Das Moment der (kulturellen) Identität in der ’deutsch-türkischen’ Gegenwartsliteratur

Am Beispiel von Emine Sevgi Özdamar, Feridun Zaimoglu und Yadé Kara


Magisterarbeit, 2009

105 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Versuch, etwas „Anderes“ zu benennen
1.1. Die Entwicklung eines Namens
1.2. Kultur und Identität
1.2.1. Der dynamische Kulturbegriff
1.2.2. Kulturelle Identität
1.3. Trans, Inter und Hybrid

2. Textauswahl
2.1. Emine Sevgi Özdamar: Die Karawanserei
2.1.1. „Schreiben mit Akzent“
2.1.2. Identität im Durchgang
2.2. Feridun Zaimoglu: Vom Rande der Gesellschaft
2.2.1. „Der Kanake hat das Wort“. Für ein „weder noch“
2.2.2. Liebesmale – Der Versuch einer „Auswilderung“
2.3. Yadé Kara: Das Durchlässigwerden der Grenzen
2.3.1. Selam Berlin. Räume und Transit
2.3.2. Transkulturalität in „Selam Berlin“. Den Türken gibt es nicht.

3. Ist Migration ein hinreichendes Genremerkmal?

Literaturverzeichnis

Einleitung

Texte von Autoren, die ihre Werke in Deutschland und in deutscher Sprache veröffentlichen, ‚ius sanguinis’ jedoch keine ‚deutschen’ Schriftsteller sind, stellen diejenigen, die darüber sprechen möchten, vor das Problem der Benennung. Wie sind die Texte einzuordnen? Welchen Namen gibt man einer solchen relativ jungen und sich entwickelnden Literatur? Muss bzw. kann man sie in einer Kategorie zusammenfassen? Reicht die Herkunft der Elterngeneration als sinnvolles Kriterium aus? Wird ihr das Zusammenfügen unter einem Titel gerecht oder marginalisiert sie das zu einer „Literatur mit Aufenthaltsberechtigung“[1], die so zwar Anerkennung, aber doch keine Aufnahme in die deutsche Literatur findet?

Mit den ersten Veröffentlichungen so genannter Gastarbeiter in Deutschland in den 1960er und 70er Jahren beginnt die Suche nach einem Namen für Literatur nicht ‚deutschstämmiger’ Autoren. Dieser Prozess der Etikettierung begleitet seither die literarische Produktion derer, die oder deren Eltern nicht deutscher Herkunft sind, bis heute in die so genannte zweite und dritte Generation, die selbst nie migrierte. Von der Forschung wird sie – geleitet von der Versuchung, mit einem Schlagwort Homogenität innerhalb einer in sich sehr heterogenen Literatur zu konstruieren – als ‚multi’-, ‚inter’-oder ‚transkulturelle’, ‚hybride’, ‚nicht nur deutsche’, früher auch ‚Migrations’-, ‚Ausländer’-, ‚Minderheiten’-‚ ‚Gast’- oder ‚Gastarbeiterliteratur’ bezeichnet. Diese Begriffe - wie der des Interkulturellen – konstituieren teilweise Modelle, die in der Regel das Werk ‚deutsch-türkischer’ Autoren mit neuen oder neu benannten Be- und Einschränkungen von der ‚normalen’ zeitgenössischen Literatur abgrenzen wollen. Die Untersuchung der Literatur nach ästhetischen Kriterien ist hier in der Regel zweitrangig. Die auf Staats- oder in diesem Verständnis Kulturzugehörigkeit basierende Kategorisierung scheint Priorität vor der ästhetischen Einordnung eines Textes zu haben.

Die vermeintliche Notwendigkeit einer eigenen Kategorie leitet sich von der Vorstellung ab, dass die Autoren in irgendeiner Form einer anderen Kultur angehören oder zumindest nicht eindeutig einer einzigen Kultur – der deutschen oder der türkischen – zuzuordnen sind und somit nicht als einwandfreie Repräsentanten deutscher Literaturschaffender zu sehen sein können. Identität wird zum zentralen Punkt dieser Literatur und ihres Diskurses.

Wesentliches Ziel der Arbeit ist es, die Konzeption von (kultureller) Identität in der ‚deutsch-türkischen’[2] Gegenwartsliteratur zu untersuchen. Dem Bindestrich zwischen ‚deutsch’ und ‚türkisch’ wird regelmäßig die Konsequenz einer Identitätskrise attestiert, impliziert er doch neben der vordergründigen Verbindung die Trennung des Deutschen vom Türkischen. Hier stellt sich die Frage, inwieweit eine solche Trennung tatsächlich existiert und sie für eine wissenschaftliche Betrachtung sinnvoll und zielführend ist. Kann über dieses Moment kultureller Zugehörigkeit als Identifikator des Subjektes eine Kategorisierung von Autoren und Literatur vollzogen werden? Wie stellen Texte – falls sie es tun – den Umgang mit diesem ‚Dazwischen’ dar? Welche Bezüge zu kultureller Identität stellen sie her? Haben die Protagonisten eine ‚krisenhafte’ Identität und suchen sie überhaupt die Identifikation? Findet sich in der Identifikation hier ein vom ‚Normalen’ so differierendes Moment, dass ein eigenes Etikett nötig ist? Bedeutet es zwingend Zerrissenheit, wenn jemand mehr als nur einem so genannten ‚Kulturkreis’ zugerechnet wird – oder keinem solchen mehr wirklich zuzuordnen ist? Ist es heute noch möglich, sich solche Zugehörigkeiten singulär vorzustellen und jedem Individuum nur eine Kultur, eine stabile Identität, eine Prägung und einen Pass zuzugestehen? Ist es nötig, Autoren, die deutsche Literaturpreise erhalten, hier leben und veröffentlichen, den Zugang zur wirklichen und vollwertigen deutschsprachigen Literatur zu verwehren und per definitionem zu verstellen? Oder würdigt die allgegenwärtige Erläuterung, dass sie nicht ‚nur’ deutsch ist, eine Besonderheit dieser Literatur? Der Autor Feridun Zaimoglu fragt: „Wie normal ist das deutsch-türkische Verhältnis [...]?“[3] Auch diese Frage will die Arbeit für den Bereich der literarischen Auseinandersetzung beleuchten: Inwieweit wird man der Realität gerecht, wenn deutsche Literatur von Autoren türkischen Nachnamens in einer Reihe mit den Werken der Gastarbeiterliteratur gestellt wird und ein Kriterium erfüllen muss, das die Verdeutlichung von Fremdheit intendiert?

Untersucht werden soll die Konzeption und Verortung von Identität am Beispiel dreier Romane: Emine Sevgi Özdamars „Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“, Feridun Zaimoglus[4] „Liebesmale, scharlachrot“ und Yadé Karas „Selam Berlin“. Um eine sinnvolle Auswahl zu treffen, werden Romandebüts[5] deutscher Autoren türkischer Herkunft der jüngeren Zeit herangezogen, deren literarische Anerkennung diverse Preise, Auszeichnungen und Kritiken belegen – deren Wahrnehmung sich aber dennoch auf die Kategorie ‚deutsch-türkisch’ zu beschränken scheint. Die Arbeit will untersuchen, inwieweit die Schablone der Kategorie als angebrachte Lesart taugt. Sind die Texte tatsächlich in dem gleichen Raster zu lesen, oder ist der eine einwandfrei ‚hybride Literatur’, ein anderer echte ‚Migrantenliteratur’ oder höchstens noch ein Beispiel für ‚deutschsprachige Erzählliteratur von Autoren nicht-deutscher Herkunft’? Es stellt sich die Frage, ob verschiedene Texte über Identität und Kulturzugehörigkeit sich mit demselben Namen benennen lassen. Diese Namen und Kategorien, mithilfe derer ‚deutsch-türkische’ Literatur einzugrenzen versucht wird, haben hier in aller Regel den Anspruch, für ein Modell zu stehen, das einen möglichen Umgang mit dem Unterschied zwischen ‚deutsch’ und ‚nicht nur deutsch’ liefern soll. Gilt die mit dem Namen verbundene Theorie für alle in den Texten dargestellten Konzeptionen kultureller Identität?

