Die "Mega-Macht Marke". Der Wert der Marke bei OTC-Produkten

Marketing als Medizin. Placebo oder Allheilmittel?


Seminararbeit, 2008

67 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Zur Relevanz des Wertes der Marke bei OTC-Produkten

2 Grundlegende Erläuterungen zum OTC Markt in Deutschland
2.1 Der OTC Markt in Deutschland
2.2 Begriff der Marke und deren Relevanz im Pharmamarkt
2.3 Der informierte Patient im Wandel

3 Generierung eines Hypothesensystems über die nutzenoptimalen Eigenschaften eines Grippemittels
3.1 Herleitung von Merkmalen
3.2 Generierung von Hypothesen

4 Eine Choice-Based-Conjoint-Analyse zur Bestimmung der patientengerechten Ausgestaltung eines Grippemittels
4.1 Die Conjoint-Analyse als Instrument
4.1.1 Grundidee und Ablaufschritte der Conjoint-Analyse
4.1.2 Die Choice-Based-Conjoint-Analyse
4.2 Erhebungsdesign und Datenerhebung
4.3 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
4.4 Implikationen für Praxis und Forschung

5 Schlussbetrachtung

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der OTC-Markt in Deutschland

Abbildung 2: Nutzen der Marke

Abbildung 3: Abstraktionseben des Means-End-Ansatz

Abbildung 4: Bedürfniskonkretisierungsprozess

Abbildung 5: Ablaufschritte bei der Conjoint-Analyse

Abbildung 6: Alternative Bewertungsmethoden

Abbildung 7: Erhebungsdesign der Choice-Based-Conjoint-Analyse

Abbildung 8: Chi-Quadrat-Werte und Freiheitsgrade

Abbildung 9: Relative Wichtigkeiten

Abbildung 10: Die Teilnutzenwerte des Merkmals Preis

Abbildung 11: Die Teilnutzenwerte des Merkmals Vertriebskanal

Abbildung 12: Die Teilnutzenwerte des Merkmals Marke

Abbildung 13: Die Teilnutzenwerte des Merkmals Empfehlung durch

Abbildung 14: Die Teilnutzenwerte des Merkmals Darreichungsform

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Merkmale und Ausprägungen

Tabelle 2: Hypothesen relevanter Eigenschaften bei der Wahl von OTC-Produkten

Tabelle 3: Zusammensetzung der Stichprobe

Tabelle 4: Nutzenoptimale Ausgestaltung eines Grippemittels

Tabelle 5: Nutzenminimale Ausgestaltung eines Grippemittels

Tabelle 6: Relative Faktorgewichtung in den Einkommenssegmenten

Tabelle 7: Präferenzanteile der simulierten Produkte

Tabelle 8: Auswertung der Zusatzfragen

Tabelle 9: Untersuchungsergebnisse der Merkmale und Ausprägungen

Tabelle 10: Umsatzzahlen der 5 führenden Grippemittel

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Zur Relevanz des Wertes der Marke bei OTC-Produkten

Eine imposante und zeitgleich zweifelhafte Aussage Marken mit Mega-Mächten gleichzusetzen, dies möge nun so mancher Leser auf Anhieb denken. Viele Studien bekräftigen jedoch den immensen Einfluss einer starken Marke auf den Unternehmenserfolg und preisen den Markenwert folglich mit einer exorbitanten Bedeutung in bezug auf das Fortbestehen einer Unternehmung. „Brand-guided companies significantly outperform their competitors“, zu dieser Feststellung kam eine kürzlich durchgeführte Studie der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton.

Demnach ist der operative Gewinn bei 80% der mit starkem Markenfokus geführten Unternehmen fast doppelt so hoch wie im Branchenvergleich.[1] In Anlehnung daran schreibt Philip Kotler „[…] one study found that 72 percent of customers would pay a 20 percent premium for their brand of choice relative to the closest competing brand.“[2] Unternehmen wie Coca-Cola, IBM und Microsoft gehören zu den mächtigsten Marken der Welt mit einem geschätzten Markenwert zwischen 50 und 100 Mrd. US $ und deren Unternehmensgewinne liegen im Vergleich zum Branchendurchschnitt erheblich höher. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung eines hohen Markenwertes als wichtigen immateriellen Vermögensgegenstand und unabdingbare Grundlage für einen langfristigen Unternehmenserfolg.[3]

Veränderungen der Unternehmensumwelt der Pharmabranche haben in den letzten Jahren den Handlungsspielraum im Gesundheitswesen agierender Unternehmen enorm beeinflusst. Gesundheitsreformen, die Erweiterung der EU, Generika, die steigende Bedeutung des E-Commerce und vor allem Veränderungen im soziokulturellen Umfeld der Pharmaunternehmen zwingen die Pharmabranche ihre Markenführungs- und Promotionsstrategien neu auszurichten.[4] Dieses neue Markenbewusstsein der Pharmaindustrie belegen Zahlen, wonach in den USA Hersteller im Jahre 2004 mit 57,5 Mrd. US $ mehr für Werbung als mit 31,5 Mrd. US $ für Forschung & Entwicklung ausgaben. Dieser Trend ist auch in Europa zu beobachten, demnach investierten europäische Unternehmen sogar zwischen 31 und 50 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Verkauf in das Marketing.[5]

Folglich ist es offensichtlich, dass für Pharmaunternehmen der Aufbau einer starken Marke ein entscheidendes Kriterium zur Differenzierung gegenüber Konkurrenzangeboten und zur einhergehenden dauerhaften Bindung der Patienten darstellt.

Besonderes Augenmerk in bezug auf die Veränderungen im deutschen Pharmamarkt und im speziellen dem OTC[6] -Markt liegt auf der Gesundheitsreform von 2004 und dem Wandel der Patientenrolle. Seit dem 1. Januar 2004 ist die Preisbindung für Medikamente in Apotheken gefallen und die Erstattung von rezeptfreien Medikamenten durch die gesetzlichen Krankenkassen stark beschränkt worden. OTC-Anbieter sehen sich mit einer völlig neuen Situation konfrontiert, da sie nun auf bisherige GKV-Umsätze verzichten müssen. Es müssen aus bisher vom Arzt verschriebenen Produkten, vom Apotheker empfohlene oder vom Konsumenten aktiv nachgefragte Marken werden, die sich über ihren Charakter, ihre Einzigartigkeit und ihren USP einen vorderen Platz im Mind-Set des Apothekers und des Verbrauchers erkämpfen müssen.[7] Der Wandel zum informierten Patienten, welcher sich zunehmend kritisch mit seiner Medikation auseinandersetzt, führt vor dem Hintergrund einer regelrechten Informationsflut zunehmend zur Suche nach einem Orientierungspunkt um Leistungsangebote der Pharmaunternehmen differenzierter bewerten zu können. Starke Marken können hier eine entscheidende Orientierungshilfe darstellen.

