Das Englische als Lingua Franca in Italien

Bereicherung oder Gefahr für die Wissensvermittlung und Gesellschaft?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

25 Seiten, Note: 2-3


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Die Bedeutung der Sprache als Mittel der Wissensvermittlung
2.1 Definition einer Lingua Franca am Beispiel des Englischen
2.2 Die Rolle der Länder

3. Wo bleibt das Italienische im Meer des Englischen?!
3.1 Die Rolle des Englischen und Italienischen
3.1.1 Gründe für die Popularität und Nutzung des Englischen
3.1.2 Die Verteilung von Anglizismen und „Italianismen“
3.2 Untersuchung des Zingarelli
3.3 Untersuchung des American heritage dictionary of the English language

4 Englisch und Anglizismen- Gefahr oder Bereicherung?
4.1 Vorteile des verstärkten Gebrauchs des Englischen
4.2 Nachteile einer übermäßigen Anzahl an Anglizismen/ Nutzung des Englischen als Mittel der Wissensvermittlung und Kommunikation

5 Zusammenfassung und Resümee

Bibliographie

1 Einleitung

keine unter allen neueren sprachen hat

[] eine größere kraft und stärke

empfangen als die englische [] sie darf vor

allem recht eine weltsprache heißen und

scheint ausersehen künftig noch in höherem

maße an allen enden der erde zu walten [sic]

(House: 2002, 245)

„Als John nach seiner After-work-Party im Club in seinem Appartement auf der 16. Etage angekommen war, setzte er sich sofort an seinen Laptop, um im Internet zu surfen, dabei seine Emails zu checken und danach noch ein bisschen im Chatroom zu plaudern und ein wenig zu chillen“- was sich hier für den einen oder anderen wie ein Zitat aus einem Science Fiction Roman anhören mag, ist für andere eine ganz normale und leicht verständliche Aussage über einen Mann und dessen Tätigkeiten in seiner Freizeit. Dieser Satz verdeutlicht auf drastische Weise, welch großen Einfluss das Englische auf das Vokabular anderer Sprachen und deren Sprecher hat, wie alltäglich Anglizismen im Lexikon (im mentalen vielleicht noch mehr als im gedruckten) von EFL-learnern[1] ebenso wie dem von nicht englischsprachigen Personen enthalten sind.

Die überwältigende und nach Meinung einiger Wissenschaftler auch bedrohlich starke Beeinflussung des Englischen auf andere Sprachen der Welt sowie dessen Benutzung für die Vermittlung von nicht nur fachspezifischen Daten und Fakten sondern zunehmend auch für Allgemeinwissen beschäftigt Linguisten schon seit mehreren Jahrzehnten und soll daher auch Basis dieser Arbeit sein, in der zunächst die Bedeutung des Englischen als Lingua Franca dargestellt werden soll. Des Weiteren wird auf die Rolle der Länder bezüglich dieser Bedeutung und dieses Einflusses eingegangen werden. Nach diesen allgemein gehaltenen Passagen, wird im weiteren Verlauf spezifisch die Wechselbeziehung zwischen dem Englischen und Italienischem dargestellt und die Verbreitung von Anglizismen und deren Rolle in der italienischen Sprache ebenso wie die italienischen Termini[2] im Englischen untersucht werden. Gefahren und Vorteile einer von vielen Seiten gefürchteten „Verenglischung“ der Muttersprache sollen aufgezeigt und es wird untersucht werden, ob die Angst vor einer „Englischepedemie“ generell berechtigt ist.

2 Die Bedeutung der Sprache als Mittel der Wissensvermittlung

Kaum eine andere Sprache findet heute mehr Anwendung als das Englische. Dies kann zum Einem auf eine recht hohe Anzahl von englischen Muttersprachlern zurückgeführt werden, ferner jedoch zeigen sich, wie Ulrich Ammon in seinem Vortrag/Aufsatz The Present Dominance of English in Europe. With an Outlook on Possible Solutions to the European Language Problems illustriert, schon frühzeitig recht starke Tendenzen, wissenschaftliche Werke zunehmend in englischer Sprache zu verfassen:

Table 1: Languages of publication (percentages) in five natural sciences in 1981 (according to Baldauf and Jernudd 1983:99)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Ammon: 1994, 5)

Es stellt sich die Frage nach den Gründen für eine solche bewusste Entscheidung, Texte nicht mehr in der Muttersprache sondern in Englisch entweder zu schreiben oder sie nur in übersetzter Form zu veröffentlichen. Um diese Motive aufzeigen zu können, soll nun die Rolle des Englischen als Lingua Franca untersucht werden.

