Rezeption von Gewaltdarstellungen in den Medien


Vordiplomarbeit, 2003

30 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Zum Begriff der Gewalt
2.1. Unterscheidung der Arten von Gewalt
2.2 Mediengewalt
2.2.1 Fiktionale Gewaltdarstellungen
2.2.2 Faktionale Gewaltdarstellungen
2.2.3 Animierte Gewaltdarstellungen

3. Theorien zur Gewaltentwicklung
3.1 Psychoanalyse
3.2 Frustrations -Aggressions – Hypothese
3.3 Lerntheoretischer Ansatz

4. Medienwirkungen
4.1 Mediengewaltwirkung
4.1.1 Mediengewaltwirkung auf Kinder und Jugendliche
4.2 Geschlechterdifferenzen in der Medien- und Gewaltrezeption
4.2.1 Frauenbild in Gewaltdarstellungen
4.2.2 Selektionsunterschiede beim Fernsehkonsum

5 Exkurs: Wirkung von Videospielen unter besonderer Berücksichtigung von Egoshootern

6. Resümee/Perspektiven

7. Literaturverzeichnis

Einleitung

Gewaltdarstellungen in den Medien erzeugen Gewalt und Aggression im realen Leben.

Diese These wurde sogar schon vertreten als es die Medien so wie wir sie heute kennen noch gar nicht gab.

So behauptete schon Platon in der Politea, man könne es nicht hinnehmen, dass Kinder beliebige Märchen anhören und so Vorstellungen in ihre Seele aufnehmen, welche denen entgegengesetzt sind, die sie haben sollten, wenn sie erwachsen sind. Deswegen müßten die Dichter beaufsichtigt werden und nur „gute“ Märchen dürften eingeführt werden. Er machte jedoch keine Angaben wie eine Bewertungsgrundlage auszusehen habe.

Allerdings vertrat schon sein Schüler Aristoteles die Gegenthese der Katharsis, wonach durch „die Erregung von Mitleid und Furcht“ die „homöopathische Reinigung der Affekte“ bewirkt werde (Aristoteles; Poetik).

Die Kontroverse zwischen Katharsis und Aggressionsstimulation wird heute immer noch geführt. Sie bezieht sich allerdings weniger auf Erzählungen und Theateraufführungen, sondern auf den Bereich der Massenmedien, insbesondere dem Fernsehen.

Denn dem Fernsehen wird heute von einigen Autoren schon eine fast so große Sozialisationsfunktion wie den Eltern unterstellt, da eine beträchtliche Anzahl der Kinder einen großen Teil ihrer Jugend vor dem Bildschirm zubringt.

Doch ist es wirklich der Fall, dass regelmäßiger Fernsehkonsum mit aggressiven Inhalten zu einer Steigerung der Aggression führt?

Viele Autoren bejahen dies, da sie glauben eindeutige Zusammenhänge zwischen der zunehmenden Brutalisierung des Fernsehens und der gestiegenen Kriminalitätsrate erkannt zu haben. Doch es ist zweifelhaft ob dieser Schluß wirklich gezogen werden kann, denn selbst wenn die Kriminalität wirklich gestiegen ist – und nicht nur die Anzeigehäufigkeit von Straftaten oder die Aufklärungsquote der Polizei – können durchaus ganz andere Faktoren eine Rolle spielen als bisher angenommen.

So wird zum Beispiel oft auf Nachahmungstaten verwiesen, bzw. auf den exzessiven Konsum von gewalttätigen Videospielen und Filmen, welchem sich diverse Gewalttäter aussetzten.

Aber von diesen Fakten auf eine generelle Bedrohung zu schließen ist zu kurzsichtig, denn es ist nur ein verschwindend geringer Anteil der Konsumenten, die wirklich zu Nachahmungstaten neigen, und eine Präferenz von gewaltverherrlichenden Medien könnte auch auf eine schon vorliegende Aggressionsdisposition hindeuten, welche ganz andere Gründe haben kann.

Ich werde mich mit der Fragestellung beschäftigen, ob und wie Medien auf den Sozialisationsprozess wirken und ob durch sie eine Gewaltzunahme in der Bevölkerung zu verzeichnen ist.