Um über Literatur türkischstämmiger deutscher Autoren zu sprechen, scheint es notwendig, vorab einen Überblick über den Versuch, ‚etwas Anderes’ zu benennen, zu geben. Das erste Kapitel der Arbeit beginnt daher mit einer Darstellung dieser begrifflichen Entwicklung ‚deutsch-türkischer’ Literatur und dem Wandel in ihrer Wahrnehmung von einer ‚Literatur der Betroffenheit’ hin zur ‚kleinen Literatur’. Anhand der Begriffsbildung und -diskussion wird die relativ junge Geschichte ‚deutsch-türkischer’ Literatur und ihrer Wahrnehmung resümiert.

Jenseits der Namenssuche hat der postkoloniale Ansatz den Blick auf Kultur und Identität verändert und damit auch die Voraussetzungen für die Auseinandersetzung mit ‚hybrider’ Literatur geschaffen. Der zweite Teil des ersten Kapitels untersucht jeweils den Gegenstand von Kultur und Identität, an denen sich die Benennung ‚deutsch-türkischer’ Literatur orientiert. Hier soll der Aspekt einer politisierenden Einordnung betrachtet werden, um darzustellen, wie es zu einer Einteilung deutschsprachiger Literatur in ‚deutsch’ und ‚deutsch-türkisch’ gekommen ist. In einem ersten Unterkapitel stehen die für die spätere Untersuchung maßgeblichen Ausführungen Homi K. Bhabhas zum ‚dynamischen Kulturbegriff’ im Vordergrund, anhand derer kulturelle Hybridität dargestellt werden soll. Ein zweites Unterkapitel beleuchtet den Begriff der Identität – und der kulturellen Identität im Speziellen – und greift hier besonders auf die Resultate Stuart Halls zu der sich im ständigen Prozess bildenden kulturellen Identität zurück. Die auf Grundlage eines veränderten Kulturverständnisses entstandenen und heute überwiegend geltenden neuen literarischen Kategorien der ‚Trans-’ und ‚Interkulturalität’ werden im dritten Kapitel des ersten Teils behandelt. Die Arbeit kann und will an dieser Stelle keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Ob des gebotenen Rahmens ist es hier nicht möglich, eine umfassende Diskussion sämtlicher Kategorisierungsversuche oder der Theorien Halls und Bhabhas in erschöpfendem Umfang zu liefern. In diesem Kapitel sollen vornehmlich die Basis und das Werkzeug für die folgende Textanalyse und die Untersuchung des Moments der kulturellen Identität dargelegt werden.

Die Untersuchung der Romane bildet das zentrale zweite Kapitel. Obschon alle Texten – aufgrund der Herkunft bzw. des Nachnamens ihrer Autoren – derselben Kategorie, sei es die der ‚neuen deutsch-türkischen’, ‚hybriden’, ‚trans’-, oder ‚inter’-kulturellen Literatur, zugeordnet werden, zeichnen sie unterschiedliche Bilder von Identität und Kulturzugehörigkeit. Diese differierenden Entwürfe werden im Folgenden analysiert

Mit dem Karawanserei-Roman Özdamars untersucht der erste Teil des Hauptkapitels einen Text, dessen Schauplatz nicht wie in den beiden anderen Romanen Deutschland, sondern die Türkei ist, und der mit dem Aufbruch der Protagonistin nach Deutschland endet. Fremdheit, Migration und die innere Differenziertheit einer Kultur – hier der türkischen – werden in einem Stil dargestellt, der die Geschehnisse und Umstände nicht wertet und dadurch oft als ‚naiver’ oder ‚kindlicher’ Blick bezeichnet wird. Für den ‚deutsch-türkischen’ Kontext ist Özdamars Sprache, die Kader Konuk ein Schreiben „mit Akzent“[6] nennt, von besonderem Interesse. Durch verschiedene Verfremdungstechniken greift Özdamar in die deutsche Sprache ein und lässt die (kulturelle) Transformation hier auf sprachlicher Ebene erfolgen. Redewendungen und Namen werden aus dem Türkischen über- und in die deutsche Sprache eingesetzt.

Formelle Fehler werden hier stellenweise zu neuen Varianten des Deutschen stilisiert. Ein erstes Unterkapitel untersucht diese Form des Schreibens als auf stilistischer Ebene vergegenwärtigte Migration. Anschließend wird das Bild von Identität innerhalb der als hochgradig binnendifferenziert dargestellten türkischen Kultur beleuchtet. Der Roman ist geprägt von Umzügen, unterschiedlichen Milieus und einer unbestimmten Fremdheit, die aus der Sicht einer bei Erzählungsbeginn noch ungeborenen Heranwachsenden geschildert werden.

In den Romanen „Liebesmale, scharlachrot“ und „Selam Berlin“ setzen sich junge Männer, deren Eltern türkisch sind und deren Sozialisation deutsch ist, mit ihrer vermeintlichen ‚Gespaltenheit’, dem ‚Dazwischen’ und – gezwungenermaßen – mit der Fremdwahrnehmung ihrer Identität auseinander. Während Zaimoglus Protagonisten es ablehnen, für etwas stehen zu müssen, Repräsentant von etwas zu sein, und sich jenseits der Grenzen von ‚türkisch’ und ‚deutsch’ zu positionieren versuchen, wird die ‚Auswahl’ an möglichen Identitäten in Karas Roman um die Komponente Berlins und der Identifikation innerhalb dieses Raumes erweitert. Für die Behandlung Zaimoglus im zweiten Unterkapitel wird zunächst das von ihm in seinem Debüt als identitätsstiftendes Idiom formulierte Modell der namensgebenden ‚Kanak Sprak’ genauer betrachtet, mittels dessen sich eine neue „Generation X“[7] dem Druck der Ethnisierung zu entziehen bemüht. Diese Haltung, weder deutsch noch türkisch oder gar der Bindestrich sein zu wollen oder zu müssen, wird im ersten Teil dieses Kapitels untersucht. Vor diesem Hintergrund wird im folgenden Unterkapitel Zaimoglus Briefroman „Liebesmale, scharlachrot“ analysiert, der dem Kanak-Sprak-Modell bezüglich der Identitätsprägung als ‚Kanake’ nicht konsequent, sondern höchstens in einer deutlich subtileren Ausfertigung folgt, und dessen System eines dritten Weges zur Identifikation problematisiert. Die Reise des Protagonisten aus Kiel in die Türkei nennt sein Gegenüber eine „Auswilderung des Türk ins Heimische“, wo er Schreib-, Liebes- und Identitätskrisen lösen und überwinden möchte. Seine Situation spitzt sich dort durch den Verlust der sexuellen Potenz, die Hartnäckigkeit ehemaliger und das Auftauchen neuer Geliebter zu, und er muss feststellen, dass er auf dem Boden der vermeintlichen Heimat nicht willkommener ist als andernorts. Im Briefwechsel schildert der Text die Produktion von Identität zwischen „Deutschländern“ in der Türkei, „Assimil-Alis“ und „Kanakstas“. Neben der konstruierten Identität ist hier besonders der Aspekt der Fremdheit in Deutschland und der Türkei zu beachten.

In „Selam Berlin“ zeigen die Grenzen sich durchlässig. Die Arbeit untersucht im ersten Teil dieses dritten Unterkapitels die Darstellung und Funktion von kulturellen Räumen und Transit im Roman. Neben türkischen und ‚deutsch-türkischen’ Räumen werden durch die Wahl der Handlung zum Zeitpunkt der deutschen ‚Wende’ auch unterschiedliche und wandelbare deutsche Räume präsentiert. Die Personen, die sich in diesen äquivoken Räumen bewegen, werden im folgenden zweiten Unterkapitel untersucht. Gezeigt wird eine Vielheit von Möglichkeiten kultureller Identifikation.

Die Textanalysen sollen eine Antwort auf die Frage liefern, ob sich das Motiv der kulturellen Identität und Identifikation in der ‚deutsch-türkischen’ Gegenwartsliteratur einheitlich und übereinstimmend darstellt. Lassen sich anhand der Textbeispiele Schlüsse bezüglich der Verortung einer ‚deutschen’, ‚türkischen’ oder ‚deutsch-türkischen’ Identität ziehen? So sollen die Ergebnisse der Textuntersuchung in einem dritten Hauptteil diskutiert und vor dem Hintergrund des Verständnisses von Identität und Kultur in Theorie und Literatur eingeordnet werden. Hier ist abschließend zu prüfen, ob die Gültigkeit des auf einen Text möglicherweise anwendbaren Modells für die anderen ebenso gegeben ist und weiter, ob es auf dieser Grundlage möglich oder gar nötig ist, eine Kategorie für die gesamte ‚deutsch-türkische’ Literatur zu konstruieren. Stehen Autoren mit türkischem Namen notwendigerweise für etwas Türkisches, Anderes, Nicht-Deutsches, das zwingend in ihrem Werk benannt und fortwährend mitgedacht werden muss?

