Der 14-Punkte-Plan Woodrow Wilsons und die Satzung des Völkerbundes


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

22 Seiten, Note: gut


Leseprobe


1. Der 14 Punkte Plan und die Satzung des Völkerbundes

1.1 Zentrale Begriffe

Zu den entscheidenden Zielen zählt die Vorstellung eines gerechten Friedens, (Frieden ohne Sieg), die darauf abzielt, einen dauerhaften, stabilen Frieden zu erreichen, ein Ziel, das die Alliierten nicht unbedingt verfolgten.

Eines der bedeutendsten Ziele Wilsons bestand in der Sicherung des Weltfriedens und einer „neuen Weltordnung“(Rönnefarth 1959, S.40). Die Neuordnung der Welt, die Wilson und auch andere angestrebt haben, sollte auf Rechtsgleichheit beruhen (statt auf Machtgleichgewicht der Territorialstaaten). Dazu ist natürlich die Bereitschaft zu Kompromissen unerlässlich. Das Streben nach einem Gleichgewicht der Mächte sollte durch die Idee der kollektiven Sicherheit, die auch dem Völkerbund immanent ist, abgelöst werden. „Recht an die Stelle von Krieg“ zu setzen ist die grundlegende Idee, die Schaffung einer „übernationalen Organisation“ die Realisierung. (Fellner 1994, S. 134).

Die Vorstellung vom „liberalen Frieden“ (Niedhart 1989, S. 13) ließ sich vorerst nicht durchsetzen, dennoch bilden die 14 Punkte letztlich eine Basis für die Gründung des Völkerbundes, in der Wilson auch die Möglichkeit der Revision des Versailler Vertrages sah.

Dem einen wie dem anderen liegen Vernunft- und Fortschrittsglauben, sowie die Überzeugung, dass friedliche Konfliktaustragung möglich sei (Diplomatie) zugrunde.

Von nachhaltiger Bedeutung (v. a. für den Völkerbund) für die Verwirklichung des zentralen Zieles Friedenssicherung ist schließlich der Gedanke des Selbstbestimmungsrechts der Nationen, die sich nur dann als Verhandlungspartner gegenüber stehen können, wenn sie unabhängig von Größe und Stärke gleichberechtigt sind.

1.2 Formulierung der Gedanken in den 14 Punkten

Abgesehen vielleicht von der Regelung der Kolonialfragen sind für Wilson weder Territorialfragen noch nationale Forderungen zentral. Es geht vielmehr darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem wirtschaftliche, aber nicht kriegerische Konkurrenz besteht. (open-door-policy), deshalb sind die zentralen Forderungen:

Die absolute Freiheit der Schifffahrt, eine Aufhebung sämtlicher wirtschaftlicher Schranken,

der Abschluss öffentlicher Friedensverträge und eine freie sowie offene Diplomatie, die Reduzierung der Rüstung und eine unparteiische Ordnung aller kolonialen Ansprüche (vgl. Niedhart 1989, S. 18).

Der Inhalt der 14 Punkte richtete sich an alle Kriegsbeteiligten, nicht nur an die Gegner bzw. Verlierer. Das bedeutet, dass z. B. auch der Anspruch Großbritanniens auf Herrschaft über die Weltmeere in Frage gestellt wurde. Ebenso bezogen sich Fragen der Kolonien und das Postulat der Rüstungseinschränkung auf alle Staaten.

Schon darin wird der hohe Stellenwert der Gleichberechtigung der Nationen erkennbar.

Das Programm des Weltfriedens wird mit einem grundlegenden Prinzip eingeleitet: Wilson geht davon aus, dass Diplomatie nur unter der Voraussetzung der Öffentlichkeit funktioniert. (Punkt 1) Öffentlichkeit ist eine Grundlage der Gleichberechtigung, weil nur so Kontrolle möglich ist und Geheimverträge verhindert werden.

Die Beseitigung ökonomischer Barrieren und die Schaffung gleicher Bedingungen für alle Nationen auf diesem Gebiet (Punkt 3) korrespondiert mit der Vorstellung, kriegerische Auseinandersetzung könne durch Handel und friedlichen Wettbewerb verdrängt oder ersetzt werden. Ein unmittelbarer, pragmatischer Beitrag zur Sicherung dieses Friedens, nämlich die Reduzierung der Waffen auf das niedrigste Niveau, das möglich erscheint, wird in (Punkt 4) festgeschrieben.

Als Grundlagen für eine demokratische Entwicklung werden in (Punkt 5) Souveränität, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit genannt. Alle Nationen müssen die Möglichkeit autonomer Entwicklung haben. Dazu gehört auch, dass die Regierten der Regierung ihre Zustimmung geben.

