Der Genozid in Ruanda 1994

Eine Untersuchung der Rolle der Medien unter besonderer Berücksichtigung des Radios


Examensarbeit, 2009

82 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Völkermord

3. Medien in Afrika
3.1 Die Printmedien
3.2 Der Rundfunk
3.3 Medien in Ruanda

4. Kangura

5. RTLM: Das Radio als tödliche Waffe?
5.1 Die Sendezeit
5.2 Die Hörer
5.3 Gesellschaftliche Strukturen
5.4 Rhetorik von Gewalt
5.5 Analyse der Sendungen
5.5.1 Das Format der Sendungen
5.5.2 Themen der Sendungen
5.6 Medientheorie: Die „überzeugende“ Kommunikation
5.7 Die These der minimalen Effektivität

6. Schluss

7. Bibliographie

8. Nachweis der Abbildungen

1. Einleitung

Die Frage, was Völkermord ist, wird in der Forschung überaus kontrovers diskutiert[1]. Bei einigen Fällen, so dem stalinistischen Regime, dem Morden der Khmer Rouge in Kambodscha oder dem deutschen Vernichtungsfeldzug gegen die Herero 1904/1905, ist es unklar, ob sie als Genozid klassifiziert werden können. Andere Fälle hingegen sind ganz eindeutig dieser Art des Verbrechens zuzuordnen. Darunter fallen die Massenmorde an den Armeniern durch das jungtürkische Regime, die nationalsozialistischen Genozide und der hier im Blickpunkt stehende Genozid in Ruanda.

Der Begriff ‚Genocide’ wurde 1944 von Raffael Lemkin (1900-1959) in dem Buch Axis Rule in Occupied Europe geprägt[2]. Die Bezeichnung für das Verbrechen des Völkermordes ist also wesentlich neuer als die Existenz des Verbrechens selbst. Bis heute existiert keine universell akzeptierte Definition von Völkermord oder genauer von Verbrechen gegen die Menschheit. Fest steht jedoch, dass sie eine fundamental inhumane Behandlung der Bevölkerung bedeuten, oft begründet in rassischen, politischen, religiösen oder anderen Einstellungen[3]. Am 9. Dezember 1948 wurde die „Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Genozids“ als Resolution 260 A(III) einstimmig von der Volksversammlung der UNO verabschiedet. Im Jahr 1951 trat sie dann in Kraft.

In dieser Konvention wird Völkermord unter drei Aspekten definiert. Erstens werden verbrecherische Handlungen und Praktiken aufgelistet, zweitens wird eine präzise Absicht, das heißt die völlige oder teilweise Zerstörung einer Opfergruppe, unterstellt, und drittens werden Gruppen, die zum Opfer eines Genozids werden können, aufgelistet. Hierunter fallen nationale, rassische, ethnische oder religiöse Gruppen.

Artikel II der Konvention enthält mit fünf Absätzen eine Liste von Handlungen, die Völkermord darstellen:

1. Tötung von Mitgliedern der Gruppe.
2. Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe.
3. Vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.
4. Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind.
5. Gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe[4].

Im Fall von Ruanda wurden die ersten beiden Punkte erfüllt, weshalb heute niemand ernsthaft mehr bestreitet, dass hier ein Völkermord stattfand.

Der Völkermord von Ruanda im Jahr 1994 beinhaltet umfangreiche Gewalttaten, die am 6. April begannen und bis Mitte Juli desselben Jahres andauerten. In drei Monaten wurden knapp eine Million Menschen ermordet. Ein Zitat eines UNAMIR-Offiziers aus einem Interview mit Human Rights Watch aus dem Jahr 1997 zeigt das Besondere dieses Völkermordes:

„Den Krieg habe ich schon zuvor gesehen, aber ich habe niemals eine Frau mit einem Kind auf dem Rücken gesehen, die eine andere Frau mit einem Kind auf dem Rücken tötet“[5]

Nachbarn und Bekannte, die mit ihren Opfern jahrzehntelang in Frieden zusammengelebt hatten und sozial verbunden waren, fingen auf einmal an, diese auf brutalste Weise abzuschlachten. Kennzeichnend für den Genozid in Ruanda ist die soziale Nähe zwischen den Opfern und den Tätern ebenso wie die unmittelbare körperliche Nähe im Moment des Tötens. Die Frage nach den Gründen dieses Phänomens, auf die ich gleich zurückkommen möchte, ist berechtigt.

Die Vernichtung aller Tutsi war das Ziel der Hutu. In einem „massiven Reinigungsritual“[6] sollte das Volk ein für allemal von den fremden und blockierenden Elementen gesäubert werden[7]. Viele Aussagen könnte man hier noch anfügen, welche die Absicht der Hutu belegen, dies soll jedoch zur Bestätigung, dass der erste Punkt der eben aufgezählten in Ruanda erfüllt wurde. Dass die Absicht bestand, schweren und körperlichen Schaden an Mitgliedern der Tutsi zu verursachen, kann ebenfalls an verschiedenen Praktiken während des Genozids festgemacht werden. So gibt es viele Beispiele von Frauen, die wochenlang vergewaltigt wurden. Ebenso gibt es Fälle, wo Menschen gezwungen wurden, ihre eigenen Familienmitglieder umzubringen oder sexuelle Handlungen unter den Augen der Täter durchzuführen etc.[8].

Bezüglich der bereits formulierten Fragestellung, worin die aktive Beteiligung der Bevölkerung an dem Morden ohne spezifischen Anlass im Verhalten der Opfer begründet sein könnte, gibt es verschiedene Bereiche, in welchen Antworten zu finden sind.

