Welches Ziel verfolgte Bismarck als er die Sozialversicherungen einführte und inwieweit erfüllten diese ihren Zweck?


Hausarbeit, 2002

20 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die historische Situation
2.1. Die Reichsgründung
2.2. Herrschaftssystem und Bismarcks Politik
2.3. Die industrielle Revolution
2.4. Sozialstrukturelle Veränderungen
2.5. Die „soziale Frage“

3. Die Sozialistengesetze

4. Vorbereitungen der Versicherungen

5. Die drei Versicherungen
5.1. Krankenversicherung
5.2. Arbeitslosenversicherung
5.3. Alters- und Invaliditätsrentenversicherung

6. Bismarcks Intention
6.1 Verhinderung einer Revolution
6.2 Lösung der „sozialen Frage“
6.3 Abwendung vom Liberalismus
6.4 Die Rolle des Staates in der Tradition
6.5 Weitere Gründe

7. Auswirkungen der Sozialversicherungen

8. Fazit

9. Literaturverzeichnis

Thesen dieser Arbeit (Abstact)

Diese Arbeit versucht, sowohl Bismarcks Intention bei der Einführung der Sozialversicherungen herauszustellen als auch die Auswirkungen dieser Sozialversicherungen aufzuzeigen. Die Hauptthese ist dabei, dass die Sozialversicherungen eng im Zusammenhang mit den Sozialistengesetzen stehen. Das geht soweit, dass andere Argumente vor dem großen Ziel Bismarcks, der Bekämpfung der Sozialistischen Arbeiterpartei, zweitrangig waren.

Einige Geschichtswissenschaftler stellen die sozialen Probleme der Kaiserzeit als zentrale Intention Bismarcks dar. Diese Arbeit stellt die Hypothese auf, dass Bismarck bei diesem zentralen Ziel schon viel früher und viel intensiver versucht hätte, die „soziale Frage“ zu lösen. Zudem zeigt diese Arbeit, dass sich Bismarck nur begrenzt für die Arbeiter eingesetzt hat - Arbeiterschutz, Arbeiterversicherung etc verbesserte er kaum.

Abschließend wird sich anhand der Auswirkungen der Sozialversicherungen aufzeigen lassen, dass diese nicht den von Bismarck gewünschten Zweck erfüllten. Vielmehr wurden die soziale Partei in der Kaiserzeit immer beliebter.

1. Einleitung

Bismarck wird als der Begründer der sozialen Absicherung in Deutschland verstanden. Doch wie kam es, dass dieser eher als konservativ geltende Reichskanzler die drei großen Sozialversicherungen einführte? Beeinflussten ihn andere, nicht rein soziale Motive bei dieser Reform?

Um die Beweggründe des Reichskanzlers herauszufinden, soll zunächst die politische, wirtschaftliche und soziale Situation der Kaiserzeit näher betrachtet werden. Nach einer kurzen Erläuterung dieses Hintergrunds, wird ein besonderes Augenmerk auf die von Bismarck eingeführten Sozialistengesetze gelegt. Denn es liegt die Annahme nahe, dass beides im Zusammenhang steht und die Sozialversicherungen möglicherweise eine Reaktion Bismarcks auf die wachsende innenpolitische Unruhe, und die immer stärker werdenden Sozialisten waren.

Darauf folgend werden die drei großen Versicherungen kurz erläutert, um dann deren Wirkung darzulegen. Woraus sich die Frage nach dem Erfolg bzw. Misserfolg seiner Reform ergibt und beantwortet werden soll.

Im Fazit soll eine klare Position dazu bezogen werden, ob Bismarck nun eher sozialer Wohltäter oder kalkulierender Staatsmann war.

2. Die historische Situation

2. 1. Die Reichsgründung

Am 18. 1. 1871 wird Wilhelm der I. von Preußen zum ersten Deutschen Kaiser proklamiert. Den Weg dort hin hatte ihn Otto von Bismarck bereitet, der Deutschland unter konservativen Vorzeichen ,,von oben" einigte. Dem gingen drei ,,Einigungskriege" gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71) voraus.

2.2 Herrschaftssystem und Bismarcks Politik

Die Reichsverfassung stellte die Grundstruktur in der Kaiserzeit dar. Das Reich selbst war in vier Organe eingeteilt: Kaiser und Kanzler, Reichstag und Bundesrat. Dem Kaiser war eine Stellung als Bundespräsidialgewalt zugedacht, die sich aber eher zu der eines „Reichsmonarchen“ (Ullmann 1999, S. 3) entwickelte. Zu seiner wichtigsten Aufgabe zählte die Ernennung des Reichskanzlers. Der Kanzler hatte einen großen Handlungsspielraum, denn er legte in Absprache mit dem Kaiser die Reichspolitik fest. Außerdem saß er dem Bundesrat vor. Gegenüber dem Reichstag musste er seine Politik verantworten und Mehrheiten für seine jeweiligen Gesetzesvorhaben erreichen.[1]

Der Reichstag wurde in allgemeiner und gleicher, direkter und geheimer Mehrheitswahl in Einmannwahlkreisen gewählt. Der Reichstag bewilligte den Haushalt, verfügte über Gesetzesvorlagen und hatte Kontrollrechte. Der Bundesrat vereinigte legislative und exekutive Befugnisse. Zudem konnte er gemeinsam mit dem Kaiser den Reichstag auflösen und einen Krieg erklären (Ullmann 1999, S. 3ff).

