Die Funktion der Religion im Prozess der Säkularisierung


Hausarbeit, 2003

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Prozess der Säkularisierung
2.1. Die Entwicklung
2.2. Die Ursachen

3. Die Funktion der Religion
3.1. Was ist Religion?
3.2. Religion und Kultur
3.3. Religion und Gesellschaft
3.4. Religion und Staat
3.5. Funktion der Religion nach Luckmann
3.6. Funktion der Religion nach Luhmann

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer

herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das

Opium des Volkes.“1

Diese Aussage von Karl Marx spiegelt deutlich seine religionstheoretische Auffassung wider, die seine Werke deutlich geprägt hat. Er bringt damit zum Ausdruck, dass er Religion für eine vom Menschen selbst geschaffene Institution hält, mit der dieser versucht, sich über gesellschaftliche Missstände zu trösten, um dieses ‚Jammertal’ besser ertragen zu können. Marx zufolge ist Religion eine notwendige Erscheinung in der Entwicklung der Menschheit, denn genauso zwangsläufig, wie die breite Masse in den Klassengesellschaften religiös sind, wird der Mensch die Religion später als eine überlebte Naivität von selbst ablegen.

Religion in der Funktion eines terminierten Trostspenders?

Noch weiter gingen die Ansichten der französischen Vertreter des Materialismus, auch hier lag die These des dialektischen Materialismus zugrunde, der die Existenz von Gott bestreitet, doch sie bezeichneten Religion sogar als von Verbrechern erdachten, bewussten Betrug, der nur dem Zweck dienen konnte, den Menschen zu beherrschen. Der erste Schurke, der den ersten Narren traf, war der erste Priester...

Religion in der Funktion als Werkzeug zur persönlichen Bereicherung?

Von Durkheim und Weber bis hin zu Luckmann und Luhmann ist sich die Soziologie einig über die Rolle, die Religion allgemein in Gesellschaften spielt und über den Einfluss, den sie ausübt. Dies kann man dahingehend zusammenfassen, dass es keine Gesellschaft ohne Religion geben kann, da jede das Problem ihrer eigenen Kontingenz und auch der Kontingenz im allgemeinen zu bewältigen hat – nämlich die Frage nach der Funktion der Religion.

Bevor diese Frage jedoch hinreichend beantwortet werden kann, wobei ich speziell die Theorien von Luhmann und Luckmann heranziehen werde, müssen zunächst die Zusammenhänge zwischen Religion und Kultur dargestellt werden, um die Funktionalität für das Individuum und somit auch für die Gesellschaft deutlicher hervorzuheben. Ebenfalls unerlässlich ist es in diesem Rahmen, das Augenmerk auf die Entwicklung der Stellung der Religion in der Gesellschaft zu richten. Hierbei gehe ich vor allem auf die These des Niedergangs der Religion ein, die seit dem 19. Jahrhundert in eher progressiven und konservativen Theorien zunächst vorausgesetzt wurde und erst jetzt kontrovers diskutiert wird.

Im Folgenden werde ich, nach der Darstellung des Säkularisierungsprozesses, durch das Beschreiben der Verknüpfungen mit Kultur, Gesellschaft und Staat die Bedeutung der Religion verdeutlichen und somit letztendlich ihre Funktion darzustellen.

2. Der Prozess der Säkularisierung

Seinen Ursprung hat der Begriff „Säkularisierung“ in dem lateinischen Wort „Saeculum“, womit die durch Sünde und Leid gezeichnete und sich in einem erlösungsbedürftigen Zustand befindende Welt bezeichnet wurde.

Doch zunächst einmal muss hier eine klare Abgrenzung der Begrifflichkeiten erfolgen. Während mit dem Begriff „Säkularisation“ der konkrete Prozess der Ablösung der weltlichen Macht der Kirche (einhergehend mit der Aufhebung von kirchlichen Privilegien und Hoheitsrechten sowie der Enteignung von Klöstern und Stiften zu Beginn des 19. Jahrhunderts) gemeint ist, versteht man unter „Säkularisierung“ vor allem den mentalen Prozess der Trennung von religiösen Organisationen und weltlicher Struktur. Die daraus entstehende Weltanschauung, die sich in Gänze auf die Immanenz beschränkt und auf darüber hinausgehende Fragen verzichtet, wird als „Säkularismus“ bezeichnet.

