Wettbewerbliche Marktprozesse

Funktionen und theoretische Leitbilder der Wettbewerbspolitik


Seminararbeit, 2009

20 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung: Wettbewerb und Wettbewerbspolitik

2. Funktionen des Wettbewerbs
2.1 Freiheitsfunktion
2.2 Anpassungsfunktion
2.3 Innovationsfunktion
2.4 Verteilungsfunktion

3. Theoretische Leitbilder der Wettbewerbspolitik
3.1 Klassischer Liberalismus
3.2 Vollständige Konkurrenz
3.3 Funktionsfähiger Wettbewerb
3.4 Ordoliberalismus
3.5 Chicago School

4. Fazit und Ausblick: aktuelle Trends der Wettbewerbstheorie

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Wettbewerb und Wettbewerbspolitik

Wettbewerb gilt gemeinhin als die Grundlage einer freiheitlich verfassten Wirtschaftsordnung. Er hat ganz unterschiedliche Gesichter – Leistungswettbewerb, Schlafmützenwettbewerb oder ruinöser Wettbewerb. Eine präzise Begriffsbestimmung fällt schwer: Aus etymologischer Sicht verweist „Wettbewerb“ auf das mittelhochdeutsche „Wette“ (Pfand, Preisgeld) und ist gleichbedeutend mit dem Lehnwort „Konkurrenz“, das sich aus dem lateinischen Verbum „concurrere“ (zusammenlaufen, zusammentreffen) ableitet. Inhaltlich haben sich verschiedene Wirtschaftswissenschaftler um eine Beschreibung der Wesensmerkmale bemüht. Grundsätzlich handelt es sich beim Wettbewerb auf Märkten „um das Rivalisieren von Marktteilnehmern um Geschäftsabschlüsse (d. h. Marktanteile) – und damit für die Tauschpartner um Auswahlmöglichkeiten unter mehreren Alternativen“.[1]

Damit sind bereits einige Wettbewerbsvoraussetzungen angesprochen. Wettbewerb setzt eine Rechtsordnung voraus, die dem Einzelnen Eigentums- und Verfügungsrechte über Waren und Güter zugesteht (Recht auf Privateigentum), ihm die Möglichkeit zu einer selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit einräumt (Berufs- und Gewerbefreiheit), die freie Wahl des Geschäftspartners zubilligt (Vertragsfreiheit), eine stabile Währung gewährleistet (funktionsfähiges Währungssystem) und Wettbewerbsbeschränkungen verhindert (Wettbewerbsfreiheit). Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es auch ethisch-kulturelle Voraussetzungen für Wettbewerb, die sich im Begriff der „Wettbewerbsgesinnung“ (Risikobereitschaft, Verzicht auf Preisabsprachen, unlauteren Wettbewerb etc.) kristallisieren.[2]

Im 1957 verabschiedeten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der sogenannten Magna Charta der bundesrepublikanischen Wirtschaftsordnung, fehlt eine Legaldefinition des Wettbewerbs völlig. Stattdessen bestimmt das Gesetz ex negativo, was Wettbewerb nicht ist: Es untersagt generell die „missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung“[3] durch ein (Monopol) oder mehrere Unternehmen (Oligopol), formuliert aber auch Ausnahmen (z. B. Energiewirtschaft).

Wettbewerb kann sowohl als ein Verfahren als auch als ein Instrument oder als ein Ziel der Wirtschaftspolitik verstanden werden. In der systematischen Unterscheidung zwischen den zwei Grundtypen der Wirtschaftsordnung – Marktwirtschaft und Zentralverwaltungswirtschaft – gehört der Wettbewerb ganz sicher auf die Seite der marktwirtschaftlichen Systeme, wenngleich wettbewerbliche Strukturelemente immer wieder in realsozialistischen Wirtschaftssystemen implementiert worden sind.

War der Wettbewerb in den Zentralverwaltungswirtschaften der Vergangenheit vor allen Dingen ein Instrument zur Effizienzsteigerung, so ist er in den Marktwirtschaften das herausragende ordnungspolitische Ziel. Die Wettbewerbsförderung steht daher in einer Marktwirtschaft ganz oben auf der Agenda der staatlichen Wirtschaftspolitik. Der Staat als Hüter der Wirtschaftsordnung verfolgt das Ziel, „den Handlungsspielraum (ökonomisch relevante Aktionsparameter) der Einzelwirtschaft von willkürlichen Einschränkungen freizuhalten, also in diesem Sinne Hemmnisse der Wettbewerbsfreiheit zu verbieten“.[4] Der Kampf um größtmögliche Wettbewerbsfreiheit ist die klassische Aufgabe der Wettbewerbspolitik.

