Die Auswirkungen des EU-Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung auf die Strafbarkeit nach den §§ 129 a, 129 b StGB


Seminararbeit, 2009

36 Seiten, Note: 16 Punkte (sehr gut)


Leseprobe


GLIEDERUNG

Einführung

A) Die Strafbarkeit nach && 12 9 a/ b StGB
1. Entstehungsgeschichte und Entwicklung des & 12 9äStGB
a] Einführung als Ouaßfikationstatbestand zu § 129 StGB
b] Verschärfung durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 19.12.1986
c] A bschaffung der Sympathiewerbung durch das 34. St A G vom 22.8.2002
d] Modifikationen in Folge des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung
e] Überbßck Tatbestand des § 129äStGB in seiner aktuellen Fassung
2. Die Strafbarkeit nach & 12 9 b StGB
a] Einführung durch das 34. Strafrechtsanderungsgesetz vom 22.8.2002
b] Internationale Reichweite des Tatbestandes
c] Ermachtigung des Bundesjustizministeriums als Verfolgungsvoraussetzung
3. Einordnung in das deutsche Strafrechtssystem — Probleme der Strafbarkeit
a] Schutzgut der §§ 129 a/ b StGB
b] Hohe Strafbarkeit im Vorfeld einer konkreten Rechtsgutsverletzung
c] Gewichtung der Tatbeitrage
d] Unbestimmtheit des Tatbestandes
e] Besondere Probleme des § 129 b StGB

B) Der Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung vom 13. 6. 2002
1. Beschlussfassung
2. Inhalt des Rahmenbeschlusses
a] Definitionen
1) Terroristische Straftaten
2) Terroristische Vereinigung
b] Vorgaben bzgl. strafbarer Handlungen
c] Mindestvorgaben bzgl. Heichstrafen
d] Sonstige Vorgaben
3. Einordnung in die europäische Terrorismusbekämpfung

C) Auswirkungen des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung auf die Strafbarkeit nach && 12 9 a/ b StGB
1. Generelle Wirkung von EU-Rahmenbeschlüssen im Strafrecht
a] Bedeutung für die nationale Rechtsetzung (Strafgesetzgeber)
b] Bedeutung für die deutsche Rechtsprechung (Straf 6 ustiz)
1) Pfßcht zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung aus EU-Vertrag?
α. Obernahme der Grundsatze bzgl. einer richtßnienkonformen Auslegung
β. Probleme einer unionsrechtßchen Pfßcht zur RB-konformen Auslegung
γ. Inhalt und Grenzen einer rahmenbeschlusskonformen Auslegung
δ. Stellungnahme
2) Pfßcht zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung aus dem Grundgesetz?
2. Die Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung durchden deutschen Gesetzgeber
3. Bedeutung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung für die Rechtsprechung — Die Auslegungsproblematik der §§ 12 9 a/ b StGB
a] Folgen einer RB-konformen Auslegung für die Strafbarkeit der §§ 129 a/ b StGB
1) Ausdehnung der Vorfeldstrafbarkeit
2) Leichtere Versuchsbegehung
b] Überprüfung des Resultats am Grundgesetz
1) Analogieverbot des Art. 103 II GG
2) Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG
3) Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG
4) Verhältnismäfßgkeitsgrundsatz aus Art. 20 III GG
α. Geeignetheit der §§ 129 a/ b StGB
β. Erforderßchkeit der §§ 129 a/ b StGB
γ. ObermaBverbot/ VerhaltnismaBigkeit im engeren Sinne
5) Ergebnis der Überprüfung an Grundrechten
c] Bedeutung für die deutschen Strafgerichte

D) Weiterführende Darlegungen und Ausbßck
1. Verstoß gegen den Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung
2. Vermeidung des Verstoßes durch die deutsche Rechtsprechung
3. Korrektur des Verstoßes durch den Gesetzgeber
a] Zweiteilung der Begriffßchkeiten zur Einhaltung von Art. 2 a RB
b] Vorschläge zur Erfüllung der übrigen Bestimmungen des Rahmenbeschlusses
4. Abschßeßende Betrachtung

LITERATURVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einführung

Der Begriff Terrorismus kommt vom Lateinischen terror, was Furcht oder Schrecken bedeutet. Eine universal anerkannte Definition gibt es bisher nicht, sie erscheint aufgrund der politischen Komponente des Begriffs auch kaum möglich. Ein „Terrorist“ wird vielleicht aus anderer Perspektive als Freiheitskämpfer wahrgenommen. In manch einem inner- oder zwischenstaatlichen Konflikt bezeichnet eine Seite ihre Gegner als terroris- tisch – und umgekehrt.