In den folgenden Punkten geht es um konkrete, den Ersten Weltkrieg betreffende Situationen (Punkte 6, 7, 8, 11). Einige bestimmende Grundlagen sind dabei: Ein Frieden ohne Sieg wird als einzige Möglichkeit gesehen stabilen Weltfrieden zu erlangen. Eine Räumung eroberter und besetzter Gebiete ist unerläßlich. Maßvolle Wiedergutmachung soll der Rache und/oder Bestrafung vorgezogen werden. Möglicherweise kriegsauslösende Streitpunkte sollen beseitigt werden. Grenzen eines Staates sollen sich vernünftigerweise an den Nationalitäten orientieren. Beispielsweise werden Russland, Belgien, Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn, Balkanstaaten, Türkei und Polen genannt. Alle Nationen sollen v.a. auch wirtschaftlich unabhängig und frei sein. Dazu gehört auch der Zugang zur See. Unter diesen Voraussetzungen soll es möglich werden, Gerechtigkeit zwischen den Nationen herzustellen. Alle (strong or weak) sollen gleiches Recht auf Freiheit und Sicherheit haben.

Weiterhin ist auch die Forderung nach Selbstbeschränkung der Staaten und Abgabe von Rechten bzw. Kompetenzen grundlegend.

1.3 Die Völkerbundsatzung als Modell der Friedenssicherung

Wie schon im Programm 14 der Punkte ist Friedenssicherung auch in der Satzung des Völkerbundes zentral. Eine der bedeutsamen Neuerungen besteht im Umbruch des bisherigen Völkerrechtes. Wilsons Punkte zielten zwar auch auf eine neue Weltordnung ab, die Völkerbundsatzung enthält auch viele Elemente seiner Gedanken, die Völkerbundsatzung geht dennoch einen Schritt weiter als die 14 Punkte, denn sie beruht zum einen auf einer international anerkannten Satzung (Woyke 1998, S.171) und zum anderen bedeutet sie eine Wende im Denken, weil sie bisheriges Recht ablöst.

Eine Schlüsselposition nimmt das Durchbrechen der europäischen Auffassungen von Sicherheitspolitik ein. Das liberale Konzept des sog. Wilsonfriedens ist mit der bisherigen Sicherheitspolitik , die unter Punkt 2.4 dieser Arbeit thematisiert wird, unvereinbar und kann auf der angestrebten liberalen Basis (neue Weltordnung) natürlich nicht mehr praktiziert werden. Folglich muss es durch eine andere, bessere ersetzt werden: das „Prinzip der kollektiven Sicherheit “ (Niedhart 1989, S. 19) soll in dem zu schaffenden Völkerbund realisiert bzw. umgesetzt werden (letzter Punkt der 14 Punkte). Kollektive Sicherheit bedeutet, alle Mitgliedsstaaten müssen bereit sein, den territorialen status quo zu akzeptieren und gegen jede Aggression zu verteidigen (Woyke 1989, S.171).

Wichtig ist dazu, dass die Kommunikation der Staaten untereinander auf einer neuen Basis, nämlich der einer offenen Diplomatie, die bereits in Art. 1 der 14 Punkte gefordert wird, stattfindet.

Das bisherige Völkerrecht wird erweitert um die Phasen vor und nach Kriegen: ein „Kriegsverhütungsrecht“ (Kimminich 1997, S. 75) hatte es bisher nicht gegeben, in der Satzung des Völkerbundes umfasst es mehrere Artikel und lässt sich in drei Teile ordnen.

Abrüstung (Art. 8 und 9), Schiedssprechung (Art. 11 – 15), Sicherheit (Art.10 und 16) :

In unverkennbarer Anlehnung an die 14 Punkte stellt Artikel 8 fest, dass Friedenserhaltung Abrüstung erfordert, allerdings nicht allumfassend, sondern auf einen lowest point consistent with national safety. Die Interessen der Nationalstaaten werden nicht total ausgeblendet, den Abrüstungsplan stellt aber die Gemeinschaft auf, die Mitglieder sollen sich gegenseitig unterrichten (Offenheit).

Artikel 10 schützt die territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit. Beide können

gegen Aggression verteidigt werden. Der amerikanische Senat kritisierte diesen Artiken vor

allem, weil er sich gegen die Monroe Doktrin richte. Kollektive Sicherheit hieße, dass

souveräne Staaten Einschränkung und zwar zu Gunsten einer gemeinsamen Institution

hinzunehmen verpflichtet seien (Baumgart 1987 S. 140).

