Das positive Bild Mehmets II. des Eroberers im humanistischen Italien seiner Zeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

24 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Reaktionen auf den Zerfall des byzantinischen Reichs
2.1 Verurteilung der Schandtaten Mehmets II.
2.2 Beziehungswandel zwischen Mehmet II. und dem Westen
2.3 Brief Pius’ II. an Mehmet II.

3 Annäherungsversuche an Mehmet II.
3.1 Die Amyris des Giovanni Mario Filelfo
3.2 Die Bekehrungsidee Georgs von Trapezunt

4 Zusammenfassung

Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Die Konzeption dieser Hausarbeit leitet sich aus dem Hauptseminar „Humanismus an der Kurie“ ab, in welchem unter Anderem die Streitschriften Bessarions und Georgs von Trapezunt thematisiert worden sind[1]. Ein mit diesem Gelehrtenkonflikt unweigerlich verwobener größerer Zusammenhang mit dem Fall Konstantinopels im Frühjahr 1453 und den daraus resultierenden Reaktionen der westeuropäischen Welt, insbesondere in einflussreichen Kreisen im Italien jener Zeit, erschloss den Raum für die vorliegende Arbeit. Präziser ausgedrückt, standen hier neben den Humanisten auch die weltlichen und geistlichen Machthaber jener Zeit, von Mitgliedern einflussreicher Familien, Herrschern wie dem König von Aragon bis hin zu den Päpsten, im Rampenlicht der Ereignisse, denn sie waren als politische Triebfedern das Primärziel humanistischer Kreuzzugsliteratur[2]. Die Vielzahl der Standpunkte und Handlungsvorschläge im Angesicht der Bedrohung durch die Türken und des sich vollziehenden Wandels politischer, sowie gesellschaftlicher Verhältnisse, wird bereits bei Hankins[3] aufgeführt. Im Mittelpunkt der Beobachtungen stehen hier vor allem der Kreuzzugsgedanke und seine Transformation durch die Humanisten, die Erschaffung eines neuen Feindbildes und eines geistigen Fundaments paneuropäischer Abgrenzung zum islamischen Aggressor. Jener personifizierte sich für viele der europäischen, christlich humanistischen Interessensvertreter im Sultan der Osmanen, Mehmet II., welcher nach der Einnahme der Hauptstadt des oströmischen Reiches den Titel der Eroberer erhielt und von seinen Feinden „the Great Turk“[4] genannt wurde – eine Ehre, die nur den größten Herrschern unserer europäischen Geschichte zu Teil wurde. Auf ihn waren die Augen der westlichen Welt in kontroverser Weise gerichtet, sei es als Erlöser oder Bestrafer des Christentums. An Hand ausgewählter protürkischer Beispiele aus jener Zeit sollen in dieser Arbeit die Eckpunkte der verschiedenen Ansichten und Lösungsansätze zur Problematik der osmanischen Bedrohung des Abendlandes ausgelotet werden[5]. Wie realistisch beziehungsweise verzerrt die jeweiligen Sichtweisen der Autoren humanistischer Kreuzzugsliteratur in Bezug auf Mehmet II. waren und wie beispielhaft dieser zu großen Teilen kulturelle Konflikt an der Schwelle zu einer neuen Epoche Keile zwischen die abendländisch christliche – worunter ich hier zunächst vereinfachend römische und griechische Fraktionen als Einheit beschreibe - und die islamisch orientalische Welt treiben konnte, ist ein Hauptanliegen der folgenden Zeilen.