In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwiefern die Medien einen Einfluss auf die Geschehnisse vor und während des Völkermordes hatten. Dass dieser Einfluss vorhanden war, wird kaum angezweifelt. Die Frage ist vielmehr, wie groß er war. Diese Forschungskontroverse ist momentan in vollem Gange und produziert ein weites Spektrum von Vorschlägen. In Filmen, die den Genozid zu ihrem Inhalt gemacht haben, kommt den Medien und vor allem dem Radio eine sehr große Bedeutung zu. Ebenso spielt das Radio in den politischen Diskussionen um die Frage, wie solche Vorkommnisse in Zukunft verhindert werden könnten, eine zentrale Rolle. Auch das United Nations International Criminal Tribunal for Rwanda (ICTR) stellte die Bedeutung der Medien heraus, als es drei Journalisten wegen des „Verbrechens gegen die Menschheit“[9] verurteilte[10]. Begriffe, die in der Forschung fallen, weisen einen ähnlichen Charakter auf. So findet man immer wieder programmatische Titel wie „radio dispatcher of murder“[11], „radio murder“[12], the „voice of genocide“[13], „a tool for mass murder“[14] and „call to genocide“[15]. Alle diese Titel oder Bezeichnungen betonen sehr stark die Funktion und ausgehende Wirkung des Radios. Die Bezeichnung „Radio Machete“[16] setzt das Radio sogar buchstäblich mit einer gefährlichen Waffe gleich.

Vor allem zwei Meinungen über die Rolle des Radios und die Mechanismen seiner Wirkung stehen sich in der Forschungskontroverse gegenüber. Die erste beinhaltet die Annahme, dass durch die Radiosendungen direkt Ideen in die Köpfe der Hörer implantiert wurden, so dass dadurch die Ausübung der Gewalt bedingt und legitimiert wurde[17]. Aus einer Studie von Christine Kellow und H. Leslie Steeves folgerten diese, dass das Radio ein Bewusstsein von Hass und Angst in das Volk indoktrinierte, das vorher in der Lebenswelt der Ruander nicht vorhanden war[18]. Ein Faktor, der als maßgeblich für das Ausmaß des Völkermordes angesehen wird. Diese Annahme wird zum momentanen Zeitpunkt von der Mehrheit der Wissenschaftler geteilt und taucht in den meisten Veröffentlichungen zu diesem Thema auf.

Die andere Annahme geht davon aus, dass das Radio die Stimme der Regierung bzw. einer hohen Autorität darstellte. Wenn der Befehl an das ruandische Volk erging, zu töten, gehorchte es. Diese Meinung wird bei Jean-Pierre Chrétien u.a. auf den Punkt gebracht, wenn es dort heißt: ‚the Rwandan Genocide had two main tools: „the radio and the machete, the first to give and receive orders, the second to execute them“[19]. Ein Ermittler der Vereinten Nationen brachte Ähnliches zum Ausdruck, als er sagte, das Gift der Propaganda des Radios “is all the more effective because, it is said, the Rwandan peasant has a radio culture of holding a transistor up to his ear in one hand and holding a machete in the other, waiting for orders emitted by RTLM”[20].

Scott Straus bemängelt, dass zu oft ein vorschnelles Urteil über die Rolle der Medien gefällt würde und nicht a priori ein Zusammenhang zwischen den Sendungen von RTLM und dem Ausmaß des Völkermordes und der Gewalt festgestellt werden könne. Dies erfordere eine genaue theoretisch fundierte und empirisch belegte Untersuchung, die er bislang vermisst[21].

Eine Ausnahme bildet eine Studie von Mary Kimani[22], welche eine detaillierte Analyse des Inhaltes von Transkripten der RTLM-Sendungen enthält. Die meisten Studien, die anhand von Interviews durchgeführt wurden, offenbaren ebenfalls methodische Schwächen. Bis auf Li[23] und Mironko[24] werden in fast allen Befragungen die Zuhörer teilweise oder völlig ausgeklammert und nur die Täter befragt.

Zunächst möchte ich den geschichtlichen Kontext des Völkermordes knapp umreißen, dessen Kenntnis für ein Verständnis alles Weiteren zwingend notwendig ist. Daran anschließend soll eine Übersicht zunächst über die Mediensituation auf dem afrikanischen Kontinent, deren Geschichte und den aktuellen Stand folgen, da auch diese nicht unwichtig für das Verständnis der Mediensituation in Ruanda ist.

Folgerichtig sollen auch in diesem Kapitel die verschiedenen Medien Ruandas, ihre (meist recht kurze) Geschichte und die Bedeutung für das Land vorgestellt werden. Jedoch möchte ich hier wesentlich detaillierter vorgehen, um die Ausgangssituation klar zu beleuchten.

Im nachfolgenden Abschnitt steht dann die Untersuchung der Rolle der Medien im Blickpunkt. Jede Medieninstitution soll für sich betrachtet werden, d.h. zunächst die Printmedien mit besonderem Schwerpunkt auf der Zeitung Kangura, danach die Radiostationen mit den Sendern RTLM und Radio Rwanda, wobei der Schwerpunkt insgesamt wegen seiner Bedeutung auf der Untersuchung von RTLM liegt. Ziel soll es grundsätzlich sein, die Bedeutung der jeweiligen Medien für den Völkermord herauszustellen. Hierzu gehört einerseits eine Untersuchung der Inhalte der Sendungen, der Rhetorik und andererseits die Projektion auf die Ereignisse, um gegebenenfalls Parallelen festzustellen. Ebenso ist es notwendig, die jeweilige Hörerschaft beziehungsweise Leserschaft zu analysieren. Außerdem ist es wichtig, Klarheit über die Reichweite des Radios zu erlangen wie auch über die Intensität des Kontaktes der ruandischen Bevölkerung mit den Medieninhalten. Ebenso sollen hier noch einige soziologische Komponenten der Massenkommunikation in Bezug auf die Bedingungen, unter denen Wirkungen eintreten können, auf die Situation in Ruanda hin geprüft werden.

Abschließend sollen die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammengefasst werden und überdies noch die Rolle der Medien im Internationalen Kontext, einem weiteren dem hier behandelten sehr ähnlichen Forschungsfeld, gestreift werden.

Sodann soll noch ein Ausblick getan werden, der sich besonders mit Fragestellungen, denen sich die Forschung in ihrem zukünftigen Verlauf widmen sollte, beschäftigt.