1. Der Versuch, etwas „Anderes“ zu benennen

Nicht nur in der Literatur, sondern auch in der gesellschaftlichen Realität herrscht fünf Jahrzehnte, nachdem die ersten Türken größtenteils noch als Gastarbeiter in die Bundesrepublik kamen, vor allem Ungewissheit darüber, wie die Identität von Menschen, die in Deutschland leben, ohne dass ihre Eltern und Großeltern hier geboren wurden, zu begreifen ist, und weiter, wie ihre Repräsentanten nun zu benennen sind. So ist man auf der Suche nach Möglichkeiten definitiver Ein- und Zuordnung und findet Begriffe, deren Funktion es laut Stuart Hall vor allem ist, „uns eine ungestörte Nachtruhe zu verschaffen.“[8]

Diese Ratlosigkeit des Benennens und die Problematik der Begriffsfindung resultieren aus einem Kulturverständnis, das wie in Kapitel 1.2.1. dargestellt auf Polaritäten und Demarkation und vor allem auf Nationalem beruht. Dementsprechend basierten die Überlegungen lange auf der Frage nach ‚Zugehörigkeit’, die als singulär verstanden wurde. Eine vermeintliche ‚Doppel-Zugehörigkeit’ muss demzufolge etwas Fremdes implizieren, das hier nicht als Bestandteil einer (gemeinsamen) hybriden, durch wechselseitige Durchmischung entstandenen Kultur betrachtet wird, sondern jenseits der Grenzen des ‚Deutschen’ verbleibt. Vor diesem Hintergrund vollzieht sich eine Politisierung der neuen – fremden – türkischen Minderheit im Sinne Judith Butlers, die verdeutlicht, dass die Realität nicht als Normalität empfunden wird: Es wird nicht als Normalfall hingenommen, sondern politisch inszeniert, wenn bestimmte Berufe oder Positionen erstmalig von Menschen mit Migrationshintergrund wahrgenommen werden.[9] Bedingung hierfür ist das Verständnis von Kulturen und Identitäten als begrenzte Größen, die festgeschrieben und repräsentierbar sind: Wer mehr als eine Heimat und damit mehr als nur ein Bezugsland besitzt, stiftet mit einer unheimlichen Verbindung von Fremdem und Eigenem in der Auseinandersetzung mit konventionellen Fremdbildern Verwirrung. Wer mehr als eine Sprache seine Muttersprache nennt, dessen ‚(inter-) kulturelle Kompetenz’ wird gemeinhin zwar eine Bereicherung genannt, die abgeleitete Gespaltenheit jedoch „als persönlichkeitsgefährdende Fatalität charakterisiert.“[10] In einem Land wie Deutschland, dessen Selbstverständnis lange nicht das eines Einwanderungslandes sein durfte und sollte, stehen sich so eine eventuell missverstandene Toleranz und die viel beschworene Forderung nach Integration gegenseitig im Weg.[11]

Die Frage, ob das ‚Deutsch-Türkische’ als vom Deutschen separiert betrachtet oder ihm rigoros zugerechnet werden soll, kann oder darf, ist nicht nur vor einem literaturwissenschaftlichen Hintergrund schwer und eventuell gar nicht abschließend zu beantworten. Die Wahrnehmung und Trennung von Eigenem und Fremdem kann Gefahr laufen, Gleichmacherei zu betreiben und ‚das Fremde’ – gerade als Zusatz in der ‚Bindestrichidentifikation’ – als ein geschlossenes Ganzes wahrzunehmen: „‚The Other’ is not a homogeneous phenomenon.“[12] Bei den ‚Betroffenen’ selbst herrscht über den opportunen oder gewünschten Umgang mit dem ‚Deutsch-Türkischen’ ebenso wenig Einigkeit wie in der breiten Öffentlichkeit und der Forschung. Um die Kontroverse, inwieweit dem Bindestrich nun Beachtung geschenkt werden darf oder soll, exemplarisch zu beleuchten, fungieren hier die Aussagen der populären Künstler Maxim Biller und Fatih Akin als Beispiele.

Der Schriftsteller Biller, der in Prag geboren und in Deutschland aufgewachsen ist, nennt die hier lebenden Kinder ausländischer Eltern eine „dritte Ethnie“. Er sieht sie als „ständig hin und her gerissen“[13] zwischen zwei extremen Positionen, die seiner Meinung nach die einzigen sind, die ihnen die Mehrheitsgesellschaft einräumt: „am Rand stehen und entweder versuchen, in die Mitte der Gesellschaft zu gelangen, oder im Gegenteil den Rand zum Zentrum ausrufen.“[14] Er appelliert an diese ‚dritte Ethnie’, sich ihrer „Eigenart“[15] bewusst zu werden, sie einzusetzen und ihre Belange, wo auch immer sie können, zu thematisieren. Was hier proklamiert wird ist als eine Art Ausbau und Ausleben des Zwischenraums zu verstehen. Sich das Dilemma zum Nutzen zu machen und auf die existierende Situation Aufmerksamkeit zu lenken, ist ein Weg, der den Gegebenheiten und der Wahrnehmung von ‚deutsch’, ‚türkisch’ und ‚deutsch-türkisch’ als getrennte Lager zu Bestand verhilft. Die Position des Randes bleibt dabei erhalten – wird gar kultiviert. Dieser festen Verortung soll lediglich mehr Aufmerksamkeit entgegen gebracht werden.

Der Filmregisseur Fatih Akin, der als Sohn türkischer Eltern in Deutschland geboren wurde, schätzt die Möglichkeiten und Aufgaben der dritten Generation gänzlich anders ein. Er sieht sie als Deutsche – ohne, dass ein weiterer Zusatz, ein Bindestrich oder eine Einschränkung nötig wären: „Die jungen Türken hier müssen endlich lernen, sich selbst als Deutsche zu fühlen.“[16] In der veränderten Selbstwahrnehmung der dritten Generation soll hier der Schlüssel liegen, alte Strukturen abzulösen. Die widersprüchlichen Einschätzungen der beiden Künstler drücken in zugespitzter Weise die Schwierigkeit aus, eindeutige Aussagen über die (Selbst-) Wahrnehmung einer dritten Generation zu treffen. Sie bildet schlicht keine homogene Gruppe mit einheitlichen Zielen und Erwartungen. Die Lücke klafft zwischen dem Reservat, in dem der ‚Bindestrich-Deutsche’ sich auf sein eigenes Thema beschränkt, so wie es Biller beschreibt, und der ausschließlichen Selbstwahrnehmung als Deutscher. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass die Summe alles ‚Nicht-nur-Deutschen’ sich schwerlich zu einem definierbaren Ganzen zusammenfügen lässt – wie sich im Folgenden zeigen wird, auch literarisch.

1.1. Die Entwicklung eines Namens

In den 1960er Jahren kamen die ersten türkischen Gastarbeiter nach Deutschland, angeworben, um das deutsche Wirtschaftswunder weiter anzukurbeln. Die Frage des Zurückgehens oder Bleibens stellte sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, der namensgebende Gaststatus blieb unhinterfragt bestehen. Einige dieser Gastarbeiter begannen zu schreiben, auf Deutsch, meist Lyrik, häufig in den Erzähl- und Märchentraditionen der Heimat und letztlich mehr zur Verarbeitung der eigenen Situation fern der Heimat als um des (öffentlichen) schriftstellerischen Schaffens willen. Spätestens in den 80er Jahren, als man sich an die Präsenz von Türken in Deutschland zu gewöhnen begann, trat das Phänomen auf, dieser Literatur einen Namen geben zu wollen. Ihre Wahrnehmung war die der Gastarbeiterliteratur, ihre Themen die eigene Situation der Autoren: Ausländer in Deutschland, Arbeitsalltag und Fremde.