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2. Zum Begriff Gewalt

2.1 Unterscheidung der Arten von Gewalt

Den Gewaltbegriff näher zu bestimmen erweist sich als sehr wichtig, da zwar die meisten Menschen davon ausgehen zu wissen was mit Gewalt gemeint ist, bei genaueren Hinsehen stellen sich dann aber oft ganz erhebliche Unterschiede in der Auffassung dessen was als gewalttätig gesehen wird heraus.

Um eine einheitliche Ausgangsbasis und Vergleichbarkeit zu gewährleisten, kommt man nicht umhin den Gewaltbegriff zu differenzieren. Da es keine einheitliche Definition von Gewalt gibt hilft eine Strukturierung wie folgt:

1. personale versus strukturelle Gewalt
2. physische vs. psychische
3. legitime vs. illegitime
4. individuelle vs. kollektive
5. expressive vs. instrumentelle
6. intentionale vs. nicht - intentionale
7. manifeste vs. latente.

Die Unterscheidung zwischen personaler und struktureller Gewalt bezieht sich auf Gewalt mit und ohne Akteur. So definiert Michael Kunczik personale Gewalt als: „die beabsichtigte physische und/oder psychische Schädigung einer Person, von Lebewesen und Sachen durch eine andere Person“ ( Kunczik 1996, S.12 ).

Im Gegensatz dazu liegt nach Johann Galtung strukturelle Gewalt vor: „wenn Menschen so beeinflußt werden, dass ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung“ ( Galtung 1982, S.9 ), also der Unterschied zwischen dem was ist und dem, was hätte sein können.

Strukturelle Gewalt ist deshalb kaum meßbar und extrem umfangreich, weshalb an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden kann. Im Hinblick auf die Gewalt in den Medien ist personale Gewalt wesentlich relevanter, da zwar auch Merkmale der strukturellen Gewalt gezeigt werden, zwischenmenschliche Aggressionen aber leichter identifizierbar und deren Auswirkungen auch besser untersucht worden sind.

Physische Gewalt wird von Helga Theunert definiert als: „alle Formen, die körperliche Zerstörung, Verletzung oder Einschränkung zur Folge haben, also die Gewalt, die Menschen anderen körperlich zufügen“ ( Theunert 1987, S.71 ).

Unter psychischer Gewalt können demgegenüber die Formen von Gewalt verstanden werden: „die die geistige und seelische Verfassung der Betroffenen schädigen“ ( Theunert 1987, S.74 )

Während physische Gewalt relativ eindeutig zu bestimmen ist, können vor allem die Auswirkungen psychischer Gewalt erst sehr viel später zum Tragen kommen und sind deshalb schwer zu untersuchen.

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Die Aufteilung in legitime und illegitime Gewalt schließt legale und illegale Gewalt mit ein, da der Begriff legitim auch noch moralische und kulturelle Konventionen berücksichtigt.

Während die Legalität anhand der Gesetzgebung leicht zu bestimmen ist, muß man bei der Legitimität auch noch die jeweilige Gesellschaft in der die Gewalt ausgeübt wird berücksichtigen, denn auch illegale Handlungen können unter Umständen als legitim angesehen werden.

Unter kollektiver Gewalt versteht man die Gewaltausübung von mindestens zwei Personen die in die gleiche Richtung wirken, oft ist sie gegen ein anderes Kollektiv gerichtet und die Akteure können einander auch unbekannt sein. Auf kollektiver Ebene kann Gewalt durch Befehle ausgelöst werden und die einzelnen Individuen können durch Stimulation der anderen Kollektivmitglieder stärkere Aggressionen zeigen als solche zu denen sie alleine fähig wären.

Expressive Gewalt ist durch starke Affekte hervorgerufene Gewalt, die eine kathartische Entladung der Spannung bewirkt und häufig von Frauen angewendet wird, auch ohne die Absicht jemanden zu schädigen. Da sie nicht zielgerichtet ist, steht sie im Gegensatz zur - eher von Männern angewendeten - instrumentellen Gewalt, die eine Schädigung um ein bestimmtes Ziel zu erreichen in Kauf nimmt. Es ist jedoch nicht möglich diese Arten hundertprozentig voneinander zu trennen, denn sie beschreiben Gewalt aus Sicht des Täters und wer kann schon sagen ob mit einer impulsiven Aggressionsentladung nicht auch ein Ziel verfolgt werden kann?

