Redaktionsstatute und journalistische Autonomie – innere Pressefreiheit als hohes oder überflüssiges Gut?

Exposé für eine Kommunikatorstudie zum Thema innere Pressefreiheit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Problemstellung

Um den journalistischen Aufgaben in einer (Medien-) Demokratie gerecht zu werden, ist journalistische Autonomie erforderlich. Journalisten müssen unzensiert zu Wort kommen können und auch brisante Themen von gesellschaftlicher Relevanz angehen. Dies setzt eine gesetzlich garantierte Unabhängigkeit vom Staat voraus. Ebenso setzt es jedoch eine garantierte Pressefreiheit innerhalb von Medieninstitutionen voraus. Diese meint: die Freiheit zur Unabhängigen Berichterstattung, die die Meinungsbildung und Meinungsäußerung gegen (übermäßige) kommerzielle Einflüsse ermöglicht und die Presse als Organ der öffentlichen Meinung schützt .

Denn ein ebenso nationales wie globales Phänomen im Journalismus stellt die Beeinträchtigung journalistischer Autonomie durch zunehmende kommerzielle Zwänge dar (vgl. Weischenberg 2001: 61ff). Die Frage ist, ob ein solcher Journalismus in demokratischen Gesellschaften westlicher Ausprägung langfristig seinen zentralen Beitrag leisten kann.

Als quasi erweitertes Wahrnehmungsorgan des jeweiligen Rezipienten fällt ihm Verantwortung zu, die er als soziales Kontroll-, Warn- und Informationssystem innerhalb der Gesellschaft trägt. Ein unabhängiger Journalismus ist konstitutiver Bestandteil einer funktionierenden Demokratie und ist aktiv an der Meinungs- und Willensbildung der Bevölkerung beteiligt.

Dabei schützt Art. 5 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes umfassend das Recht des Verlegers auf Bestimmung, Änderung und Umsetzung der Tendenz seiner Publikation. Die Pressefreiheit schützt daher den Verleger auch vor Beeinträchtigung seiner Grundsatzkompetenz durch arbeitsrechtliche Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte. Die Zugkraft der Pressefreiheit steht hier entgegengesetzt zur inneren Pressefreiheit.

Dem einzelnen Journalisten steht gegenüber dem Verlag lediglich die Detailkompetenz zu, was die Entscheidungsbefugnis über Einzelheiten meint, welche keine weit reichenden Bedeutungen für das Medium haben. Zudem steht dem Journalisten Gewissensfreiheit zu, d. h. ein Schutz vor dem Zwang gegen sein Gewissen Artikel schreiben zu müssen.

Gelegentlich uneins sind sich Verleger und Redakteure in der Frage der Richtlinienkompetenz. Unter Richtlinienkompetenz wird das Recht verstanden, über neu auftretende Fragen von grundsätzlicher, das heißt über die Tagesaktualität hinausgehender Bedeutung für die allgemeine publizistische Haltung der Zeitung zu entscheiden.

Im konkreten Einzelfall ist es schwierig die Grenze zwischen der dem Verleger erlaubten Richtungsbestimmung und der ihm verwehrten textlichen Gestaltung zu ziehen.

Es ist in diesem Kontext jedoch zu kurz gegriffen Pressefreiheit ausschließlich als Verlegerfreiheit und damit als ein Abkömmling der Wirtschafts- und Gewerbefreiheit anzusehen. Der Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist ursprünglich auch nicht in diesem Geiste verfasst worden. Er sichert die freie Meinungsäußerung und –verbreitung und geht nicht auf die Problematik der Gewerbefreiheit in diesem Kontext ein (vgl. Branahl 1979: 87ff).

Eine Pressefreiheit als Verlegerfreiheit birgt auch Risiken für die Journalistische Arbeit, wenn beispielsweise ein Wechsel der Besitzer eines Verlages mit stärkeren Sachzwängen und Personalabbau einhergeht und damit z.B. die Recherchezeit für Journalisten verkürzt wird.

Ein Problem, das aktuell auch in Bezug auf das stärkste Leitmedium für deutsche Journalisten, der Süddeutschen Zeitung, diskutiert wird, ist dass mit einem Verkauf des Verlages die Ausrichtung der Zeitung stark verändert werden könnte. Das kann die Tendenz der Publikation ebenso betreffen, wie die inneren Strukturen und Arbeitsabläufe.

Der Verkauf von Zeitungen an Finanzinvestoren mit hohen Renditeerwartungen, so Kritiker, gehe zu Lasten der journalistischen Qualität. Dies wurde beispielsweise auch 2005 bei der Übernahme der Berliner Zeitung und der Hamburger Morgenpost durch den britischen Finanzinvestor David Montgomery angeführt.

In Zeiten von starker Kommerzialisierung des (Systems) Journalismus und fortschreitenden medialen Konzentrationsprozessen[1] erheben sich immer wieder Stimmen zur Sicherung von Themen- und Meinungsvielfalt durch Binnenpluralismus. „Wird die Pressevielfalt durch eine Lockerung der Fusionskontrolle aufs Spiel gesetzt, dann muss stattdessen der Hebel redaktioneller Mitbestimmung angesetzt werden" (Konken 2004).

Die Ausprägung von redaktioneller Mitbestimmung bei einer Zeitung wird in Redaktionsstatuten geregelt. Diese können jedoch einen recht unterschiedlichen Grad von redaktioneller Mitbestimmung festlegen. Problematisch bleibt dabei, dass Redakteuren praktisch keine Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen ein Statut an die Hand gegeben werden.