2 Reaktionen auf den Zerfall des byzantinischen Reichs

Ziel dieses Kapitels ist es nicht, die breiten, zumeist negativen Reaktionen auf den Fall der Stadt erneut zusammenzufassen[6]. Vielmehr soll der Entwicklungsgang, der zu den später thematisierten Anrufungen des Sultans geführt haben mag, umrissen werden. Als 1453 die Hauptstadt des oströmischen Reiches in die Hände der Türken fiel, waren ihre Glanzzeiten längst vorüber und ihre Eroberung hatte in Anbetracht der Ausbreitung osmanischer Herrschaft im weiten Umland für beide Seiten vorrangig symbolischen Wert. Die Schändung der Kirchen und der Verlust antiker Schriften in die Hände von Barbaren waren dennoch Bestandteil der Wehklagen[7]. Wie sehr dieser tödliche Stoß die Seele der christlichen Welt verwundete und die christliche Welt zu allerlei drastischen Maßnahmen greifen ließ soll im Folgenden erörtert werden. Bereits 1439 nutzten die Vertreter des Papstes auf dem Konzil von Ferrara und Florenz die missliche Lage der Byzantiner zu ihren Gunsten, um unter diversen Zugeständnissen eine Kirchenunion auszuhandeln. Der Aufschrei in der Ostkirche war groß, doch maßgeblich beteiligte Personen, wie der griechische Emigrant, Humanist und in Folge seiner Parteinahme für die Westkirche zum Kardinal erhobene Basilius Bessarion, profitierten im Wortsinne amtlich von diesem Übereinkommen. Georg Gemistos Plethon, ehemaliger Lehrmeister Bessarions, war zu diesem Zeitpunkt bereits in italienischen Diensten. Dies war aber nicht die erste Welle von griechischen Gelehrten, die der alten Heimat auch unter dem Schatten des Halbmonds den Rücken kehrten. Knapp 50 Jahre zuvor nahm Chrysoloras als Gesandter des Kaisers nach Rom und beeindruckte bei einem Aufenthalt in Venedig dessen Kanzler so sehr, dass er unverzüglich rekrutiert wurde, um dort Unterricht in griechischer Literatur und Grammatik zu erteilen[8]. Die geistige Elite nahm also bereits vor dem endgültigen Fall Konstantinopels zumindest geographisch Abstand, was auch vermuten lässt, wie groß die Furcht vor den Türken gewesen sein muss. Die Gefahr, die vom osmanischen Herrscher ausging, veranlasste wohl den Großteil christlichen Elite in Byzanz zur Flucht. Die Hasstiraden und Kreuzzugsgedanken gegen den neuen Feind waren eine logische Folge der Erfahrungen jener und späterer Tage nach dem Fall der oströmischen Hauptstadt.

2.1 Verurteilung der Schandtaten Mehmets II.

Ein wesentlicher Bestandteil westlicher Diffamierung und Hetze gegen den Gorßtürken und seine Untergebenen waren die Verurteilungen der Gräueltaten im Zuge der Eroberung der Stadt. So wurde der Untergang von vielen Seiten betrauert, ebenso jedoch stachelte er die Humanisten dazu an, mehr Streitschriften für einen Türkenfeldzug an die politischen Eliten Europas zu adressieren[9]. Hankins sieht hier – im Gegensatz zu den anderen Transformationen in der Kreuzzugsliteratur durch die Humanisten – eine deutliche thematische Parallele zu den „twelfth-century accounts of Muslim atrocities in Jerusalem“[10]. Ein den später zu Wort kommenden Quellen diametral gegenüberstehendes Beispiel für die Entrüstung über den Fall der so genannten „Pforte“ und die Dämonisierung ihres Eroberers stellt das Gedicht des Leonardo Dati dar. An den amtierenden Papst Nikolaus V. gerichtet, zeichnet es ein Bild des leibhaftigen Satans, der nun auf der Welt sein Unwesen treibt und welchem der Papst als Friedensbringer entgegentreten muss[11]. Jedoch sollen hier nicht sämtliche auf die Eroberung Bezug nehmende Texte angeführt werden, sondern es kann ein Darstellungsbeispiel auf Seite der Türken als Exempel dienen. Michael Kritobulos zeichnet als Geschichtsschreiber für Mehmet II. und Augenzeuge für den wohl authentischsten Bericht über die Zerstörung der Stadt verantwortlich. In seinem Kriegs- und Herrschaftsbericht[12], dem trotz der teilweise begründeten Vorwürfe, er habe zu Gunsten einer idealisierenden Geschichtsschreibung Mehmet II. einseitig glorifiziert, ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit zuzutrauen ist[13], werden die Grausamkeiten an der Bevölkerung im Zuge der Eroberung geschildert. Man darf einerseits die Alltäglichkeit derartiger Aktionen bei Einnahmen von Städten nicht außer Acht lassen, andererseits kann dadurch das Ausmaß der Verwüstung nicht unterschätzt werden. So nimmt der Autor kein Blatt vor den Mund, was die Schandtaten und Plünderungen der einfallenden Horde angeht. Er zeigt das tiefe Mitleid des Eroberers und ist bemüht die historische Tragweite dieses Schicksals an Beispielen anderer Städte zu verdeutlichen[14]. Die Entrüstung über die Art und Weise des Falls der byzantinischen Hauptstadt im Westen war also durchaus nachvollziehbar. Jedoch darf man bei all den Vorwürfen nicht über die Tatsache hinwegsehen, dass Mehmet mit den Einwohnern der Stadt nicht mehr oder minder zimperlich umging als es Eroberer christlicher Herkunft seiner und anderer Epochen taten. Auch werden die enormen Aufbaubemühungen der seit Jahren im Verfall befindlichen Metropole durch Mehmet II. ausgeklammert[15]. Die Einseitigkeit, mit der Mehmet II. als grausamer Feldherr dargestellt wurde, mag trotzdem, zum großen Teil wahrheitsgetreu, der Abneigung gegen die osmanische Expansion und als Rechtfertigungsgrund für einen Türkenkrieg bzw. Kreuzzug zuträglich gewesen sein.