Rafik Schami und Franco Biondi, zwei der wenigen anerkannten ‚nicht-deutschen’ Autoren der ersten Stunde, prägten den Begriff einer „Literatur der Betroffenheit“, die das Schicksal des Gastarbeiters erzählt, der aus finanziellen Gründen auswandern und sich in der Isolation der Fremde zurecht finden, der mit Sprachproblemen, Ämtern und Misstrauen kämpfen muss. Schami und Biondi verwenden den Begriff der Gastarbeiterliteratur explizit in einem ironischen Kontext, um dessen Widersinnigkeit zu verdeutlichen.[17] Problematisch macht den Terminus der Gastarbeiterliteratur vor allem der Umstand, dass nicht alle Schriftsteller aufgrund des Anwerbeabkommens, sondern viele aus politischen Gründen die Türkei verlassen haben und teilweise vorher bereits literarisch tätig waren. Für sie greift der Rückgriff auf den Gastarbeiter nicht.[18] Er kann dadurch, dass er sich explizit auf Gastarbeiter und somit auf ein konkret begrenztes Phänomen beschränkt, nicht auf die Autoren der zweiten und dritten Generation angewendet werden, die zunehmend nicht selbst ‚migrierten’, definitiv keine Gastarbeiter und spätestens mit dem Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft keine Repräsentanten einer ‚Ausländerliteratur’ sind.

Von Zaimoglu später als „weinerliche, sich anbiedernde und öffentlich geförderte Gastarbeiterliteratur[, die] seit Ende der 70er Jahre die Legende vom armen, aber herzensguten Türken Ali“ (KS 12f.) verbreitet, beschimpft, wurde sie „wohlwollend gehegt in der Nische der Sozialfürsorge, doch als Literatur selten ernst genommen.“[19] Sie war gemacht für den deutschen Leser, der erfahren wollte und sollte, „was sich an den Rändern der gesellschaftlichen Plattform abspielt“[20], und wollte ihm einen Einblick in die Lebensrealität der neuen Nachbarn geben. Dass nun diejenigen sprachen bzw. schrieben, „die bisher keine Biographie hatten“[21], stieß auf zunehmendes Interesse, das aber nicht dem literarischen Text, sondern dem Zeugnis des Betroffenen galt, der hier an Aufmerksamkeit und Empathie der deutschen Leser appelliert.[22] Die Autoren befriedigen die deutschen Fragen, ein nahezu „zoologisches Interesse“[23], entwickeln aber keine eigene Sichtweise, mit der sie ihre Themen äußern oder als Vermittler zwischen Kulturen agieren, sondern stellen nach Feridun Zaimoglu ein „kultivierte[s] Fremdsein“[24] dar. Neben dem Begriff der Betroffenheit wird in diesem Kontext auch von einer „Opferliteratur“[25] gesprochen. Die Texte bleiben als Randphänomen der deutschen Literatur außen vor. Die wissenschaftliche Beachtung folgt erst deutlich später. Man betrachtet sie mit einer „grimace of liberal guilt“[26] statt mit literarischem Interesse. Den Zugang zur Literatur erhält sie über moralische an Stelle von ästhetischen Kriterien, sie wird „definiert durch ihre Randlage“[27] und über „eine[] bestimmte Eigenschaft des Verfassers – [...] sein Ausländer-Sein – [...].“[28]

Wenn eine Kategorie nun Literatur bezeichnen soll, die erst seit wenigen Jahrzehnten besteht und naturgemäß in ständiger Entwicklung begriffen ist, scheint es vorbestimmt, dass sie dem, das sie benennt, hinterherhinkt. Sie muss, so man sie denn einer „Sucht [...] nach Kategorien“[29] folgend unbedingt finden will, der unmöglichen Anforderung genügen, den Vorreitern der ersten (Gastarbeiter)Generation und den jüngeren Autoren gleichermaßen gerecht zu werden. Das Ergebnis ist selten ein stimmiger oder aussagekräftiger Name für die „other-than-only-German writers.“[30] Bezeichnungen wie „Gastliteratur“, „Migrantenliteratur“, „Ausländerliteratur“[31], „Migrationsliteratur“ oder „Migrantenliteratur“ lösen einander bis in die 90er Jahre ab[32], ohne wirklich etwas Neues zu sagen. Was bleibt ist eine Hierarchisierung, die die vorgeblich nicht vollwertig deutsche Literatur gettoisiert, indem sie sie auf einen Platz jenseits des Normalen verweist. Sabine Keiner schlägt als neuen Namen die „Literatur mit dem Motiv der Migration“[33] mit der Erweiterung um „deutschsprachige Literatur“ vor, in die sie nicht nur Literatur, die den Vollzug von Migration wiedergibt, sondern auch solche, die im Dunstkreis des Themas wahrgenommen wird, einschließt. So würden spätere Generationen ‚mit Migrationshintergrund’ ebenso eingeschlossen wie die ‚rein’ deutsche Literatur deutscher Autoren, die Migration thematisiert. Dass die Zuordnung über ein ungefähres Thema die Kategorisierung mangels Eindeutigkeit problematisch macht, sieht Keiner selbst als Einschränkung. Dennoch betont sie ausdrücklich die Notwendigkeit einen Begriff finden zu müssen, da dieser „Grundvoraussetzung zur Beschreibung und Bestimmung eines bestimmten Forschungsgegenstandes und der Texte, die sich daraus für einen bestimmten Literaturkorpus ergeben“[34], sei.

Das Finden und Verwerfen von Benennungen spiegelt nicht nur fortwährend die Unzulänglichkeit der bisher gefundenen Titulierungen wider. Sie alle haben gemein, dass sie es ablehnen, diese Werke türkischstämmiger Autoren der deutschen Literatur zuzurechnen ohne sie besonders zu etikettieren. Als Ausnahme sei hier Akif Pirinçci erwähnt, dem es mit seinem Roman „Felidae“ 1989 gelang, als deutschsprachiger Autor „who merely happens to have Turkish parents“[35] wahrgenommen zu werden, da das Buch nicht den geringsten Bezug zu Migration oder der Türkei, seinem Geburtsland, aufweist.

Jeder der Namen marginalisiert ‚deutsch-türkische’ Literatur. Sie stellen vor allem eine Abgrenzung gegenüber der Vorstellung einer als national begrenzt verstandenen homogenen deutschen Literatur dar und lassen ‚deutsch-türkische’ Literatur bestenfalls einen anhängenden Zusatz zur deutschen Literatur, den „Gegenstand eines Spezialinteresses“[36], sein. Auch wenn gerade die frühen Versuche noch die Absicht gehabt haben, als eine Art anti-rassistisches Konzept die Gesellschaft für Multikulturalität zu öffnen, so betonen und verschärfen sie damit die Grenzen doch eher, als dass sie das Fremde zur Normalität machten. Multikulturalität ist als Koexistenz mehrerer Einzelkulturen zu verstehen. Kategorisierungen laufen hier Gefahr, diese ‚Randliteratur’ als etwas in sich Einheitliches zu sehen und führen zu einer Verallgemeinerung beispielsweise ‚deutsch-türkischer’ Autoren als Vertreter einer einheitlichen Literatur[37] – einer einheitlichen ‚deutschen Literatur’ gegenüberstehend. Das langjährige Selbstverständnis der Bundesrepublik, kein Einwanderungsland zu sein, tat, indem man in den zugewanderten Ausländern weiter den Gast sah und mit ihrer Rückkehr ins Herkunftsland rechnete, sein Übriges, um nicht-deutschstämmige Menschen und Literatur als etwas Anderes und Fremdes, das nicht automatisch die Zugehörigkeit zum Deutschen hat, wahrzunehmen.