Im Pressewesen ist innere Pressefreiheit nicht rechtlich kodifiziert, die Zusammenarbeit von Redaktion und Verleger bzw. Verlagsleitung ist in Statuten geregelt, denen eine rechtliche Grundlage fehlt[2], und die im Konfliktfall in den Händen der Journalisten stumpfe Werkzeuge sein können.

Dieser Sachverhalt insgesamt macht eine verstärkte Aufmerksamkeit gegenüber der Problematik der fehlenden rechtlichen Grundlagen und mangelnden Sanktionsmöglichkeiten notwendig. Abgesehen von den Entwicklungen rechtlicher Rahmenbedingungen und den Entwicklungen zur Gestaltung (oder Behebung) von Redaktionsstatuten, sollten empirisch gestützte Erkenntnisse weiteren Aufschluss über die Ausprägung und der Relevanz von innerer Pressefreiheit geben.

Inwieweit Redaktionsstatuten Entscheidungsprogramme innerhalb von Redaktionen zur Stärkung von innerer Pressefreiheit verbindlich regeln, soll – so wie die Bedeutung von innerer Pressefreiheit für die journalistische Arbeit – als ein Teil innerhalb der vorgeschlagenen Untersuchung von Journalisten bewertet werden.

Forschungsstand und Forschungsfragen

Betrachtet man Literatur zum Thema, so ist auffällig, dass der weit größere Teil rechtliche Diskussionen und Bewegungen im Bereich von Redaktionsstatuten abbildet; das gilt sowohl für das Pressewesen als auch für den Rundfunk. Strukturelle Fragen und Prozesse sind hier thematisiert (z.B.: Bacher 1986, 1997; Riem 1979). Ein relativ aktuelles Beispiel dafür gibt Martin Stock mit einer Publikation, in der er innere Medienfreiheit in Hinblick auf die Qualitätssicherung von redaktionellen Inhalten diskutiert[3].

Dabei dienen nach Stock innere Pressefreiheit, journalistische Eigenverantwortung und Redakteursbeteiligung als Vorkehrungen zur Vielfaltsicherung, allgemeiner ausgedrückt: zur Qualitätssicherung im Medienbereich (vgl. Stock 2001: 148). Für die deutsche Presse konstatiert er: „Von einer inneren Pressefreiheit, die den schönen Namen wirklich verdienen würde ist auch heute noch nichts zu sehen“ (ebd.: 5). Und es sei eine politische Aufgabe der Legislative, „[…] tragfähige mediengesetzliche Grundlagen einer inneren Medienfreiheit zu schaffen, welche dann durch unternehmensintern zu vereinbarende Redaktionsstatute näher auszugestalten wäre“ (Stock 2003: 47f). Da die Ausprägung innerer Pressefreiheit als gering eingeschätzt wird, Erfolge zur Verbesserung der Rundfunkfreiheit stehen dabei auf einem anderen Blatt, sind empirische Untersuchungen sinnvoll, um die Situation der inneren Pressefreiheit weiter zu beleuchten.

[...]


[1] Im Wesentlichen beherrschen nur fünf Verlagsgruppen den deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt mit der Folge lokaler Monopolstellungen von publizistischer Macht.

[2] Eine klare Kompetenzenteilung von Verlag und Redaktion, welche am stabilsten auf rechtlichen Füßen stehen sollte, ist bis heute nicht gegeben. Den ernsthaften Versuch die innere Pressefreiheit in einem Presserechtsrahmengesetz festzuschreiben fand in den 70er Jahren von einer sozialliberalen Bundesregierung statt. Er scheiterte jedoch im Herbst 1974 am Einspruch der Verleger.

[3] Diese Arbeit befasst sich im Kern mit dem Rundfunk, in dessen Bereich sich der Ausbau innerer Medienfreiheit durch Redakteursstatute mehr durchgesetzt hat als bei Printmedien.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Redaktionsstatute und journalistische Autonomie – innere Pressefreiheit als hohes oder überflüssiges Gut?
Untertitel
Exposé für eine Kommunikatorstudie zum Thema innere Pressefreiheit
Hochschule
Universität Hamburg  (Journalistik/Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
Examenscolloquium
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
12
Katalognummer
V134351
ISBN (eBook)
9783640425914
ISBN (Buch)
9783640422951
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dieser Text ist eine wissenschaftliche Hauptseminararbeit und gleichzeitig eine Grundlage für die Umsetzung einer Magisterarbeit zum Thema (innere) Pressefreiheit. Von der Problemstellung, dem Forschungsstand und den Forschungsfragen, der Zielsetzung der Untersuchung bishin zur Methodik, wird das Magisterthema vorgestellt und plausibel gemacht. Dieser Entwurf ist die gelungene Keimzelle für eine wissenschaftliche Abschlussarbeit zur (inneren) Pressefreiheit.
Schlagworte
Expose, Kommunikatorstudie, Kommunikationswissenschaft, Pressefreiheit, innere Pressefreiheit, Autonomie, journalistische Autonomie, Magisterthema, Redaktionsstatute, Medienfreiheit, Kommunikation, Medien, Journalismus, Journalistik, Publizistik, Germanistik
Arbeit zitieren
Magister Björn Bendig (Autor:in), 2007, Redaktionsstatute und journalistische Autonomie – innere Pressefreiheit als hohes oder überflüssiges Gut?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134351

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