Säkularisierung bedeutet Verweltlichung beziehungsweise Entkirchlichung und bezeichnet somit die Trennung von Staat und Religion. Sie umschreibt das ideenpolitische Vorgehen zum Abbau von religiösen Einflüssen auf die Gesellschaft insgesamt und die selbstbestimmte Lebensführung des Einzelnen. Dabei kommt es zur Abschaffung der Staatsreligion und einem erheblichen Machtverlust der religiösen Institutionen, vor allem der Kirchen.

2.1. Die Entwicklung

Schon mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde mit dem Prinzip des cuius regio, eius religio ein Primat des Politischen vor dem Religiösen eingeläutet, das dann mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 für das gesamte Reichsgebiet festgeschrieben wurde. Hier begann das, was als europäischer Prozess der Aufklärung bezeichnet wird: die Entstehung nationalstaatlicher Ordnungen, ein sich mehr und mehr entwickelndes und entfesselndes Wirtschaftssystem und nicht zuletzt ein wissenschaftliches Monopol der Wahrheit, dass sich mehr und mehr zum Feind der Religion entwickelte.

Die Säkularisierung erreichte zuerst in der Französischen Revolution und später im Kommunismus mit der angestrebten völligen Abschaffung der Religion ihren Höhepunkt.

Im Vorfeld der Aufklärung entzogen sich viele Menschen der Monarchie "von Gottes Gnaden" durch Auswanderung in die Neue Welt. Seit ihrer Konstitution im Jahr 1776 sind die Vereinigten Staaten ein säkularer Staat. Im Gegensatz zu der Verbreitung des Atheismus in Europa behielt hier die Religiosität einen hohen Stellenwert und führte zur Gründung einer Vielzahl reformierter Kirchengemeinden, wobei ein weitgehender Konsens in der gesellschaftlichen Bedeutung des Christentums bestand und weiterhin besteht. Durch die Zersplitterung in einzelne christliche Konfessionen und die allgemein anerkannte Toleranz gegenüber dieser Entwicklung konnte sich jedoch keine einzelne kirchliche Institution mit politischer Macht herausbilden, wie sie bis dahin aus Europa bekannt war.2

Heutzutage scheint die Säkularisierung in der gesamten westlichen Welt weit fortgeschritten zu sein, aber die Abschaffung der Religion ist nirgends dauerhaft erfolgt. So gibt es etwa in Deutschland noch die Kirchensteuer, während in Ostdeutschland inzwischen die statistisch niedrigste Kirchenzugehörigkeit in Europa zu verzeichnen ist. In der westlichen Welt gilt die Säkularisierung allgemein als erstrebenswert und als notwendige Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaftsform, da der Aufstieg bürgerlicher Machtstrukturen wesentlich in der Tradition der Aufklärung steht. Eine Übertragung der Säkularisierung nach europäischem Vorbild auf andere Kulturkreise, insbesondere die islamische Welt, wie häufig gefordert, ist problematisch, da wenige Religionen so hierarchisch organisiert sind, wie die römisch-katholische Kirche, die im mittelalterlichen Abendland die politische Landschaft beherrschte und letztlich durch diese Machtposition zunächst die Reformation und schließlich die Säkularisierung herausforderte. Die Unterstellung der eigenen Geschichtserfahrung führt in der westlichen Welt häufig zu einer verzerrten Sichtweise. Der Islam postuliert in der Theorie eine der Säkularisierung zuwiderlaufende Untrennbarkeit von religiöser und politischer Herrschaft, verfolgte in der Praxis jedoch ein relativ tolerantes Glaubenskonzept, das lange keine religiös motivierten Pogrome wie die europäische Judenverfolgung kannte. Angehörige anderer monotheistischer Religionen, zu denen später auch Buddhisten und Hindus gezählt wurden, hatten in islamischen Ländern den rechtlichen Status von Dhimmis, einer geschützten Minderheit, denen gewisse Beschränkungen (u.a. die Zahlung einer speziellen Steuer, Kleidungsvorschriften) auferlegt waren, die ansonsten jedoch religiöse Autonomie genossen und ihr eigenes Rechtssystem unterhielten. Bisher gab die Forderung westlicher Industrienationen nach einer Säkularisierung im Sinne einer Verwestlichung eher einer Entwicklung in Richtung Radikalisierung Auftrieb.