2. Der Völkermord

Der genaue Ablauf der Massenmorde in Ruanda 1994 ist historisch und quellenmäßig trotz verschiedener Neuerscheinungen in den letzten Jahren noch nicht vollständig geklärt und aufgearbeitet[25]. Dennoch stimmen fast alle Forscher miteinander überein, dass hier eindeutig ein Fall von einem Völkermord vorliegt. Zwischen dem 6. April, als das Flugzeug des Staatspräsidenten abgeschossen wurde, und dem 19. Juli 1994, als der Krieg von den Rebellen offiziell beendet und ein neuer Präsident eingesetzt wurde[26], starben wahrscheinlich über eine Million Menschen, von denen bislang über 950000 namentlich identifiziert sind[27]. Herausstechend ist die enorme Brutalität, die mit dem Morden einherging. Nach Statistiken sollen ca. 37 % der Opfer mit Macheten und 16 – 17 % mit Keulen ermordet worden sein, das heißt mehr als die Hälfte aller Opfer wurden mit diesen Hiebwaffen umgebracht und zerhackt.

Ruanda ist kein typischer afrikanischer Staat, kein flaches, heißes und trockenes Wüstenland. Das so genannte ‚Land der tausend Hügel’ ist nach allen Seiten durch Grabenbrüche und Schluchten, Seen und Gebirgsketten gesichert und wird darum auch manchmal als die ‚Schweiz Afrikas’ bezeichnet. Geopolitisch ist Ruanda sehr eng in ein Netz von komplexen Interaktionen mit seinen Nachbarstaaten eingebunden[28]. Besonders Ruandas Beziehung zu Burundi war seit deren beider Unabhängigkeit, die sie jeweils im Juli 1962 wiedererlangten, durch eine gegenseitige Beeinflussung von Gewaltausbrüchen im Sinne einer Verzahnung der Gewalt charakterisiert[29]. Beide Länder wurden deshalb treffend von René Lemarchand[30] als „subversive Nachbarn“ charakterisiert. Sie weisen etwa die gleiche Verteilung der Bevölkerungsgruppen von Hutu und Tutsi auf, nämlich im Verhältnis von ca. neun zu eins, allerdings unter spiegelverkehrten Machtverhältnissen. Während in Burundi die Tutsi die Regierungsmacht stellten, wurden sie in Ruanda unterdrückt.

Die Unterscheidung zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und der Tutsi ist eine in der Geschichte des Landes künstlich herbeigeführte. Weder reale ethnische, sprachliche oder religiöse Strukturen konnten für eine Unterscheidung dienen, sondern allein besonders durch die belgische Kolonialmacht eingeführte soziale Einstufungen trennten die ehemals einheitliche Bevölkerung[31]. Die Gruppen weisen keine besonderen Merkmale auf, die sie unterscheiden und gleichzeitig als ethnisch bezeichnet werden können. Die Begriffe Hutu und Tutsi brachten eigentlich nur soziale und politische Inhalte zum Ausdruck[32]. Gehörte man zu den Tutsi, hieß das zunächst einfach, dass man von der Viehzucht lebte und wirtschaftlich erfolgreicher war als ein Hutu, der zu den mittleren und unteren gesellschaftlichen Gruppen gehörte. Die Begriffe richteten sich lange nach dem Erreichten und wurden entsprechend flexibel gehandhabt und nicht vererbt[33]. Erst die Kolonialherren führten dann die ethnische Bedeutung der Begriffe ein.

Dabei legte die belgische Kolonialverwaltung auch die Herkunft einer jeden Familie fest, als sie ein System von Personalausweisen einführte. Dies sollte später für viele Tutsi verhängnisvolle Folgen haben, da im Personalausweis vermerkt war, welcher Bevölkerungsgruppe man angehörte. Äußerliche Unterschiede, wenn überhaupt vorhanden, waren so gering, dass hier keine Unterscheidung möglich gewesen wäre.

Im Zuge der Dekolonisation formte sich gerade bei den Hutu ein Bewusstsein, dass sie seit Jahrhunderten als Gruppe diskriminiert worden waren und Hutu-Politiker forcierten eine Förderung des Bewusstseins dieser angeblichen Unrechtssituation. So entstand eine klassische Situation, welche die Politisierung von Ethnizität begünstigte[34]. Politiker der Tutsi hingegen definierten die Identität ihres Volkes in Kategorien der Herrschaft und behaupteten, sie hätten schon vor Jahrhunderten das Land beherrscht und die Hutu-Bevölkerung unterworfen. So vertraten Politiker beider Seiten einen Herrschaftsanspruch.

Mit der Revolution im Jahr 1959 begann eine Welle von großen Massakern, die bis zum Völkermord anhielt. In der Revolution von 1959, in der die althergebrachte monarchisch organisierte Vorherrschaft der Tutsi in Ruanda beendet wurde, wurden die ersten Weichen für den Völkermord gestellt[35]. Weitere Massaker fanden 1961, 1963-64, 1972/73, 1991 und 1992/1993 statt. In Burundi brach die Gewalt ebenfalls immer wieder aus. Massaker fanden dort in den Jahren 1965/1966, 1969, 1972, 1988, 1991 und 1993 statt. Wie bereits erwähnt beeinflussten sich diese Mordaktionen gegenseitig, sodass diese Wechselwirkung zwischen den beiden Ländern ein dynamisierendes Element für fortschreitende Gewalt darstellte[36]. Erwähnenswert ist hier besonders der Aufstand der Hutu in Burundi 1972.

Bei der gewaltsamen Niederschlagung dieses Aufstandes wurden ca. 100.000 bis 150.000 Hutu umgebracht. In Ruanda forderten die Hutu daraufhin Vergeltungsmaßnahmen, denen der Präsident Kayibanda jedoch entgegen wirkte. Als er die Gewalttaten gegen Tutsi in Ruanda vollständig unterband, zog er den Hass der Hutu auf sich[37] und schürte Aggressionen, die das Klima zwischen den beiden Gruppen nachhaltig vergifteten. 1973 brachte sich der Verteidigungsminister Juvénal Habyarimana durch einen Putsch an die Macht und gründete die auf ihn zugeschnittene Partei MRND[38]. Beide sollten bis zum Ausbruch des Völkermordes 1994 an der Macht bleiben und ihren Anteil zu dem erschreckenden Erfolg dieses Ereignisses beisteuern.

