Darstellungsformen in Tageszeitungen


Hausarbeit, 2007

39 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Darstellungsformen in Tageszeitungen

3. Darstellungsformen in Tageszeitungen – die informierende Darstellungsform
3.01. Nachricht
3.02. Bericht
3.03. Meldung
3.04. Reportage
3.05. Interview

4. Darstellungsformen in Tageszeitungen – die Meinung
4.01. Kommentar
4.02. Leitartikel
4.03. Glosse
4.04. Kolumne
4.05. Rezension

5. Darstellungsformen n in Tageszeitungen – Unterhaltung
5.01. Feature
5.02. Porträt

6. Abschluss

7. Literaturangaben

1. Einleitung

Es gehört für die meisten Menschen zum morgendlichen Ritual, am Frühstückstisch bei Brötchen, Müsli und Kaffee die Tageszeitung zu studieren. Aus ihr entnehmen wir allerlei Informationen, bilden uns eine Meinung oder werden unterhalten. Doch die wenigsten fragen sich, wie das geschieht. Welche Mittel werden eingesetzt, damit wir auch wirklich diesen oder jenen Artikel lesen? Auf welche Art und Weise werden uns die Texte präsentiert?

Diesen und anderen Fragen möchte ich mich in der vorliegenden Arbeit widmen.

Unterschiedliche Textsorten informieren uns in der Tageszeitung jeden Tag aufs Neue. Doch alle Texte haben eins gemeinsam – Es sind Sachtexte. Denn wir entnehmen ihnen in jedem Fall Informationen und wenn es auch nur das Wissen darüber ist, was der Chef des Lokalteils von dem neuesten Beschluss des Stadtrates hält.

Mit Bildern, Grafiken, Infokästen und Interviews sollen wir einen schnellen Überblick über die Thematik bekommen. Wir entnehmen die Informationen nicht aus Fließ-, sondern aus Cluster-Texten. Dazu ist Lesekompetenz notwendig, damit man weiß, wie man mit einem vorliegenden Zeitungstext bzw. Sachtext umgeht. Aus diesem Grund fordert auch der Bildungsplan der Realschule für den Umgang mit Texten, dass die Schüler »journalistische Darstellungsformen hinsichtlich ihrer Intentionalität unterscheiden und bewerten«1 sollen.

Ein Sachtext hat immer die Aufgabe, dem Leser Fakten zu liefern. Dies kann er tun, indem er über einen Sachverhalt informiert (darstellender Text wie Nachricht oder Bericht), den Leser zu einem bestimmten Verhalten auffordert (appellativer Text wie Rede, Wahlprogramm, Kommentar) oder ihm eine Meinung präsentiert (kommentierender Text wie Kommentar, Leitartikel, Glosse). Ein Text kann aber auch Vorgänge oder Zustände, wie Gefühle, zum Ausdruck bringen wollen. Da das aber eine Form ist, die nur sehr selten in Zeitungen auftritt und nichts mit Sachtexten gemeinsam hat, werde ich auf diese Form in der vorliegenden Arbeit verzichten. Alle anderen Textsorten finden sich jedoch täglich in den Tageszeitungen und werden somit auch in dieser Abhandlung ihren Niederschlag finden. Aufgrund dieser obigen generellen Einteilung von Texten unterscheidet man auch im Journalismus drei Arten von Darstellungsformen (Vgl. dazu Kapitel 2).

Ich möchte in dieser Arbeit diese drei Gattungen unterscheiden, ihre gängigsten Darstellungsformen charakterisieren und dabei auf Ähnlichkeiten, Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten sowohl in Aufbau, Schreibstil, Thematik und Inhalt aufmerksam machen.

Diese Theorien werde ich auch anhand von ausgewählten Beispielen aus drei Tageszeitungen (Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Sächsische Zeitung), versuchen zu beweisen, indem ich textsortentypische Merkmale dieser Darstellungsformen an meinen Beispieltexten heraussuchen und erläutern werde.

2. Darstellungsformen in Tageszeitungen

Darstellungsformen in Zeitungen sind so unterschiedlich und vielseitig wie es auch die einzelnen Redakteure an ihren Rechnern sind. Aus diesem Grund existiert ein unterschiedliches Verständnis über die Merkmale der einzelnen Formen.

Eine einheitliche Definition gibt es nicht und auch ich werde hier keine aufstellen können. Trotzdem möchte ich den Einblick wagen und die einheitlichen Punkte der Textsorten zusammenstellen, über die ein Konsens herrscht.