2.1 Definition einer Lingua Franca am Beispiel des Englischen

Bereits Seidlhofer legte eine solche Charakterisierung einer Lingua Franca ausführlich dar, was hier noch einmal zusammenfassend wiedergegeben werden soll. So zitiert sie Samarin, Firth und House und kam schließlich zu folgenden Definitionen:

any lingual medium of communication between people of different

mother tongues, for whom it is a second language [it is] a ‘contact

language’ between persons who share neither a common native

tongue nor a common (national) culture, and for whom English is a

chosen foreign [sic] language of communication (Seidlhofer:

2005: 33)

Alle genannten Beschreibungen einer Lingua Franca schließen die Muttersprachler des Englischen aus, denn, wie Seidlhofer bereits zuvor überzeugend und anschaulich erläutert hatte, ist das Englische, welches Muttersprachlern zu eigen ist, keinesfalls mit dem Sprachstil oder Vokabular, ebenso wenig wie der Grammatik eines EFL-learners gleichzusetzen. Sie kam zu der Überzeugung, dass

[…]das Englisch, mit dem Japaner und Deutsche, Finnen und

Jordanier, Chinesen und Russen miteinander kommunizieren,

oft, ja meist sehr weit entfernt ist von den in diesen Kontexten

gänzlich irrelevanten muttersprachlichen Normen der Engländer,

Amerikaner, Australier und Iren (Seidlhofer: 2005: 30).

Sie schließt den Native Speaker in der Hinsicht aus, dass sie sich in der oben zitierten Passage einzig auf EFL-learners und deren Kommunikation untereinander bezieht und nicht auf einen Sprachkontakt durch beispielsweise Dialog oder Brief zwischen einem Native Speaker und einem EFL-learner. Doch auch dieser Aspekt sollte Berücksichtigung finden, da Native Speakers durch ihr größeres Vokabular durchaus auch während eines Gespräches oder Austausches (in jeglicher Form) Einfluss auf den EFL-learner nehmen können. Im Falle des Sprachkontaktes zwischen zwei EFL-learners ergibt sich die Situation, dass beide nur über ein begrenztes und gelerntes Wissen über die englische Sprache (als Beispiel für jedwede andere Muttersprache, die als Lingua Franca die Kommunikation zweier Personen unterschiedlicher Muttersprache möglich macht) verfügen, Sätze und Satzkonstrukte variieren daher von solchen eines Native Speaker (in Abhängigkeit der Sprachkapazität des EFL-learner). Personen, welche sich beide nur mittels einer Lingua Franca verständigen können, werden sowohl das Vokabular als auch die Syntax ihrer Aussagen bewusster und gewählter dem Sprachniveaus des Gesprächspartners anpassen, so dass ein Informationsaustausch stattfinden kann.

Die Sprecher sollten demnach im Idealfalle dem Kooperationsprinzip nach Grice folgen, indem sie ihre Kooperationsbereitschaft dadurch ausdrücken, dass sie nur das sagen, was auch der Wirklichkeit entspricht (Qualität), nicht mehr Informationen während eines Gesprächaktes übermitteln als unbedingt nötig (Quantität), relevant bleiben (Relevanz), sich kurz fassen und dabei im leicht verständlichen Maße (Art und Weise), gemäß der „Taktmaxime [nach Leech] ‚Minimiere den Aufwand für den Hörer und maximiere seinen Vorteil’“ (Kortmann: 1999: 204/205, 212) zu ihrem Gegenüber sprechen.