Dem Genozid ging zudem eine tiefe wirtschaftliche Krise voraus. Die Umstrukturierung des Agrarsystems stürzte die Bevölkerung in Armut und Elend[39]. Die Wirtschaft des Landes litt unter dem rasanten Verfall des Kaffeepreises – 75 Prozent aller Exporte basierten auf der Kaffeeproduktion – und unter tiefgreifenden makroökonomischen Reformen auf Verlangen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Dies verschärfte die schwelenden ethnischen Spannungen und beschleunigte den Prozess des politischen Zusammenbruchs[40].

Besonders bedeutend war die Krise des Agrarsystems auch deshalb, weil in Ruanda ca. 90 Prozent der Bevölkerung vom Ackerbau oder auf dem Land leben. Besonders unter arbeitslosen Jugendlichen und jungen Erwachsenen breitete sich angesichts dieser Umstände zunehmend ein Gefühl der Nutz- und Perspektivlosigkeit aus[41].

Der Soziologe W.I. Thomas weist treffend darauf hin: Wenn Objekte als real perzipiert werden, sind sie auch in ihren Konsequenzen real. Dies gilt auch für die Formierung von ethnischer Identität.[42] Im Falle von Ruanda war dies ein längerer Prozess, der sich durch die eben genannten Punkte progressiv zuspitzte, um dann letztendlich 1994 in der schlimmsten Art und Weise zu kulminieren.

Natürlich spielten hier auch im Vorfeld die Medien eine wichtige Rolle, jedoch soll es an dieser Stelle aufgrund der nachfolgenden Untersuchungen bei einer schlichten Erwähnung dieses wichtigen Phänomens bleiben.

Eine wichtige Rolle auf dem Weg zum Völkermord spielte auch die Rebellenarmee (RPF[43] ). 1990 begann diese von Uganda aus einen Angriff auf Ruanda und das Hutu-Regime, der jedoch mithilfe der französischen Unterstützung zurückgeschlagen werden konnte. Ganz wichtig ist hier das Gefühl der allgegenwärtigen Bedrohung durch die RPF, das nach diesen Attacken durch die Hutu-Regierung verbreitet wurde. Die Angst der Hutu vor den Tutsi sollte geschürt werden und die Angriffe der RPF spielten den Machthabern natürlich in die Karten. Diese Angst, die von nun an immer wieder heraufbeschworen wurde, hatte einen großen Anteil daran, dass vier Jahre später ganz normale Hutu, die bislang nie straffällig geworden waren, zu den Waffen griffen und ihre Nachbarn und andere Tutsi auf grausame Weise umbrachten.

1993 bildete sich dann eine parteiübergreifende Sammlungsbewegung, die Hutu-Power. Diese Bewegung, von extremen Hutu aus dem Umfeld des Präsidenten organisiert, hatte das Endziel, einen Staat ohne Tutsi und ohne oppositionelle Hutu etablieren zu können. Bei der Vorbereitung und Durchführung des Genozids kam der Hutu-Power eine bedeutende Rolle zu, da sie die gegen die Tutsi gerichteten Kräfte vereinte und die Organisation konzentrierte.

Der Völkermord wurde dann durch die Ermordung des Präsidenten Habyarimana ausgelöst. Am 6. April 1994 wurde das Flugzeug, mit dem er gemeinsam mit dem burundischen Präsidenten nach Kigali, der Hauptstadt Ruandas, flog, mit einer Rakete abgeschossen. Wer dafür verantwortlich war, ist bis heute ungeklärt, allerdings nutzten extremistische Hutu dieses Ereignis – ähnlich wie die Nationalsozialisten den Reichstagsbrand 1933 - um gegen oppositionelle Hutu und Tutsi in Kigali gewaltsam vorzugehen.

Bereits 30 Minuten nach dem Attentat begannen die Morde, wobei die Täter – vor allem Mitglieder der Präsidentengarde – anhand von vorbereiteten Listen ihre Opfer aufspürten und sofort umbrachten. Eines der ersten prominenten Opfer war die Frau des Präsidenten. Die zehn belgischen UNAMIR-Soldaten, die zu ihrem Schutz bereitgestellt waren, wurden ebenfalls ermordet[44].

Die Gewalttaten breiteten sich schnell über das ganze Land aus. Bis auf die Präfektur Byumba, die sich in den Händen der RPF befand, fanden in allen Teilen des Landes Massaker statt. Die Bevölkerung beteiligte sich schnell selbst an dem Morden, teils unter Zwang, teilweise auch freiwillig.

Überall im Land setzten die Täter Straßenblockaden ein, um Ruander auf der Flucht kontrollieren zu können. Stellte sich bei Kontrollen heraus, dass jemand Tutsi war oder versuchte, Tutsi zu helfen, wurde er an Ort und Stelle ermordet[45]. Patrouillen und Menschenjagden ergänzten diese Strategie der Suche nach Vernichtung von Opfern[46]. Bezeichnend ist das außerordentliche Maß an Gewalt, welches scheinbar keine Grenze kannte. So waren, wie bereits erwähnt, die wichtigsten Tatwaffen so genannte Hiebwaffen. Dies schließt ein, dass jeder Mord mit solch einer Waffe eine sehr direkte, persönliche Sache war. Man konnte sein Opfer nicht, wie bei Gebrauch einer Schusswaffe, aus der Entfernung umbringen. Ebenso erschreckend sind die Berichte über Gewaltakte, die mit dem Töten einhergingen. So wurden den Opfern oft Körperteile abgehackt, um ihnen möglichst lang anhaltende Schmerzen zuzufügen. Ebenso waren Vergewaltigungen an der Tagesordnung, teilweise wurden Frauen und Mädchen wochenlang als Sklavinnen für die Erfüllung sexueller Bedürfnisse gehalten, teilweise Familien zum Inzest gezwungen oder zur Ermordung der eigenen Familienmitglieder.

