Jenaer Romantik

Die blaue Blume in "Heinrich von Ofterdingen"


Hausarbeit, 2009

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die blaue Blume in „Heinrich von Ofterdingen“
1. Die blaue Blume und die Liebe
2. Die blaue Blume und die Poesie
3.Das Pflücken der blauen Blume

III. Schluss

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Jena ist der Ort, wo romantische Literatur geboren wurde. Diese „Geburt“ findet in den Jahren von 1790 bis 1810 statt. Im Proseminar „Jenaer Romantik“ haben wir die Werke der Frühromantiker Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck, Sophie Mereau und Novalis, eines der wichtigsten unter den romantischen Autoren, gelesen. „Heinrich von Ofterdingen“ ist ein Roman von Novalis, der aus zwei Teilen besteht. Der erste Teil, die „Erwartung“, beinhaltet zwei Träume, viele Erzählungen und Äußerungen über Poesie. Heinrich trifft Mathilde und erlebt die Macht der Liebe. Das Treffen mit Mathilde erinnert ihn an die blaue Blume. Der erste Teil wird durch das Märchen, das Klingsohr erzählt, abgeschlossen. Novalis vereinigt in dem Roman die Prosa und Poesie, den Mythos und das Märchen, die Allegorie und das Symbol. Es lässt sich gut Schlegels Begriff der „progressiven Universalpoesie“ verwerten. Da in „Heinrich von Ofterdingen“ unzählige Gespräche über Poesie geführt werden, gilt der Roman als Reflexionsroman, „Poesie der Poesie“ oder „Transzendentalpoesie“.[1] Im ersten Teil reift Heinrich zum Dichter. Im zweiten Teil die „Erfüllung“ muss Heinrich zum Dichter verklärt werden. Aber der Roman wurde nicht vollendet, denn Novalis starb im Jahr 1801. „Heinrich von Ofterdingen“ wurde von Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck im Jahr 1802 herausgegeben. So, wie das Leben von Novalis in seiner Hochzeit abbrach, wurde sein Roman in der Hochzeit abgebrochen.

In seinem Roman stellt Novalis alles durch das Symbol dar. Eine besondere Rolle spielt hier die blaue Blume, die dank Novalis ein zentrales Symbol der Romantik geworden ist. Im Traum sieht Heinrich die blaue Blume, die bei ihm die Sehnsucht nach Ferne auslöst.[2] In dieser Hausarbeit möchte ich mich mit dem Roman von Novalis „Heinrich von Ofterdingen“ und mit dem Thema die blaue Blume beschäftigen. Die Themen blaue Blume, Liebe und Poesie verschlingen sich im Roman und haben einen „symbolisch-analogischen Zusammenhang“.[3] Im ersten Teil werde ich untersuchen, in welchem Verhältnis die blaue Blume zur Liebe steht. Ich werde auch biographische Ansätze anwenden, um den Zusammenhang zwischen Mathilde und Sophie von Kühn zu zeigen, der dreizehnjährigen Verlobte von Novalis, welche an einer schweren Krankheit starb. Der Tod Sophies war das Schlüsselerlebnis von Novalis, das zu seiner Geburt als Dichter führte.[4]

Im zweiten Teil meiner Hausarbeit werde ich mich mit dem Thema Poesie in „Heinrich von Ofterdingen“ beschäftigen. Poesie ist das bedeutendste Thema im Roman. „Die Welt muss romantisiert werden“, schreibt Novalis in „Blütenstaub“. Er will das Gewöhnliche ungewöhnlich und das Endliche unendlich machen, die Grenze zwischen Welt und Traum verwischen. Das Mittel dafür ist die Poesie. Bei Novalis bedeutet „Romantisieren“ dasselbe, was „Poetisieren“.[5] Für diese steht das Symbol der blauen Blume.

Den dritten Teil der Hausarbeit werde ich dem Thema des Pflückens der blauen Blume widmen. Was könnte das eigentlich bedeuten? Wenn die Liebe in Beziehung zur blauen Blume steht und die blaue Blume ein Symbol der Poesie ist, muss das Pflücken der blauen Blume mit Liebe und Poesie zusammenhängen. Ich werde versuchen, anhand der Gedichte von Goethe den Prozess des Pflückens der Blume zu erklären. Auch werde ich mich mit dem Tiecks Bericht über die Fortsetzung des Romans beschäftigen, weil das Pflücken der blauen Blume am Ende des Romans stattfinden musste, was wegen des Tods von Novalis nicht geschah.

