Kontrastive Darstellung von Modalität und Modusgebrauch im Deutschen und im Französischen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Deutschen und des Französischen in Bezug auf Modalität und Modusgebrauch
2.1 Was sind Modalität und Modus?
2.2 Der Konjunktiv I im Deutschen und seine Entsprechungen im Französischen
2.3 Der subjonctif im Französischen
2.4 Der Konjunktiv II im Deutschen und der conditionnel im Französischen
2.5 Modale Verwendungsweisen der Tempora
2.6 Modalverben
2.7 Modalpartikeln
2.8 Der Imperativ im Deutschen und im Französischen

3. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einführung

Modalität als grammatische Kategorie ist ein nicht unumstrittener Begriff. Einigkeit besteht wohl insoweit, als Modalität die subjektive Färbung einer Aussage bezeichnet. Jede über den puren Informationswert eines Satzes hinausgehende Nuancierung muss also als Modalisierung gelten, und entsprechend vielfältig sind die Möglichkeiten jeder Sprache, Inhalte explizit und implizit mit modalen Anteilen zu ergänzen.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine kontrastive Darstellung von Modalität und Modusgebrauch im Deutschen und Französischen. Die Arbeit verfolgt dabei zwei Ansätze der Beschreibung: Einerseits wird ausgehend von den Verwendungsweisen der nicht-indikativischen Modi im Deutschen und Französischen untersucht, mit welchen Mitteln die jeweils andere Sprache dieses Phänomen realisiert, zum zweiten werden sprachliche Phänomene verglichen, die ohne Wechsel des Modus eine modale Färbung erreichen.

Neben den einschlägigen Standardgrammatiken der beiden Sprachen waren vor allem die Monographien von Jean-Paul Confais, Ralph Ludwig und Alfred Malblanc eine gute Arbeitsgrundlage, die alle eine umfangreiche Gesamtdarstellung der hier behandelten Materie liefern. Sehr aufschlussreich für die Beantwortung der Fragen nach dem Verhältnis zwischen Tempus und Modus war zudem Rolf Thieroffs Aufsatz.

Der erste Teil der Arbeit definiert zunächst die Kategorien Modalität und Modus näher, um dann ausgehend vom Deutschen den Konjunktiv I und den französischen subjonctif zu kontrastieren. Es folgt eine Gegenüberstellung von Konjunktiv II und conditionnel. Das nächste Kapitel geht auf die Zusammenhänge zwischen Modalität und Temporalität ein und zeigt auf, welche modalen Aspekte Tempora implizieren können. Der Vergleich der Modalverben und einige Bemerkungen zu den deutschen Modalpartikeln runden die Darstellung ab, bevor sie im letzten Kapitel mit der Darstellung der Imperativverwendung in beiden Sprachen schließt.

Insgesamt ist eine erschöpfende Darstellung der Thematik im Rahmen einer kurzen Arbeit kaum möglich. So wird beispielsweise der mit etwas mehr als einer Seite berücksichtigte Aspekt der Bedeutung von Modalpartikeln bei Cornelia Feyrer umfänglichst auf 311 Seiten besprochen, und so ergibt sich, dass die Untersuchung ihre Grenzen im Aufzeigen der wichtigsten Unterschiede in Bezug auf Modalität und Modusgebrauch finden muss, dafür aber verhältnismäßig reich mit Beispielen ausgekleidet ist.

2. Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Deutschen und des
Französischen in Bezug auf Modalität und Modusgebrauch

2.1 Was sind Modalität und Modus?

Modalität sei, so schreibt Nicole LeQuerler, „l’expression de l’attitude du locuteur par rapport au contenue propositionnel de son énoncé“[1]. Es handelt sich also um eine subjektive Stellungnahme, mit der sich der Sprecher zur Faktizität des Ausgedrückten positionieren kann. Die Mittel dazu sind ganz vielfältig. So können Modi gebraucht werden, aber auch Modal- und Modalitätsverben, Modaladverbien und Modalpartikeln finden Anwendung. In anderen Kontexten können bereits Tempora den Gehalt einer Aussage stark modalisieren. Für die weitere Besprechung von Modalität und Modusgebrauch wird zunächst folgende Annahme als grundlegend gesetzt:

„Der Indikativ ist der unmarkierte Modus, der Normal- oder Standardmodus. Er wird verwendet, wenn kein Anlass besteht, einen anderen Modus zu gebrauchen. (…) [Daraus] folgt, dass es nicht sinnvoll ist, die Verwendungen des Indikativs im Einzelnen aufzuzählen. Es reicht im Prinzip aus, die Funktionen und Verwendungen der Konjunktivformen (und des Imperativs) im Vergleich mit dem Indikativ zu beschreiben. (…) Der grundlegende Unterschied zwischen dem Indikativ und dem Konjunktiv lässt sich jedoch wie folgt bestimmen: Mit dem Indikativ und nur mit dem Indikativ kann der Sprecher sich unmittelbar auf die „wirkliche Welt“ beziehen, Sachverhalte im Diskurs als gegeben hinstellen und eigene Einstellungen (eigenes Wissen, Glauben, Fürchten usw.) ausdrücken. Und wenn im gegebenen Zusammenhang nichts dagegen spricht, werden indikativische Verbformen auch in dem Sinne gedeutet.“[2]

Darüber hinaus wird man sich davon lösen müssen, Modalität und Modi als eine feste und stets eindeutige grammatische Kategorie zu verstehen. Tempus und Modus haben vielfältige Überschneidungsfelder,[3] und Ralph Ludwig schreibt, dass nahezu jede Aussage modal gefärbt sei und es stets auch einen graduellen Übergang zwischen impliziter und expliziter Modalität gebe.[4]

Ausgehend vom Deutschen soll nun mit der Betrachtung des Konjunktivs I begonnen werden, der in relativ festen und zugleich überschaubaren Kontexten gebraucht wird.

2.2 Der Konjunktiv I im Deutschen und seine Entsprechungen im Französischen

Die deutsche Standardgrammatik schreibt vor, dass eine wiedergegebene Rede, ganz unabhängig davon, ob sie im abhängigen Nebensatz auftaucht oder beispielweise als erlebte Rede, durch den Gebrauch des Konjunktivs I zu kennzeichnen ist.[5] Ziel der Kennzeichnung durch Moduswechsel ist dabei die Distanzierung von der Faktizität des Zitierten. Der Sprecher macht sich also das Gesagte nicht zueigen, sondern gibt es lediglich wertneutral und ohne dazu Stellung zu beziehen wieder, so beispielweise:

(1) Bild berichtet, dass der Graf verhaftet worden sei.

Der Gebrauch des Indikativs, also

(2) Bild berichtet, dass der Graf verhaftet worden ist.

verändert die Stellungnahme zum Gesagten jedoch: Die in (1) und (2) verwendeten Modi stehen hier in semantischer Opposition, denn in (2) wird impliziert, dass das Berichtete zutreffend ist.[6] Der Gebrauch des Indikativs kann in solchen Fällen erwünscht sein, um beispielsweise die Faktizität einer Tatsache zu unterstreichen und sie nicht als fragwürdig zu kennzeichnen, zugleich kann aber auch die Unkenntnis der Opposition zwischen Indikativ und Konjunktiv der Anlass für den womöglich falschen Gebrauch sein. Der zunehmende ›Verfall‹ des Referatskonjunktivs im Deutschen ist indes kein Phänomen, das erst seit kurzem beklagt wird. So schrieb Johann Bernhard Basedow schon 1759, dass „oft gute Schriftsteller den Indikativ setzen, wo die Regeln den Konjunktiv fordern“[7], und auch der Schriftsteller Ludwig Reiners bemerkte 1943:

„Noch haben wir in Deutschland diese Möglichkeitsform, den Konjunktiv, und können auf diese Weise unterscheiden zwischen dem, was wirklich ist, und dem, was geschehen könnte. Aber in 100 Jahren werden wir diesen Unterschied nicht mehr machen können, denn der Konjunktiv, die Möglichkeitsform, stirbt langsam aus, namentlich in der Umgangssprache Nord- und Mitteldeutschlands. Jedoch solche Unterschiede zu verwischen, heißt, das Denken zugrunde zu richten. Wer Möglichkeit und Wirklichkeit nicht unterscheidet, ist ein Sprach stümper[8]

Obwohl die richtige Verwendung des Konjunktivs fester Bestandteil des Deutschunterrichts ist, tun sich viele Muttersprachler schwer damit, ihn zu erkennen und vor allem richtig anzuwenden. Während der Gebrauch im Mündlichen stark zurückgeht, gehört eine korrekte Konjunktivanwendung nach wie vor zur Schriftsprache und ist beispielweise in wissenschaftlichen Arbeiten oder gehobenem Journalismus unerlässlich.