Die Täter kamen aus allen Teilen der Bevölkerung. Der Großteil der auch als Génocidaires bezeichneten Täter bestand aus ganz gewöhnlichen ruandischen Männern[47]. Insgesamt brachten sie in knapp drei Monaten rund eine Million Menschen um.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist noch das Verhalten der Weltöffentlichkeit und der Vereinten Nationen. Trotz entsprechender Warnungen – Des Forges weist darauf hin, dass den politischen Entscheidungsträgern in Belgien, Frankreich und den USA schon wenige Stunden nach dem Ausbruch des Mordens klar war, dass die Tutsi nur deshalb ermordet wurden, weil sie Tutsi waren – wurde nichts unternommen. Beobachter hätten erkennen müssen, dass ein Völkermord stattfand[48]. Destexhe klagt den Westen an, dass nach dem 6. April drei Wochen vergangen seien, bis in den westlichen Medien die Situation in Ruanda mit der in Nazi-Deutschland verglichen worden sei, und selbst dann das Wort Genozid kaum auftauchte[49]. Bemerkenswert ist, dass selbst einige Jahre nach dem Völkermord – und kein Zweifel besteht daran, dass es ein Völkermord war – manche Autoren immer noch verharmlosend von einem Bürgerkrieg sprechen[50]. Wie wenig Aufmerksamkeit die Medien dem Geschehen widmeten, zeigen überdies die Antworten, wenn man in seinem Umfeld den Kenntnisstand der Bevölkerung auf dieses Geschehen hin befragt.

Insbesondere auf die Frage hin, ob der Genozid hätte verhindert werden können, müssen die Vereinten Nationen, die USA und die internationalen Medien sich schwere Vorwürfe gefallen lassen. So gestand auf dem Flugplatz von Kigali im März 1998 Präsident Clinton gegenüber den Ruandern ein, dass Er und andere nicht wirklich verstanden hätten, was in Ruanda passiert sei, bis es zu spät gewesen sei: „We did not call these crimes by their rightful name: genocide.“[51]

3. Medien in Afrika

Um die Mediensituation in Afrika im Überblick zu beschreiben, muss man sich einigen Herausforderungen stellen. Das erste Problem eröffnet sich beim Blick auf die Landkarte, denn das Untersuchungsgebiet ist unwahrscheinlich groß. Dies bringt eine Vielzahl von unterschiedlichen Voraussetzungen und Ausgangssituationen der jeweiligen Subregionen mit sich. So ist es beispielsweise sinnvoll, den meisten Autoren[52] zu folgen und die fünf Länder Nordafrikas wegen ihrer arabisch-islamischen Medienpolitik von den übrigen 47 Staaten der subsaharischen Region abzuspalten und gesondert zu betrachten. Daher sollen die fünf Länder Nordafrikas hier nicht berücksichtigt werden. Ebenso werden häufig auch Ost- und Westafrika als eigenständige Regionen betrachtet. Dies liegt einerseits an den unterschiedlichen Entwicklungsständen der Mediensituation, andererseits - und das ist wesentlich entscheidender – an ihrer unterschiedlichen kolonialen Vorgeschichte und den damit verbundenen sprachlichen und politischen Prägungen. Eine absolute Ausnahmeposition auf dem afrikanischen Kontinent nimmt Südafrika ein. Nicht nur aus entwicklungspolitischer Sicht, sondern auch im Bereich der Medien übersteigt Südafrika alle restlichen Staaten auf dem Kontinent hinsichtlich der Mediennutzung, Medienverbreitung, der Pressefreiheit sowie in Bezug auf funktionierende Medienregulierungen um ein Vielfaches[53]. Daher ist es auch hier sinnvoll, Südafrika gesondert zu betrachten, um ein verzerrtes Bild zu vermeiden[54].

Ein weiteres Problem besteht im Bereich der Datenerfassung. In den meisten afrikanischen Ländern gibt es im Gegensatz zu den USA oder Europa keine oder nur sehr einfache Verfahren zur Erfassung von Daten.

Unter diesen Prämissen ist der hier gegebene Überblick zu sehen. Es liegt auf der Hand, dass für eine umfassende Betrachtung der Mediensituation auf dem afrikanischen Kontinent jedes einzelne der 53 Länder Afrikas untersucht werden müsste. Aufgrund dieser Ausgangssituation soll der Überblick anhand einiger repräsentativer Sachverhalte dargestellt werden. Jedoch sollte auch immer der Gedanke im Bewusstsein bleiben, dass alle Aussagen im besten Fall nur sich annähernde Verallgemeinerungen über einen tatsächlich politisch, kulturell und ökonomisch extrem heterogenen und sich ständig verändernden Kontinent darstellen.

3.1 Die Printmedien

Afrika ist bekanntlich einer der am wenigsten entwickelten Kontinente der Erde[55]. Allein südlich der Sahara gelten 33 Staaten als extrem unterentwickelt, ca. 25 Prozent der Bevölkerung können weder lesen noch schreiben und es ist nicht zu erwarten, dass wenigstens ein Drittel der Bevölkerung das Alter von 40 Jahren erreichen oder überschreiten wird. Bedenkt man diese Zahlen, so ist es nur folgerichtig, dass auch der Mediensektor im internationalen Vergleich weit hinterher hinkt[56].

Im 20. Jahrhundert durchlebten fast alle Staaten des afrikanischen Kontinents vier große Epochen, wobei jede Epoche für sich auf bestimmte Art und Weise ihren Beitrag zur Entstehung der heutigen Medienlandschaft leistete[57]. Im Einzelnen sind dies die Epoche der Kolonialisierung, der afrikanischen Unabhängigkeit, der Einparteienherrschaft und der Demokratisierung.