II. Die blaue Blume in „Heinrich von Ofterdingen“

1. Die blaue Blume und die Liebe

Blau bekam einen zentralen Stellenwert durch das Werk des Philosophen, Musikers, Juristen, Naturwissenschaftlers und Dichters Friedrich von Hardenberg, der unter dem Pseudonym Novalis schrieb. Der Roman „Heinrich von Ofterdingen“ beginnt damit, dass Heinrich an die blaue Blume denkt „ Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager, und gedachte des Fremden und seiner Erzählungen. „Nicht die Schätze sind es, die ein so unaussprechliches Verlangen in mir geweckt haben“ sagte er zu sich selbst; „fern ab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn ich mich zu erblicken. Sie liegt mir unaufhörlich im Sinn, und ich kann nichts anders dichten und denken. So ist mir noch nie zumute gewesen: es ist, als hätt ich vorhin geträumt, oder ich wäre in eine andere Welt hinübergeschlummert; denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer hätte da sich um Blumen bekümmert, und gar von einer so seltsamen Leidenschaft für eine Blume hab ich damals nie gehört.“[6] Dieser Traum war aber nicht ein einfacher Prozess, sondern eine Reise in eine Welt der höhen Wirklichkeit.[7] Dann schläft er wieder ein und träumt, dass er sich auf der Suche nach der Blume macht, die ihn zu einer Höhle führt. Er sieht unter dem schwarzblauen und reinen Himmel auf einer Wiese, die von dunkelblauen Felsen umgegeben wird, eine hohe lichtblaue Blume, in dem er ein Gesicht erblickt. Und später nach dem Fest bei seinem Großvater träumt Heinrich wieder von der blaue Blume. „Welcher sonderbare Zusammenhang ist zwischen Mathilde und dieser Blume? Jenes Gesicht, das dem Kelche sich mir entgegenneigte, es war Mathildens himmlisches Gesicht“.[8] Gerhard Schulz schrieb in seinem Buch „Universum und blaue Blume“, dass der erste Traum persönliche erotische Phantasie von Novalis sei, der mit der dreizehnjährigen Sophie von Kühn verlobt war und die früh gestorben ist. Nach Sophies Tod schreibt Novalis in einem von Briefen zu seinem Freund, dem Kreisamtmann Just, „Eine plötzliche Umänderung tut sehr weh. – Es ist gewiss, ich muss meine ganze vorige Existenz vergessen! Die Erde hatte ich so lieb! Ich freue mich so herzlich auf die liebten Szenen, die mir bevorstanden. “[9] Und Schulz deutet die Blume als das Symbol des „Liebesaktes“ und des „Akt[es] der Vereinigung“[10] Friedrich Hiebel wiederum, der österreichische Publizist und Schriftsteller, schrieb, dass die blaue Blume „das Sinnbild eines Sinnes“ oder „Wahrnehmungsorgan der Seele“ ist und keinen physischen Sinn hat, der mit physischen Körperorganen verwandt ist aber sehr nah dem Herzen, „dem Zentralorgan unseres Blutes und Lebens, dem sich die Liebe kundgibt“.[11]

Die Erzählungen der Ritter über das heilige Grabe im vierten Kapitel des Romans lösen bei Heinrich Phantasien aus: „die Blume seines Herzens ließ sich zuweilen, wie ein Wetterleuchten in ihm sehn“[12] In diesem Augenblick hört er einen Gesang einer weiblichen Stimme. Diese Stimme gehört Zulima, die ein Lied der Sehnsucht singt. Begegnung mit Zulima erweckt in Heinrich Mitleid und er will ihr helfen und nach Hause zurückbringen. Das „Wetterlichten“ seines Herzens erinnert ihn an blaue Blume. So ist Zulima eine Ahnung Mathildes.[13]