Das deutsche Reich war ein Fünfparteiensystem. Als rechter Flügel können die Deutschkonservativen und die Deutsche Reichspartei (die Freikonservativen) eingeordnet werden. Im Zentrum organisierte sich der politische Katholizismus. Den rechten Flügel des Liberalismus bildete die Nationalliberale Partei. Im ersten Reichstag waren drei Linksliberale Gruppen vertreten: die Fortschrittspartei, die Liberalen ohne Fraktionsbindung und die Deutsche Volkspartei. Bei der Reichsgründung standen sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei und der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein noch rivalisierend gegenüber. Erst 1875 schlossen beide sich zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands zusammen. 1890 benannten sie sich um in Sozialdemokratische Partei (Born1981, S. 25ff).

In der Innenpolitik kooperierte der Reichskanzler Bismarck zunächst mit den Nationalliberalen, die ihn in der Wirtschaftspolitik und im Kulturkampf gegen die katholische Kirche und das Zentrum unterstützten. Der liberale Kurs und die Zusammenarbeit mit den Liberalen fanden jedoch nach dem wirtschaftlichen Einbruch, im so genannten Gründerkrach von 1873, der auf die wirtschaftliche Hochblüte der Gründerjahre (1871-1873) gefolgt war, ihr Ende. Bismarck schlug nun einen konservativen, gegen Liberalismus und Parlamentarismus gerichteten innenpolitischen Kurs ein (Ullmann 1999, S. 10ff).

2.3 Die industrielle Revolution

Die ökonomische Entwicklung der Kaiserzeit ist durch die industrielle Revolution geprägt. Die Anfänge der industriellen Revolution fanden Ende des 18.Jahrhunderts in Großbritannien statt und im Laufe des 19.Jahrhunderts wurden auch die anderen europäischen Staaten sowie die USA und Japan zu Industriegesellschaften.

Mit dem Einsatz der Erfindungen Dampfmaschine, Web- und Spinnmaschinen sowie neuer Verfahren zur Eisen- und Stahlgewinnung fand eine vollkommene Umgestaltung der Güterproduktion statt. Textilien und andere Güter konnten in großen Fabriken mit Hilfe des intensiven Einsatzes von Maschinen und der Spezialisierung der Arbeiter schneller und billiger hergestellt werden als früher.

Von der Industrialisierung profitierten in der Kaiserzeit besonders die Branchen Landwirtschaft, Bergbau, Handwerk, Handel und Elektro- und Chemieindustrie. Insbesondere die Entwicklung des Verkehrswesens beeinflusste die wirtschaftliche Entwicklung positiv (Born 1985, S. 15ff).

2.4 Sozialstrukturelle Veränderungen

Im Zeitalter der Industrialisierung vollzogen sich enorme gesellschaftliche Veränderungen. Die feudale Agrargesellschaft wandelte sich in eine kapitalistische Industriegesellschaft. „Deutschland entwickelte sich zu einer modernen Industriegesellschaft mit ihren typischen Gegensätzen von Arbeiterklasse und Bourgeoisie“ (Engelberg 1987, S. 9). Mit der allmählichen Auflösung der traditionellen sozialen Systeme wie etwa der Großfamilie oder der Bindung an den Grundherrn verschwanden auch die traditionellen sozialen Netze.

Bauernbefreiung und Bevölkerungsexplosion führten zu verstärkter Landflucht und einem Überangebot an Arbeitskräften in den Industriezentren, was sich negativ auf das Lohnniveau auswirkte. Arbeitszeiten von 15Stunden pro Tag waren nicht ungewöhnlich, Nacht- und Sonntagsarbeit durchaus üblich. Auf Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter wurde wenig Rücksicht genommen. (Stürmer 1998, S. 25ff). Folge dieser Arbeitsbedingungen und -verhältnisse waren Verarmung, katastrophale Wohnverhältnisse (teilweise nur ein Zimmer pro Familie), Bildungsmangel, körperliche und psychische Schäden und eine sinkende Lebenserwartung (Schmidt 1998, S. 28ff).