Die Kolonialisierung war ein entscheidender Moment bei der Geburt und Entwicklung der afrikanischen Medien. Zunächst wandten sich die Inhalte und der Adressatenkreis der Zeitungen nur an die Kolonisten und die europäischen Bürger der Kolonien, doch öffneten sie sich mit der Zeit auch immer mehr der einheimischen Bevölkerung. So erhielten zumindest die gebildeten Afrikaner, die der französischen, englischen oder portugiesischen Sprache mächtig waren, Zugang zum Inhalt der Zeitungen. Allerdings blieb trotz allem die Mehrheit der Bevölkerung – nicht zuletzt wegen der hohen Analphabetenquote – von der Zeitungslektüre ausgeschlossen[58]. Im Zuge der Missionierung der einheimischen Bevölkerung der Kolonien entwickelte sich die Idee, dass die Zeitungen ein wirkungsvolles Medium sein könnten, um in kurzer Zeit größere Teile der Bevölkerung mit den entsprechenden Botschaften zu erreichen.

Aus diesem Grund ergriffen die europäischen Herausgeber die Initiative und gingen mehr und mehr dazu über, Zeitungen auch in afrikanischen Sprachen zu veröffentlichen. Folgerichtig stellten diese Zeitungen kein allgemeines Informationsmedium dar, sondern sind mehr als Kanäle für die Botschaften der Missionare und Priester mit christlichem und biblischem Gedankengut zu sehen.

Im Laufe dieser Entwicklung kam es dann zunehmend zu einer Vermischung dieser Inhalte mit vornehmlich politischen und sozialen Anliegen.

In der zweiten Epoche, als viele der afrikanischen Staaten die Unabhängigkeit erlangten, bauten die Zeitungen ihre Bedeutung als Plattform für die Verbreitung politischer Meinungen erheblich aus. Angespornt von Intellektuellen, Gewerkschaftern und politischen Führern, teilweise auch Studenten, forderten die Zeitungen gemeinsam die Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung[59] und hatten so einen nicht zu unterschätzenden Anteil am Kampf um die Unabhängigkeit. Ein weiteres wichtiges Merkmal dieser Zeit war die stark voranschreitende Etablierung des Mediums Zeitung bzw. Presse als Institution in vielen afrikanischen Staaten.

Allerdings geriet diese auffallend positive Entwicklung bald wieder ins Stocken, da sich in kurzer Zeit ein System der Einparteienherrschaft in vielen Staaten etablierte. In diesem von Gewalt und Repressionen geprägten Umfeld wurden freie Meinungsäußerung und das sich eben erst herausgebildete positive Engagement der Zeitungen nicht mehr geduldet. Dies bedeutete zwangsläufig auch für viele der Journalisten und Herausgeber, gleichsam die Zugpferde des Prozesses der Medienentwicklung, Exil oder die Internierung in ein Gefängnis[60].

Die seit Anfang der 60er Jahre wie Pilze aus dem Boden geschossenen Regime duldeten keine Kritik. Vielmehr kontrollierten sie sämtliche Presseorgane und nutzten diese zu Propagandazwecken und zur Förderung des Personenkultes der jeweiligen Staatsoberhäupter. 30 Jahre lang lähmte dieses System die Entwicklung der Medien auf dem afrikanischen Kontinent, ehe in den 90er Jahren der Demokratisierungsprozess begann. Diese Zeit ist bis heute gekennzeichnet von der Herausbildung regierungskritischer und oppositioneller Presseorgane, welche in vielen Staaten die politische Demokratisierung und die mediale Liberalisierung fördern[61].

Die Bedeutung der Printmedien in Afrika ist trotz allem vergleichsweise sehr gering. Dies ist hauptsächlich in der Struktur der afrikanischen Zivilgesellschaft begründet. Der Einfluss, welche die Zeitungen haben, reduziert sich ausschließlich auf die Hauptstädte oder urbane Agglomerationsräume, wo sich der größte Teil der gebildeten, kaufkräftigen und der offiziellen Landessprache mächtigen Bevölkerung konzentriert. In den ländlichen Gebieten hingegen existieren bis heute noch viele kulturelle Gruppen und schätzungsweise bis zu 2000 Dialekte und Sprachen, häufig nur in gesprochener Form[62]. Die Analphabetenquote lag im Jahr 2000 bei 39,7%. Bei diesem relativ großen Teil der Bevölkerung, der nicht lesen oder schreiben kann oder die Sprachen der großen nationalen Zeitungen[63] nicht ausreichend beherrscht, besteht kein Bedarf an Zeitungen. Ferner wäre die Verbreitung aus logistischen Gründen unrentabel.

Ein weiterer Grund für die geringe Bedeutung der Zeitungen ist auch die immer größer werdende Konkurrenzsituation mit den aufkommenden Rundfunkanstalten.

3.2 Der Rundfunk

Mit den Kolonialmächten kam auch der Rundfunk auf den afrikanischen Kontinent. Die ersten Rundfunkanlagen wurden bereits 1920 in Südafrika installiert, was aber wegen der bereits erwähnten Sonderstellung dieses Staates nicht weiter berücksichtigt werden soll.

In den Kolonien dauerte es etwas länger, bis dieses Medium installiert wurde. So sendete die British East Africa Company erstmals im Jahr 1927 eine BBC-Rundfunkübertragung für ansässige Siedler. Gesendet wurde aus Nairobi in Kenia[64]. Frankreich begann dagegen erst im Jahr 1931 mit der Übertragung von Madagaskar aus, allerdings beschränkte sich diese auf lediglich 13 Stunden in der Woche. Die Etablierung einer größeren Radiostation fand von Seiten der Franzosen eigentlich erst im Jahr 1939 im Senegal mit der Inbetriebnahme von Radio Dakar statt[65].

Im damals unter belgischer Kolonialherrschaft stehendem Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) wurde 1937 die erste Radiostation errichtet. Diese wurde von Jesuiten-Priestern genutzt. Kurz darauf entstand hier auch die erste private Radiostation, die nicht nur in der Amtssprache, sondern auch in mehreren anderen lokalen Sprachen sendete und so erstmals auch einer breiteren einheimischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte. In den britischen und den französischen Kolonien hingegen sollte das Radio nur als Werkzeug der Regierung dienen. Politische Nachrichten und Informationen hatten eine klare Vormachtstellung gegenüber religiösen Inhalten.