Um was es sich bei diesem Phänomen auch handelt, fest steht, dass es als „Problem unserer Zeit“ zu Beginn dieses Jahrhunderts Regierungen und Bevölkerung der führenden Industrienationen beschäftigt. Am 11. September 2001 versetzten die Anschläge auf das World Trade Center, bei denen mehr als 3000 Personen starben, die Welt in Schrecken. Sie stellen den Beginn und bisherigen Höhepunkt terroristischer Aktivitäten der letz]ten Jahre dar. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika rief daraufhin den internationalen „Krieg gegen den Terror“ aus, an dem sich zahlreiche Staaten in unterschiedlicher Form beteiligten. Zugleich wurden vielerorts Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus` im Inland ergriffen und neue „Terroristengesetze“ verabschiedet, die im Hinblick auf die Anerkennung fundamentaler Menschenrechte zum Teil höchst fragwürdig erscheinen.1

Neben den nationalen Reaktionen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nach dem 11. September 2001 stand deren Entschluss zu einer verstärkten EU-weiten Zusammen- arbeit im Kampf gegen terroristische Anschläge. Ausdruck dieser gemeinsamen Strategie ist der Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung vom 13. 6. 2002. Sein Ziel ist die staatenübergreifende Angleichung der Definition terroristischer Straftaten sowie die Eta- blierung einer umfassenden Strafbarkeit, die die besondere Schwere dieser Taten wider- spiegelt.2

Gemessen an dem, was man in Deutschland zuvor als Terrorismus zu bezeichnen pflegte, handelte es sich bei den Ereignissen in New York (und drei Jahre später in Madrid) um eine gänzlich neue Qualität von Anschlägen. In Folge der Protestbewegung Ende der sechziger Jahre hatte man es in der Bundesrepublik jahrelang mit bewaffneten Anschlägen linker Gruppierungen zu tun, auf die durch eine Verschärfung des Strafrechts reagiert wurde. Im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Staaten3 verfügte Deutsch- land so bereits vor dem europäischen Rahmenbeschluss über ein Arsenal spezieller „Anti- Terror-Gesetze“ im Strafrecht – in Form der Vereinigungsdelikte der §§ 129 a und b StGB (i.V.m. diversen Normen des Strafprozessrechts).

Wie sehr die Auffassungen von „terroristischen“ Aktivitäten bereits auf nationaler Ebene voneinander abweichen können, zeigen jüngste Verfahren nach § 129 a StGB, die vor zwei Jahren für Aufsehen gesorgt und Eingang in die bundesweite Presse gefunden haben. Im Mai 2007 drangen mehr als 900 Polizisten auf Anweisung der Bundesanwaltschaft in 40 Wohnungen in verschiedenen deutschen Städten ein. Anlass war die Vermutung der obersten Strafverfolgungsbehörde, Gegner des G8-Gipfels hätten zur Verhinderung desselben eine terroristische Vereinigung gegründet. Die Betroffenen waren im Vorfeld jahrelang observiert und abgehört worden.4 Der BGH erklärte die Durchsuchungen für rechtswidrig und widersprach der terroristischen Qualität der ggf. geplanten Straftaten.5 Sämtliche Ermittlungsverfahren wurden mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt.6