Für Heinrich existiert nur eine einzige Frau, die man mit der blauen Blume vergleichen kann. Unter „unzählige[n] Blumen von allen Farben“[14] sieht Heinrich die einzige blaue Blume und so ist für ihn Mathilde die Einzige. Mathilde ist seine Liebe und seine Muse und steht im Zusammenhang mit Sophie. Blaue Blume ist somit Symbol Mathildes.[15] So ist blaue Blume in „Heinrich von Ofterdingen“ Symbol der Liebe, die zur Ewigkeit führt, weil nur durch das Gefühl der reinen Liebe der Mensch unsterblich sein kann. Liebe vereinigt zwei Menschen und diese Vereinigung von Heinrich und Mathilde muss eigentlich als Hochzeit gefeiert werden. Aber statt einer Beschreibung dieser irdischen Hochzeit erzählt Klingsohr ein Märchen, deren Gestalten mit dem Roman zusammenhängen. Und am Anfang des zweiten Teils des Romans wird das Geistkind von Heinrich und Mathilde als Ergebnis ihrer Liebe geboren, das in seiner Rede über sich Blumensymbolik verwendet:[16]

Ich duftete, die Blume schwankte still

In goldner Morgenluft. Ein inners Quellen

War ich, ein sanftes Ringen, alles floss

Durch mich und über mich und hob mich leise.

Da sank das erste Stäubchen in die Narbe,

Denkt an den Kuss nach aufgehobnem Tisch.

Ich quoll in meine eigne Flut zurück –

Es war ein Blitz, - nun konnt ich schon mich regen,

Die zarten Fäden und den Kelch bewegen[…]

Nicht einzeln mehr nur Heinrich und Mathilde

Vereinten beide sich zu Einem Bilde. –

Ich hob mich nun gen Himmel neugeboren,

Vollendet war das irdische Geschick

Im seligen Verklärungs-Augenblick.[17]

Also ist Astralis ein geistiges Kind von Mathilde und Heinrich, weil Mathilde eigentlich zu diesem Zeitpunkt schon gestorben ist. Astralis ist kein Symbol der blauen Blume, sondern symbolische Äußerung der geistigenen Vereinigung von Mathilde und Heinrich.

2. Die blaue Blume und die Poesie

Novalis hat zuerst geplant, eine Rezension über Goethes „Wilhelm Meister“, den er „fast auswendig gekannt“, zu schreiben. Aber später trat an die Stelle der Rezension „Heinrich von Ofterdingen“. Und wie Wilhelm Meister hat der Roman von Novalis die Züge eines Bildungsromans. Die Geschichte von Ofterdingen ist eine Geschichte darüber, wie die neue Seele in die Welt kommt und wie sich die Welt durch diese Seele verbreitet. Der Heinrichs Weg ist der Weg der Suche nach der blauen Blume oder der Weg zum Erreichen des Sinnes der Poesie. Wie Wilhelm will Heinrich seine Bestimmung im Leben finden. Aber Wilhelm steht vor Wahl, ob er der Kunst Vorzug gibt oder immerhin dem praktischen Beruf. So entwickelt sich Wilhelm in Goethes Roman auf der Ebene der Realität, Heinrich hingegen auf der irrealen Ebene: „Heinrichs Reise ist eine Reise in die eigene Innenwelt, es handelt sich um eine Bewegung zu sich selbst“[18] Novalis Ziel ist die Welt durch Poesie zu verändern. „Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder. Romantisieren ist nichts als eine quantitative Potenzierung. Das niedre Selbst wird mit einem besseren Selbst in dieser Operation identificirt. So wie wir selbst eine solche Potenzenreihe sind. Diese Operation ist noch ganz unbekannt. Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe so romantisiere ich es – Umgekehrt ist die Operation für das Höhere, Unbekannte, Mysterische, Unendliche – dies wird durch diese Verknüpfung logarythmisiert - Es bekommt einen geläufigen Ausdruck. Romantische Philosophie. Lingua romana. Wechselerhöhung und Erniedrigung“[19] schreibt er im Blüthenstaub-Fragment.