In den späten 1940er Jahren etablierte die britische Kolonialmacht dann in Simbabwe eine Zentrale Rundfunkanstalt für einen möglichst großen Teil des Kontinents. Fraenkel beschrieb diese Institution als die erste „fully fledged station broadcasting exclusively to Africans“[66]. Gesendet wurde in sechs verschiedenen Sprachen.

Die Briten förderten auch die Entwicklung des Mediums Radio, indem sie Unterstützung bei der Ausbildung von Managern und Technikern leisteten. Wie stark sich dies auswirkte, zeigen die Zahlen der vorhandenen Fachleute. So war der Anteil an einheimischen Managern mit 13 Angestellten und 46 Technikern im Jahr 1949 noch sehr gering. Nachdem BBC jedoch im Jahr 1951 anfing, Afrikaner in einem Ausbildungsprogramm zu unterstützen, steigerten sich die Zahlen bereits bis 1956 auf 163 Manager und 445 Techniker[67].

Die Franzosen setzten den Rundfunk noch wesentlich stärker als die Briten für Regierungszwecke ein. Daher bediente man sich dieses relativ billigen und wirkungsvollen Mittels, um gerade die gebildeten Afrikaner davon abzuhalten, auf anti-französische Gedanken zu kommen und nach Unabhängigkeit zu streben. Bezeichnend für die Politik, die Einheimischen zu „farbigen Franzosen“ zu machen, ist auch das beinahe ausschließliche Senden in französischer Sprache. Dies wandelte sich langsam in den 1950er Jahren, als auch die Franzosen mehr und mehr von dem britischen Modell übernahmen. Diese Mischung sollte ihre Früchte tragen, denn in der Zeit der großen Unabhängigkeitsbewegungen blieben viele ehemals französischen Kolonien dem ehemaligen Mutterland gegenüber positiv eingestellt. Unterstrichen wird dies durch die Tatsache, dass die Radiosendungen in den französischen Kolonien nur sehr bedingt die Unabhängigkeit proklamierten.

[...]


[1] Barth, B.: Genozid. Völkermord im 20. Jahrhundert – Geschichte, Theorien, Kontroversen, München 2006, S. 7.

[2] Zit. in Schabas, W.A.: Genozid im Völkerrecht, Hamburg 2003, S. 24 und 30.

[3] Barth, B.: Genozid, S. 14.

[4] Barth, B.: Genozid, S. 17.

[5] Zit. In: Krüger, K.: Worte der Gewalt: Das Radio und der kollektive Blutrausch in Rwanda 1994, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 923-939, hier: S. 923.

[6] Taylor, C.: Sacrifice as Terror. The Rwandan genocide of 1994, Oxford 1999, S. 101.

[7] Brandstetter, A.-M.: Die Rhetorik von Reinheit, Gewalt und Gemeinschaft: Bürgerkrieg und Genozid in Rwanda. In: Sociologus, Zeitschrift für empirische Ethnosoziologie und Ethnopsychologie. Journal for Empirical Social Anthropology. Jg. 51 (2001), Heft 1/2, S. 148–184, hier: S. 150.

[8] Zu Sexualstraftaten und zu Folterformen Des Forges, A.: Kein Zeuge darf überleben. Der Genozid in Ruanda, Hamburg 2002 S. 259 f. Zu den Formen der Gewalt siehe auch den OAU-Bericht The Report Of The International Panel Of Eminent Personalities To Investigate The 1994 Genocide In Rwanda And The Surrounding Events, Abschnitt 14.25–14.26 sowie 16.17–16.20, abrufbar unter http://www.aegistrust.org/images/stories/oaureport.pdf (22.01.09).

[9] Engl.: crimes against humanity. Fälschlicherweise, wahrscheinlich ausgelöst durch einen Übersetzungsfehler während der Nürnberger Prozesse, wird der Terminus oft mit „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ übersetzt. Dies ist aber nicht nur eine falsche Übersetzung, sondern es impliziert auch eine inhaltliche Verschiebung. Daher muss der Terminus „humanity“ muss im Kontext von Völkermord korrekt mit Menschheit übersetzt werden, siehe Barth, B.: Genozid, S. 43f.

[10] Straus, S.: What ist he Relationship between Hate Radio and Violence? Rethinking Rwanda’s “Radio Machete”, in: Politics & Society (2007), Vol. 35, No. 4, S. 609-637, hier S. 610.

[11] House Editorial, „Fanning Rwanda’s Genocide“, New York Times, December 5, 2003.

[12] Melvern, L.: “Radio Murder”, Times Literary Supplement, September 9, 2005, 25.

[13] Melvern, L.: Conspiracy to Murder. The Rwandan Genocide, London 2006, S. 205.

[14] Kimani, M.: RTLM: The Medium that Became a Tool for Mass Murder, in: Thompson, , A. (Hrsg.): The Media and the Rwanda Genocide, London 2007, S. 110-124.

[15] Des Forges, A.: Call to Genocide: Radio in Rwanda, 1994, in: Thompson, A. (Hrsg.): The Media and the Rwanda Genocide, London 2007, S. 41-54.

[16] Der Terminus findet sich in einer Erklärung des ICTR, abrufbar unter http://69.94.11.53/ENGLISH/PRESSREL/2003/372.htm (22.01.09).

[17] Straus, S.: Hate Radio, S. 613.

[18] Kellow, C. & Steeves, H.L.: The Role of Radio in the Rwandan Genocide, in: Journal of Communication 48/3 (1998), S. 107-128, hier: S. 124.

[19] Chrétien, J.-P. et. al.: Rwanda: Les Médias du Génocide, Paris 1995, S. 191, zit. in Straus, S.: Hate Radio, S. 613.

[20] Straus, S.: Hate Radio, S. 613f.

[21] Ebd. S. 614.

[22] Kimani, M.: RTLM, S. 110-124.

[23] Li, D.: Echoes of Violence. Considerations on Radio and Genocide in Rwanda, in: Thompson, , A. (Hrsg.): The Media and the Rwanda Genocide, London 2007, S. 90-109.

[24] Mironko, C.: The Effect of RTLM’s Rhetoric of Ethnic Hatred in Rural Rwanda, in: Thompson, , A. (Hrsg.): The Media and the Rwanda Genocide, London 2007, S. 125-135.