Auf der Tatsache beruhend, dass ein Muttersprachler in den meisten Fällen ein völlig anderes Sprachgefühl besitzt als ein EFL-learner, dürfte eine Anpassung des Sprachniveaus für Native Speaker zum Teil mit größeren Problemen verbunden sein als das für einen EFL-learner der Fall ist. Ein Satzkonstrukt, welches für einen Muttersprachler durch vollkommene Logik und Verständlichkeit charakterisiert ist, kann für einen EFL-learner eine mehr oder weniger große Schwierigkeit darstellen. Deutlich wird dies vor allem in wissenschaftlichen Texten, die von Studenten an Universitäten und Fachhochschulen gelesen werden müssen. Die vorher benannten Probleme werden jedoch in ihrer Gravidität abgeschwächt, da ein Native Speaker eine gewisse überragende Stellung gegenüber dem Fremdsprachler einnimmt und er diese bewusst oder unbewusst dargestellte/demonstrierte Überlegenheit mit seinem größeren Vokabular ausgleichen und somit Synonyme für die Termini finden kann, welche dem Gesprächspartner unbekannt sind und ihm dadurch seine Aussage verständlich machen.

Hier zeigt sich wieder die zuvor schon benannte Einflussnahme des Native Speaker auf den EFL-learner, da letzterer durch die erklärenden Ausführungen des Muttersprachlers sein Vokabular erweitern kann. Eine solche Adaption bisher unbekannter Begriffe dürfte im Falle eines Sprachkontaktes zwischen zwei EFL-learners unwahrscheinlicher sein, da diese von Anfang an fast in ihrem Sprachniveau gleichgestellt werden können[3].

Es stellt sich jedoch die Frage, weshalb das Englische zu einer Lingua Franca werden konnte. Laut Balboni liegt der Grund dafür in der „(…) progressiva internazionalizzazione della produzione e dello scambio di idee, conoscenze, beni e servizi [che] ha portato all’adozione di una lingua franca, l’inglese“ (Balboni: 1999: 11). Als Ursache für die starke Frequentierung des Englischen sieht er „la diffusione dell’inglese [che] può essere in parte ascritta proprio alla sua adattabilità, alla sua semplicità grammaticale, alla possibilità di pidginizzarlo“ (Balboni: 1999: 11).

Der Mensch als ein wandelndes mentales Lexikon ist also, so bleibt zusammenfassend zu sagen, mithilfe einer anderen Sprache in der Lage, mit einem anderen Menschen, der als Mittel der Kommunikation selbst auch nur über diese gemeinsame Fremdsprache verfügt, zu kommunizieren. Während dieses Kommunikationsprozesses können sich die Sprecher gegenseitig beeinflussen. Über die genaue Bedeutung des Englischen soll noch im weiteren Verlauf dieser Arbeit eingegangen werden. Während sich die bisherigen Ausführungen ausschließlich auf die Sprecher und deren Adressaten bezogen, soll im nächsten Kapitel nun die Rolle der Länder bezüglich des Einflusses fremder Termini auf die Muttersprache untersucht werden.

2.2 Die Rolle der Länder

Vor einigen Jahren kam in Deutschland eine Diskussion zum Thema einer Deutschquote nach französischem Vorbild auf, nach der Radiostationen verpflichtet werden sollten einen Mindestprozentsatz an deutschem Liedergut zu senden, um auch weiterhin legal ihre Sendungen ausstrahlen zu können. Diese Bemühungen seitens der Politiker verliefen dennoch recht bald wieder im Sande und man fragt sich nun, wie es möglich sein kann, dass eine Fremdsprache wie das Englische auf die Musik- und/oder Fernsehkultur eines Landes solch großen Einfluss hat und die eigene Muttersprache dabei in den Hintergrund drängt. Frankreich und Deutschland sind durchaus nicht die einzigen Länder, die mit einem derartigen Problem konfrontiert sind, jedoch gibt es in anderen Ländern, beispielsweise Spanien, konkretere und striktere Bemühungen hinsichtlich einer Bewahrung der Nationalsprache und deren Pflege. Franz Lebsanft schildert die Situation in Spanien wie folgt:

In sprachlicher Hinsicht wird dort zur Sicherung eines klaren

und verständlichen Stils die Verwendung einer ‚genauen’ Sprache

gefordert und ausdrücklich angemahnt, der Redakteur möge keine

Wörter verwenden, deren „tatsächliche Bedeutung ihm unbekannt

sei“ (Lebsanft: 1995: 259).