Die vorliegende Arbeit untersucht die Auswirkung des europäischen Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung auf die Strafbarkeit nach den deutschen §§ 129 a/ b StGB. Als Grundlage der Erörterung wird zunächst eine überblicksartige Darstellung der deutschen Straftatbestände und des betreffenden Rahmenbeschlusses geliefert. Sodann werden die Einflüsse des letzteren auf die deutsche Strafbarkeit untersucht. Die Vorgaben des Rahmenbeschlusses haben in erster Linie zu einer Veränderung des Wortlauts der deutschen Straftatbestände geführt. Insbesondere widmet sich die Arbeit jedoch der Frage nach seiner Bedeutung für die deutschen Strafgerichte. Dabei wird auf die Problematik der jüngst vom EuGH postulierten Pflicht zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung7 eingegangen, die den Vereinigungsbegriff der § 129 a/ b StGB betreffen könnte. Die mit einer solchen Auslegung einhergehende Ausweitung der Strafbarkeit nach §§ 129 a/ b StGB soll kritisch dargestellt und an rechtsstaatlichen Prinzipien überprüft werden. Zum Abschluss wird in einer weiterführenden Betrachtung auf die Frage der Einhaltung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung durch Deutschland eingegangen, dabei werden Lösungsansätze zur Erfüllung der europäischen Verpflichtungen unter Beachtung einer rechtsstaatlichen Strafgesetzlichkeit aufgezeigt.

A) Die Strafbarkeit nach §§ 129 a/ b StGB

1. Entstehungsgeschichte und Entwicklung des § 129 a StGB

a] Einführung als Qualifikationstatbestand zu § 129 StGB

Der § 129 a StGB wurde durch das sogenannte „Anti-Terroristengesetz“8 1976 in das StGB eingeführt. Er ist als Qualifikationstatbestand zu § 129 StGB ausgestaltet,9 der die Bildung krimineller Vereinigungen unter Strafe stellt. Jener geht zurück auf einen preußischen Erlass von 179810 sowie auf § 129 Reichsstrafgesetzbuch,11 der die Teilnahme an einer „Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften“ mit bis zu zwei Jahren Gefängnisstrafe bedrohte. Auf dieser Grund- lage wurden ab 1878 insbesondere Angehörige der Sozialdemokratie verfolgt.12 In der Nachkriegszeit diente der im Wortlaut abgeänderte und durch die Tathandlung des Unter- stützens ergänzte § 129 StGB vor allem für Strafverfahren gegen Angehörige der verbo- tenen KPD.13 Seit 1964 steht auch das Werben für eine kriminelle Vereinigung unter Strafe.14 Bei § 129 StGB handelt es sich um ein Organisationsdelikt, das schon Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung erfasst. Deshalb kommt es einzig auf die Existenz einer solchen an, eine Strafbarkeit ist unabhängig davon gegeben, ob die Vereinigung bisher in Erscheinung getreten ist oder dies jemals tun wird. Mit der Einfüh- rung des Qualifikationstatbestands § 129 a StGB wurde auf die Straftaten gewalttätiger linker Gruppierungen reagiert, die in Folge der „1968 er-Bewegung“ seit Anfang der siebziger Jahre in der BRD bewaffnete Anschläge verübten.15 Die terroristische Qualifi- kation der Vereinigung wurde nach dem Gesetzestext ausschließlich durch einen Katalog bezweckter (schwerer) Straftaten festgelegt, sodass die gesetzliche Überschrift insoweit irreführend war. Die Einfügung der Vorschrift war nur das Kernstück diverser Gesetzes- änderungen, die in den siebziger Jahren zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung ergingen. An die materiellrechtliche Norm wurden nämlich zahlreiche strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen geknüpft.16 Zudem stellt ein Verfahren nach § 129 a StGB einen besonderen Haftgrund i.S.d. § 112 III StPO dar und ein Verteidigerausschluss ist erleich- tert.17 Hinzu kommen Vorschriften, die ausschließlich die aufgrund einer Straftat nach § 129 a StGB Inhaftierten betreffen und deren Verkehr mit Personen außerhalb der Anstalt und ihren Verteidigern erheblich einschränken.18

b ] Verschärfung durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 19. 12. 1986