Diese Studie fokussiert sich auf die Marke als Einflussgröße der Nutzenstiftung. Dabei werden jedoch auch andere Einflussgrößen analysiert um eine stärkere Aussagekraft bezüglich der Marke und deren Nutzenstiftung zu erhalten. Die Feststellung der Präferenzen der Patienten erfolgt hierbei mittels einer Choice-Based Conjoint-Analyse. Sie stellt dem Probanden online verschiedene Produktbündel zur Auswahl und ermöglicht es anhand der Entscheidungen der Befragten die Merkmale und Ausprägungen in eine Rangordnung zu bringen. Es soll deutlich werden, welche Merkmale den Patienten einen hohen Nutzen erbringen.

Der Aufbau einer Marke und die damit verbundenen Prozesse sind nicht Gegenstand dieser Arbeit, ebenso wenig wird auf die Markenbewertung im finanzorientierten Sinn eingegangen.

Im folgenden Kapitel werden grundlegende Erläuterungen zum OTC-Markt in Deutschland, der Marke im Pharmabereich und neuer Marktstrukturen gegeben. Im dritten Kapitel werden die für die Untersuchung relevanten Merkmale hergeleitet (Kapitel 3.1) und Hypothesen generiert (Kapitel 3.2). Die Durchführung der Conjoint-Analyse folgt im vierten Kapitel. Hier wird in Kapitel 4.1.1 das Ziel und der Ablauf der Conjoint-Analyse erklärt und in Kapitel 4.1.2 genauer auf die Analyseform Choice-Based Conjoint eingegangen. Im Kapitel 4.2 wird das Erhebungsdesign und die Methode der Datenerhebung erläutert. Die Untersuchungsergebnisse werden in Kapitel 4.3 dargestellt und interpretiert. Abschließend werden in Kapitel 4.4 entstandene Implikationen für Forschung und Praxis abgeleitet. Im fünften und letzten Kapitel wird eine kurze Schlussbetrachtung vollzogen.

2 Grundlegende Erläuterungen zum OTC Markt in Deutschland

2.1 Der OTC Markt in Deutschland

Die Segmentierung des Arzneimittelmarktes erfolgt grundsätzlich nach den gesetzlichen Kriterien, die sich aus der Verschreibungspflicht, der Erstattungsfähigkeit und der Vertriebs-Bindung für bestimmte Arzneimittel ergeben. Definitorisch besteht der OTC-Markt aus zwei Segmenten, dem OTC-Verordnungsmarkt (OTX) und dem OTC-Selbstmedikationsmarkt (SM). Der OTC-Verordnungsmarkt zeichnet sich dadurch aus, dass nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel verschreibungsfähig sind. Dies bedeutet, dass Ärzte solche verschreibungsfähigen OTC-Präparate dem Patienten verordnen können, welche wiederum vom Patienten selbst bezahlt oder von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Zusätzlich ist anzumerken, dass solche Präparate laut Gesetzt nur in Apotheken vertrieben werden dürfen. Arzneimittel des OTC-Selbstmedikationsmarktes hingegen sind sowohl rezeptfrei als auch von der Erstattungsfähigkeit ausgenommen. Diese können sowohl in Apotheken als auch im Einzelhandel bezogen werden. Selbstmedikation wird definiert als eigenverantwortliche Maßnahme mit Hilfe rezeptfreier Arzneimittel die Erhaltung der Gesundheit zu fördern und Gesundheitsstörungen zu beseitigen. Es wird impliziert, dass mit der Selbstmedikation ein vorangegangener Arztbesuch nicht einhergeht.[8]

Aufgrund der eingangs definierten Veränderungen der Umweltbedingungen für Pharmaunternehmen ergeben sich hieraus fundamentale neue Rahmenbedingungen, welche sowohl Chancen als auch Risiken bergen.

Die Gesundheitsreform 2004 hat den deutschen OTC-Markt fundamental verändert. Einschränkungen der Erstattungsfähigkeit rezeptfreier Präparate sowie ihrer Befreiung von der Preisbindung ließ die Umsätze mit ärztlich verordneten OTC-Arzneimitteln innerhalb eines Jahres fast auf die Hälfte schrumpfen, nur ein Teil des Umsatzvolumens ging in den Selbstmedikationsbereich über. Entsprechend haben sich die Umsatzanteile des OTC-Verordnungs- sowie Selbstmedikationssegments 2004 sprunghaft verschoben: Während die Verordnungswerte über mehrere Jahre stabil bei rund 44 Prozent der OTC-Umsätze lagen, ist ihr Anteil zwischen 2003 und 2004 auf 27 Prozent zurückgegangen.

Gleichzeitig ist seit 2000 eine zunehmende Konzentration der Umsätze auf die Top Ten OTC-Anbieter zu beobachten. Eine deutliche Konzentration erfolgt ebenfalls auf Produktseite: Führende OTC-Produkte in verschiedenen Indikationsgebieten verzeichnen deutliche Umsatzzuwächse, die in dem von Verdrängung geprägten OTC-Markt meist unmittelbar zu Lasten aller übrigen Wettbewerbsprodukte gehen.