Zwischen intentionaler und nicht- intentionaler Gewalt zu unterscheiden obliegt dem Opfer, da eine Bedeutungszuweisung immer mit dem sozialen Verständnis von Gewalthandlungen zu tun hat. Selbst wenn dem Täter eine Absicht unterstellt wird, muß es noch lange nicht wirklich so gemeint gewesen sein ( z.B. auf den Fuß treten ).

Manifeste Gewalt bezeichnet wahrnehmbare Gewalt, also körperlich und verbal aggressives Verhalten. Latente Gewalt spielt sich in der Phantasie ab und ist nicht umgesetzte Aggression, daher auch nicht meßbar.

Diese Dichotomisierungen können natürlich nicht den kompletten Gewaltbereich abdecken, da es oft schwer ist, Gewaltakte genau zuzuordnen. Aber sie helfen Ungenauigkeiten zu vermeiden und stellen sicher, welche Diskussionsgrundlage zu beachten ist. Wenn man Mediengewalt untersucht, erweist es sich auch als sinnvoll, zwischen fiktionaler Gewalt ( Spielfilme/Serien ) und faktionaler Gewalt ( Nachrichten/Dokumentationen ) zu unterscheiden, da diese Typen erhebliche Differenzen in der Informationsverarbeitung der Rezipienten erzeugen.

Gewalt in Zeichentrickfilmen und Videospielen werde ich animierte Gewalt nennen um keine Verwirrung aufkommen zu lassen, da sie in der Literatur je nach Autor als fiktionale oder nicht- reale Gewalt bezeichnet werden.

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Aggression und Gewalt sind nicht identisch, da Gewalt zwar immer Aggression beinhaltet, Aggression aber nicht unbedingt zu Gewalt führen muß. Da aber leider in vielen Studien die Begriffe synonym verwendet werden, kann die Aufrechterhaltung der Differenzierung in dieser Arbeit nicht immer gewährleistet sein.

2.2 Mediengewalt

Die Gewaltdarstellung in den Medien, insbesondere im Fernsehen, zeichnet sich nicht gerade durch Realitätsnähe aus. Denn es werden oft nur Ausschnitte des Gewaltaktes dargestellt und so die Wahrnehmungen der Menschen verfälscht. Ein neutrales Darstellen der Gewalt ist meistens auch nicht möglich, da es zeitlich z.B. nicht machbar ist die Heilungsprozesse von Wunden angemessen darzustellen. Erhebliche Differenzen bestehen zwischen faktionaler und fiktionaler Gewaltdarstellung. Während in Spielfilmen meist die Täterperspektive im Vordergrund steht, sind und sollen in Nachrichten die Opferperspektiven vorrangig sein. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Rezipienten wie später noch gezeigt wird. Nach Groebel und Gleich macht der Gewaltanteil in fiktionalen Programmen über 80% der insgesamt im Fernsehen gezeigten Gewalt aus, allerdings mit erheblichen Differenzen zwischen den einzelnen Sendern (Groebel/Gleich 1993, S.127). Bei den Privatsendern ist ein erheblich höherer Anteil an Sendungen die Gewaltdarstellungen beinhalten zu verzeichnen, als bei den öffentlich-rechtlichen Programmen. Prozentangaben sind allerdings auch extrem abhängig von der verwendeten Operationalisierung , da z.B. eine Kneipenschlägerei als ein zusammenhängender Gewaltakt, oder jede einzelne Gewaltszene in ihr extra gezählt werden kann.

2.2.1 Fiktionale Gewaltdarstellungen

Gewalt in Spielfilmen oder Serien zeichnet sich besonders durch Präsentation von Einzelschicksalen aus, ohne Berücksichtigung der sozialen Strukturen. Sie wird meistens von unverheirateten Männern mittleren Alters verübt, Frauen spielen nur eine untergeordnete Rolle bei der Gewaltausübung und sind wie Kinder meistens in der Opferrolle anzusiedeln.