2.2 Beziehungswandel zwischen Mehmet II. und Italien

Zunächst erscheint also die Frage berechtigt, wer denn überhaupt Kontakt zu Mehmet II. pflegte, oder ob es sogar Sympathisanten gab. Hankins merkt hier an, dass es sich bei den Kreuzzugsverweigerern maßgeblich um Kräfte innerhalb Italiens handelte, die sich von der türkischen Expansion eine Schwächung ihrer politischen Gegner, welche ihrerseits eigene Interessen gefährdet sahen, erhofften. Es ergab sich offensichtlich ein buntes Spektrum an mehr oder weniger geheim operierenden Kräften, die nicht ohne weiteres einer Koalition der Kreuzzugswilligen beizutreten gedachten:

The contrasting interests among the several Italian powers with respect to the Ottomans led, naturally, to a variety of policies; the range of possible stances reminds one, almost, of the Cold War. There were those who advocated an immediate armed response after each Turkish victory, some who advised containment, some negotiation, some appeasement, some peaceful coexistence; there were even, marvellous to relate, some who believed that issues between Christians and Muslims might be settled by rational discussion.[16]

Von Gleichgültigkeit gegenüber der Gefahr bis hin zu verehrendem Verhalten scheinen sich die italienischen Ansichten ebenso zu Gunsten der Türken zu bewegen. Besonders Florenz drehte sich offensichtlich stärker nach dem osmanischen Wind als es seinen Konkurrenten, vor allem Venedig, lieb gewesen sein kann. Babinger relativiert zwar jenes Bild, indem er auf die mangelnde Erschließbarkeit der Problematik verweist[17], jedoch kann man an führenden Personen, wie Lorenzo de Medici, eine klare Tendenz zum Pragmatismus über religiöse und weltanschauliche Differenzen erkennen. Händler gelten seit jeher als die ersten Boten von Kultur und Zivilisation, ein friedvoller und ehrbarer Dienst an der Menschheit letzten Endes, der jedoch von Zeitgenossen oftmals nur zu gern als Verrat und Egoismus verkannt wird[18].

[...]


[1] Kern der Debatte bildeten eine Phleton feindliche Schrift Georgs von Trapezunt – siehe Monfasani, John, George of Trebizond - a biography and a study of his rhetoric and logic, Leiden 1976, 201-29. – und die erst 1469 ins Lateinische übertragene aber elaborierte Antwort Bessarions in Mohler Ludwig: Kardinal Bessarion als Theologe, Humanist und Staatsmann (Bessarionis in caluminatorem Platonis libri IV, Bd. 7), Paderborn 1927.