Grundsätzlich kann man die Darstellungsformen in drei große Gattungen einteilen.

- Die informierende Darstellungsform
- Die meinungsbetonte Darstellungsform
- Die unterhaltende Darstellungsform

Doch auch hier sind die Grenzen fließend und nicht klar abzustecken. Nur eine Regel gilt und darf im Journalismus nicht gebrochen werden – die Trennung von Nachricht und Kommentar. Der Chefredakteur des >>Manchester Guardian<< hat es mit der journalistischen Faustregel >>Facts are sacred, comment is free<< auf den Punkt gebracht.

Aus diesem Grund muss der Journalist immer neu entscheiden, mit welcher Darstellungsform er dem Leser seine Informationen am Besten vermitteln kann. Mast schlägt aus diesem Grund vor >>die Darstellungsformen als Brückenschlag zwischen dem Thema, dem Medium, seinen persönlichen Intentionen und Fertigkeiten und den Lesererwartungen zu verstehen<<2.

Diesem >>Brückenschlag<< liegen nach Mast 3 vier Fragen zu Grunde, die sich der Journalist vor einem Artikel stellen sollte:

- Eigenheiten des Mediums

Welches Medium? Welche Rubrik? Wie viel Raum steht zur Verfügung? usw.

- Eigenheiten des Themas

Eignet sich z.B. das Thema für eine ausführliche Reportage oder ist ein sachlicher knapper Bericht angebracht?

- Öffentlicher Auftrag des Journalisten

Wie können gesellschaftliche Vorgänge über das Thema hinaus vermittelt werden?

Durch eher subjektive Schreibweise? Oder besser objektiv?

- Reflexion über publizistische Wirkungsabsichten:

Welche Darstellungsform spricht welches Publikum am ehesten an?

Wenn die Frage der passenden Textsorte geklärt wurde, kann sich der Redakteur an die Arbeit machen und die Nachricht, das Feature, die Glosse oder die Reportage schreiben.

3. Darstellungsformen in Tageszeitungen – die informierende Darstellungsform

3.1. Die Nachricht:

Eine klassisch gewordene Definition für die Nachricht soll 1880 der damalige >>Sun<<-Lokalredakteur John B. Bogart formuliert haben. >>When a dog bite’s a man, that’s not news, but when a man bites a dog, that’s news<<. Anhand dieser Aussage lässt sich das wesentliche Kennzeichen einer Nachricht festhalten: >>Das Berichtete muss sich vom Alltäglichen unterscheiden, muss in irgendeiner Hinsicht ungewöhnlich sein<<4.

Der Amerikaner sagt dazu auch >>News is what’s different<<. Niemanden interessiert eine Nachricht zu alltäglichen Vorgängen.

>>Auch heute fuhren die Kinder von A-, B- und C-Dorf mit dem Schulbus nach D-Dorf zum Unterricht.<<5

Das ist keine Nachricht – es ist Routine, ein immer wiederkehrender Ablauf. Aber daraus wird eine Nachricht, wenn die Routine unterbrochen wird. Zum Beispiel, wenn der Fahrer des Schulbusses mit Alkohol am Steuer erwischt wurde, es einen Unfall gab, der Schulbusverkehr aus Gründen von Finanzkürzungen eingestellt werden musste oder die Kinder ihren alten Schulbus im Rahmen eines Schulprojektes wieder attraktiver gestaltet haben.

Bei Schneider heißt es zu der Nachricht im Anhang:

>>Eine Information über Tatsachen, die für die Adressaten vermutlich neu und interessant sind und unter diesem Aspekt aus möglichen Zusammenhängen gerissen werden.<<6

Schulze hingegen definiert die Nachricht als >>objektive Mitteilung eines allgemeinen interessierenden, aktuellen Sachverhalts in einem bestimmten formalen Aufbau<<7.

Sowohl Schneider als auch Schulze vergessen in ihren Definitionen die Nachricht um den Aspekt der >>Wichtigkeit<< zu ergänzen, der die tragende Rolle spielt, wenn eine Nachricht mal nicht interessant, dafür aber von großem Belang ist.

Mast nimmt aus diesem Grund die Unterteilung in >>harte Nachrichten (hard news)<< und >>weiche Nachrichten (soft news)<< vor. Bei Ersterem steht die Bedeutung im Vordergrund, wohingegen bei den weichen Nachrichten >>der Nachrichtenwert durch das Publikumsinteresse bestimmt wird<<8.