Ende 1986 wurde § 129 a StGB wesentlich erweitert und verschärft. 19 Durch die Anhe- bung des Strafrahmens ist der Tatbestand in den Begehungsweisen des Gründens und der mitgliedschaftlichen Beteiligung zu einem Verbrechen geworden, demzufolge besteht eine Versuchsstrafbarkeit und § 30 StGB ist anwendbar. Zugleich wurde der Katalog der bezweckten Straftaten erweitert und beinhaltete fortan auch solche der nur allgemeinen Kriminalität,20 bei deren tatsächlicher Begehung es sich um bloße Vergehen handelt.21

c] Abschaffung der Sympathiewerbung durch das 34. StÄG vom 22. 8. 2002

Durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz22 wurden §§ 129, 129 a StGB insoweit geän- dert, als der Tatbestand des Werbens eingeschränkt wurde. Seitdem erfüllt die – der Sym- pathie entspringende – einfache Werbung für eine terroristische Vereinigung nicht mehr den Straftatbestand, es muss sich vielmehr um ein Werben um Mitglieder oder Unter- stützer handeln. Damit fand eine klare Eingrenzung jenes Tatbestandsmerkmals statt, auf dem in der Praxis die meisten Ermittlungsverfahren beruhten.23

d] Modifikationen in Folge des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung

Die Norm wurde durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rats vom 13. 6. 2002 zur Terrorismusbekämpfung vom 22. 12. 200324 erneut verändert. Dabei kam es einerseits zu einer Ausweitung, andererseits zu einer Beschränkung der Strafbarkeit. Absatz 1 betrifft seitdem Vereinigungen, deren Zweck auf die Begehung schwerer Straf- taten25 gerichtet ist, dies – wie bisher – unabhängig von einer besonderen Schädigungs- absicht gegenüber dem Staat. Absatz 2 wurde neu gefasst und betrifft Vereinigungen, die die Begehung sonstiger aufgeführter Straftaten bezwecken. Der Straftatenkatalog ist dabei im Vergleich zur vorherigen Fassung erheblich erweitert worden.26 Eine Einschränkung erfährt der Anwendungsbereich dadurch, dass die (bezweckten) Taten bestimmt sein müssen, die Bevölkerung einzuschüchtern, eine Behörde oder internationale Organisation zu nötigen oder die Grundstrukturen des Staates zu beseitigen oder erheblich zu beein- trächtigen. Neben dieser besonderen Absicht ist noch ein objektives Kriterium Voraus- setzung für die Strafbarkeit. Die (bezweckten) Taten müssen tatsächlich geeignet sein, einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich zu schädigen. Damit wird der Begriff „terroristisch“ erstmals im Wortlaut konkretisiert. Mit Absatz 3 wurde schließlich eine neue Tathandlung in Form der Vereinigung zum Zweck der Androhung von Straftaten geschaffen, die über die Qualifikation hinaus einen selbstständigen Tatbestand für Fälle etabliert, in denen § 129 StGB mangels Erwähnung der Tat in § 126 I nicht eingreift. Als terroristisch im Sinne des § 129 a StGB gelten also fortan auch Vereinigungen, die (einzig) die Androhung bestimmter Straftaten bezwecken.

Zudem wurden aufgrund des Rahmenbeschlusses die Strafdrohungen angehoben.

e] Überblick Tatbestand des § 129 a StGB in seiner aktuellen Fassung

Die strafbaren Handlungen im Rahmen des § 129 a I, II, III, V StGB sind die folgenden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

§ 129 a IV StGB etabliert eine Strafverschärfung für Rädelsführer und Hintermänner der Vereinigung, die bei Vereinigungen i.S.v. § 129 a I und II StGB auf eine Strafe von mindestens drei Jahren bis zu 15 Jahren ausgedehnt ist. Nach § 129 a VI und § 129 a VII i.V.m. § 129 VI StGB gelten besondere Strafmilderungsregeln.

2. Die Strafbarkeit nach § 129 b StGB

a] Einführung durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. 8. 2002

Der § 129 b StGB wurde durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz in das StGB einge- fügt.27 Damit reagierte der Gesetzgeber einerseits auf die Anschläge vom 11. September 2001, die Einfügung war jedoch schon zuvor aufgrund einer Gemeinsamen Maßnahme des Rates der Europäischen Union28 geplant.

b] Internationale Reichweite des Tatbestandes

Die Vorschrift weitet die Strafbarkeit nach §§ 129, 129 a StGB auf kriminelle und terroris- tische Vereinigungen im Ausland aus. Damit greift der Tatbestand auch für Vereinigungen, die nicht über eine Teilorganisation im Inland verfügen.29 Insbesondere § 129 I b S. 2