Besondere Bedeutung kommt dem Artikel 11 zu, der bei Kimminich wie folgt zitiert wird:

„Ausdrücklich wird hiermit festgestellt, daß jeder Krieg und jede Bedrohung mit Krieg, mag davon unmittelbar ein Bundesmitglied betroffen werden oder nicht, eine Angelegenheit des ganzen Bundes ist, und daß dieser die zum wirksamen Schutz des Völkerfriedens geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat. Tritt ein solcher Fall ein, so beruft der Generalsekretär unverzüglich auf Antrag irgendeines Bundesmitgliedes den Rat.“ (Kimminich 1997, S. 76).

Dieser Artikel bedeutet eine Absage an das ius ad bellum, das neben Volk, Territorium und Anerkennung durch andere Staaten bisher zu den Merkmalen staatlicher Souveränität gehörte. Es ist eine Beschneidung der Souveränität der Einzelstaaten bezüglich der Entscheidungsfreiheit über Kriegsführung und bedeutet Souveränitätsverlust. Die Sicherheit soll nicht mehr in der Verantwortung der einzelnen Staaten sein. Die Friedenssicherung ist in der Verantwortung aller Mitglieder, der Völkerbund bietet eine kollektive Sicherheit.

Die Artikel 12 und 13 stellen die Verpflichtung auf, Streitigkeiten nur mit friedlichen Mitteln auszutragen. Im Grunde handelt es sich um ein partielles Kriegsverbot, d.h. kein Krieg darf geführt werden, ohne dass Versuche einer friedlichen Schlichtung vorausgegangen sind. Ebenso verboten wurden auch Kriegshandlungen gegen Staaten, die sich einer Schlichtungsempfehlung, einem Schiedsspruch oder einem Urteil gebeugt hatten; ferner durfte innerhalb von drei Monaten nach einem der drei Kriegsvermeidungsverfahren (Schiedsspruch, Gerichtsentscheidung, Empfehlung des Völkerbundrates) kein Krieg begonnen werden. Man geht davon aus, dass die meisten Streitigkeiten auf diplomatische Weise gelöst werden können.

Durch Artikel 14 wird die Institution eines Ständigen Internationalen Gerichtshofs realisiert.

Artikel 15 schreibt vor, dass im Konfliktfall ein Vermittlungsangebot gemacht werden soll. Es

erfolgt eine Empfehlung zur Konfliktbeilegung durch den Völkerbundrat. Der Artikel 16 ist

der sogenannte Sanktionsartikel, weil Frieden erzwungen werden soll. Krieg gegen ein

Mitglied entspricht dem Krieg mit allen Bundesmitgliedern, allerdings soll gegen den

Kriegsbeginner zunächst mit Sanktionen vorgegangen werden, nicht militärisch. Auch ein

Ausschluss aus dem Bund wird angedroht. Gemäß dem Prinzip der kollektiven Sicherheit

gibt es einen automatischen gegenseitigen Beistand der Mitglieder des Bundes.

Der Artikel 18 verlangt, dass internationale Verträge und Abmachungen dem Rat mitgeteilt

werden, wenn ein Mitglied beteiligt ist, hier wird erneut der Gedanke der Offenheit

aufgegriffen. Der Artikel 19 wird Revisionsartikel genannt und richtet sich im Prinzip gegen

die Regel pacta sunt servenda deren Gegenmodell clausula rebus sic stantibus ist. Frieden

und natürlich besonders die Friedenserhaltung wird als Prozess und nicht als dauernder

Zustand aufgefasst. Wenn das so ist, dann muss es möglich sein, einzelne Bestimmungen

zu ändern, d.h. neuen Gegebenheiten anpassen. Es ist das Prinzip des friedlichen Wandels.

Artikel 22 hat den Umgang mit ehemaligen Kolonien zum Inhalt, gemeint waren wohl v.a.

ehemals deutsche Kolonien, das Saargebiet, die Freie Stadt Danzig und Gebiete, die vorher

zum Osmanischen reich gehört hatten: Syrien, Irak, Palästina. Diese Gebiete sollten (außer

Saarland und Danzig) unter Mandatsmacht, in der Praxis Großbritannien und Frankreich,

gestellt werden.

Laut Artikel 23 soll ein Internationales Arbeitsamt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen

geschaffen werden. Darüber hinaus werden Minderheitenschutz, Überwachung des

Drogenhandels und des Waffenhandels, Gewährleistung des freien Handels und

Internationale Kontrolle und Vorbeugungsmaßnahmen gegen Krankheiten thematisiert.

Artikel 25 unterstützt das Rote Kreuz und ähnliche Organisationen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der 14-Punkte-Plan Woodrow Wilsons und die Satzung des Völkerbundes
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
22
Katalognummer
V1342
ISBN (eBook)
9783638108225
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ideengeschichte, Konzepte der Friedenssicherung, Amerikanische Geschichte
Arbeit zitieren
Daniela Franke (Autor:in), 2001, Der 14-Punkte-Plan Woodrow Wilsons und die Satzung des Völkerbundes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1342

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