Doch wann ist eine Nachricht von Bedeutung oder interessant für die Leser?

La Roche hat dafür einen Katalog von elf Faktoren zusammengestellt, die bei dem Leser

Interesse erzeugen. Sie heißen:

>>Prominenz, Nähe, Gefühl, Sex, Fortschritt, Folgenschwere, Konflikt, Kampf, Dramatik,

Kuriosität<<9 und Nutzen.

Auf La Roches Faktoren kann aus Gründen der Knappheit nicht genauer eingegangen

werden, da dieser Punkt sonst ausufern würde. Es muss bei der Benennung bleiben.

Der in Schulzes Definition (siehe oben) erwähnte formale Aufbau bezieht sich auf die so genannten „sechs W’s“ – Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum?

Eine Nachricht, die diese Fragen nicht beantwortet, kann und darf nicht als solche bezeichnet werden, da sie dann nicht vollständig wäre.

Schneider und Raue gehen sogar noch weiter: Sie fordern das „Woher?“ als Form der Quellenangabe, wenn der Journalist selbst nicht vor Ort war und das achte W für >>Was

bedeutet das? Was folgt daraus?<< Denn das würde, so Schneider und Raue, >>die Nachricht zur Analyse steigern<<10.

Doch egal, ob man acht W-Fragen oder nur sechs benutzt, die Informationen müssen in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufgeführt werden. Das heißt, dass die Nachricht nach dem >>Trichteraufbau<< gestaltet ist. Man beginnt mit den wichtigsten Informationen, die im Vorspann (Lead) stehen und erst zum Schluss kommen Zusatz- und Hintergrundinformationen. Damit versteht es sich von selbst, dass die zeitliche Ordnung keine wichtige Rolle in der Nachricht besitzt. So kann bei einem Flugzeugabsturz die Nachricht beispielsweise nicht mit dem gelungenen Start auf dem Flughafen beginnen.

Die Welt druckte die folgende dreispaltige Nachricht, die aus 49 Zeilen bestand und somit zu lang ist, um als Meldung betitelt zu werden und zu kurz, um sie einen Bericht zu nennen. Der Einstieg zeigt exemplarisch den typischen Nachrichteneinstieg:

>>Berlin/Warschau – Ein hochrangiger polnischer Regierungsvertreter [Wer 1] hat die die Vertriebenen-Ausstellung „Erzwungene Wege“ in Berlin [Wo 1] schon vor der Eröffnung kritisiert [Was]. Der stellvertretende polnische Kulturminister [Wer 2] sagte gestern [Wann] in Warschau [Wo 2], die Ausstellung präsentiere eine einseitige Sicht auf die Vergangenheit und schiebe „die Verantwortung für die vom deutschen Staat während des zweiten Weltkrieges begangenen Verbrechen ab“[Warum]. <<11

Diese Nachricht gehört in die Gattung >>interessant<<, da sie nicht von besonders großer Bedeutung für die Politik, den Einzelnen oder die Entwicklung in der Welt ist, aber sie sticht heraus und es ist kein alltägliches Ereignis, denn deutsche Ausstellungen werden selten von hohen Regierungsvertretern aus dem Nachbarland kritisiert. Natürlich befinden sich auch die wichtigsten Informationen in den hier zitierten ersten zwei Sätzen bzw. in dem >>Nachrichtenkopf<< (Lead), der in der Nachricht dem ersten Absatz entspricht.

Nach La Roche lässt sich hier der Interessenkreis hauptsächlich auf die Punkte >>Konflikt<< und >>Prominenz<< festlegen. Der letzte Punkt wird besonders noch einmal am Ende verstärkt, in dem gesagt wird, dass die Verantwortliche >>auf die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel<< setzt.

Das zeigt, wie sehr auch die objektiven Nachrichten durch Inhalt und noch mehr durch ihre Überschriften versuchen Leser zu werben. Besonders begehrt sind dabei Überschriften und Thematiken, die entweder die Weltöffentlichkeit betreffen wie >>Israel verschärft Luftkrieg

gegen Libanon<<12 oder die den einzelnen Menschen betreffen. So lautete eine Überschrift in der Sächsischen Zeitung >>Energie wird zum Winter wieder teurer<<13.

Der letzte wichtige Aspekt einer Nachricht ist der Gesichtspunkt der Objektivität.

