Völkerrechtsbruch oder humanitäre Intervention?

Der öffentliche Disput um den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

15 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Historischer Kontext

3. Der öffentliche Disput
3.1. Ein Völkerrechtsstreit
3.2. Europaorientierung kontra Pazifismus und Nationalismus

4. Die Bewertung der humanitären Intervention

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Anfang der 1990er Jahre traten neue ethno-nationalistische Konflikte in Erscheinung und haben in den westlichen Demokratien Fragen militärischer Interventionen in nichtdemokratischen Staaten aufgeworfen. Westliche Demokratien begannen im Rahmen ihrer Außen- und Sicherheitspolitik die Achtung und Durchsetzung von Menschenrechten stärker zu berücksichtigen. Die Ansicht, dass militärische Interventionen primär aus humanitären Gründen legitimiert werden können, stieß in westlichen Demokratien auf wachsende Zustimmung. Bedeutsam ist diese Entwicklung im Vorgehen westlicher Demokratien im Konflikt um das Kosovo 1998/99 geworden, welche mit der Operation „Allied Force“ in einer humanitären militärischen Intervention einen Höhepunkt genommen hat.

Mit diesem Bombenkrieg gegen Slobodan Milošević ist zugleich eine Zeit der intellektuellen und politischen Erregung und Überhitztheit innerhalb der deutschen Öffentlichkeit zu Ende gegangen. Von Tag zu Tag meldeten sich neue Schriftsteller, Philosophen, Gelehrte und Publizisten zu Wort, welche die Intervention verteidigten oder verurteilten.

Als Literatur Grundlage dienen dieser Arbeit neben Werken und Abschnitten zur Historie des Kosovo gerade auch Zeitungs- und Zeitschriftenartikel der einschlägigen deutschen Presseorgane im Rahmen des öffentlichen Disputs.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, eine Bilanz der Debatte auf Grundlage eines historisch-politischen Überblicks des Kosovo-Konfliktes zu ziehen und letztendlich herauszufinden, welche Meinungen eher monoton und welche eher als konstruktiv zu bewerten sind.

Die Fragestellung dieser Arbeit lautet: Handelt es sich nun um einen Völkerrechtsbruch oder um eine humanitäre Intervention – oder gar beides – und wie ist eine solche Intervention überhaupt zu rechtfertigen?

2. Historischer Kontext

Das Kosovo wurde von den Serben seit der Schlacht auf dem Amselfeld gegen die Osmanen ohne Ausnahme als „Wiege der serbischen Kultur“[1] betrachtet.

Die ethnische Zusammensetzung im Kosovo änderte sich um 1689 nachhaltig, als die Österreicher nach erfolgreicher Verteidigung Wiens gegen die Osmanen kurzzeitig aus strategischen Gründen nach dem Kosovo vorstießen, sich aber schnell wieder zurückziehen mussten. Damit verband sich eine partielle Entvölkerung des Kosovo, weil dessen christliche Bevölkerung nach der Unterstützung der Österreicher nun teils floh. Albaner wanderten dann aus den Bergregionen hinzu.[2]

Die Gewichtung ethnischer Animositäten bis hin zu Rivalitäten[3] gegen eine „Assimilation und Symbiose“[4] zwischen Albanern und Slawen ist wie viele Aspekte der Verhaltensgeschichte nur partiell, aber nicht prävalierend ergründbar, was durchaus für beide Tendenzen spricht. Der „ethnische Konflikt“ ist in bestimmten Fällen ein Produkt der Instrumentalisierung durch die Herrschenden, was im 20. Jahrhundert den Fokus eher auf kulturelle Unterschiede denn Gemeinsamkeiten gelegt hat.

Die Albaner hatten sich im Gegensatz zu den Serben im Osmanischen Reich integriert und ihr Siedlungsgebiet blieb nach dem Niedergang der Hohen Pforte gewissermaßen als Konkursmasse des russisch-türkischen Krieges 1877/1878 auf dem Berliner Kongress übrig. Die Grenzziehung durch die europäischen Großmächte sah die Unterwerfung hunderttausender Albaner unter serbische Herrschaft vor, was allgemein als die Wurzel[5] späterer schwerer nationaler Konflikte angesehen wird.[6]

Seither waren Kosovo-Albaner das Ziel systematischer Vertreibung und politischer Repression durch die Serben, welche parallel dazu eine rigorose Neuansiedlungspolitik verfolgten, um die Bevölkerungszusammensetzung für einen ethnisch reinen großserbischen Nationalstaat zu modifizieren. Unter Josip Broz Tito wurde das Kosovo 1945 an Jugoslawien angeschlossen.[7]

Die folgenden Jahrzehnte des Kosovo waren geprägt vom Streben nach Eigenstaatlichkeit. 1963 erhielt das Gebiet nach Jahren gewaltsamer Assimilationspolitik der Serben den formellen Status einer Autonomen Provinz unter serbischer Oberhoheit. Gezeichnet als eine der ärmsten Regionen Europas gelang hier 1981 eine soziale Mobilisierung in Form von studentischen Demonstrationen für gesellschaftliche Reformen und den Teilrepubliksstatus. Die Niederschlagung dieser Bewegung und die Reaktion der Serben mit aggressivem Nationalismus („SANU-Memorandum“) auch im Bezug auf „ihr“ Kosovo schafften Mitte der achtziger Jahre die Basis für den Aufstieg des Juristen Slobodan Milošević während der Kosovo-Frage. Nicht zuletzt die Medien trieben die Dämonisierung der Kosovo-Albaner an.[8]