Die Deutung des Wettbewerbs als Verfahren verdankt sich vor allem dem Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek. Er hat den Wettbewerb in einem viel zitierten Aufsatz von 1967 als ein „Entdeckungsverfahren“[5] beschrieben, mit dessen Hilfe die Wirtschaftssubjekte den Markt erkunden. Dem Prinzip des Versuchs und Irrtums folgend entdecken die Tauschpartner im Marktgeschehen Kosten und Bedürfnisse. Der Preis – ein Knappheitsindikator – sendet dabei die wichtigsten Informationssignale. Von Hayek betrachtet die wirtschaftlichen Austauschbeziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten auf dem Markt als eine spontane Ordnung, die in einem allmählichen Prozess kultureller Evolution entstanden ist.[6]

Den verschiedenen Vorstellungen von Wettbewerb als Verfahren, Instrument oder ordnungspolitisches Ziel liegen ganz unterschiedliche Funktionszuschreibungen und theoretische Leitbilder zugrunde, die im Nachfolgenden skizziert werden. Während die Funktionen Auswirkungen des Wettbewerbs beschreiben (deskriptiv), formulieren die Leitbilder normative Referenzsituationen (präskriptiv). Selbstredend kann in diesem Rahmen nur ein Überblick gegeben werden. Eine Zusammenfassung und ein Ausblick auf die neueren Trends der Wettbewerbstheorie beschließen die Darstellung.

2. Funktionen des Wettbewerbs

2.1 Freiheitsfunktion

Wettbewerb ist ohne Freiheit auf dem Markt nicht zu denken. Wettbewerbliche Marktprozesse setzten wirtschaftliche Freiheiten voraus, die sich im Begriff der Wettbewerbsfreiheit ausdrücken: Alle Wirtschaftssubjekte brauchen Handlungsfreiheit und Entschließungsfreiheit, nur dann können sich freie Unternehmensinitiative und Konsumentensouveränität überhaupt entfalten. Wettbewerbsfreiheit bedeutet daher die Abwesenheit von Zwang staatlicher Regulierungsbehörden und die Einzäunung von Marktmacht infolge privater Monopolbildung. Sie soll den Marktteilnehmern Aktionsspielräume eröffnen, indem sie die Auswahl zwischen Alternativen ermöglicht (Wahlfreiheit).[7]

Einige neoklassische Ökonomen wie Erich Hoppmann vertreten die These, dass zwischen Wettbewerbsfreiheit und ökonomischer Vorteilhaftigkeit Identität besteht. Sie bestreiten das Dilemma, das manche zwischen dem Wettbewerb als über überindividuellem, wirtschaftspolitischem Ziel und dem auf individuellen Vorteil bedachten Verhalten der Wettbewerber konstruieren. Für Hoppmann ist die Wettbewerbsfreiheit die notwendige Bedingung für die ökonomischen Funktionen des Wettbewerbs, wie sie im Nachfolgenden beschrieben werden. Sie geht der Allokations-, Verteilung- und Innovationsfunktion gewissermaßen voraus.

Der Ausgangspunkt eines solchen freiheitlichen Wettbewerbsbegriffes ist ein Verständnis des Marktes als eine polyzentrische, spontane Ordnung, die sich dynamisch entwickelt: „Unter Wettbewerb verstehen wir jenes komplexe System von Marktprozessen, das aufgrund der Freiheit an Marktprozessen teilnehmen und innerhalb dieser nach eigenem Plan tätig sein zu können, herauswächst. Wettbewerb ist deshalb mit Hilfe der Wettbewerbsfreiheit als differentia specifica zu definieren. Wettbewerb sind dann jene Marktprozesse, die sich entfalten unter der Bedingung Abwesenheit von Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit“.[8] Die Wettbewerbsfreiheit ist demnach ein Maß für die Koordinations- und Evolutionskraft des Marktes. Je geringer ihre Beschränkungen, desto besser ist das Marktergebnis.

[...]


[1] Bartling 1980, S. 10.

[2] Vgl. Berg 1999, S. 303.

[3] § 19 Abs. 1 GWB i. d. F. vom 15. Juli 2005 (BGBl. I S. 2114).

[4] Molitor 1995, S. 50.

[5] Hayek 1967, S. 249ff.

[6] Vgl. Hennecke 2008, S. 55ff.

[7] Vgl. Clapham 1981, S. 132ff. Siehe auch Hayek 1991, S. 13ff.

[8] Hoppmann 1988, S. 298.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Wettbewerbliche Marktprozesse
Untertitel
Funktionen und theoretische Leitbilder der Wettbewerbspolitik
Hochschule
Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer (ehem. Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer)
Veranstaltung
Seminar: Wettbewerb, Privatisierung und Regulierung
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2009
Seiten
20
Katalognummer
V134523
ISBN (eBook)
9783640422319
ISBN (Buch)
9783640422456
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wettbewerbsfunktionen, Wettbewerbsmodelle, Wettbewerbstheoretiker
Arbeit zitieren
Dr. Christian Schwießelmann (Autor:in), 2009, Wettbewerbliche Marktprozesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134523

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