StGB stellt die strafrechtliche Dogmatik vor erhebliche Probleme. So soll der Geltungs- bereich bezüglich außereuropäischer Vereinigungen offenbar dadurch eingeschränkt werden, dass eine Anwendung des § 129 b I StGB nur in Frage kommt, wenn entweder die Tat im Inland begangen wird oder Täter oder Opfer Deutsche sind oder sich im Inland befinden. Der explizite Hinweis auf einen nach §§ 3 ff. StGB ohnehin existierenden Inlandsbezug könnte zu der Annahme verleiten, für Vereinigungen innerhalb der EU sei ein solcher nicht erforderlich, deutsches Strafrecht sei entgegen §§ 3 ff. StGB für sämt- liche Vereinigungshandlungen in irgendeinem Mitgliedsstaat der EU gegeben. Mangels sinnvollem Anknüpfungspunkt für die deutsche Strafbarkeit und aufgrund einer deut- lichen Überforderung der deutschen Strafverfolgungsbehörden kann dies jedoch nicht der Fall sein.30 Weiterhin scheint das Abstellen auf die Staatsangehörigkeit des Täters den Anwendungsbereich entgegen § 7 II Nr. 1 StGB auf Auslandstaten eines Deutschen zu erweitern, die am Tatort nicht mit Strafe bedroht sind. Deutsche Ermittlungsorgane wären gehalten, bei einer eventuellen Tathandlung durch einen Deutschen im Ausland das Vorhandensein krimineller/ terroristischer Vereinigungen i.S.d. StGB auch in all jenen Staaten der Welt zu prüfen, in denen vergleichbare Organisationsdelikte gar nicht existie- ren.31 Dies kann offensichtlich nicht geleistet werden. Kaum verständlich ist schließlich die Erwähnung des Opfers in § 129 b I 2 StGB, da es sich bei §§ 129 ff. StGB um opfer- lose Delikte handelt.32 Die tatsächlich von der Vereinigung begangenen Straftaten gegen Deutsche können bereits nach § 7 I StGB verfolgt werden. Auch der Hinweis auf ein Eingreifen der Norm, wenn sich Täter (oder Opfer) im Inland befinden, lässt sich kaum sinnvoll interpretieren. Wenn die Tätigkeit nicht im Inland vor sich geht, liegt schon gar keine inländische Tathandlung vor, für die §§ 129 f. StGB gelten könnten.33 All diese vom Gesetzgeber in § 129 b I 2 StGB als Einschränkungen formulierten Anwendungsbe- stimmungen stellen sich so als kaum verständliche Wiederholungen ohnehin bestehender Regelungen der §§ 3 ff. StGB dar oder führen anders verstanden zu einer kaum zu über- blickenden Ausweitung deutschen Strafrechts und im Hinblick auf ausländische Vereini- gungen in EU-Staaten zu einer Allzuständigkeit deutscher Strafverfolgungsorgane.34

[...]


1 Vgl. u.a. den Anti-terrorism, Crime and Security Act 2001 in Großbritannien, Details s. Sinn, ZIS 3/2006, 107 (109 f.).

2 Vgl. Rahmenbeschluss des Rates vom 13. 6. 2001 zur Terrorismusbekämpfung, AblEG L 164/3, Vorb. (6).

3 Vgl. Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Terrorismusbekämpfung, KOM (2001) 521 endgültig, Begründung 3.

4 Vgl. Bericht im Berliner Tagesspiegel v. 7.10.2008 „G8-Demonstranten vom Terrorverdacht befreit“.

5 Beschluss vom 20.12.2007, BGH StB 12/07, 13/07 und 47/07.

6 Vgl. Bericht in der Frankfurter Rundschau v. 31.7.2008 „Terror - in Luft aufgelöst“ sowie Bericht im Berliner Tagesspiegel v. 7.10.2008 „G8-Demonstranten vom Terrorverdacht befreit“.

7 EuGH, Urteil vom 16.6.2005, C-105/ 03 (Pupino), Nr. 34 ff.

8 Gesetz zur Änderung des StGB, der StPO, des GVG, der BRAO und des StVollzG vom 18.8.1976, BGBl. I S. 2181.

9 Vgl. Fischer, § 129 a Rn. 2; LK - v. Bubnoff, § 129 a Rn. 6; NK - Ostendorf, § 129 a/b Rn. 6.

10 „Edikt wegen Verhütung und Bestrafung geheimer Verbindungen, welche der allgemeinen Sicherheit nachteilig werden könnten“ v. 20.10.1798.