Eine entscheidende Veränderung für die Begriffsfindung brachte die Entwicklung der Literatur selbst, als mit den 90er Jahren eine neue Generation, die „nicht mehr zu leiden“[38] scheint, die literarische Bühne betritt, ohne über sprachliche oder kulturelle Zerrissenheit zu schreiben, „weil sie weiß, was sie ist.“[39] Ihre Literatur ist nicht mehr die der 60er oder 80er Jahre, nicht mehr die von Opfern. ‚Deutsch-türkische’ Literatur nach 1990 hat in der Regel keine Sprachproblematik zum Thema, die Figuren sehen sich nicht einer neuen fremden Welt ausgeliefert, sondern sind in ihr aufgewachsen. Sie bewegen sich außerhalb der Klischees ‚deutsch’ und ‚türkisch’, suchen nicht mehr die Integration, sondern die eigene Identifikation jenseits enger Klischees. Anders als ihre vermeintlichen literarischen Ahnen sind sie keine Exoten in der bundesrepublikanischen Gesellschaft, sie sind in ihr und mit der deutschen Sprache aufgewachsen, derer sie sich mit Selbstverständlichkeit bedienen. Es geht nicht mehr darum, den Türken, den Arbeiter oder andere Stereotypen zu repräsentieren. Zwar zeugen auch die Werke der jüngeren Generation mithin von „Modelle[n], die aus einer produktiven Auseinandersetzung mit eigenen und gesellschaftlichen Erfahrungen heraus entstanden“[40], doch sie sind nicht darauf begrenzt. Diese Veränderung fällt zeitlich mit zusammen mit dem Eindruck erster ‚Erfolgsgeschichten’ der Einwanderer in der deutschen Gesellschaft, die so beginnen konnte, das Bild vom Ausländer, der nur Gastarbeiter sein kann, zu revidieren.[41]

Als eine Wende und „symbolisches Zeichen für die Verankerung der deutsch-türkischen Literatur in der ‚normalen’ deutschen Literatur“[42] wird die Verleihung des renommierten Ingeborg-Bachmann-Preises an Emine Sevgi Özdamar, der so genannten „‚Vorzeigeautorin’ einer sich aus der Randständigkeit emanzipierenden Migrantenliteratur“[43], 1991 wahrgenommen. Nach Tom Cheesman hat die deutsche Buchindustrie hier die „sexiness of cultural diversity for promotion abroad“[44] entdeckt. Die Auslandsgermanistik hat sehr viel früher als die inländischen Vertreter der Disziplin selbst mit einer umfangreichen wissenschaftlichen Auseinandersetzung und Würdigung dieser Werke begonnen.

Dennoch werden Autoren jüngerer Zeit wie Selim Özdogan[45], Imran Ayata, Feridun Zaimoglu oder Yadé Kara in der Tradition türkischer Literatur in Deutschland, die als Gastarbeiterliteratur begann, gesehen. Ihre sprachliche Heimat des Deutschen legitimiert sie nicht automatisch zu zusatzfreien Teilhabern an der ‚normalen’ deutschen Literatur, sondern bestimmt sie zum Wurmfortsatz einer Migrantenliteratur. Doch repräsentieren diese Autoren keine Türken, schon gar nicht den türkischen Gastarbeiter der 70er Jahre, sie „profilieren sich durch eine eigenständige Perspektive“[46] und sehen und beleuchten das Sujet Identität und Zugehörigkeit sehr viel komplexer, als es die Autoren der Betroffenheitsliteratur taten. Somit müsste sich für sie eine simple Kategorisierung über das Herkunftsland oder das der Eltern, wie sie für die „Gastarbeiterliteratur“ vielleicht noch möglich war, verbieten. Die Grenzen von Heimat, Fremde, Kulturen oder ähnlichen Kriterien, die die Einteilung früherer ‚deutsch-türkischer’ Literatur noch erleichtert haben mögen, funktionieren für die zweite und dritte Generation, deren Raum „von Anfang an ein sprachlich gedoppelter“[47] ist, nicht mehr. Vielmehr sind sie zu einer doppelten Repräsentation gezwungen: der des nunmehr doch anerkannten deutschen Schriftstellers und eben der des Deutschen und der des Menschen mit Migrationshintergrund.[48] ‚Deutsch-Türkische’ Literatur ist mittlerweile zwar nicht mehr auf dem viel zitierten Drahtseil, „but on an inflexible bridge‚ between two worlds’“[49] verortet.

Einen Versuch, der schwierigen Frage nach einer gültigen Begrifflichkeit Herr zu werden, stellt die Einteilung ‚deutsch-türkischer’ Literatur in drei Generationen dar. Als erste Generation gelten hier folglich die Pioniere der Betroffenheitsliteratur, denen die zweite Generation der „In-Länder“[50] mit kommerziell erfolgreichen Autoren wie Pirinçci und Özdamar oder – bezüglich allgemein ‚nicht-nur-deutscher’ Literatur – der japanischstämmigen Yoko Tawada folgt. Nach dem Anwerbestopp 1973 ward deutlich, dass viele der als ‚Gäste’ gekommenen bleiben würden, und aus der ‚Gastarbeiter-’ wird die ‚Migranten- oder ‚Migrationsliteratur’. Die Deutsche Sprache ist für die Autoren jetzt kein literarisches Mittel mehr, sondern größtenteils die (zweite) Muttersprache. Ihnen gelingt allmählich der Ausbruch aus dem „Ghetto der Gastarbeiterliteratur.“[51] Als dritte Generation gelten in dieser Reihe die Autoren der „erste[n] Generation der Kanaken“ (KS 9), die in Deutschland geboren bzw. aufgewachsen sind. Dieses Vorgehen bietet zwar einen Ausweg aus der Problematik, alle Generationen nicht-deutscher Autoren mittels eines Begriffes gleichermaßen zu benennen, aber es stellt auch die Weichen für das Verbleiben ‚deutsch-türkischer’ Literatur in der Randposition, da eine vierte und fünfte Generation sich relativ unproblematisch in dieses Raster einfügen ließen, ohne dass die grundlegende Frage nach der Notwendigkeit dieser Separierung Klärung erfährt. Auch dieses Modell impliziert eine eng gefasste Vorstellung von Nationalkultur und -literatur.

Vor dem Hintergrund einer veränderten Vorstellung von Kultur und Identität als einem Prozess und nicht als feststehende, homogene und (national) begrenzte Größe dominieren mittlerweile die Bezeichnungen der ‚inter’- oder ‚transkulturellen’ oder hybriden Literatur. Diese Begriffe verabschieden sich von der Vorstellung einer einheitlichen Nationalliteratur und betrachten den Raum, der ‚zwischen’ kulturellen Einflüssen entsteht. Da hier eine genaue Betrachtung von Kultur und Identität nötig ist, werden die auf der postkolonialen Theorie basierenden Konzepte separat in Kapitel 1.3 behandelt.

Eine andere Herangehensweise an die Problematik des Benennens, in der die Sprache aus nationalen und kulturellen Grenzen gelöst wird, stellt die Theorie der ‚kleinen Literatur’ als Literatur einer Minorität dar, die sich der Mehrheitssprache bedient.[52] Dieses Modell nimmt eine Deterritorialisierung der Literatur vor und ist um eine weniger hierarchische Einordnung bemüht. Eine entscheidende Einschränkung erfährt die Anwendbarkeit dieses Modells spätestens mit der in Deutschland aufgewachsenen Autorengeneration, die sich, wenn sie auf Deutsch schreibt, sehr wohl ihrer eigenen Mutter- bzw. Erstsprache bedient. Wenn, wie beispielsweise Elizabeth Boa konstatiert, das Konzept der kleinen Literatur von Gilles Deleuze und Félix Guattari[53] eine Literatur benennt, die vorsätzlich von der Mehrheit(-ssprache) in eine Randposition gedrängt wird und „immer politisch“[54] ist, so scheint sie als Name für ‚deutsch-türkische’ Literatur nicht adäquat oder zutreffend zu sein. Diese ist, obschon vielfach politisiert, nicht immer politisch oder muss und will vermutlich nicht immer politisch gelesen werden. Immacolata Amodeo leitet von diesem Modell eine „rhizomatische Ästhetik ab, welche diese Literatur auszeichnet“.[55] Sie sieht hier eine Analogie zur „grundsätzliche[n] Mehrsprachigkeit“[56] ‚nicht-nur-deutscher’ Literatur.

Unabhängig von der Frage, wie ‚deutsch-türkische’ Literatur bezeichnet wird, versieht sie jeder Name mit einem Stempel, der sie von der übrigen deutschen Literatur abgrenzt. Hierin liegt, neben allen übrigen Kritikpunkten, die Gefahr, dass dieses Etikett über dem Eigentlichen, dem literarischen Wert oder Gehalt des Werkes an sich, steht. Stuart Hall weist darauf hin, dass beispielsweise Filme nicht notwendigerweise gut seien, weil sie in diesem Fall von Schwarzen gemacht würden.[57] Analog dazu bestünde die Gefahr, dass ‚deutsch-türkische’ Literatur nur aufgrund ihrer konstruierten Kategorie geduldet und nicht wie andere Literatur primär auf ihre Qualität geprüft wird. Falsch verstandene politische Korrektheit wäre dann ein Standbein ihrer Existenzberechtigung.