Im Gegensatz zur Realität werden oft Gewaltakte zwischen einander unbekannten Protagonisten gezeigt und die Opferperspektive wird weitestgehend außer acht gelassen.

Auch die eigentlich aus dem Gewaltakt resultierenden Verletzungen werden wenn überhaupt, nur extrem unrealistisch dargestellt. So haben vor allem die Helden, selbst nach schwersten Kämpfen nur leichte Kratzer, wohingegen in der Realität meist ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt die Folge wäre.

Werden die Konsequenzen von Gewalt gezeigt, handelt es sich nach Groebel und Gleich ( 1993, S 113 ) um belohnende Konsequenzen, welche meistens durch instrumentelle Gewaltausübung erreicht werden . So behauptet Hacker schon 1973 : „Sieger wird und bleibt derjenige, der primitive Gewalt rücksichtsloser und vor allem früher und rascher anwendet“ (Hacker 1973, S. 342).

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Daran hat sich bis heute im Grunde wenig geändert. Bemerkenswert ist außerdem die Stellung die Vertreter von Recht und Ordnung einnehmen, nämlich Polizisten, Privatdetektive und der „einsame Rächer“, der den Kampf gegen übermächtige soziale Mißstände aufnimmt.

Obwohl die Instanzen der sozialen Kontrolle im allgemeinen sehr positiv dargestellt werden, wird jedoch ein erhebliches Maß an Violenz eingesetzt um die Gesetze durchzusetzen und zwar ohne die negativen Konsequenzen die eine solche Art der Verbrechensbekämpfung für den Protagonisten bringen würde.

Diese repressive Vorgehensweise erscheint als einzige Möglichkeit, da die Entstehung der Gewalt und die Mitverantwortung der Gesellschaft bei ihrer Bekämpfung nicht thematisiert wird. Dadurch erscheint gewalttätiges Verhalten als normal und moralisch gerechtfertigt.

So werden im Fernsehen: „Handlungsmodelle angeboten, die demonstrieren, wie mit Hilfe illegitimer Mittel (Gewalt) als legitim anerkannte Ziele (Wohlstand, Macht, Prestige, Gerechtigkeit) erreicht werden (Kunczik 1996 S.45).

2.2.2 Faktionale Gewaltdarstellungen

Gewaltdarstellungen in Nachrichtensendungen bzw. Reality- Dokumentationen oder Print -Medien zeichnen sich immer durch einen vorangegangenen Auswahlvorgang durch den jeweiligen Journalisten oder die Redaktion im Hinblick auf die angenommenen Publikumsanforderungen aus. Dadurch besteht die Gefahr soziale Vorgänge, die zur Erkenntnisbildung benötigt werden, außer acht zu lassen und dadurch einen verfälschten Eindruck beim Rezipienten zu erzeugen. Da die Nachrichten einen großen Anteil an der öffentlichen Meinungsbildung haben, beherbergt dieser Aspekt ein außerordentliches Gefahrenpotential. Leider wird dies sehr oft von Politikern oder politisch motivierten Intendanten ausgenutzt (Man denke nur an die „Bild – Zeitung“ oder an diktatorische Regime).

Negative Ereignisse, welche häufig mit Gewalt korrespondieren, finden immer eine stärkere Beachtung als positive Vorkommnisse. So kann man die Gültigkeit der Regel „Bad news are good news“ mit vier Erklärungsmöglichkeiten versehen:

„ 1. Negative Ereignisse entsprechen besser dem Frequenz – Kriterium als positive
Ereignisse, die in der Regel viel Zeit benötigen, um sich aufzubauen.
2.Negative Ereignisse sind eindeutig, d.h. über die Interpretation eines Ereignisses als negativ
besteht hoher Konsens.
3. Negative Ereignisse sind konsonant, d.h. entsprechen der bei vielen Menschen
vorherrschenden Weltsicht.
4. Negative Ereignisse treten im Vergleich zu positiven Ereignissen zumeist unerwartet und

plötzlich ein“ (Kunczik 1996, S.206).

Zudem entsteht durch negative Ereignisse ein viel stärkerer und unmittelbarer Handlungsbedarf. Dies erklärt auch, warum die Berichterstattung über Kriminalität in den letzten Jahren so dramatisch gestiegen ist.