1987 wurde Milošević Generalsekretär des BDKJ und bekämpfte systematisch den Abbau der Autonomien, so dass dieser Status des Kosovo im Jahre 1989 auch prompt aufgehoben wurde. Die nächsten Amtshandlungen der Regierung unter 1990 bestätigten jugoslawischen Staatspräsidenten Milošević im Kosovo beinhalteten unter anderem die Schließung von Kultur- und Sporteinrichtungen, Schülersegregation zwischen Serben und Albanern und Massenentlassungen. Diese inhumanen Aktionen führten 1991 zur inoffiziellen Unabhängigkeitserklärung der Albaner und der Entstehung eines Schattenstaates unter Präsident Ibrahim Rugova. Zwischen beiden Ethnien entwickelte sich eine faktische Apartheid.[9]

Zunächst probte die kosovarische Regierung den gewaltlosen Widerstand, um vielleicht dennoch politische Unterstützung während einer Internationalisierung des Kosovo-Problems zu erfahren. Ohne Erfolg. Ab 1996 erzwang erst die paramilitärische kosovarische Befreiungsarmee UÇK durch Anschläge auf serbische Sicherheitskräfte Aufmerksamkeit. Aber erst die Unverhältnismäßigkeit der serbischen Antworten wie Massaker, Vertreibungen, Willkürverhaftungen, Folterungen etc. rief die internationale Gemeinschaft auf den Plan. Die Chance der Prävention war vertan. Nun wollte man destabilisierenden Auswirkungen auf die Region begegnen.[10]

Die folgenden UN-Resolutionen 1160 und 1199 vom 31.03.1998 bzw. 23.09.1998 und eine Embargopolitik zielten auf die Einstellung der Kampfaktionen und den militärischen Rückzug aus dem Krisengebiet sowie Wegbereitung für internationale Hilfsorganisationen und eine OSZE- Mission ab. Währenddessen billigt der NATO-Rat am 08.10.1998 den Operationsplan „Allied Force“ mit Luftschlägen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien – das Kabinett Kohl stimmt vier Tage später für eine Bundeswehrbeteiligung.

Am 27.10.1998 wird zunächst ein nachweislich instabiler Waffenstillstand im Rahmen des Holbrooke-Milošević-Abkommens zwischen der UÇK und serbischen Sichheitskräften erwirkt. Die Kontaktgruppe[11] konfrontierte die verfeindeten Parteien mit einem „Friedensdiktat“. Die UÇK lehnte den Autonomiestatus darin als nicht ausreichend ab und die serbische Regierung störte sich an dem Beschluss der Stationierung westlicher Truppen auf ihrem Hoheitsgebiet.[12] Bedingt durch die militärische Androhung von Gewalt durch die NATO verwickelte sich die westliche Staatengemeinschaft in die Eskalationsspirale, was ihre politischen Handlungsalternativen schrumpfen ließ.[13]

Das Massaker von Racak löste Im Januar 1999 ein weltweites Medienecho aus. Als letzte Möglichkeit zur Friedensschaffung wurden im Februar 1999 Vertreter Belgrads (wie der serbischen Präsidenten Milan Milutinović) und der albanischen Kosovaren (mit Ibrahim Rugova) auf das Schloss Rambouillet bei Paris unter britisch-französischem Vorsitz geladen. Nach einer kurzen Unterbrechung der Verhandlungen stellte sich die serbische Delegation am 19.03.1999 erneut quer. Man akzeptierte nicht, dass die Operationsmöglichkeiten der NATO auf das gesamte jugoslawische Staatsgebiet ausgedehnt werden könnten („Annex B“) und hoffte auf Handlungsunfähigkeit der NATO durch den Widerstand Griechenlands und Zweifel Italiens, Deutschlands und Frankreichs.[14]

[...]


[1] Sundhausen, S. 17f.

[2] Vgl. Schmidl 2000, S. 13f.

[3] Löffler 2001, S. 943

[4] Eicher 2000, S. 391

[5] Reuter 1994, S. 187

[6] Vgl. Handrick 2005, S. 37

[7] Vgl. Reuter 1994, S. 188

[8] Vgl. Handrick 2005, S. 38

[9] Vgl. Tretter 1999, S. 127f.

[10] Vgl. Handrick 2005, S. 42f.

[11] Diese wurde 1993 von den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien gegründet.

[12] Vgl. Dischl 2002, S. 64

[13] Vgl. Handrick 2005, S. 45

[14] Vgl. Dischl 2002, S. 65

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Völkerrechtsbruch oder humanitäre Intervention?
Untertitel
Der öffentliche Disput um den Kosovo-Einsatz der Bundeswehr
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Geschichtswissenschaften)
Veranstaltung
Souveränität im Widerstreit: Deutschland nach der Wiedervereinigung 1990-2000
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V135048
ISBN (eBook)
9783640429486
ISBN (Buch)
9783640429400
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Völkerrechtsbruch, Intervention, Disput, Kosovo-Einsatz, Bundeswehr, winkler, pazifismus, nationalismus, milosevic, gysi, allied force, demokratie, 1990, spd, grüne, pds, tretter, sundhausen, simma, süddeutsche, schorlmmer, scholz, schmidl, ross, reuter, löffler, herdegen, handrick, habermas, enzensberger, eischer, dischl, czempiel, blumenwitz, biehl, beck, nato, kosovo, serbien, jugoslawien, kroatien, bosnien, herzegowina, albanien, muslime, moslem, christ, humanitär, hegemonial, un-charta, sanktionen, krieg, frieden, genozid, völkermord, soziologie, slowenien, postnational, usa, uno, cdu, menschenrecht, inra, linkspartei
Arbeit zitieren
Robert Leuck (Autor:in), 2006, Völkerrechtsbruch oder humanitäre Intervention?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135048

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