Mit den Fabrikgesetzen Anfang des 19.Jahrhunderts in Großbritannien wurden erste staatliche Maßnahmen zur Abstellung dieser Missstände ergriffen, ab 1839 auch in Preußen. Schon zu dieser Zeit existierten in Deutschland zahlreiche Fürsorge- und Versicherungseinrichtungen auf genossenschaftlicher, kommunaler, betrieblicher und kirchlicher Grundlage. Allerdings waren nur wenige Arbeiter durch diese Systeme abgesichert, da die Beiträge häufig nicht aufzubringen waren (Schmidt 1998, S. 23).

Gleichzeitig entstanden verschiedene weltliche Organisationen, die grundlegende Veränderung der bestehenden Gesellschaftsordnung herbeiführen wollten: der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (1863 von Ferdinand Lassalle begründet), die Internationale Arbeiterassoziation (1864 von Karl Marx ins Leben gerufen), der Verein für Sozialpolitik (1872 von Gustav von Schmoller mitbegründet), das ,,Rauhe Haus" (1833 von Johann Wichern gegründet), Bethel (ab 1872 von Friedrich von Bodelschwingh geführt) und der Katholische Gesellenverein (1846 von Adolf Kolping gegründet).

Auch die Gewerkschaften organisierten sich zunehmend: 50 000 Mitglieder zählte im Jahre 1877 allein der 1875 aus einem Zusammenschluss vom Allgemeinen Deutschen Arbeiterschaftsverband und der von Liebknecht und Bebel mitgegründeten Internationalen Gewerkschaftsgenossenschaft (Wehler 1988, S. 87ff).

2.5 Die „soziale Frage“

Die ,,soziale Frage" ist ein im 19.Jahrhundert in Deutschland geprägter Begriff zur Beschreibung der gesamten sozialpolitischen Probleme, die im Zuge der industriellen Revolution entstanden, besonders der ökonomischen und sozialen Lage der lohnabhängigen Bevölkerung. In der Kaiserzeit bestand Einmütigkeit darin, dass diese „soziale Frage“ zu lösen sei. Doch gingen die Einsichten darüber auseinander, welche Rolle der Staat bei einer Veränderung spielen sollte (Ullmann 1999, S. 22). Bismarck hatte bereits 1871 erwogen, soziale Reformen durchzuführen, diese scheiterten aber am Widerstand der liberalen Parteien (Hertz-Eichenrode 1992, S. 23).[2]

3. Die Sozialistengesetze

Die Sozialdemokratie ist seit ihren Anfängen von Bismarck als unversöhnlicher und gefährlicher Gegner des monarchischen Staates betrachtet worden (Born 1981, S. 128). Deshalb übernahm Bismarck einige Versuche zur Bekämpfung der Sozialdemokratie (z.B. den Pressegesetz Entwurf von 1874), die aber am Widerstand des Reichstages scheiterten. Erst zwei Attentate auf Wilhelm den I., schufen Raum für Sondergesetze. Zwar konnte den Attentätern keine Verbindung zur Sozialdemokratie nachgewiesen werden, doch Bismarck nutze die Erregung der Öffentlichkeit, um durch Auflösung und Neuwahl des Reichstags eine geringfügige Parlamentsmehrheit zu gewinnen (Born 1981, S. 128).

Der Reichstag stimmte am 18. 10. 1878 dem Sozialistengesetz (Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie) mit einer geringen Mehrheit zu. Dieses Gesetz verbot alle sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Vereine, Versammlungen und Druckschriften. Außerdem bildete es die gesetzliche Grundlage für die Verfolgung der aktiven Vertreter der Gewerkschaften, Parteien und Vereine (Born 1981, S. 129).

Laut Wolter (1986, S. 331) sollte dieses Gesetz die sozialistische Arbeiterbewegung „mundtot“ machen. Jedoch blieben der Partei ihre Parlamentsfunktion (mit zwei Abgeordneten) und die Tribüne im Reichstag um dem entgegenzuwirken.

[...]


[1] Es folgt eine sehr kurze Beschreibung des Herrschaftssystems des Kaiserreichs. Der Rahmen dieser Arbeit erlaubt keine ausführlichere Darstellung. Weitere Aufgaben und Verflechtungen können u. a. in Ullmann (1999, S. 1ff) nachgelesen werden.

[2] In der Literatur herrscht eine Klein- und Großschreibung von „sozial“ vor. In dieser Arbeit soll der häufiger gebrauchten, kleinen Schreibweise gefolgt werden.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Welches Ziel verfolgte Bismarck als er die Sozialversicherungen einführte und inwieweit erfüllten diese ihren Zweck?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Wirtschaftsgeschichte)
Veranstaltung
Deutsche Wirtschaftspolitik 1871 bis 1945
Note
2.0
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V13435
ISBN (eBook)
9783638191029
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Welches, Ziel, Bismarck, Sozialversicherungen, Zweck, Deutsche, Wirtschaftspolitik
Arbeit zitieren
Britta Buchholz (Autor:in), 2002, Welches Ziel verfolgte Bismarck als er die Sozialversicherungen einführte und inwieweit erfüllten diese ihren Zweck?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13435

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