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Vor allem über schwere Kriminalität wird exzessiv berichtet und damit können unbegründete Ängste in der Bevölkerung geschürt werden, gerade deshalb, weil kaum über die hohe Aufklärungsquote von Gewaltverbrechen, bzw. über die darauf folgenden Strafen informiert wird. Aber nicht nur die Boulevardpresse, sondern auch seriöse Zeitungen und Nachrichtensendungen berichten vorwiegend über Gewalttaten und kaum über andere Verbrechen. So ist zum Beispiel in letzter Zeit die Berichterstattung über Sexualstraftäter dramatisch angestiegen, und zwar nicht weil wirklich mehr Sexualverbrechen verübt werden, sondern weil Nachrichten über diese als besonders verabscheuungswürdig anzusehenden Verbrechen auf erhebliche Resonanz in der Bevölkerung stoßen. So konstruieren die Medien eine Realität in der es scheint, dass kleine Kinder nicht mehr sicher auf den Straßen sein können, da überall psychopathische Triebtäter ihr Unwesen treiben, obwohl die Zahl der Sexualmorde an Kindern sich in den letzten 20 bis 30 Jahren sogar verringert hat.

Vorwiegend wird über Einzelstraftaten berichtet und kaum z.B. über kriminelle Machenschaften von Großkonzernen, welche leicht und sehr viel skrupelloser Existenzen zerstören können.

Wird über politisch motivierte Taten berichtet, kann es nach Schwind (1990) zu negativen Rückwirkungen kommen, da bereits die bloße Erwähnung in den Medien als lohnendes Ziel von den Tätern gesehen wird um das Interesse der Bevölkerung an ihrer Situation zu wecken und vermeintliche Anerkennung zu bekommen.

Allerdings machen faktionale Gewaltdarstellungen in den Nachrichten nur einen geringen Anteil am Gesamtprogramm des Fernsehens aus, trotzdem sind sie sehr relevant, da die Reaktionen des Publikums deutliche Unterschiede im Vergleich zu fiktionaler oder animierter Gewalt zeigen, wie weiter unten gezeigt wird.

2.2.3 Animierte Gewaltdarstellungen

Gewaltdarstellungen in Cartoons sind meistens stark überzogen und haben wenig mit der Realität gemeinsam. So werden in den seltensten Fällen Verletzungen gezeigt, auch nach

Gewaltausübungen, die in der Realität den sofortigen Tod zur Folge hätten. Gerade deswegen werden von Kindern (Erwachsene sehen sich –mit Ausnahme der Simpsons u.ä.- höchst selten Zeichentrickfilme an) die Gewaltdarstellungen nicht ernst genommen. Einige Autoren behaupten deshalb, dass keine negativen Konsequenzen für den Rezipienten auszumachen wären (Kunczik 1983, S.314; Groebel 1993, S.30), aber gerade bei sehr kleinen Kindern, die ihr Verständnis von Realität noch nicht ausreichend entwickelt haben, sollte man nicht zu leichtsinnig mit dieser Art von Gewaltrezeption umgehen und den Kindern erklärend zur Seite stehen, oder das Anschauen gar nicht erst zulassen.

Bei Kindern im Vorschulalter wurde sogar beobachtet, dass, obwohl sie sich und ihrer Umwelt bereits bewußt sind, eher als pädagogisch wertvoll anzusehende Zeichentrickfilme wie Bambi oder Pinocchio starke empathische Reaktionen auslösen können, da sie die Angst, verlassen zu werden, schüren können.

Von ganz anderer und wesentlich beunruhigenderer Dimension ist die Darstellung animierter Gewalt in Videospielen, auf die ich unten nochmals gesondert eingehen werde.

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3. Theorien zur Gewaltentwicklung

Es gibt verschiedene Ansätze wie und warum wir Gewalt anwenden und die relevantesten sollen hier kurz dargestellt werden, da sie wichtig für den Umgang und die Diskussion über Mediengewalt sind. Da jede wissenschaftliche Disziplin Gewalt aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, kann es keine allgemeingültige Theorie geben. In ihrer Gesamtheit gesehen sind sie jedoch sehr hilfreich, um ein besseres Verständnis des handelnden Subjektes zu erreichen.