Starke OTC-Marken sind in der Lage sich gegen Konkurrenzangebote durchzusetzen, Marktanteile zu sichern und diese ggf. auch zu erhöhen.[9] Abbildung 1 verdeutlicht die Auswirkungen der veränderten Rahmenbedingungen des OTC-Marktes.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Der OTC-Markt in Deutschland[10]

2.2 Begriff der Marke und deren Relevanz im Pharmamarkt

Um die Marke als Einflussgröße der Nutzenstiftung für den Patienten verstehen zu können, gilt es zunächst den Begriff der Marke zu definieren. „Eine Marke ist ein Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen Nutzenbündeln, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht der relevanten Zielgruppe nachhaltig differenziert.“[11] Neben der nutzenstiftenden Wirkung der Marke für den Konsumenten, bieten sich im Rahmen der Markenführung auch den Anbietern bzw. Unternehmen Chancen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Nutzen der Marke[12]

In Anlehnung an Burmann, Meffert und Koers soll eine Marke durch ihre absatzfördernde Wirkung vor allem zu einer Steigerung des ökonomischen Markenwertes führen. Jedoch beeinflusst die Marke das Kaufverhalten nur dann positiv, wenn sie aus Sicht des Nachfragers mit einem wahrgenommenen „added value“ einhergeht. Dieser Mehrwert ist das Ergebnis eines vom Nachfrager vollzogenen Vergleichs zu einem konkurrierenden markenlosen Angebot, welches dieselben Basisbedürfnisse erfüllt. Der wahrgenommene Netto-Nutzen-Vorteil einer Marke repräsentiert die Markenstärke, welche sich unmittelbar in der Kaufabsicht des Nachfragers niederschlägt.[13] Diese sogenannte Markenstärke verfügt vor allem über eine hohe Markentreue. Von Treue bzw. Loyalität gegenüber einer Marke kann dann gesprochen werden, wenn der Nachfrager eine positive Einstellung gegenüber der Marke besitzt und diese wiederholt kauft.[14]

Bezogen auf den Pharmamarkt entscheidet somit u.a. die Markenstärke darüber, welche Vorstellungen, Assoziationen und Anmutungen der Arzt oder Patient mit einer Marke verbindet und beeinflusst maßgeblich die derzeitige und zukünftige Markenwahl.[15] Pharmamarken denen es gelingt durch ihre Stärke Loyalität aufzubauen, werden bspw. in der Lage sein, Angriffe durch billige Generika leichter abzuwehren und sich unabhängig von Preiskämpfen zu machen. Um jedoch Loyalität aufbauen zu können und diese nachhaltig zu erhöhen, müssen Pharmamarken mit ihren Medikamenten den Grundnutzen der Patienten, hier die Beseitigung von Schmerzen erfüllen und darüber hinaus Zusatznutzen stiften, wie z.B. die Rückgewinnung der Lebensqualität.[16]

2.3 Der informierte Patient im Wandel

Der uninformierte Patient ist Geschichte. Die Zeit in denen Pharmakunden als passive Laien galten ist vorbei. Der Patient des 21. Jahrhunderts ist individualistisch und mobil, souverän, hochinformiert, unberechenbar und experimentierfreudig. Folge ist eine radikale Veränderung der Erwartungshaltung der Kunden welche die Marktveränderungen determiniert.[17]

Das gesteigerte Wissen der Patienten lässt sich mit einem zunehmenden Informationsbedürfnis erklären. So bekundeten 87 % der Befragten in einer Untersuchung des Gesundheitsmonitors Interesse an Gesundheitsthemen. Ein bedeutendes Medium um dieses Interesse zu befriedigen stellt das Internet dar.[18]

Eine Folge des gestiegenen Gesundheitsbewusstseins und dem durch das Internet erlangte Fachwissen ist eine emanzipierte Arzt-Patienten Beziehung.[19] Die nun leicht zugänglichen Informationen, die früher nur Fachpersonen vorbehalten waren, haben höhere Ansprüche des Patienten an die Fachwelt zur Folge. Es entsteht ein gesteigertes Bedürfnis in die eigene Behandlung involviert zu werden. Für den Apotheker bedeutet dies eine gehobene Erwartungshaltung bezüglich der Beratungsqualität und einem zeitnahen Beschaffungsvorgang von Informationen. Die Kunden verfügen in einer digitalen Welt über die Möglichkeit sich in virtuellen Netzwerken zu organisieren und Wissen anzueignen, dass sogar jenes von Fachpersonen übertreffen kann. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Internet zu einer Informationsflut führt die eine effektive Informationsverarbeitung an ihre Grenzen treibt und Fachpersonen nicht ersetzen kann.[20]

Nicht nur die mediale Vielfalt, sondern auch neue gesetzliche Bestimmungen zur Patientenkommunikation sorgen für das erwähnte Informationsüberangebot. Folglich lässt die Trennschärfe im Produktangebot nach und der Patient sucht nach Orientierungspunkten zur Differenzierung der Leistungen. Dabei können starke Marken die entscheidende Rolle spielen und beim Patienten eindeutige Präferenzen schaffen.[21]

Im Zuge der Reformen und neuen Akteuren im Internet als Meinungsbilder (von Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen, staatlichen Stellen und Pharmaunternehmen bis hin zu Krankenkassen) sinkt die Abhängigkeit der Patienten von den Intermediären Arzt und Apotheker. Der Patient erhält ein völlig neues Informations- und Kommunikationsspektrum. Von reiner Informationsabfrage zur Dialogmöglichkeit bis zu direktem Kontakt mittels medizinischer Betreuung per Internet.

Für die Pharmaunternehmen stellt der informierte Patient eine neue Herausforderung dar, da die Beratung durch Arzt oder Apotheker bezüglich eines Arzneimittels nun oft hinterfragt wird und Alternativen gesucht werden. So gaben nach einer Studie der „Health on the Net Foundation“ 43 % der Befragten an, sich eine zweite Meinung zur Diagnose per Internet zu suchen. Speziell im OTC-Bereich gilt es nun nicht mehr nur die Apotheker als Ansprechpartner zu sehen, sondern die Kommunikationsaktivitäten auf den Patienten mittels einer spezifischen Ansprache auszuweiten.[22] Eine ausgeprägte Kundenorientierung gilt im Zeitalter informierter Patienten als ein entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg.[23]

Dass der Apotheker die Rolle des führenden Beraters bezüglich der Produktwahl im OTC-Bereich inne hat, verdankt er den bereits erwähnten Reformen. Der Arzt wird zunehmend aus dieser Position verdrängt, seine Empfehlung verliert bei leichten Erkrankungen immer mehr an Bedeutung und der Patient neigt zur Selbstmedikation.[24] Diese Entwicklung wird durch die Besonderheit verstärkt, dass Patienten sich immer mehr an Herstellerinformationen orientieren, insbesondere Endverbraucherwerbung, statt den Arzt zu kontaktieren. Davon begünstigt werden wiederum führende Hersteller von starken Marken und Produkten. In einer von accenture durchgeführten Studie wird die Erwartung, dass die Apotheker als zentrale Empfehler an Bedeutung gewinnen und die lenkende Funktion des Arztes als rückläufig gilt belegt.[25]

