung (von Lock-out) ist eine Gruppe von Arbeitnehmern planmäßig gesperrt – ohne voherige Kündigung, die Arbeitleistung zu erbringen unter der folgenden Verweigerung des Arbeitsentgelts, um dadurch ein Tarifziel zu erreichen. Die Aussperrung ist eine kollektiv-rechtliche Maßnahme, d.h., dass die Aussperrung eine kollektivrechtliche Natur hat, weil mehrere Arbeitnehmer davon betroffen sind.

Die Arbeitsniederlegung als kollektive Druckausübung ist üblicheweise mit der Industrialisierung verbunden, obwohl ihre Erscheinung weiter zurückliegt. Schon im Altertum und im Mittelalter, als die Handwerksgesellen sich in Genossenschaften organisiert haben, gibt es Berichte über wirtschaftliche Auseinanderesetzungen.[5]

Die Reichsgewerbeordnung vom 21.7.1869 hat durch §152 alle Verbote “wegen Verabredungen und Vereinigung zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingung, insbesondere mittelst Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter” aufgehoben, aber ihr Inhalt war nur negativ bestimmt[6].

Seinerseits hat die Weimarer Verfassung zum ersten Mal die Koalitionsfreiheit unter verfassungsrechtlichen Schutz gestellt, jedoch die Arbeitskampffreiheit auch weiterhin rein negativ bestimmt, ohne ein Streikrecht oder Aussperrungsrecht zu schaffen, die das Vereinigungsrecht gewährleisten könnten.

Während des Dritten Reichs erlebt das Arbeitsrecht das Trauma der Zerschlagung der freien Gewerkschaften und damit das Verbot des Arbeitkampfs.

Trotz einer langen Geschichte und Tradition, unterblieb bis Heute eine Regelung des Arbeitskampfrechts. Das Gesetz hat wenig dazu beigetragen, eine Definition für Arbeitskampfrecht zu entwickeln. In diesem Bereich fehlt eine Regelung, anders als im Tarif und Mitbestimmunsrecht, die schon geregelt sind.

In Art. 9 Abs.3 des Grundgesetzes ist Arbeitskampf ausdrücklich erwähnt, jedoch sind die Begriffe Aussperrung und Streik nicht im GG enthalten[7]. Bundesgesetzliche und landesrechtliche Vorschriften fehlen auch, mit Ausnahme von der Verfassung des Landes Hessen, wo die Aussperrung verboten ist.

Aufgrund des Mangels einer gesetzlichen Regelung sind die Gerichte, insbesondere das Bundesarbeitsgericht und das Bundesverfassungsgericht, an die Stelle des Gesetzgebers getreten[8]. Es obliegt den Gerichten, die Voraussetzung für Arbeitskampfmaßnahmen bzw. die Abgrenzung ihres Einsatzes und ihre Zulässigkeit festzustellen, so dass das Arbeitskampfrecht Richterrecht ist.

Neben dem Streik als Kampfmittel, hat die Aussperrung jedoch eine andere Entwicklung erfahren. Die Zulässigkeit des Streiks hat sich von einem Verbot zu einem anerkannten Rechtsinstitut des Arbeitskampfrechts entwickelt. Seinerseits hat die Aussperrung sich von einer absoluten Zulässigkeit zu einer erheblichen Einschränkung entwickelt.

Die erste Grundsatzentscheidung ist der Beschluss des Großen Senats vom 28.1.1955, kurze Zeit nach Schaffung des BAG. Diese Entscheidung bezog sich auf die Nipperdeysche Konzeption, damals Präsident des BAG, und bewertet die Aussperrung als einen kollektiven Akt, wie der Streik, so dass beide Begriffe, Aussperrung und Streik, in dem Oberbegriff Arbeitskampf umgefasst sind.

Diese Entscheidung ist von grundlegender Bedeutung, weil sie keinen relevanten Unterschied zwischen Abwehraussperrung und angreifenden Arbeitskampfmittel macht und auch weil sie die lösende Aussperrung als zulässig anerkannt hat. Da das Arbeitsverhältnis durch den Streik schon suspendiert sei, sei die suspendierende Aussperrung sinnlos.[9]

Das bedeutet, dass die Aussperrung das Arbeitsverhältnis auflöst, ohne dass es seitens des Arbeitgebers einer Kündigung der Arbeitsverträge bedarf, weil der Arbeitgeber mit der Aussperrung selbst die Arbeitsverhältnisse beenden kann.

[...]


[1] Mit Recht, denn schon im 1971 sagte Richardi (in RdA 1971, 334, 334): „eine gesetzliche Regelung ist auch in Zukunft nicht zu erwarten“. Nach mehr als drei Jahrhunderten ist noch keine Regelung geschaffen. Erwähnenswert ist der Professorentwurf für ein „Gesetz zur Regelung kollektiver Arbeitskonflikte“, der im Herbst 1988 vorgelegt wurde und den Höhepunkt der Bemühung um eine Kodifikation des Arbeitskampfrechts darstellt.

[2] Art. 9, III, 3 : Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs.2 und 3, Artikel 87a Abs.4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

[3] Der Artikel 9, Abs. 3 des Grundgesetzes enthält weder den Begriff „Aussperrung“ noch „Streik“.

[4] Hromadka/Maschmann, §14, Rn.14.

[5] Otto, §2, Rn.1

[6] Richardi, RdA 1971, 334, 334.

[7] Die Aussperrung wurde erst in den achtziger Jahren als verfassungsrechtlich geschütztes Arbeitskampfmittel der Arbeitgeber durch die Entscheidung des BAG offiziell anerkannt. (BAG 12.9.1984 AP Nr.81, BAG 26.4.1988 AP Nr. 101 beide zu Art. 9 GG Arbeitskampf) und 1991 durch Urteil des BVerfG bestätigt (BVerfG 26.6.1991 AP Nr. 117 zu Art.9 GG Arbeitskampf).

[8] Richardi in RdA 1971, 334, 336 spricht von der sogenanten “Ersatzgesetzgeberschaft“.

[9] Kissel, §52 Rn 6.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts
Untertitel
Rechtsnatur und Grenzen der Ausperrung II - BAG GS 21.4.1971, AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf
Hochschule
Universität Münster
Note
8 (18-Punkte-System verwendet)
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V135819
ISBN (eBook)
9783640444687
ISBN (Buch)
9783640444748
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Arbeitskampfrechts, Rechtsprechung, Bundesarbeitsgerichts, Bundessozialgerichts, Rechtsnatur, Grenzen, Ausperrung, Arbeitskampf
Arbeit zitieren
LL.M. Ana Clara Cardoso Oliveira da Silva (Autor:in), 2008, Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135819

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