>>Die oft gehörte Forderung, Nachrichten müssten ‚objektiv’ sein, ist jedoch eine Fiktion. Es kann deshalb nur darum gehen, die möglichst wahrheitsgetreue Nachricht zu fordern.<<14

Ganz so einfach, wie es sich Schulze da macht, ist es dann doch nicht und trotzdem hat er Recht. Eine Nachricht kann niemals objektiv sein. Schon allein durch die Trennung von Wichtigem und Unwichtigem nimmt der Redakteur eine subjektive Entscheidung vor. >>Was ist von der Bundestagsdebatte interessant für unsere Leser und was nicht?<< Redakteur A würde sich vielleicht ganz anders entscheiden als Redakteur B. Der Punkt der Objektivität ist auch nicht gegeben, wenn der Redakteur >>ein Omnibus-Unglück in Deutschland wichtiger findet als ein ebenso schweres in Thailand<<15.

Doch das soll kein Argument gegen die Verantwortung eines Journalisten sein, so objektiv und wahrheitsgetreu wie möglich zu berichten. Das heißt im Konkreten, dass jeder Nachrichtenschreiber um eine möglichst sachliche Darstellung bemüht sein sollte, die auf Fakten basiert und alle Wertungen vermeidet. Wertungen werden auch durch Adjektive vorgenommen, die vielleicht unbeabsichtigt eine Meinung vorgeben. Diese sind zu vermeiden.

Das Bemühen um Richtigkeit und Genauigkeit gilt auch für den Fall, daß sich der Rechercheur trotz aller Sorgfalt keine Sicherheit über einen Sachverhalt verschaffen

konnte. Dann muß er im Text oder Beitrag in aller Offenheit auf diese Ungewissheit hinweisen.<<16

Die Kriterien für eine Nachricht sind also sehr eng und die Freiheit des Redakteurs relativ eingeschränkt. Noch enger muss man sich bei einer Meldung an die Regeln einer Nachricht halten, da sie die Länge von 25 Zeitungszeilen nicht überschreitet. Wer mehr Platz benötigt, verfasst einen Bericht. Das ist der anspruchsvollere Bruder einer Nachricht, der >>größer und ein wenig reifer<<17 ist. Die Grenzen zwischen Nachricht und Bericht sind jedoch nicht klar definiert. Manche Begriffe existieren in einer Redaktion gar nicht, in der anderen werden sie inhaltlich klar voneinander abgegrenzt oder sie unterscheiden sich in ihrer Benutzung von Redaktion zu Redaktion. Hier ein Beispiel für die Auffassungen bei dem Begriff >>Meldung<< nach Schneider18:

1. Kurzmeldung (im Unterschied zum Ein- oder Zweispalter)
2. einspaltige Nachricht (im Unterschied zum mehrspaltigen Bericht)
3. nüchterne Nachricht (im Unterschied zur lebhaften Reportage oder Feature)

Auch der Begriff >>Bericht<< wird ähnlich vielfältig behandelt und doch gibt es in den Auffassungen Gemeinsamkeiten. Diese Ähnlichkeiten zusammenzustellen soll mein nächstes Anliegen sein.

3.2. Der Bericht:

Da der Bericht, wie La Roche festgehalten hat, mit der Nachricht verwandt ist, muss es zwischen den beiden Textsorten folglich auch Gemeinsamkeiten geben und so taucht der Begriff >>Nachricht<< auch direkt in der Definition von Schulze auf. Der Bericht ist demnach eine:

>>Journalistische Mitteilungsform (Textsorte), die über die knappe Nachricht hinaus
detaillierte Informationen und gegebenenfalls auch kommentierende Elemente enthält<<

Er kann also mehr Informationen liefern als die Nachricht. Doch worin besteht dieses >>mehr<<?

Beim Berichten dürfe zum Beispiel, so Mast19 das Thema ausführlicher behandelt werden. Weiterhin können Zusammenhänge, Hintergründe, Vorgeschichte und Konsequenzen darin ihren Niederschlag finden.

Einordnen kann man den Bericht zwischen der Reportage und der Nachricht, da er Elemente aus beiden Gattungen vereint. So beantwortet er sämtliche W-Fragen, bietet eine präzise und möglichst knappe Darstellung des Geschehenen. Der Leser wird informiert. Aber auch wenn er weitgehend objektiv ist und eine >>phantasievolle Subjektivität<<20 vermeidet, so nimmt er doch >>Atmosphärisches in sich auf und offenbart die persönliche Handschrift seines Autors auch nicht ganz<<21.