Die Verschiebung der Inanspruchnahme des Arztes zum Apotheker wird durch die reformbedingte Praxisgebühr und die Freigabe von Medikamenten zur rezeptfreien Abgabe unterstützt. Dieser Trend wird in einer Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach nachgewiesen. 67 % der Befragten gaben an, bei leichten Beschwerden nicht zum Arzt, sondern direkt in die Apotheke zu gehen.[26] Die Apotheke wird zunehmend zu einem Informationszentrum für den Patienten, das Informationen ordnet, bewertet und gewichtet.[27]

Weitläufige Veränderungen im Zuge der Reformen und der neuen Medien gibt es auch in der Vertriebsstruktur. War früher nur die Apotheke als Bezugsquelle vorhanden, wird der Vertrieb nun auch über Internetapotheken und Drogerien vollzogen. Dieser Veränderungsprozess ist noch nicht abgeschlossen, da noch weitreichende Urteile für die Pharmabranche und die Apothekenlandschaft erwartet werden. Schon seit 2004 sind die Preise für OTC-Produkte freigegeben. Die Erstattungsfähigkeit für rezeptfreie Medikamente wurde stark beschnitten, was zu einem Umsatzeinbruch führte. Apothekenkooperationen und Franchise-Modelle rücken stärker in den Vordergrund und der Einstieg von Drogerien und Supermärkten in den OTC-Markt steht bevor. Die Konkurrenz wächst stetig und die Preise drohen weiter zu sinken.[28] So wurde im März 2008 der Drogeriekette dm vom Bundesverwaltungsgericht die Erlaubnis erteilt, in Kooperation mit der holländischen Versandapotheke „Europa Apotheek“ OTC-Produkte zu vertreiben. Diese Entscheidung stellt jedoch nur einen weiteren Schritt der Liberalisierung des OTC-Markts dar. Viele Händler wollen folgen. Experten sagen die Deregulierung in Form des Kippens des deutschen Fremd- und Mehrbesitzverbots durch die EU spätestens für 2009 voraus.[29] Vordergründiges Argument der Einzelhändler für einen Einstieg in den Markt sehen Experten in den hohen Margen bei OTC-Produkten. So könnten bis zu 50 % an Rohertrag erzielt werden, was die Attraktivität des Segments erklärt.[30] Der Arzneimittelversandhandel ist dagegen schon seit 2004 zugelassen. Über 1.800 Apotheken haben derzeit eine Versandhandelzulassung, wovon etwa 2 % ein marktanteilsrelevantes Volumen aufweisen. Ingesamt machte der Versandhandel 2007 5 % des Umsatzes am OTC Markt aus. Auffällig ist die Konzentration auf die führenden Produkte und Marken bei deren Angebot. Experten prognostizieren weitere Steigerungen im Versandbereich.[31] Festzuhalten bleibt allerdings, dass Apotheken immer noch weit über 80 % des Umsatzes erwirtschaften und klar der dominierende Vertriebskanal sind.

Betrachtet man die Entwicklung in den deutschen Nachbarländern, wird deutlich wie sich der Markt in den nächsten Jahren verändern könnte. So sind in Italien und Großbritannien OTC-Produkte frei verkäuflich und keiner Apothekenpflicht unterworfen. Unterschiedliche Vertriebsmodelle beschleunigen die Dynamik im OTC-Markt. Auch für Deutschland wird erwartet, dass der Außendienst der Pharmaunternehmen zunehmend durch zentrale Vereinbarungen mit Apotheken abgelöst wird. Der Preisdruck steigt, da der Preis als zentrales Wettbewerbsinstrument gesehen wird. Die Hersteller verlieren zunehmend die Kontrolle über die Endverbraucherpreise und sehen sich wachsender Konkurrenz durch Handelsmarken ausgesetzt. Dem Trend entgegenwirken kann die Pharmabranche nur durch etablieren starker Marken, werden doch jetzt schon in manchen Segmenten über 90 % des Umsatzes mit den 10 stärksten Marken erzielt.[32]

So gehen Experten davon aus, dass sich die Klassiker wie Aspirin und Co trotz deutlicher Marktveränderungen durchsetzen werden. Als Handlungsempfehlung um am Markt zu bestehen raten sie den Anbietern ihr Produktportfolio genau zu überprüfen. Schwache Marken werden einen deutlich höheren Druck verspüren. Nur starke Marken können auch starkem Margendruck widerstehen, doch deren Aufbau ist kost- und zeitspielig.[33]

3 Generierung eines Hypothesensystems über die nutzenoptimalen Eigenschaften eines Grippemittels

3.1 Herleitung von Merkmalen

Zuvor wurde die Struktur des OTC-Markts in Deutschland untersucht und der Einfluss starker Marken auf den Erfolg von OTC-Produkten analysiert. Dabei wurde die Rolle des Kunden und die Diversifikationsmöglichkeiten bezüglich neuer Vertriebskanäle näher beleuchtet. Im weiteren Verlauf dieser Studie sollen nun die relevanten Merkmale Marke, Darreichungsform, Empfehlungsart, Vertriebskanal und Preis betrachtet werden.[34] Die zugehörigen Merkmalsausprägungen werden im Folgenden genauer dargestellt:

Bei dem Merkmal Marke stehen folgende Produkte zur Verfügung: „Aspirin Complex“, „Wick MediNait“, „Grippostad“, „Umckaloabo“ und „Esberitox“. Bei den aufgeführten Produkten handelt es sich um apothekenpflichtige aber nicht verschreibungspflichtige Präparate, d.h. sie sind frei verkäuflich. Die gewählten Produkte sind auf dem deutschen Markt als führend anzusehen.[35] Dieses Merkmal wurde in die Untersuchung miteinbezogen, um festzustellen, welche Produkte die Kunden bevorzugen und ob die Marke einen Einfluss auf die getroffene Wahl hat.

Das zweite zu untersuchende Merkmal ist die Darreichungsform. Zur Auswahl stehen die Ausprägungen „Tablette“, „Kapsel“, „Brausetablette“, „Tropfen“ und „Sirup“. Dabei wurde darauf geachtet die gängigsten Darreichungsformen zu wählen.