11 Aus dem Jahre 1871.

12 § 129 RStGB i.V.m. dem Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21.10.1878, vgl. Cobler, KJ 1984, 407 (413), NK - Ostendorf, § 129 Rn. 7.

13 Vgl. NK - Ostendorf, § 129 Rn. 7; Gössner, Die vergessenen Justizopfer, S. 52.

14 Gesetz v. 5.8.1964, BGBl. I S. 593.

15 Die „Rote Armee Fraktion“ (RAF), die „Bewegung 2.Juni“, die „Revolutionären Zellen“ u.a.

16 z.B. Heimliche Telefonüberwachung (§ 100 a II Nr.1 d StPO), leichtere Durchsuchungen von Wohnräumen (§ 103 I S. 2 StPO), weiträumige öffentliche Kontrollen (§ 111 I StPO), Rasterfahndung (§ 98 a I Nr. 2 StPO).

17 § 138 a II, V StPO.

18 Vgl. §§ 148 II, 148 a StPO und insbesondere die Möglichkeit einer Kontaktsperre nach § 31 EGGVG.

19 Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus vom 19.12.1986, BGBl. I S. 2566.

20 Erweiterung um §§ 305 a, 315, 316 b StGB, vgl. LK - v. Bubnoff, § 129 a Rn. 2 Nr. 3.

21 Kritisch v. Plottnitz, ZRP 2002, 351 (352).

22 BGBl. I 3390.

23 LK - v. Bubnoff, vor § 129 a Rn. 16; NK - Ostendorf, § 129 Rn. 6.

24 BGBl. I 2836.

25 Mord, Totschlag, Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch, sowie Menschenraub und Geiselnahme.

26 Vgl. § 129 a II StGB, z.B. §§ 303 b, 305 etc., aber auch Umweltstraftaten, Straftaten nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Waffengesetz.

27 Zugleich wurde die Tatvariante des Werbens in § 129 a V S. 2 StGB eingeschränkt (s. oben S. 4).

28 Gemeinsame Maßnahme des Rats vom 21.12.1998, AblEG L 351,1. Die deutsche Umsetzung geht allerdings weit über die europäischen Vorgaben hinaus.

29 BT-Drucks. 14/8893 S. 8; Kühl, § 129 Rn. 2.; SK - Rudolphi/ Stein, § 129 Rn. 2; NK - Ostendorf, § 129 a/ b Rn. 9.

30 OLG München NJW 2007, 2786 (2787); Fischer, § 129 b Rn. 4; Kühl, § 129 b Rn. 1; SK - Stein, § 129 b Rn. 4; Sch/Schr - Lenckner/ Sternberg-Lieben, § 129 b Rn. 7.

31 Dies wäre indes in der Mehrzahl aller Fälle der Fall, da die meisten Staaten solch weite Vorfeldhandlungen nicht unter Strafe stellen. Internationaler Vergleich bei Sinn, ZIS 3/2006, 107 (111).

32 Fischer, § 129 b Rn. 9; Sch/Schr - Lenckner/ Sternberg-Lieben, § 129 b Rn. 7.

33 Fischer, § 129 b Rn. 10.

34 So Fischer, § 129 b Rn. 10 a mit Blick auf die Verweisung auf § 129 a I Nr. 1 i.V.m. §§ 6 - 12 VStGB.

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Die Auswirkungen des EU-Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung auf die Strafbarkeit nach den §§ 129 a, 129 b StGB
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Seminar „Aktuelle Probleme des Europäischen Straf-, Strafprozess- und Polizeirechts“
Note
16 Punkte (sehr gut)
Autor
Jahr
2009
Seiten
36
Katalognummer
V135112
ISBN (eBook)
9783640431366
ISBN (Buch)
9783640431489
Dateigröße
599 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Auswirkungen, EU-Rahmenbeschlusses, Terrorismusbekämpfung, Strafbarkeit, StGB, Punkte
Arbeit zitieren
Isabel Erdem (Autor:in), 2009, Die Auswirkungen des EU-Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung auf die Strafbarkeit nach den §§ 129 a, 129 b StGB, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135112

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