Besonders kennzeichnend für den Bericht ist die hohe Anzahl von Zitaten, die über das übliche Maß hinausgeht.

Nach Mast22 gibt es einige Kriterien, in denen man zu dem Bericht statt zu einer Nachricht greifen sollte. Die Begründungen für diese Kennzeichen werden aus Platzgründen ausgespart.

Der Journalist sollte die Textsorte des Berichtes wählen, wenn:

- der Nachrichtenwert der reinen Fakten nicht besonders groß ist
- der Inhalt keine unmittelbar neuen Informationen enthält
- ein tagesaktueller Anlass fehlt
- der Anteil an Interpretierendem (Hintergrund, Zusammenhänge, Ausblicke etc.)
mehr Gewicht hat als die neue Information
- das Thema eher Lese- und Unterhaltungswert als Nachrichtenwert hat
- in chronologischer Reihenfolge mehrere Ereignisse eines Themenkreises aufgearbeitet werden sollen

Der Bericht muss die W-Fragen nicht unbedingt in den ersten zwei bis drei Sätzen beantworten, aber er darf es, wenn es denn der Autor so möchte. Dies war in der >>Welt<< der Fall.

>>München [Wo] – Der internationale Sportwettenanbieter Bwin [Wer 1] steht in Deutschland vor dem Aus. Die Landesregierungen [Wer 2] wollen dem Unternehmen am heutigen Donnerstag [Wann] – einen Tag vor dem Start der Fußball-Bundesliga – offenbar die Konzession entziehen [Was]. <<23

Das Wie (>>Unterlassungsverfügung mit Sofortvollzug<<), das Woher (>>Laut der Sächsischen Zeitung<<), das Warum (Spielsuchtförderung und Umsatzeinbußen der Länder) und die Folgen (kein Sponsoring mehr für Sportclubs) werden nicht im Lead erwähnt, weil in der Folge genug Platz ist, um diese Punkt genauer auszuführen und sie mit Zitaten zu unterlegen (>>›Die Länder werden scheitern, wenn sie glauben, sie könnten die Liberalisierung der Märkte in Europa aufhalten‹, hieß es aus dem Umfeld des Unternehmens.<<). Weiterhin wird in einem Info-Kasten ein offener Brief des Geschäftsführers des TSV 1860 München veröffentlicht, für den in einer Nachricht gar kein Platz wäre.

Doch ein Bericht muss nicht immer sofort die wichtigsten W-Fragen beantworten. Denn das, was bei einer Nachricht für die einzelnen Sätze gilt, gilt bei dem Bericht für Absätze und somit ist auch ein Einstieg wie dieser aus der Süddeutschen Zeitung denkbar:

>>Josef Hecken wollte nur einen Stein ins Wasser werfen, sagt er. Doch für die Apotheker hat der saarländische Sozialminister eine Flutwelle ausgelöst, die sie begraben könnte. Es geht um Privilegien der Branche, die diese seit Jahren hartnäckig verteidigen – gegen alle Gesundheitsreformen. Doch diesmal, so scheint es, könnten die Apotheker den Lobby-Kampf verlieren<<24

Bisher haben wir nur das Wer erfahren, welches durch Josef Hecken und die Apotheker gekennzeichnet ist. Erst jetzt werden die ersten richtigen Fakten genannt.

>>Das Landgericht Saarbrücken billigte in einer Eilentscheidung am Mittwoch das Vorgehen Josef Heckens und damit darf die niederländische Internetapotheke Doc Morris ihre erste deutsche Filiale weiter betreiben.<<

Auch in diesem Bericht kommen wieder verschieden Personen zu Wort, es wird erklärt, welche Folgen dieser Fall haben könnte (in Zukunft können Kapitalgesellschaften Apotheken betreiben) und wie es zu dieser Entwicklung kam.

Die Textsorte des Berichtes kann aber noch weiter untergliedert werden. Ich möchte an dieser Stelle in aller Kürze vier weitere >>Spezialfälle<< erwähnen.

Der Tatsachenbericht:

Der Tatsachenbericht dient dem Abwägen, Zuordnen und Zusammenfassen von Fakten. Er beginnt mit den zentralen Tatsachen und die Neben- sowie Hintergrundinformationen folgen darauf.