Als nächstes Merkmal wird von den Autoren die Herkunft der Empfehlung betrachtet.. Dabei stehen die Ausprägungen Empfehlung durch „Arzt“, „Apotheker“ sowie durch den „Bekanntenkreis“ zur Wahl. Besondere Prägnanz bekommt das Merkmal der Empfehlungsart durch den Umstand, dass im Hinblick auf die Gesundheitsreform aus dem Jahre 2004 der Kunde bei einer Erkrankung oftmals nicht den Weg zum Arzt, sondern direkt in die Apotheke sucht oder sich anderer Medien bedient.

Des Weiteren findet das Merkmal Vertriebskanal Eingang in die Untersuchung. In der Befragung wird hier zwischen den Ausprägungen „Apotheke“, „Internetapotheke“ und „Drogerie“ unterschieden. Diese drei Beschaffungsformen stehen dem Kunden heutzutage zur Verfügung und erweitern das ursprünglich nur auf die Apotheke begrenzte Angebot, wobei zu beachten ist, dass das OTC-Angebot in Drogerien momentan noch gesetzlich stark reglementiert ist.

Zuletzt wird das Merkmal Preis untersucht. Dabei sind folgende Optionen wählbar: „7 Euro“, „8,50 Euro“, „10 Euro“, „11,50 Euro“ und „13 Euro“. Das Intervall der gewählten Preise ist mit 1,50 Euro jeweils gleich hoch gewählt, um eine möglichst optimale Vergleichbarkeit zu gewährleisten und Bereiche hoher oder geringer Preissensibilitäten zu identifizieren. Die Preise orientieren sich an den unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers der einzelnen Produkte. Dabei wurde darauf geachtet vergleichbare Packungsgrößen zu wählen, deren Inhalt dazu ausreicht den Patienten bei der empfohlenen Tagesdosis 3-4 Tage zu versorgen .

In der vorliegenden Analyse wird davon ausgegangen, dass die untersuchten Merkmale voneinander unabhängig und für den Patienten bei der Wahl des optimalen Grippemittels relevant sind.[36] Die Autoren nehmen an, dass die zuvor erläuterten Merkmale die wichtigsten Treiber für die Wahl eines OTC-Produkts darstellen.

In der folgenden Tabelle wird ein Überblick über die Merkmale mit ihren jeweils möglichen Ausprägungen gegeben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Merkmale und Ausprägungen

3.2 Generierung von Hypothesen

Im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung spiegelt die Markenbekanntheit eine Grundvoraussetzung für das Entstehen des Markenimages. Die Markenbekanntheit misst die Fähigkeit potenzieller Nachfrager, sich an ein Markenzeichen zu erinnern oder es nach akustischer und/oder visueller Stützung wieder zu erkennen und diese Kenntnisse einer Produktkategorie zuzuordnen. In Konsequenz bedeutet dies, dass ohne das Vorherrschen einer Markenbekanntheit keine Markenimagebildung in der Psyche des Konsumenten erfolgen kann. Das Markenimage stellt ein mehrdimensionales Einstellungskonstrukt dar und wird nach dem identitätsbasierten Markenführungsansatz in drei Komponenten unterteilt. Das subjektive Wissen des Konsumenten zu den Markenattributen sowie die Assoziationen zur Markenpersönlichkeit und zum Nutzen der Marke. Sowohl die Markenattribute als auch die Markenpersönlichkeit wirken auf den vom Nachfrager wahrgenommenen Markennutzen. Dieser Wirkungszusammenhang basiert auf den Erkenntnissen der Means-End-Theorie, nach der Nachfrager Marken als ein Bündel von funktionalen und symbolischen Eigenschaften (means) wahrnehmen, mit dem Ziel, wünschenswerte Zustände im Sinne eines subjektiv geschätzten Nutzens(end) zu erreichen.

In anderen Worten, es geht um die Bewertung der Eignung einer Marke zur Befriedigung individueller Bedürfnisse. Vor allem den symbolischen Nutzenassoziationen wird eine hohe Bedeutung für das Kaufverhalten beigemessen.[37] Symbolische Nutzenassoziationen sind auch bekannt unter dem Begriff „added value“, ein Zusatznutzen den Nachfrager erfahren, welcher nicht direkt aus den Markenleistungen abzuleiten ist.

Im Folgenden soll der Means-End-Ansatz vor dem Hintergrund der Markenbekanntheit und daraus resultierender Markenimagebildung die Grundlage für das Herleiten einer Hypothese über die Marke bzw. Markenbekanntheit und ihre nutzenstiftende Wirkung für den Konsumenten bilden.

Nach dem Means-End-Ansatz lassen sich aus Sicht der Konsumenten zunächst konkrete und abstrakte Eigenschaften eines Produktes bzw. einer Marke wie Preis, Design etc. erkennen. Mit diesen Eigenschaften korrelieren indirekt Nutzenkomponenten wie Sicherheit und Individualität. Diese Nutzenkomponenten sind wiederum mit übergeordneten Werten wie z.B. Lebensfreude verknüpft. „Diese Abfolge von Eigenschaften, Nutzen und Werten bezeichnet man als Means-End-Ketten.“[38] Mit anderen Worten, diese Abfolge kommt mit dem Beginn einer Kaufabsicht zum Tragen und endet im Idealfall mit dem Kauf des Produktes.[39]

Die Eigenschaften bzw. Produktattribute sind vom Hersteller des Produktes direkt beeinflussbar, der Konsument entscheidet anhand dieser zunächst ob ein Produkt für eine Kaufabsicht in Frage kommt, danach verknüpft er diese Attribute mit gewissen Nutzenvorstellungen die er erfährt und aufbauend darauf verbindet er diese Nutzenvorstellungen mit Werten die sein individuelles Handeln bestimmen. Die vom Anbieter eines Produktes beeinflussbaren Attribute sind folglich als Treiber des imaginär-symbolischen Nutzenerlebnisses zu verstehen.[40]

Abstraktionsebenen des Means-End-Ansatz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Abstraktionseben des Means-End-Ansatz[41]

Nachfrager begehren insbesondere jene Erzeugnisse, die imaginär-symbolischen

(„added Value“) und nicht nur den eigentlichen funktionalen Nutzen transportieren können.[42]

Ein Patient entscheidet sich analog zur Means-End-Theorie für die Marke, die ihm den größten Zusatznutzen bieten kann. Aufgrund dessen wird vermutet, dass die größere Markenbekanntheit von Aspirin Complex dazu führt, dass neben den funktionalen Nutzenerlebnissen vor allem ein höherer imaginär-symbolischer Nutzen gestiftet wird und somit Aspirin Complex bei der Auswahlentscheidung einen Vorzug gegenüber dem wesentlich unbekannteren Präparat Esberitox erfährt. Die Ausführungen lassen die folgende Hypothese zu:

H1: Patienten bevorzugen Aspirin Complex gegenüber Esberitox

Nun soll auf Basis der Assimilations-Kontrast-Theorie eine Hypothese über die von Patienten bevorzugten Preise für ein Grippemittel gefunden werden. Die von Sherif und Hovland aufgestellte Theorie geht von der Annahme aus, dass potentielle Käufer eines Produkts einen objektiven Preis mit individuellen Reaktionen versehen. Dabei wird eine implizite Skala, welche der Beurteilung der Preise dient, in verschiedene Zonen unterteilt. Man unterscheidet zwischen der Akzeptanzzone, der Indifferenzzone und der Kontrastempfindungszone. Fundamentaler Bestandteil der Theorie ist die Annahme, dass je nach vorliegender Erfahrung mit dem Reizgegenstand gleiche Sachverhalte unterschiedlich beurteilt werden. Der vom Probanden akzeptierte Referenzpreis als Ankerreiz liegt in der Mitte des Akzeptanzbereiches. Wenn sich der geforderte objektive Preis in diesem Bereich befindet wird der Preis wahrnehmungsgemäß in Richtung des Ankerreizes verschoben bzw. assimiliert. D.h. Preisdifferenzen innerhalb des Akzeptanzintervalls werden verdrängt oder nicht wahrgenommen. Liegt der Preis hingegen in der Kontrastzone tritt der entgegengesetzte Effekt ein. Dieser Preis wird dann als einem anderen Bereich zugehörig angesehen. Folge ist das Ablehnen des Preises, da starke Abweichungen vom Referenzpreis dazu führen, dass starke Ausschläge wahrnehmungsgemäß noch vergrößert werden und einen noch stärkeren spürbaren Kontrast ergeben.[43] Befindet sich der Preis in keiner der angegebenen Zonen liegt er im Indifferenzbereich, was bedeutet, dass der Proband keine klare Meinung zum Preis hat und somit bezüglich seiner Handlung indifferent ist. In Verbindung mit der Assimilations-Kontrast-Theorie wird häufig auch von Preisschwellen gesprochen. Dabei geht man davon aus, dass ein Nachfrager eigene Preiskategorien bildet (ähnlich zu den bereits im Zusammenhang mit der Assimilations-Kontrast-Theorie erwähnten Zonen). Er neigt dazu Preise in Kategorien mit nur wenigen Einstufungsklassen wie z.B. „sehr billig“, „billig“ bis hin zu „sehr teuer“ einzuteilen. Erfolgt an einer der persönlichen Schnittstellen ein Wechsel in eine höhere Kategorie, ändert sich sprunghaft das Preisempfinden. Diese beschriebenen Schnittstellen werden als Preisschwellen bezeichnet und können als solche Preispunkte definiert werden, bei denen sich die Preisbewertung schlagartig verändert.

Durch die beschriebene Kategorisierung werden beim Nachfrager bestimmte Reaktionen ausgelöst, die beim überschreiten eines Niveaus das Verwerfen der Kaufabsicht zur Folge haben können.[44] Starke Preisschwellen werden vor allem an Glattpreisen vermutet.[45] Dies betrifft in der vorliegenden Studie den Preis von 10 Euro. Es darf angenommen werden, dass hier der Teilnutzen für die Probanden stark abnimmt.

Der Preis gilt jedoch als ein zentrales Entscheidungskriterium für die Patienten bei der Wahl des Grippemittels. Dies wiesen bereits Huber et al. in ihrer Studie über den pharmazeutischen OTC-Markt nach. Weiterhin gehen sie davon aus, dass dem Preis bedingt durch den Umstand, dass sich die Leistungen der verschiedenen Anbieter in den Augen der Konsumenten immer mehr angleichen eine entscheidende Rolle als Differenzierungsmerkmal zukommt.[46] Auch Krafft beschrieb schon die hohe Bedeutung der Preispolitik besonders für den OTC-Bereich, da hier der Endkunde die gesamten Kosten trägt. Er kommt zu dem Schluss, dass im Bereich der Selbstmedikation eine relativ geringe Zahlungsbereitschaft vorliegt.[47]

Eine Folge dieser Entwicklung könnte darin bestehen, dass Patienten bei der Produktwahl den Preis als wichtigstes Kriterium zu Grunde legen. Dabei ist anzunehmen, dass bei Grippemitteln die sich in ihrer Leistung nur noch minimal unterscheiden und alle primär dem Zweck der schnellen Genesung dienen, die Patienten dazu tendieren sich für ein günstigeres Produkt zu entscheiden. Der Patient könnte vor allem dann auf ein billigeres Produkt ausweichen, wenn seine persönliche Akzeptanzzone nicht mehr erreicht wird und eine von ihm gesetzte Preisschwelle überschritten wird. Diese kann zwar durch positive Erfahrungen mit einer bestimmten Marke durchaus nach oben korrigiert werden, doch lässt sich aus den vorliegenden Erkenntnissen folgende Hypothese über den Preis ableiten:

H2: Patienten bevorzugen bei in der Leistung ähnlichen Grippemitteln einen geringen Preis gegenüber einem hohen

Im folgenden Abschnitt soll eine Hypothese über den vom Patienten bevorzugten Vertriebskanal aufgestellt werden. Dazu soll zuerst ein Blick auf die aktuelle Entwicklung des deutschen Pharmamarktes gerichtet werden. AC Nielsen veröffentlichte im März 2008 die Umsatzzahlen des Pharmamarktes für 2007, inklusive denen des relevanten OTC-Marktes. Der gesamte OTC-Markt hat ein Volumen von 7,5 Mrd. Euro, was ein Umsatzplus von 1,5 % bedeutet. Davon entfallen knapp 1 Mrd. Euro Umsatz auf Drogerien und den Lebensmitteleinzelhandel. Mit einem Umsatzanteil von 87 % haben die Apotheken ihre überragende Stellung noch weiter ausgebaut.[48] Jedoch wird den Versandapotheken eine steigende Bedeutung im Vertrieb zugemessen. Sie erreichen mittlerweile einen Marktanteil von 5 % im Teilmarkt der rezeptfreien Produkte.[49]