Die Spanier plädierten des Weiteren dafür „Mode-, Fach- und Fremdwörter [zu] vermeiden“ (Lebsanft: 1995: 259). Zum Zwecke des Schutzes der Muttersprache publizierten spanische Journalisten und Linguisten deswegen ein Libro de redacción (Lebsanft: 1995: 259), welches als eine Art Kodex zur Benutzung von Fremdtermini zu charakterisieren ist.

Angesichts einer scheinbaren Gefahr der „Verenglischung“ der Landessprache versuchen die Länder nun aktiv gegenzusteuern. Ob ihnen dabei Erfolg vergönnt sein wird, bleibt zweifelhaft, denn wie in Kapitel 3 noch deutlich werden wird, erstreckt sich das Einflussgebiet des Englischen auf weitaus mehr Felder des täglichen Lebens und der Kultur als dass das Fortschreiten der Einflussnahme ohne Weiteres gestoppt werden könnte. Gerade für Begriffe die Bereiche der neuen Medien und Technik betreffend gibt es kaum frequentierte oder gar keine Äquivalente in der Muttersprache: Die Benennung Computer wird der des Rechners vorgezogen, man verschickt SMS, keine Kurznachrichten, man tätigt einen Download anstatt etwas herunter zu laden. Für den Terminus Laptop oder Notebook fehlen im Deutschen zum Beispiel passende Äquivalente[4]. Ähnlich verhält es sich im Italienischen: unter dem Lemma Laptop existieren im italienischen Wörterbuch lediglich die Bezeichnungen „laptop“ und „computer portatile“ (es gibt also auch hier keine rein italienische Benennung); des Weiteren gibt es ebenfalls keinen annähernd italienischen Terminus für Notebook. Die Errettung der Muttersprache beziehungsweise die Verbannung des Englischen scheint für die Länder einer Syssiphosarbeit gleich zu kommen. Doch wer trägt überhaupt die Schuld an dieser Überflutung des eigenen Wortschatzes durch die englische Sprache? Ulrich Ammon führt dazu Folgendes aus:

So gut wie alle Länder weltweit […] haben entweder Englisch

obligatorisch zur ersten Schulfremdsprache gemacht oder bieten

Englisch zumindest von Anfang an zur Wahl […] an, wofür

sich die meisten Schüler- wegen des Nimbus der „Weltsprache“-

dann auch gerne entscheiden. Oftmals ist Englisch sogar die

einzige Fremdsprache, die auf der Realschule gelernt wird (…)

(Ammon: 2006: 19).

[...]


[1] Der Begriff des EFL-learnerns bezeichnet eine Person, welche das Englische als eine Fremdsprache erlernt (EFL = English as a foreign language) und wird im Laufe dieser Arbeit gegebenenfalls als verkürzte Benennung benutzt.

[2] Für die italienischen Termini wird in dieser Arbeit der Begriff „Italianismen“ gebraucht.

[3] Es bleibt natürlich zu beachten, dass es auch zwischen zwei EFL-learners zu sehr starken Niveauschwankungen kommen kann, jedoch sind beide dem Niveau des Native Speaker unterzuordnen und gleichen sich demnach in ihrer Unterlegenheitsposition gegenüber dem Muttersprachler.

[4] Von der Bezeichnung „tragbarer Computer“ wird in diesem Falle abgesehen, da auch diese Betitelung einen Anglizismus enthält, der Laptop also keine pur deutsche Bezeichnung verzeichnet.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das Englische als Lingua Franca in Italien
Untertitel
Bereicherung oder Gefahr für die Wissensvermittlung und Gesellschaft?
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
2-3
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V134803
ISBN (eBook)
9783640427222
ISBN (Buch)
9783640423552
Dateigröße
607 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Englische, Lingua, Franca, Italien, Bereicherung, Gefahr, Wissensvermittlung, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Franziska Lottes (Autor:in), 2008, Das Englische als Lingua Franca in Italien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134803

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