Der Handlungsbericht:

Der Handlungsbericht stellt einen Ablauf von Ereignissen dar. Er arbeitet sich zu einem Ziel hin, welches jedoch bereits am Anfang des Artikels benannt wird. Die Zwischenschritte folgen daraufhin.

Der Handlungsbericht kann zum Beispiel über die Umsetzung einer Baumaßnahme X innerhalb von 2 Jahren berichten. Zu Beginn würde dann das Vorhaben X bzw. das

Endprodukt erklärt werden und in der Folge des Textes kämen die einzelnen Bauphasen zur Sprache, die innerhalb dieser 24 Monate zu dem Endprodukt X führen sollen.

Der Zitatenbericht:

Der Zitatenbericht hat es sich zur Aufgabe gemacht, Aussagen von Reden oder Diskussionen zu komprimieren. Aus ihnen werden die Kernaussagen herausgesucht, welche an den Anfang des Berichtes gestellt werden. Damit diese Aussagen für den Leser schlüssig und in einen Kontext eingebettet werden können, verbindet man weitere Zitatpassagen durch Erläuterungen.

Der Hintergrundbericht:

Der Hintergrundbericht will aktuelle Geschehnisse für den Leser transparent machen und sie

in ihren Kontext stellen.

Besondere Kennzeichen für den Hintergrundbericht sind:

- Erwähnung der Geschichte oder des Zusammenhangs, in dem das Ereignis stattfand
- Nennung von Statistiken, Daten oder wichtigen Dokumenten
- Neutrale und objektive Analysen des Journalisten
- Nutzung von glaubhaften Zitaten (Experten, Augen- oder Zeitzeugen etc.)

Einen Hintergrundbericht veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung zwei Tage nachdem eine Tänzerin der Show >>Afrika, Afrika<< aus dem Fenster ihrer Berliner Wohnung fiel. Der Bericht beginnt mit der Beschreibung des Choreographen Georges Momboye, der >>mit sehr geradem Rücken in einem Zelt [sitzt] und [...] über eine Tote und einen Lebenden<< spricht. Nach dieser Beschreibung wird kurz der Polizeibericht (>>die Polizei glaubt, dass ihr Mann sie aus dem Fenster gestoßen hat<<), um dann mit Geschichte der Tänzerin von Anfang an zu beginnen. >>Im Senegal findet er [der Choreograph] Khady [die Tänzerin] und ihren Mann. Er sagt heute: ›Ich habe es gesehen. Die Konflikte, sie waren da.‹<< Im Folgenden berichtet der Choreograph von seinen Erfahrungen zu dem Opfer, führt die Intentionen seiner Show aus und erzählt von den Konflikten zwischen Khady und ihrem Mann. Khadys Mann soll demnach >>zwei Tänzerinnen bedroht haben, er habe mit ihnen schlafen wollen. Da habe Khady aufgehört zu schweigen, der Zirkus entließ ihren Mann. Am Tag aber, an dem er in den Senegal fliegen sollte, sei er geflohen<<.

[...]


1 Bildungsplan Baden-Württemberg 2004, S. 53

2 Mast 1998, S. 222

3 Mast 1998, S. 222

4 La Roche 1999, S. 64

5 La Roche 1999, S. 64

6 Schneider 2003, S. 372

7 Schulze 2001, S. 199

8 Mast 1998, S. 227

9 La Roche 1999, S. 73

10 Schneider 2003, S. 74

11 Die Welt 185, S. 1

12 Die Welt 183, S. 1

13 SZ 190, S. 1

14 Schulze 2001, S. 200

15 Schneider 2003, S. 106

16 Mast 1998, S. 229

17 La Roche 1999, S. 129

18 Schneider 2003, S. 66

19 Mast 1998, S. 233

20 Mast 1998, S. 233

21 Mast 1998, S. 233

22 Mast 1998, S. 234

23 Welt 185, S. 13

24 Süddeutsche 183, S. 2

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Darstellungsformen in Tageszeitungen
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg  (Institut für Sprachen)
Veranstaltung
Umgang mit Texten – Sachtexte
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
39
Katalognummer
V134172
ISBN (eBook)
9783640416974
ISBN (Buch)
9783640412389
Dateigröße
684 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Darstellungsformen, Tageszeitungen
Arbeit zitieren
Alexander Willrich (Autor:in), 2007, Darstellungsformen in Tageszeitungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134172

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Titel: Darstellungsformen in Tageszeitungen



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