Um das Kaufverhalten der Probanden zu erklären ist der Prozess der Bedürfniskonkretisierung hilfreich. Dabei entsteht auf der Antriebsebene der potentiellen Käufer eine Motivation, die beispielsweise physiologischer Natur sein kann.[50] Daraus ergibt sich ein Bedürfnis. In unserer Studie wäre es das Bedürfnis nach Gesundheit. Aus diesem Bedürfnis entsteht ein konkreter Bedarf. Auf der Ebene der Objektausrichtung spielen vor allem persönliche Werte und Einstellungen, aber auch Produktinformationen und soziale Normen eine Rolle. Durch diese Einflussfaktoren wird der Bedarf konkretisiert. In unserem Beispiel entsteht hier der Wunsch nach einem konkreten Produkt. Es kommt zur Nachfrage, welche durch die Ebene der Beschaffungsdisposition gesteuert wird. Das bedeutet der Nachfrager bestimmt wie viel er bereit ist für das Produkt zu zahlen, welchen Aufwand er dafür tätigen muss und entscheidet sich für den Ort und Zeitpunkt der Beschaffung.[51] Ausgehend von der Überlegung, dass schon ein grippaler Infekt vorliegt, muss der Erkrankte möglichst schnell ein Produkt beschaffen um bestehende Symptome zu lindern. Hier erscheint die Internetapotheke eher ungeeignet, da der Bestell- und Liefervorgang mehrere Tage in Anspruch nehmen kann. Die Apotheke hingegen ist zeitnah zu erreichen (notfalls sogar nachts) und bietet den Vorteil der persönlichen Beratung. Die Apothekendichte in Deutschland, mit einer Anzahl von etwa 21500, ist im europäischen Vergleich enorm hoch.[52] Somit sollte es jedem Konsumenten ohne großen Zeit- und Kostenaufwand möglich sein eine Apotheke zu erreichen. Auch ein möglicher Kostenvorteil von Drogerie und Internetapotheke können die genanten Vorteile der Apotheke kaum kompensieren. Fakt ist weiterhin, dass vor allem ältere Menschen ein gesteigertes Vertrauen zur Apotheke haben und das Internet nur selten oder gar nicht nutzen.[53] Die vorangehenden Überlegungen des Konsumenten münden im Kaufakt, der noch einmal von situationsbedingten Gegebenheiten und dem am Beschaffungsort vorhandenen Angebot beeinflusst wird.[54] In unserem Fall kann der Konsument bei der Wahl der Apotheke als Vertriebskanal sich vor Ort noch kompetent über ein geeignetes Grippemittel beraten lassen und vom reichhaltigen Angebot der Apotheke profitieren. Zur Visualisierung des beschriebenen Prozesses soll folgende Abbildung dienen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Bedürfniskonkretisierungsprozess[55]

Ausgehend von den vorangehenden Ausführungen basierend auf dem Prozess der Bedürfniskonkretisierung und den aktuellen Umsatzzahlen im OTC-Bereich lautet die Hypothese wie folgt:

H3: Die Apotheke wird von Patienten bei der Wahl des Vertriebskanals gegenüber der Internetapotheke bevorzugt

Nachfolgend soll eine Hypothese über die Darreichungsform bei OTC-Produkten hergeleitet werden. Sehr hilfreich erweist sich dabei eine Studie von Huber, Vollhardt, Regier und Martin die sich mit den Determinanten der Markenstärke am Beispiel des pharmazeutischen OTC-Marktes auseinandersetzt. Die Markenstärke wird hier einerseits in Erfolgsfaktoren aus dem verhaltenswissenschaftlichen Bereich und anderseits in Markenstärketreiber gegliedert. Für die hier vorliegende Arbeit und im Speziellen der Herleitung einer Hypothese über die Darreichungsform ist der Bereich der Markenstärketreiber interessant. Auf diese haben die Pharmaunternehmen direkten Einfluss. Huber et al. betrachten in ihrem Markenstärkemodell die Elemente des Marketing-Mix.[56] Dabei werden Kommunikationspolitik, Distributionspolitik und Produktpolitik unterschieden. Hier liegt der Fokus auf der Produktpolitik, in der die Darreichungsform eine von vier Indikatoren darstellt.[57] Zur Erhebung der Daten wurden detaillierte Expertengespräche mit Mitarbeitern aus der OTC-Branche geführt. Die erhaltenen Antworten dienten der Opernationalisierung der Elemente des Marketing-Mix und mündeten unter anderem in der Hypothese, dass die Produktpolitik von Pharmaunternehmen der Selbstmedikation positiv die Markenstärke beeinflussen würde.

Jedoch konnte die o.g. Hypothese nicht bestätigt werden. Ein Grund dafür wird in der Annahme gesehen, dass sich der Patient nur wenig mit dem physischen Arzneimittel auseinandersetzt. Denn Arzneimittel stellen Verbrauchsgüter dar, deren Farbe von Kapseln oder Geschmäcker von Säften für den Verbraucher eine wenig bedeutsame Eigenschaft ist.

In weiteren Verlauf ihre Studie leiteten Huber et al. Handlungsempfehlungen bezüglich der Marketingaktivitäten von Pharmaunternehmen ab. Auch hier wurde beispielhaft der Darreichungsform (in Form einer Kapsel) ein nicht signifikanter Einfluss nachgewiesen, da sie für den Kunden nur eine untergeordnete Rolle spielt. Marketingaktivitäten in diesem Bereich seien somit zu hinterfragen.[58] Den Einfluss der Produktpolitik (und somit der Darreichungsform als einem Teil von ihr) auf die Markenstärke beziffern Huber et al. in einem Beitrag im Pharma-Marketing Journal auf weniger als 5 %.[59]

Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse ergibt sich folgende Hypothese:

H4: Das Merkmal Darreichungsform weist die geringste relative Wichtigkeit innerhalb der gesamten Merkmalsebene auf

Die Theorie der kognitiven Dissonanz nach Festinger beschreibt das menschliche Grundbedürfnis einer konsistenten, für das Individuum stimmigen geistigen Ordnung. Diese soll nun die Basis bilden um eine Hypothese über die Art der Empfehlung bei der Wahl von OTC-Produkten zu finden. Festinger zufolge existieren beim Menschen Motive zur Vermeidung bzw. Verminderung kognitiver Spannungen, sogenannter Dissonanzen. Solche Spannungen resultieren aus widersprüchlichen Informationen, die ein individuell gebildetes System von Kognitionen instabil werden lassen. Sie entstehen vordergründig nach der Aufnahme von Informationen die bisherigen Erfahrungen widersprechen und das eigene Entscheidungsverhalten in Frage stellen, nach der Kaufentscheidung beim Abwägen bezüglich abgelehnter Alternativen oder in der Phase der Produktnutzung, falls die Erwartungen ans Produkt nicht erfüllt werden.[60]