[2] Hankins, James: Humanist crusade literature in the age of Mehmet II. In: Dumbarton Oaks Papers 49 (1995), S. 111-207, S.117.

[3] Ebd..

[4] Vgl. Ebd. S. 124, 130, 139, 140. Auf welcher Quelle sich Hankins hierbei explizit bezieht blieb mir jedoch leider bis zu guter letzt unklar.

[5] Sowohl die überlieferte Masse an zeitgenössischen Schriften und Autoren machten eine enge Auswahl im Rahmen der Arbeit notwendig. Vgl. ebd. S. 117.

[6] Vgl. Helmrath, Johannes: Pius II. Und die Türken. In: Bodo Guthmüller und Wilhelm Kühlmann (Hrsg.), Europa und die Türken in der Renaissance, Tübingen 2000, S.79-137. In Anmerkung 35, S. 91 findet sich bereits die wichtigste Literatur zu den Reaktionen.

[7] Vgl. Pius II.: Epistola ad Mahumetem, Reinhold F. Glei und Markus Köhler (Ed.). Trier 2001 (= Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium, Bd. 50), S. 16-18.

[8] Vgl. Harris, Jonathan: Byzantines in Renaissance Italy, <http://the-orb.net/encyclop/late/laterbyz/harris-ren.html> 29.07.08. Harris spricht auch deutlich die anderen Bereiche an, in denen byzantinische Emigranten den Westen Europas beeinflussten. Eine ausführlichere Zusammenfassung bietet Monfasani, John: Greeks and Latins in Renaissance Italy: Studies on humanism and philosophy in the 15th century, Aldershot 2004. I, S. 1-14.

[9] Guthmüller, Bodo: „Se tu non piangi, di che pianger suoli?“ – Der Lamento di Constantinopoli in ottava rima. In: Bodo Guthmüller und Wilhelm Kühlmann (Hrsg.), Europa und die Türken in der Renaissance, Tübingen 2000, S. 317-332 fasst am Beispiel der damals wohl weiter verbreiteten Klagegedichte die tiefe Betroffenheit des Okzidents auch auf den Ebenen unterhalb der geistigen Elite zusammen.

[10] Hankins S. 119.

[11] Ebd. S. 169-176.

[12] Critopulos, Michael: Mehmet II. erobert Konstantinopel: Die ersten Regierungsjahre des Sultans Mehmet Fatih, des Eroberers von Konstantinopel 1453 - Das Geschichtswerk des Kritobulos von Imbros, Diether Roderich Reinsch (Ed.) und Johannes Koder (Hrsg.). Graz 1986 (= Byzantinische Geschichtsschreiber, Bd. 17).

[13] Ebd. S.14-17.

[14] Ebd. S. 120-133. Nur kurz werden daraufhin seine Wiederaufbaubestrebungen angerissen.

[15] Vgl. Babinger, Franz: Mehmed the Conqueror and his time, Princeton 1978, S. 101-116.

[16] Hankins S. 127.

[17] Babinger, Franz: Mehmed II., der Eroberer, und Italien. In: Byzantion 21 (1951), S. 127-170. S. 148ff.. Auf den weiteren Seiten, wird allerdings auch die Doppelzüngigkeit und Intriganz der Signiore der Städte thematisiert. In kürzerer Form stellt dies auch Hankins, S. 125-127 dar.

[18] Vgl. Hankins, S.126 Anm. 39.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das positive Bild Mehmets II. des Eroberers im humanistischen Italien seiner Zeit
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
3
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V134710
ISBN (eBook)
9783640420421
ISBN (Buch)
9783640420261
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bild, Mehmets, Eroberers, Italien, Zeit
Arbeit zitieren
Marius Dimter (Autor:in), 2008, Das positive Bild Mehmets II. des Eroberers im humanistischen Italien seiner Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134710

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