Ob man sie nun als exotische Blüte an einem Ast der deutschen Nationalliteratur oder als ‚nicht nur deutsche’ Literatur mit dem Vorteil und der Erweiterung eines bestimmten zusätzlichen – fremden – Blickwinkels sieht, so erweist man ihr durch die spezifizierende Abgrenzung einen Bärendienst. Erst die politisierte Herangehensweise, die sich der Literatur über die Staatsanghörigkeiten nähert, lässt ein literarisches Phänomen heute zu ‚deutsch-türkischer’ Literatur werden.[58]

Die Frage, ob man es nun mit deutscher, türkischer, deutsch-türkischer, hybrider, kleiner, Ausländer- oder Migrationliteratur zu tun hat, stellt implizit die Frage nach den Autoren. Wer sind sie? Gehören sie überhaupt noch nur und ausschließlich einer kulturellen Identität an oder verfügen sie über mehrere Identitäten? In Deutschland geboren oder als Kinder hier aufgewachsen, Schriftsteller in Deutschland, aber, so klingt es bei jedem Versuch einer Kategorisierung an, keine wirklichen Deutschen und somit auch keine deutsche, sondern bestenfalls „hyphenated“[59] Literatur.

In der Forschung stellt sich zunehmend die Frage, ob man mittels einer in der Elterngeneration der Autoren zurückliegenden Migrationserfahrung Literatur einordnen darf oder dies „als Genrekennzeichen [...] heikel“[60] ist. Manuela Günter sieht dagegen die Gefahr, Differenz einfach zu leugnen und so Elementares dieser Literatur zu unterschlagen. „Wie lassen sich Differenzen markieren, ohne sie zu essentialisieren?“[61] Es stellt sich die Frage, ob man Literatur türkischstämmiger Autoren überhaupt ohne Erklärungen oder Zusätze stehen lassen darf oder kann. Ist das Ignorieren eines möglichen Unterschiedes schädlich? Darf hier eine Art „literarisches Ghetto“[62] innerhalb deutscher Literatur geschaffen werden? Reicht es aus, diese Texte als ein „dynamic and productive phenomenon which challenges preconceptions and forges new links between areas of study“[63] zu begreifen?

In jüngster Vergangenheit versucht eine neue Bezeichnung, Autoren nicht nur deutscher Herkunft, die selbst keine Migration erfahren haben, gerecht zu werden, indem sie sie als ‚postmigrantisch’ bezeichnet. Auf diesem Wege soll ausgedrückt werden, dass es sich zwar nicht mehr um Migranten, wohl aber um Menschen handelt, in deren Leben der Migrationshintergrund dennoch mitgedacht wird. Der Name stünde so für die so genannte dritte Generation, die immer noch die Migration der Eltern mitträgt.[64] Vor diesem Hintergrund muss sich die Frage stellen, ob das stete Mitdenken eines ungenau ‚Migrationshintergrund’ genannten Attributes nötig, hilfreich und angebracht ist. Was bedeutet der Migrationshintergrund und wann tritt jemand endgültig aus diesem Hintergrund heraus? Und wenn ein Autor über einen solchen Hintergrund verfügt, darf dieser dann die Betrachtungsweise der Literatur bestimmen?

Emine Sevgi Özdamar sagt über die türkische Immigration nach Deutschland, dass sie „nicht vor 40 Jahren angefangen [hat]. Die Immigration hat vor fünf Jahren angefangen.“[65] Erst die dritte Generation, diejenigen, die „Deutschland als ihre Heimat“[66] betrachten können oder zumindest könnten, ist nach Özdamar wirklich in Deutschland angekommen. Mit dieser vergleichsweise jungen Generation und dem allmählich endgültigen Abschied von Multikulti-Phantasien erscheint es möglich, dass „[a]m gegenwärtigen Endpunkt der Migrantenliteratur [...] wieder ein neuer Ausgangspunkt gewonnen“[67] ist und trotz aktuell skandierender Schlagworte wie dem „Clash of Civilizations“[68] die Debatte um die (literarische) Zugehörigkeit in Deutschland lebender Menschen einem Ende zugeführt werden kann.

1.2. Kultur und Identität

Die Notwendigkeit der Kategorisierung ‚deutsch-türkischer’ Literatur leitet sich gemeinhin von der Annahme ab, dass die Referenzierung zweier unterschiedlicher ‚Kulturräume’ eine (be-) nennenswerte Abweichung vom Normalzustand ist. Migration im weitesten Sinne verweist vor diesem Hintergrund auf die Vorstellung, „daß Menschen eigentlich ortsfest zu leben hätten.“[69] ‚Gastarbeiterkinder’, Menschen mit Migrationshintergrund oder die zweite und dritte Generation müssen sich somit der Frage stellen, ob sie nun viele oder gar keine Identität und kulturelle Verwurzelung mehr haben oder ob ihre Identität die des ‚Mischlings’ ist. Grenzen, innerhalb oder außerhalb derer sich Individuen anzusiedeln geneigt sind, werden mithin auf den Umstand zurückgeführt, dass „Kultur als Filter der Selbstwahrnehmung einer Nation“[70] fungiert. Im Gegensatz zu Staats- und Sprachgrenzen sind kulturelle Grenzen weder festgeschrieben noch rational nachvollziehbar.[71] Gleichzeitig erfolgt die Argumentation über Kultur und kulturellen Unterschied laut Konrad Köstlin vermehrt dort, „wo Realität und Selbsteinschätzung – man könnte auch sagen: Ideologie – weit auseinanderklaffen.“[72]

Im Folgenden sollen die für die Verortung ‚nicht-nur-deutscher’ bzw. ‚deutsch-türkischer’ Literatur und Identität wichtigen Kategorien der Kultur – die in der allgemeinen Wahrnehmung in imaginierter Einheit mit der Nation, Territorium, Heimat und Volk existiert – und der sich daraus ergebenden Bedeutung für die kulturelle Identität des Einzelnen genauer betrachtet werden.

1.2.1. Der dynamische Kulturbegriff

Kultur wurde lange Zeit als ein begrenzter einheitlicher Raum gedacht, der sich an nationalen Grenzen orientiert. Diesem klassischen Kulturbegriff folgend erscheint die Einzelkultur immer als abgrenzbar und somit von jeder anderen Kultur unterscheidbar. Sie existiert in einer essentiellen Wechselwirkung mit dem Subjekt: Menschen wie Handlungen sind Bestandteile der einen konkreten Kultur, die wiederum das Volk als Produzenten und Träger der Kultur benötigt.[73] Seit dem 19. Jahrhundert ist Kultur mit der Idee des Nationalstaates „nationalisiert und ethnisiert.“[74] Eine Einheit von Kultur und Nation macht im Umkehrschluss jedes Individuum zu einem Repräsentanten dieser einen – und nur dieser einen – Einheit. Menschen definieren ihre Identität als Türke, Deutscher oder Engländer über das Nationale, das wiederum als nationale Kultur Identität konstruiert, „indem sie Bedeutungen der Nation herstell[t], mit denen wir uns identifizieren können.“[75] Diese Identifikation mit einer territorialen (Kultur-) Heimat ist letztlich die Grundlage für eine Kulturauffassung, die Patriotismus und Nationalismus ermöglicht. Im Falle Deutschlands war und ist das Kulturverständnis vom Begriff der Kulturnation als kleinstem gemeinsamen Nenner und dem Bild Deutschlands als das ‚Land der Dichter und Denker’ geprägt. Bezüglich der Funktion und Funktionalität der Kollektividentität als Selbstverständnis ist Deutschland allerdings ein diffiziles Beispiel.[76] Zur Betrachtung von Kultur muss die Nation „als imaginäre Gemeinschaft verstanden werden. Es handelt sich um eine phantasmatische Konstruktion, die auf ein fundamentales Begehren nach Sinn und Kohärenz reagiert.“[77]