Allerdings ist das Phänomen des Referatskonjunktivs recht einzigartig im europäischen Sprachraum. Keine andere germanische Sprache und erst recht keine romanische Sprache kennzeichnen wiedergegebene Rede mit einer Konjunktivform, und Rolf Thieroff schreibt, es falle eine Gewisse „Konjunktivprominenz“ im Deutschen auf. Er meint: „Das Deutsche geht produktiv mit dem Konjunktiv um, erfindet ihm notfalls neue Aufgaben – ganz anders als die Nachbarsprachen im Norden, Westen und Süden“.[9] Auch John Ole Askedal bestätigt diese Tendenz und schreibt weiter, dass der Konjunktiv I zwar in finalen und konsekutiven Nebensätzen noch in Einzelfällen gebraucht werden könne, dieser Funktionsbereich aber mehr und mehr auf dem Rückzug sei und sich schließlich die Verwendung in der indirekten Rede als Hauptgebrauchsfeld der Konjunktiv-I-Formen herausbilde.[10]

Vielleicht ist es gerade diese Sonderstellung des Deutschen, die es deutschen Französischlernen in der Regel recht einfach macht, sich die französische concordance des temps anzueignen. Grundsätzlicher Unterschied zwischen beiden Systemen ist, dass im Französischen im abhängigen Nebensatz kein Moduswechsel stattfinden muss,[11] sondern lediglich ein Tempuswechsel, sofern das einleitende Verb in einer Zeitform der Vergangenheit steht. So muss es heißen:

(3) Elle prétend qu’elle a mal à la tête.

(4) Elle a prétendu qu’elle avait mal à la tête.

Diese Angleichung erfolgt sehr schematisch und kann recht schnell erlernt werden, sie ist zudem frei von Ausnahmen. Bemerkenswert ist nun hierbei, dass das Französische anders als das Deutsche keinen Abstand von der Faktizität des Wiedergegebenen erreicht, da der Tempuswechsel dies nicht bewirkt.

Genau wie im Deutschen stehen sich aber auch im Französischen grammatische Korrektheit und Alltagsgebrauch gegenüber. Im Mündlichen kann sehr wohl auf die Zeitenangleichung verzichtet werden, im Schriftlichen ist dies – je nach Textsorte – tendenziell weniger möglich und gilt als stilistisch nicht ausgereift. Statistische Untersuchungen darüber, ob deutsche und französische Muttersprachler den Gebrauch des Indikativs im Deutschen und die Nichtangleichung der Tempora im Französischen im Mündlichen als ungewohnt oder gar falsch einschätzen, gibt es, so scheint es, bisweilen nicht. Sicher spielen hier auch die konkrete Kommunikationssituation und das Sprachregister eine wesentliche Rolle.

[...]


[1] LeQuerler, 1996, S. 14.

[2] Kunkel-Razum / Eisenberg, 2006, S. 507.

[3] Vgl. Confais, 1995, S. 17. Zur Möglichkeit eines graduellen Übergangs zwischen Tempus und Modus vgl. ebd., S. 23.

[4] Vgl. Ludwig, 1988, S. 31.

[5] Kunkel-Razum / Eisenberg, 2006, S. 529f.

[6] Vgl. zur Frage der Opposition zwischen Faktizität und Nichtfaktizität in der indirekten Rede auch Askedal, 1997, S. 79.

[7] Johann Bernhard Basedow, Neue Lehrart und Uebung in der Regelmäßigkeit der Teutschen Sprache, Kopenhagen 1759, zit. n. Wieder, 1992, S. 7.

[8] Ludwig Reiners, Deutsche Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa, o.O. 1943, verb. Neuauflage, München 1951, zit. n. Wieder, 1992, S. 8.

[9] Thieroff, 2000, S. 79.

[10] Vgl. Askedal, 1997, S. 79.

[11] Zwar müssen Futurformen in conditionnel -Formen verändert werden, dieser hat bei der Zeitenfolge der indirekten Rede jedoch keine modale Funktion, sondern eine rein temporale.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Kontrastive Darstellung von Modalität und Modusgebrauch im Deutschen und im Französischen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
HS „Kontrastive Grammatik Französisch/Spanisch – Deutsch“
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V134530
ISBN (eBook)
9783640426485
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kontrastive, Darstellung, Modalität, Modusgebrauch, Deutschen, Französischen
Arbeit zitieren
Christian Schulze (Autor:in), 2008, Kontrastive Darstellung von Modalität und Modusgebrauch im Deutschen und im Französischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134530

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