[25] Barth, B.: Genozid, S. 112.

[26] Berry, J.A. and Berry, C.P.(Hgg.): Genocide in Rwanda, Washington 1999, S. XXIff.

[27] Barth, B.: Genozid, S. 112.

[28] Marx, J.: Völkermord in Rwanda, Zur Genealogie einer unheilvollen Kulturwirkung, Hamburg 1997, S. 30f.

[29] ebd. S. 31.

[30] Lemarchand, R.: Burundi. Ethnocide as discourse and practice, Cambridge 1994, S. 29.

[31] Barth, B.: Genozid, S. 112.

[32] Ebd., S. 112f.

[33] Hoering, U.: Zum Beispiel Hutu und Tutsi, Göttingen 1997, S. 19.

[34] Barth, B.: Genozid, S. 114.

[35] Wütherich, P.: Revolution und Erste Republik: 1959 bis 1973, in: Harding, L.(Hrsg.): Ruanda – der Weg zum Völkermord. Vorgeschichte – Verlauf – Deutung, Hamburg 1998, S. 57.

[36] Barth, B.: Genozid, S. 114.

[37] Wütherich, P.: Revolution, S. 68f.

[38] Mouvement républicain national pour le développement, zu deutsch : Nationalrepublikanische Bewegung für die Entwicklung.

[39] Hoering, U.: Hutu und Tutsi, S. 35.

[40] Ebd., S. 35.

[41] Des Forges, A.: Kein Zeuge, S. 72-74.

[42] Vgl. Barnett, M.: Eyewitness to a genocide. The United Nations and Rwanda, Ithaca 2002, S. 50.

[43] RPF = Ruandische Patriotische Front.

[44] Des Forges, A.: Kein Zeuge, S. 231ff., S. 243, S. 249-252.

[45] Des Forges, A.: Kein Zeuge, S. 256-258.

[46] Ebd., S. 258, Krüger, K.: Worte der Gewalt, S. 936f.

[47] Straus, S.: The Order to Genocide: Race, Power and War in Rwanda, Ithaca 2006, S. 107f.

[48] Des Forges, A.: Kein Zeuge, S. 39.

[49] Destexhe, A.: Rwanda and Genocide in the Twentieth Century, New York 1995, S. 32.

[50] Bspw. tut dies Hoering, U.: Hutu und Tutsi.

[51] Zit. In Barth, B.: Genozid, S. 127.

[52] Jensen, M.: Sub-Saharan Africa, in: UNESCO (Hrsg.): World Communication and Information Report 1999-2000, Paris 1999, S. 180-196.; Seibel, S./Müller-Falcke, D.: Informations- und Kommunikationstechnologien in Entwicklungsländern, in: Brüne, S. (Hrsg.): Neue Medien und Öffentlichkeiten. Politik und Telekommunikation in Afrika, Asien und Lateinamerika, Bd. 1, 2000 (= Schriften des deutschen Übersee-Instituts Hamburg Nr. 46), S. 41-89.

[53] Fourie, P.J. & Wigston, D.: Das Mediensystem Südafrikas, in: Internationales Handbuch der Medien 2004/2005, Baden-Baden 2004, S. 1041-1061.

[54] Jensen, M.: Africa, S. 181.

[55] Brüne, S.: Die ehemalige Dritte Welt, die Alten und die Neuen Medien, in: Brüne, S. (Hrsg.): Neue Medien und Öffentlichkeiten. Politik und Telekommunikation in Afrika, Asien und Lateinamerika, Bd. 1, 2000 (= Schriften des deutschen Übersee-Instituts Hamburg Nr. 46), S. 23.

[56] Jensen, M.: Africa, S. 181.

[57] Onana, C.: Ein Jahrhundert Presse in Afrika, abrufbar unter http://www.bdzv.de/635.html#c1301 (Stand: 12.01.09).

[58] Ebd.

[59] Onana, C.: Presse in Afrika.

[60] Ebd.

[61] Miescher, G.: Die politische Bedeutung der Presse und des öffentlichen Rundfunks in Namibia. In:

Stefan Brüne (Hrsg.): Neue Medien und Öffentlichkeiten. Politik und Telekommunikation in Afrika, Asien und Lateinamerika. Bd. 1. (= Schriften des deutschen Übersee-Instituts Hamburg Nr. 46), S. 334; Vogt, A.: Medienentwicklung, regionale Journalistenverbände und Medienkommissionen in

Westafrika. In: Stefan Brüne (Hrsg.): Neue Medien und Öffentlichkeiten. Politik und Telekommunikation in

Afrika, Asien und Lateinamerika. Bd. 1, 2000 (= Schriften des deutschen Übersee-Instituts Hamburg Nr. 46), S. 275ff.

[62] Brenzinger, M.: Sprachenvielfalt auf dem afrikanischen Kontinent, in: Informationen zur politischen Bildung 264 (1999), abrufbar unter http://www.bpb.de/publikationen/302WQ2,0,0,Sprachenvielfalt_auf_dem_afrikanischen_Kontinent.html (Stand: 12.01.09)

[63] Im Regelfall die jeweilige Amtssprache

[64] Bourgault, M.N.: Mass Media in Sub-Saharan Africa, Bloomington 1995, S. 69.

[65] Ebd. S. 69.

[66] Zit. in Bourgault, M.N.: Mass Media, S. 70.

[67] Ebd. S. 70.

Ende der Leseprobe aus 82 Seiten

Details

Titel
Der Genozid in Ruanda 1994
Untertitel
Eine Untersuchung der Rolle der Medien unter besonderer Berücksichtigung des Radios
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
82
Katalognummer
V135685
ISBN (eBook)
9783640422401
ISBN (Buch)
9783640421824
Dateigröße
1348 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ruanda, Medien, RTLM, Radio Rwanda, Genozid, Gewaltmedien, 1994, Rwanda, Massenkommunikation, Hassradio, Rassismus, Hutu, Tutsi, Völkermord
Arbeit zitieren
Sebastian Runkel (Autor:in), 2009, Der Genozid in Ruanda 1994, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135685

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