Heinrich war zwanzig, als er von seiner Heimat Abschied nahm. In diesem Alter wird Heinrich zum Manne und erhält seine Freiheit und Individualität. Die Kaufleute, mit denen er und seine Mutter reist, sagen, dass sie sich „nie über die Geheimnisse der Dichter bekümmert haben“ und doch erzählen ihm über das Wesen der Poesie. „Der Dichter [erfüllt] das inwendigste Heiligtum des Gemüts mit neuen, wunderbaren und gefälligen Gedanken. Er weiß jene geheimen Kräfte in uns nach Belieben zu erregen, und gibt uns durch Worte eine unbekannte herrliche Welt zu vernehmen. Wie aus tiefen Höhlen steigen alte und künftige Zeiten, unzählige Menschen, wunderbare Gegenden, und die seltsamsten Begebenheiten in uns herauf, und entreißen uns der bekannten Gegenwart. Man hörte fremde Worte und weiß doch, was sie bedeuten sollen. Eine magische Gewalt üben die Sprüche des Dichter aus; auch die gewöhnlichen Worte kommen in reizender Klängen vor, und berauschten die festgebannten Zuhörer.“[20] Und weiter trifft Heinrich den Bergmann, den Einsiedler, mit deren Hilfe er sich zum Dichter entwickelt. Aber ein besonders wichtiges Treffen fand mit dem Dichter Klingsohr statt, dem Freund von Heinrich Großvater, mit dem er lange Gespräche über Poesie führte. Klingsohr ist sein Lehrer und er stellt Goethe dar.[21] Klingsohr erklärt Heinrich, wie man Verstand und Gemüht in Gleichgewicht hält und sagt, dass Begeisterung ohne Verstand gefährlich ist und erzählt, wie ein Dichter sein muss, „Ein Dichter muss nicht den ganzen Tag müßig umherlaufen, und auf Bilder und Gefühle Jagd machen. Das ist ganz der verkehrte Weg. Ein reines offenes Gemüt, Gewandtheit im Nachdenken und Betrachten, und Geschicklichkeit alle seine Fähigkeiten in eine gegenseitig belebende Tätigkeit zu versetzen und darin zu erhalten, das sind die Erfordernisse unserer Kunst “[22] Und als Leitmotiv dieser „Kunst“ dient die blaue Blume, die Novalis mit der geliebten Mathilde vergleicht. Die blaue Blume ist Inhalt des ganzen Werkes von Novalis. Er sieht zunächst die Wunderblume im Traum, später trifft er sein Schicksal, Mathilde, und zuletzt höhere Realität – die Poesie.[23] Und wer diese Wunderblume findet, der findet sich selbst. Die blaue Blume und die Sehnsucht lassen poetischen einen Vorgang entwickeln und erschaffen das lyrische Ich.[24] Heinrich findet sich selbst, indem er Mathilde trifft und sich zum Dichter entwickelt. Durch die Poetisierung versucht Novalis eine Welt in der Wirklichkeit zu schaffen und nicht außerhalb. Er kehrt die Welt qualitativ um, indem er das Niedrige erhöht und das Gewöhnliche ungewöhnlich zeigt.[25]

[...]


[1] Vgl. Pikulik, Lothar: Frühromantik: Epoche – Werke – Wirkung. München 1992. S.236

[2] Brenner, Peter: Neue deutsche Literaturgeschichte. Tübingen 2004. S.122

[3] Vgl. Pikulik ebd, S. 225

[4] Vgl. Hiebel, Friedrich: Novalis. Bern 1951. S.46

[5] Vgl. Pikulik ebd, S.78

[6] Novalis: Heinrich von Ofterdingen (Reclam), S.9

[7] Vgl. Hiebel ebd, S.274

[8] Novalis ebd, S.105

[9] Hesse, Hermann: Novalis. Dokumente seines Lebens und Sterbens. Frankfurt a. Main 1976.S.56

[10] Vgl. Schulz, Gerhard: Universum und blaue Blume. Oldenburg 2002. S.8

[11] Hiebel ebd, S.287

[12] Novalis ebd, S.55

[13] Vgl. Hiebel ebd, S.276

[14] Novalis ebd, S.11

[15] Vgl. Pikulik ebd, S.225

[16] Vgl. Hiebel ebd, S.289

[17] Novalis ebd, S.155

[18] Kremer, Detlef: Romantik. 2.Auflage. Stuttgart, Weimar 2003. S.127

[19] Novalis: Blüthenstaub (Athenäum, 1798)

[20] Novalis ebd, S.27

[21] Vgl. Hiebel ebd, S.268

[22] Novalis ebd, S.111

[23] Vgl. Hiebel ebd, S.274

[24] Vgl. Sorg, Bernhard: Lyrik interpretieren: Eine Einführung. Berlin 1999.S.107

[25] Vgl. Pikulik ebd, S.220

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Jenaer Romantik
Untertitel
Die blaue Blume in "Heinrich von Ofterdingen"
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
14
Katalognummer
V135793
ISBN (eBook)
9783640460694
ISBN (Buch)
9783640613205
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jenaer, Romantik, Blume, Heinrich, Ofterdingen
Arbeit zitieren
Evgeniya Yakovleva (Autor:in), 2009, Jenaer Romantik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135793

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