Personen die Dissonanz empfinden sind jedoch bestrebt Situationen und Informationen zu meiden, welche die Dissonanz noch vergrößern könnten. Zur Reduktion entstandener Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Elementen ihres kognitiven Systems (bestehend aus Einstellungen, vorhandenen Informationen und Annahmen) verfügt der Mensch jedoch über wirksame Strategien.[61] Festinger nennt folgende Alternativen: die Suche nach bestätigenden Informationen sowie das Vermeiden neuer Informationen welche die Dissonanz noch verstärken könnte. Das Abwerten dissonanter Kognitionen, indem man die Glaubwürdigkeit negativer Informationen anzweifelt. Die Reduktion der Dissonanz durch Umbewerten der Wichtigkeit der eigenen Kognitionen. Oder jedoch das Bestreben bereits vor einer Entscheidung inkonsistente Informationen zu vermeiden, verdrängen oder abzuwerten.[62]

[...]


[1] Vgl. Harter, Gregor et al. (2005), S. 1ff.

[2] Kotler, Philip/ Armstrong, Gary (2007), S. 249.

[3] Vgl. Sattler (2001), S. 7.

[4] Vgl. Schmidt/ Kuschmann (2005), S. 2.

[5] Vgl. Schulte von Drach (2008), S. 1ff.

[6] OTC = Over the Counter (rezeptfreie, freiverkäufliche Arzneimittel).

[7] Vgl. press1: Health Relations

[8] Vgl. Breuer (2000), S. 5.

[9] Vgl. O.V. (a), S. 2ff.

[10] Eigene Darstellung in Anlehnung an accenture Studie (2005), S. 5.

[11] Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2007), S. 3.

[12] Eigene Darstellung in Anlehnung an Burmann/Meffert/Koers (2005), S.13.

[13] Vgl. Meffert/ Burmann/Kirchgeorg (2008), S. 354

[14] Vgl. Day 1969, S.29 ff.

[15] Vgl. Aaker (1996), S. 102ff.

[16] Vgl. Huber et al. (2005), S. 11.

[17] Vgl. Harms (2008), S. 1 ff.

[18] Vgl. Marstedt (2003), S. 3ff.

[19] Vgl. Schmidt/ Kuschmann (2005), S. 2.

[20] Vgl. Zehnder et al. (2001), S. 2.

[21] Vgl. Huber/ Vollhardt (2006), S. 1.

[22] Vgl. Hautzinger (2003), S. 599-600.

[23] Vgl. Huber et al. (2005), S. 9.

[24] Vgl. Huber (2006b), S1.

[25] Vgl. O.V. (a), S. 2ff.

[26] Vgl. O.V. (d): S. 1ff.

[27] Vgl. Zehnder et al. (2001), S. 2.

[28] Vgl. O.V. (a), S. 2.

[29] Vgl. O.V. (c):, S. 1f.

[30] Vgl. Seidel (2008), S. 1.

[31] Vgl. Voigt/ Weiche (2008), S. 1.

[32] Vgl. Weiche/ Huber (2008), S.1ff.

[33] Vgl. Telgheder (2008), S. 1f.

[34] Siehe Tabelle 1.

[35] Vgl. Anhang 3.

[36] Vgl. Backhaus et al. (2006), S.562.

[37] Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2007), S. 364f.

[38] Baumgarth (2008), S. 46.

[39] Vgl. Herrmann/Huber/Braunstein (2001), S. 117 ff.

[40] Vgl. Huber/Herrmann/Peter (2003), S. 349.

[41] Eigene Abbildung in Anlehnung an: Herrmann/Huber/Braunstein (2001), S. 118.

[42] Vgl. Cobb-Walgren/Ruble/Donthu (1995), S. 30 ff.

[43] Vgl. Nieschlag/ Dichtl/ Hörschgen (2002), S. 764.

[44] Vgl. Diller (2000), S. 136f.

[45] Vgl. Nieschlag/ Dichtl/ Hörschgen (2002), S. 767.

[46] Vgl. Huber et al. (2006a), S. 63.

[47] Vgl. Tscheulin/ Helmig (2001), S. 638f.

[48] Vgl. O.V. (b): S. 1f.

[49] Vgl. Voigt/ Weiche (2008), S. 1.

[50] Vgl. hierzu auch Maslows Bedürfnishierarchie, in der die fundamentalen physiologischen Bedürfnisse die unterste Ebene der Hierarchie darstellen. Es gilt sie zu befriedigen, bevor eine höheres Stufe angestrebt werden kann. Vgl. Nieschlag/ Dichtl/ Hörschgen (2002), S. 1039.

[51] Vgl. Nieschlag/ Dichtl/ Hörschgen (2002), S. 639.

[52] Vgl. Weiche/ Huber (2008), S. 19.

[53] Vgl. Marstedt (2003), S. 7.

[54] Vgl. Nieschlag/ Dichtl/ Hörschgen (2002), S. 639.

[55] Eigene Darstellung in Anlehnung an Huber (2002), Skript Absatzwirtschaft B1, S. 14.

[56] Vgl. Huber et al. (2005), S. 3f.

[57] Vgl. Huber et al. (2005), S. 36.

[58] Vgl. Huber et al. (2005), S. 25ff.

[59] Vgl. Huber et al. (2006), S. 63.

[60] Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (2002), S.1025 f.

[61] Vgl. Festinger (1957), S. 3.

[62] Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (2002), S.1025 f.

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Die "Mega-Macht Marke". Der Wert der Marke bei OTC-Produkten
Untertitel
Marketing als Medizin. Placebo oder Allheilmittel?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
1,7
Autoren
Jahr
2008
Seiten
67
Katalognummer
V135395
ISBN (eBook)
9783640435890
ISBN (Buch)
9783640436224
Dateigröße
1179 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
OTC, Pharmamarketing, Markenmacht
Arbeit zitieren
Sascha Radewald (Autor:in)Deniz Yesil (Autor:in), 2008, Die "Mega-Macht Marke". Der Wert der Marke bei OTC-Produkten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135395

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