Wenn man die deutsche Kultur also als geschlossenes abgrenzbares Ganzes betrachten will, muss man zwangsläufig alles ‚nicht (nur) Deutsche’ – wie die Literatur ‚türkischstämmiger’ Autoren – additiv hinzufügen und als wiederum in sich geschlossen betrachten. Die diesbezüglichen Schlagworte der 1980er und 90er Jahre – ‚Multikulturalität’ oder ‚kulturelle Vielfalt’ – verweisen auf ein solches Verständnis. Vermischung im Sinne performativer Identitätsbildung, Differenzierungen oder gar die Auflösung der angenommenen Grenzen waren lange Zeit in der Konzeption von Kultur nicht vorgesehen und auch ob der Begrenzung von Kultur nicht möglich. Ein Verständnis des Passes als Identitätsstifter liegt beispielsweise der vor einigen Jahren heftig diskutierten politischen Forderung zu Grunde, das Bild einer deutschen ‚Leitkultur’ zu etablieren: Wenn Deutschland als kulturelle Einheit betrachtet wird, so die Auffassung der Befürworter, müsse jeder Staatsangehörige ihr Repräsentant und Träger der kollektiven und eindeutigen kulturellen Identität sein und sich klar zu ihr bekennen. Die Repräsentation einer früheren Staats- und damit auch Kulturzugehörigkeit müsse daher für die neue aufgegeben werden. Identität, Wohnort und Staatsangehörigkeit werden hier als Kausalkette gedacht. Die Forderung lautete verkürzt: Wenn du in Deutschland lebst, dann sei deutsch.[78]

Die nationale Ideologie hat die Aufgabe, das Volk als eine fiktive ethnische Einheit zu konstruieren, und zwar als ein universalistisches Konzept, das jedem Individuum eine einzige ethnische Zugehörigkeit bzw. Identität zuschreibt und die ganze Menschheit in verschiedene Ethnizitäten einteilt. Dadurch fühlen sich die Angehörigen einer Nation miteinander auf eine natürliche Weise verknüpft und [...] sie können im Namen der Nation, der sie angehören, als Subjekte aufgerufen [...] werden.[79]

Die Konzepte von Multikulturalismus, ‚melting-pot’, dem Nebeneinander von Kulturen, das eventuell irgendwann zu einer gewöhnungsbedingten Annäherung oder zu einem Austausch kommt, sind gescheitert. Die viel beschworene ‚Buntheit’ konnte kaum die (deutsche) Selbstwahrnehmung als ‚deutsch’ – und d.h. qua Geburt – modifizieren. Dem nun herrschenden Internationalismus und der modernen Migration in einer globalisierten Welt, in der „alle modernen Nationen [...] kulturell hybrid“[80] sind, kann dieses Konzept der „autonomen Inseln“[81] und „monolithischen Kulturblöcke[] auf fest umrissenen Territorien“[82] nicht mehr als Basis dienen. Es kann die zeitgenössische Kultur, die eben diese nationalen Grenzen überschreitet, nicht beschreiben: „So einheitlich lebt man in der Moderne nicht mehr.“[83]

Wir sind in der Epoche des Simultanen, wir sind in der Epoche der Juxtaposition, in der Epoche des Nahen und des Fernen, des Nebeneinander, des Auseinander. Wir sind, glaube ich, in einem Moment, wo sich die Welt weniger als ein großes sich durch die Zeit entwickelndes Leben erfährt, sondern eher als ein Netz, das seine Punkte verknüpft und sein Gewirr durchkreuzt.[84]

Einen neuen Ansatz brachte in den 1980er Jahren die Theorie des Postkolonialismus.[85] Als wichtiger Vertreter der postkolonialen Theorie plädiert Homi

Ergebnis sollte eine absolute Assimilation sein, die von früheren kulturellen Bindungen kaum mehr etwas übrig lässt. Das Problem des Konzeptes der Assimilation ist letztlich, dass es kulturelle (Wechsel-) Wirkung „zu einem asymmetrischen, teleologischen Vorgang zwischen zwei überzeitlichen

Wesenheiten“ reduziert. (Bronfen/Marius, Hybride Kulturen, S. 19.) In diesen Zusammenhang ist auch die CDU-Forderung nach einer Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz im Dezember 2008 einzuordnen.

[...]


[1] Bay, Der verrückte Blick, S. 29.

[2] Dass die deutsch-türkische und nicht etwa die deutsch-italienische oder allgemein ‚nicht nur deutsche’ Literatur Gegenstand der Untersuchung ist, soll die zuletzt genannten Autoren in Deutschland nicht verkennen, geschweige denn ihre Werke ignorieren. Zum einen macht der gebotene Rahmen der Arbeit es nötig, eine Auswahl zu treffen, zum anderen zollt diese Auswahl der Relevanz, die sich aus der Quantität und nicht zuletzt aus der politischer Aufmerksamkeit ergibt, Tribut. ‚Türkischstämmige’ Menschen stellen in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland die größte Minderheit dar und haben als solche eine starke Präsenz, auch in politischen Debatten. Ob dieses quantitativen Gewichts bildet das Deutsch-Türkische auch in der deutschsprachigen ‚interkulturellen Literatur’ die größte Gruppe. Die Arbeit benutzt die Formulierung ‚deutsch-türkisch’ ohne damit diese Benennung der untersuchten Literatur zwangsläufig gutzuheißen. Vielmehr wird diese pragmatische Formulierung gebraucht, um sich vorerst keinem der gängigen Modelle anzuschließen. In Anbetracht der Vielzahl nebeneinander verwendeter Modelle und Begriffe erscheint ‚deutsch-türkisch’ verständlich und wenig vorbelastet.

[3] Zaimoglu, Lebenswut, S. 23.

[4] Die Arbeit greift auf diese Schreibweise des Autors zurück, da er nicht unter „Zaimoglu“, der eigentlichen Schreibung seines Nachnamens, veröffentlicht, sondern sich hier „Zaimoglu“ schreibt.

[5] Özdamar und Zaimoglu waren zuvor bereits mit Erzählungen erfolgreich, legten mit den genannten Werken jedoch ihre ersten Romane vor.

[6] Konuk, Identitäten im Prozeß, S. 92.

[7] Zaimoglu, Kanak Sprak, S. 13. Im Folgenden werden Zitate unter Verwendung der Sigle „KS“ und Angabe der Seitenzahl im laufenden Text nachgewiesen.

[8] Hall, Rassismus und kulturelle Identität, S. 67.

[9] Vgl. Butler, Performative Akte, S. 309. Als Beispiele sind die Wahl Cem Özdemirs zum Bundesvorsitzenden der „Bündnis 90/Die Grünen“ am 15.11.2008 als ersten türkischstämmigen Vorsitzenden einer deutschen Partei, die Darstellung des ersten türkischstämmigen „Tatort“-Kommissars durch Mehmet Kurtulus seit Oktober 2008 oder die Verleihung des Bachmann-Preises an Emine Sevgi Özdamar 1991 zu nennen.

[10] Amodeo, Babylon, S. 37.

[11] Vgl. Bleicher, Unterwegs im Dazwischen, S. 86.

[12] Suhr, Ausländerliteratur, S. 98.

[13] Biller, Die dritte Ethnie, S. 268.

[14] Ebd.

[15] Ebd.

[16] Zitiert nach: Lau, Die Türken sind da, S. 3.

[17] Biondi/Schami, Literatur der Betroffenheit, S. 134. Die Kritik Biondis und Schamis richtet sich gegen den Terminus ‚Gastarbeiter’, da hier ihrer Meinung nach künstlich der Aspekt der Vorläufigkeit mit dem Paradox des arbeitenden Gastes konstruiert wird. Sie sehen hierin eine bewusste Stigmatisierung eines „festen Bestandteils der bundesrepublikanischen Bevölkerung“.

[18] Vgl. Keiner, Kategorien in der Krise, S. 6.

[19] Göktürk, Muttikültürelle Zungenbrecher, S. 78.

[20] Amodeo, Babylon, S. 26.

[21] Ebd.

[22] Vgl. Ebd., S. 41-45. Amodeo nennt dieses Phänomen die „Entfiktionalisierung“ der Texte nicht-deutscher Autoren. Ferner beschreibt sie die Reduzierung der Autoren auf die psychische Bedeutung und den Konflikt der Migration als „Psychologisierung“ und stellt eine „Trivialisierung“ dieser Literatur fest. Diese Punkte begründen vorrangig den Ausschluss aus der nicht trivialen, nicht fiktionalen deutschen Literatur.

[23] Zaimoglu/Aber, Ein toter Kadaver, S. 159.

[24] Ebd., S. 158.

[25] Vgl. Bleicher, Unterwegs im Dazwischen, S. 87.

[26] Cheesman, Juggling burdens, S. 472.

[27] Günther, Kolonisierung, S. 151.

[28] Amodeo, Babylon, S. 27.

[29] Bleicher, Unterwegs im Dazwischen, S. 87.

[30] Cheesman, Talking Kanak, S. 83.

[31] Metzler-Literatur-Lexikon (1990), „Ausländerliteratur“, S. 33.