Säkularisierung und Entkirchlichung waren Voraussetzungen für das Entstehen eines religiösen Pluralismus, was die Entwicklung neuer religiöser Formen und Gruppierungen neben der Kirche ermöglichte (häufig negativ als „Sekten“ bezeichnet).

Doch so einfach und klar, wie diese Begriffe eine Entwicklung analytisch exakt zu beschreiben scheinen, ist es nicht. In der neueren Forschung sind Zweifel aufgekommen, ob es wirklich in der Neuzeit zu einer tiefgreifenden Säkularisierung aller Lebensbereiche - noch dazu ohne Gegenbewegung - gekommen ist. Seit dem 17. und besonders erneut im 19. und 20. Jahrhundert veränderten zum Beispiel christliche Erweckungsbewegungen das traditionelle Christentum. Im außerdeutschen Protestantismus waren sie so einflussreich, dass der Begriff Verweltlichung infrage gestellt worden ist. Bezogen auf Religion in ihrer Gesamtheit muss Säkularisierung demnach nicht zwangsläufig als Bedeutungsverlust oder gar als Schwund gesehen werden, sondern könnte vielleicht eher eine „vorübergehende Schlechtanpassung“3 der Religion an die Bedingungen der Gesellschaft (und umgekehrt) sein.

Im übrigen wird in der modernen Forschung in Europa nicht mehr nur von Säkularisierung gesprochen, sondern es ist angeblich auch ein gegenläufiger Prozess, die sogenannte Rechristianisierung, ausgemacht worden. Der Blick auf eine Statistik über die Entwicklung der Religionszugehörigkeit in Deutschland stützt eher diese Theorie , laut Statistischem Bundesamt gehörten im Jahr 2000 ca. 65,1 % der deutschen Bevölkerung einer Religionsgemeinschaft an (1999:65,6 %), während es im Jahre 1991 nur rund 61 % waren. Allerdings beruhen diese Zahlen nur auf der rein formellen Zugehörigkeit zum evangelischen, katholischen oder jüdischen Glauben und nicht auf der aktiven Ausübung dieses Glaubens.4

2.2. Die Ursachen

Besonders bedeutungsvoll für das Phänomen der Säkularisierung waren und sind die neuen technischen Möglichkeiten der Verbreitung von Kommunikation. Was mit dem Druck und der Verbreitung von Büchern und Zeitungen begann, lässt sich mit der Entwicklung von Radio, Fernsehen und Internet – kurzum: Massenmedien - fortsetzen. Eine besondere Rolle spielt hierbei eine neuartiges Verständnis der Zeitdimension, der Begriff Gleichzeitigkeit lässt sich heutzutage vollkommen anders interpretieren als im Mittelalter, denn die Vergangenheit scheint sich immer weiter von der Gegenwart zu entfernen.5

Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass in unserer Gesellschaft die Religion nicht länger als Instanz um ihrer selbst willen akzeptiert wird. Sie wird stärker denn je hinterfragt und muss sich vielmehr, wie andere Instanzen auch, mit Hilfe des Argumentes einbringen. Genau das stellt die Achillesferse der Religion dar, denn der Mensch in der heutigen Gesellschaft ist es gewohnt, nur wissenschaftliche Erklärungen als stichhaltigen Beweis für scheinbar unerklärliche Phänomene zu akzeptieren. Dies ist im Fall von religiösem Glauben von der Wissenschaft nicht leistbar, da Religion nicht gefilmt, fotografiert oder gar gemessen werden kann. Aufgrund der unglaublichen technischen Entwicklungen, die wissenschaftlichen Forschungen in der heutigen Zeit zur Verfügung stehen, lässt es sich nur schwer erklären, warum eine Erscheinung eben nicht mit wissenschaftlichen Messmethoden nachgewiesen werden kann. Diese technischen Hilfsmittel und das Wissen über die Naturwissenschaften standen im Mittelalter nicht in dem Maße zur Verfügung, wie das heute der Fall ist. Aus diesem Grund waren Menschen der damaligen Zeit eher in der Lage, Phänomene zu akzeptieren und ihnen Glauben zu schenken. Mit dem zunehmenden Stand der Wissenschaft