3.1 Psychoanalyse

Nach Siegmund Freud ist Aggression ein Trieb, der auf die Sicherung des menschlichen Lebens durch Kampf und Sexualität gerichtet ist und vorwiegend beim Mann auftritt. Um den Todestrieb (Tanathos), welcher dem Menschen innewohnt, zu beherrschen, sorgt der Lebenstrieb (Eros) für eine Abkehr nach außen, als destruktive Energie.

Nur die Kultur hindert den Menschen daran, seine Aggressionen auszuleben, denn sonst wäre eine Gesellschaft unmöglich.

Allerdings ist sie auf Grund dessen auch ständig vom Zerfall bedroht.

Freud selbst distanzierte sich später von seinem reduktionistischen Ansatz eine Theorie des Lebensgeschehens auf zwei konkurrierende Triebe aufzubauen.

Aus heutiger Sicht kann die Existenz eines Todestriebes, die auch kaum nachweisbar ist, als falsifiziert gelten.

3. 2. Frustrations – Aggressions - Hypothese

Mit der Frustrations – Aggressions Hypothese, welche 1939 von der Yale – Gruppe mit Dollard, Doob, Miller, Mowrer und Sears (1939, 1971) ausgearbeitet wurde, ist der eigentliche Beginn der empirisch experimentellen Aggressionsforschung eingeläutet.

Die Theorie wird von zwei Grundannahmen geleitet:

1.Aggression ist stets eine Folge von Frustration.
2.Frustration führt stets zu einer Form von Aggression

Die Yale – Gruppe versteht Frustration als die Störung einer zielgerichteten Aktivität.

Miller und Sears entwickelten 1941 die Hypothese dahingehend weiter, dass Frustration zu verschiedenen Verhaltensweisen führen könne, unter anderem Aggression.

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Berkowitz erweiterte 1962 die Hypothese um die Dimension Ärger/Wut welche zwischen Frustration und Aggression steht. Damit erwähnt er schon, dass dieser Automatismus durch Lernprozesse unterbrochen werden kann.

Schließlich wird mit Bandura und Walter der Frustrations – Aggressions – Hypothese eine Frustration – Antriebs – Erregungs – Hypothese entgegengesetzt, die davon ausgeht, dass Frustration zu einer Erregung führe, welche sich in verschiedenen Verhaltensweisen manifestiert, jedoch mit einer Intensivierung dieser.

Aggression stellt somit keine angeborene Verhaltensweise auf Frustration dar, sondern ist vielmehr abhängig von den jeweiligen Erfahrungen und Hinweisreizen.

So führen aversive Erfahrungen ( z.B. Frustration ) zu emotionaler Erregung und diese wiederum zu intensiven Verhalten unterschiedlichster Art ( z.B. Aggression, Regression, Apathie oder konstruktiven Problemlöseverhalten )

Damit erscheint die Ansicht der Yale – Gruppe, dass erst durch Ausführen einer aggressiven Handlung die weitere Aggressionsneigung abgebaut werden kann, widerlegt, zumal empirische Studien zeigen, dass Aggressionsrituale die Stärke zwischenmenschlicher Aggressionen noch erhöhen können.

Da es fast unmöglich ist Frustrationsbedingungen generell zu reduzieren bzw. zu vermeiden, wie von der Yale –Gruppe zur Problemlösung impliziert wird, ist das Erlernen einer Frustrationstoleranz ( Fähigkeit zum Aufschub von Befriedigungen ) wichtig.

Jeder sollte demnach eine erhöhte Kompetenz zum angemessenen Umgang mit frustrierenden Bedingungen anstreben ( soziale Kompetenz (Bandura 1979)).

[...]

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Rezeption von Gewaltdarstellungen in den Medien
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Zentraleinrichtung für Frauen und Geschlechterforschung)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
30
Katalognummer
V13474
ISBN (eBook)
9783638191289
ISBN (Buch)
9783638676243
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dichter Text.
Schlagworte
Rezeption, Gewaltdarstellungen, Medien
Arbeit zitieren
Dipl. Soziologe Christian Prange (Autor:in), 2003, Rezeption von Gewaltdarstellungen in den Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13474

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Titel: Rezeption von Gewaltdarstellungen in den Medien



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