[32] Teilweise bewahren diese frühen Begriffe bis heute ihre Gültigkeit. So ist in der neu bearbeiteten Auflage des Metzlerschen Literatur-Lexikons 2007 zwar nicht mehr von Ausländerliteratur zu Rede, doch an gleicher Stelle verweisen die Herausgeber auf den nun geltenden Terminus ‚Migrantenliteratur’ als „Sammelbegriff für die nicht immer scharf abgrenzbaren Alternativbez[eichnungen]“. Vgl. Metzler-Literatur-Lexikon (2007), „Migrantenliteratur“, S. 498f.

[33] Keiner, Kategorien in der Krise, S. 11.

[34] Ebd., S. 4.

[35] Cheesman, Novels, S. 85.

[36] Bay, Der verrückte Blick, S. 30.

[37] Vgl. Amodeo, Babylon, S. 194.

[38] Wertheimer, Zum neuen Ton, S. 130.

[39] Kocadoru, Die dritte Generation, S. 135.

[40] Hofmann, Interkulturelle Literaturwissenschaft, S. 196.

[41] Vgl. Jordan, Spieler, S. 119.

[42] Hofmann, Interkulturelle Literaturwissenschaft, S. 199.

[43] Viehöver, Materialität und Hermeneutik der Schrift, S. 344.

[44] Cheesman, Novels, S. 35.

[45] Özdogan stellt hier einen Sonderfall dar. In seinem Debüt „Es ist so einsam im Sattel seit das Pferd tot ist“ (1995) hat keine Figur einen Migrationshintergrund, was vermutlich dazu beitrug, dass sein Werk nicht dezidiert im deutsch-türkischen Kontext wahrgenommen wurde wie beispielsweise Zaimoglus. Erst später legte Özdoa n Werke mit deutlichem Bezug zu deutsch-türkischen Zusammenhängen vor.

[46] Hofmann, Interkulturelle Literaturwissenschaft, S. 196.

[47] Schmitz-Emans, Wortgewalt, o. A.

[48] Vgl. Cheesman, Juggling burdens, S., 476.

[49] Adelson, Turkish turn, S. 5.

[50] Bleicher, Unterwegs im Dazwischen, S. 89.

[51] Göktürk, Reinheitsgebot, S. 103.

[52] Mehrheit und Minderheit sind in diesem Zusammenhang keine rein quantitativen Größen. Die beiden Komponenten sind über ihr Verhältnis zueinander definiert. Erst die Macht der Mehrheit definiert eine Minderheit. (Vgl. Jäger, Grenzkontrollpunkte, S. 43.)

[53] Deleuze/Guattari, Kafka.

[54] Boa, Sprachenverkehr, S. 118.

[55] Amodeo, Babylon, S. 109.

[56] Ebd., S. 111.

[57] Vgl. Hall, Rassismus und kulturelle Identität, S. 18.

[58] Vgl. Wagner-Egelhaaf, Verortungen, S. 758.

[59] Cheesman, Juggling burdens, S. 472.

[60] Tuschik, Kombattant im Kulturkampf, S.110.

[61] Günter, Stereotyp, S. 163.

[62] Konuk, Identitäten im Prozeß, S. 113.

[63] Jordan, Crossing boundaries, S. 469.

[64] Vgl. Interview mit der künstlerischen Leiterin des Berliner „Ballhaus Naunynstrasse“ Shermin Langhoff http://www.zitty.de/magazin-berlin/33356/ [12.3.2009]. Durch die Initiation eines „jungen postmigrantischen Theaterfestivals“ im Januar 2009 erreichte der sonst eher in den USA gebräuchliche Begriff des ‚Postmigrantischen’ die deutsche Öffentlichkeit.

[65] Zitiert nach: Diez, Warum die deutschen Türken, S. 19.

[66] Diez, Warum die deutschen Türken, S. 19.

[67] Bleicher, Dazwischen, S. 93.

[68] Huntington, Kampf der Kulturen, S. 11.

[69] Köstlin, Kulturen im Prozeß der Migration, S. 368.

[70] Bleicher, Unterwegs im Dazwischen, S. 86.

[71] Vgl. Mecklenburg, Eingrenzung, S. 23.

[72] Köstlin, Kulturen im Prozeß der Migration, S. 384.

[73] Vgl. Welsch, Lebensformen, S. 6.

[74] Köstlin, Kulturen im Prozeß der Migration, S. 365.

[75] Hall, Rassismus und kulturelle Identität, S. 201.

[76] Vgl. Amodeo, Literarische Staatsbürgerschaft, S. 87f. Amodeo erläutert, dass zum einen die speziell deutsche Schwierigkeit darin bestand, lang als nationaler ‚Flickenteppich’ historisch keine Möglichkeit zu einer nationalkulturellen Identitätsbildung gehabt zu haben. Zum anderen sei es Deutschland nicht möglich, sich über gewonnene Kriege zu definieren. Es bleibt dem Initiator beider Weltkriege und dem Volk der Kollektivschuld am Holocaust nur die Definition über Sprache, Kultur und nicht zuletzt Literatur. Samuel P. Huntington verweist darauf, dass im Deutschen „Zivilisation“ von „Kultur“ sprachlich getrennt wahrgenommen und somit auch Modernisierung von gesellschaftlichen Werten separiert wird. Im Englischen beispielsweise fallen die Begriffe als „gesamte Lebensweise eines Volkes“ zusammen. Vgl. Huntington, Kampf der Kulturen, S. 53.

[77] Bronfen, Hybride Kulturen, S. 2.

[78] Die Debatte einer „deutschen Leitkultur“ wurde im Oktober des Jahres 2000 von CDU-Politiker Friedrich Merz ausgelöst. Er forderte mit seiner umstrittenen Aussage die Anpassung Zugewanderter an eben diese deutsche Leitkultur. Mit der Forderung der Assimilation als Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft berief Merz sich deutlich auf die Vorstellung homogener Nationalstaatskulturen und eine Einheit von Nation, Sprache und Kultur. Diese Vorstellung schließt die Existenz eines dritten Raumes, in dem etwas nicht nur türkisch und nicht nur deutsch ist, aus. Das Leitbild des ‚Deutsch-Seins’ sollte der Entstehung von so genannten ‚Parallelgesellschaften’ in deutschen Großstädten vorbeugen.

[79] Buden, Babel, S. 46.

[80] Hall, Rassismus und kulturelle Identität, S. 207.

[81] Welsch, Lebensformen, S. 8.

[82] Köstlin, Kulturen im Prozeß der Migration, S. 378.

[83] Welsch, Transkulturalität, S. 330.

[84] Foucault, Andere Räume, S. 34.

[85] Vgl. Bhabha, Verortung der Kultur, S. 6 f und S. 255-268. Zur Begrifflichkeit des Postkolonialismus sei auf Bhabhas Erläuterung des Präfixes ‚post’ hier als ein „darüber hinaus“ hingewiesen“ (S. 6). Vgl. hierzu auch: Bronfen/Marius, Hybride Kulturen, S. 9f, die auf die Definition des Postkolonialismus als „ein Heraustreten aus dem Syndrom des Kolonialismus“ verweisen. Ha beschreibt die interdisziplinär veränderte Sicht auf Kultur als „Plädoyer für einen dynamischen, interaktiven, pluralen, stets wandelbaren Kulturbegriff. Zusammenfassend lässt sich dieser kulturwissenschaftliche Paradigmen- und Perspektivwechsel als ‚postmodern turn’ bezeichnen, der nicht zuletzt die Suche nach hybriden Ausdrucksweisen der Intermedialität und Transkulturalität popularisiert hat“ (Vgl. Ha, Hype um Hybridität, S. 55).

Ende der Leseprobe aus 105 Seiten

Details

Titel
Das Moment der (kulturellen) Identität in der ’deutsch-türkischen’ Gegenwartsliteratur
Untertitel
Am Beispiel von Emine Sevgi Özdamar, Feridun Zaimoglu und Yadé Kara
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Germanistisches Seminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
105
Katalognummer
V134323
ISBN (eBook)
9783640410279
ISBN (Buch)
9783640410309
Dateigröße
1073 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
deutschtürkische Literatur, kulturelle Identität, transkulturelle Literatur, interkulturelle Literatur, Hybridität
Arbeit zitieren
Sibel Sen (Autor:in), 2009, Das Moment der (kulturellen) Identität in der ’deutsch-türkischen’ Gegenwartsliteratur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134323

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