und dem Fortschritt der technischen Entwicklung kam es dann aber zur sogenannten anthropologischen Wende, die Kirche war angesichts der überwältigenden wissenschaftlichen Beweise gezwungen, einige ihrer Ansichten zu revidieren und weltliche Entdeckungen zu akzeptieren. Die Feststellung des Irrtums über die Unfehlbarkeit der Kirche erschwert natürlich den festen Glauben. Nur schwerlich lässt sich die Entstehungsgeschichte des Menschen in der Bibel nachvollziehen, wenn regelmäßig bei archäologischen Ausgrabungen Beweise dafür gefunden werden, dass vor 65 Millionen Jahren bereits Tiere lebten, lange bevor der Mensch existierte.

3. Die Funktion der Religion

Religiöse Mythen und Riten begleiten und beeinflussen den Menschen seit jeher, die Bestrebungen, den Zweck und die Funktion der Religion aus wissenschaftlicher Sicht zu erklären sind dagegen noch ziemlich jung. Zu den wichtigsten Gründern der Soziologie im allgemeinen und der Religionssoziologie im besonderen gehören Emile Durkheim und Max Weber, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts unabhängig voneinander die Beziehungen und gegenseitige Beeinflussung von Religion und Gesellschaft untersuchten. Emile Durkheim bezeichnet Religion als eine moralische und somit soziale Tatsache , über die sich die Gesellschaft selbst als diejenige Transzendenz schafft, die der in seiner Tatsächlichkeit umstrittene Gott nicht mehr bieten kann.

3.1. Was ist Religion?

Eine punktgenaue und exakte Definition des Begriffes ist nur schwer möglich, im geläufigsten Sinne umfasst er den Glauben an Mächte einer übernatürlichen Realität, wobei es allerdings mehrere Auslegungs- und Verständnisformen gibt.

Zum einen lässt sich Religion im traditionellen, übernatürlichen Sinn verstehen. Hierbei ist die Religion in einer übergeordneten Wirklichkeit begründet, die sich dem Menschen durch Offenbarung erschließt. Gebete und das Zelebrieren von Riten innerhalb von religiösen Zeremonien dienen dem Gläubigen, Verbindung zu dieser übernatürlichen Wirklichkeit aufzunehmen.

Des weiteren gibt es das existentielle Religionsverständnis. Wichtigstes Merkmal ist hier die fehlende Trennung zwischen diesseitiger und jenseitiger Welt, Religion gilt als Erfahrung der eigenen Betroffenheit.

Zu guter Letzt lässt sich Religion, wie in der Einleitung bereits angesprochen, im marxistischen Verständnis interpretieren. Marx zu Folge ist Religion nur eine Täuschung und dient zur Rechtfertigung ungerechter gesellschaftlicher Verhältnisse. Zugleich hilft sie den Unterdrückten, diese Ungerechtigkeit auszuhalten und vertröstet sie auf das Glück im Jenseits.

[...]


1 Vgl. Marx/Engels-Werke, Bd.1, S.378

2 Vgl. Wikipedia-Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/S%E4kularisierung [Stand: 03. März 2003]

3 Vgl. Wach, Joachim: Einführung in die Religionssoziologie, S.63ff.

4 Vgl. Statistisches Bundesamt, http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab5.htm [Stand: 05.März 2003]

5 Vgl. N.Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, S.299

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Funktion der Religion im Prozess der Säkularisierung
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (FB Soziologie)
Veranstaltung
Stellung der Religion in unserer Gesellschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V13512
ISBN (eBook)
9783638191579
ISBN (Buch)
9783638758000
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Funktion, Religion, Prozess, Säkularisierung, Stellung, Religion, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Martin Wendt (Autor:in), 2003, Die Funktion der Religion im Prozess der Säkularisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13512

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