Kriminell durch Bindungsstörung?

Eine Fragebogenuntersuchung an verurteilten Gewaltverbrechern


Bachelorarbeit, 2009

32 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kriminologie, Kriminalität und Gewalt
2.1 Definitionen
2.2 Kriminologische Theorien

3. Die familiäre Bindung
3.1 Bindungsarten
3.2 Bindungsstörung im Zusammenhang mit Gewalt

4. Studien: Bindung und Gewaltneigung
4.1 Ergebnisse verschiedener Studien
4.2 Eigene Studie

5. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Sie setzen Eigenes und Fremdes aufs Spiel, sie liefern Dinge und Menschen der Zerstörung aus, sie überschreiten Grenzen des Anstands, der Intimität, der Scham und des Rechtes auf Unversehrtheit [...].“1

Hier werden Menschen mit destruktivem Verhalten beschrieben. Unter anderem zeigt sich dies in Form von Gewalt.

Kriminalität ist ein ständig präsentes, gesellschaftliches Problem. Es stellen sich Soziologen, Psychologen und Kriminologen immer wieder die Frage was man gegen die wachsende Zahl krimineller Handlungen, vor allem Gewaltdelikten, tun kann.

Ich möchte mich in der vorliegenden Arbeit mit der Entstehung von gewalttätigem Verhalten beschäftigen. Ganz speziell möchte ich die Bedeutung der Bindung im Zusammenhang mit der Entstehung delinquenten Verhaltens und Kriminalität untersuchen. Gibt es eine Bindungsart, die unter Gewaltverbrechern besonders verbreitet ist? Kann man davon ausgehen, dass eine Bindungsstörung zu hoher Wahrscheinlichkeit dazu führt kriminell zu werden?

Können die Ergebnisse dazu führen, dass wir eine Methode finden, um kriminellen Handlungen anders zu begegnen als eine Freiheitsstrafe zu verhängen? Gibt es gar eine Therapiemöglichkeit? Welche Konsequenzen hätte das für die Sozialarbeit?

Um diesen Fragen nachzugehen, habe ich eine Fragebogenuntersuchung zur Bestimmung des Bindungsmusters an verurteilten Gewaltverbrechern unternommen und diese mit bereits vorhandenen Studien und Literatur zu diesem Thema verglichen.

Im ersten Teil meiner Arbeit möchte ich kurz einige Grundlagen zur Kriminologie aufführen und beschreiben welche Theorien für kriminelles Verhalten es bereits gibt. Danach gehe ich auf die Bindungstheorie ein, erläutere verschiedene Bindungsmuster, um im letzten Teil der Arbeit dann einen möglichen Zusammenhang zwischen Bindungsmuster und kriminellem Verhalten herzustellen.

2. Kriminologie, Kriminalität und Gewalt

Dieses Kapitel soll einen kurzen Einblick geben was die, in der Arbeit häufig verwendeten, Begriffe bedeuten, ab wann die Gewalt eigentlich beginnt und was man sich unter Kriminalität vorstellen kann.

2.1 Definitionen

Gewalt ist für die Kriminologie ein Thema, das nie an Aktualität und Interesse verliert. Es wird sich mit den Fragen beschäftigt welcher Typ von Mensch überhaupt kriminell ist, wie die Kriminalität entsteht und wie häufig sie auftritt, was man dagegen tun kann und welche Formen der Kriminalität besonders häufig vorkommen.2

Die Kriminologie kann zugleich als Human- und Sozialwissenschaft gesehen werden. Humanwissenschaft, da der Straftäter als Individuum gesehen wird, sozialwissenschaftlich wird der Einfluss der Gesellschaft betrachtet. Krimininalitätsentstehung wird so oft als Sozialprozess verstanden.3

Die Kriminologie sieht sich, kurzgesagt, als die Lehre vom Verbrecher und dem Verbrechen.

„Gegenstände der Kriminologie sind Verbrechen und sozialabweichendes Verhalten. Verbrechen ist das Verhalten, das unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen in Strafgesetzen mit bestimmten Deliktsfolgen bedroht, das also z.B. in einem bestimmten Staat „strafbar“ ist. [...]“4

Je nachdem also in welchem Land wir uns befinden ist der Begriff „Kriminalität“ noch einmal abhängig von der jeweiligen Gesetzgebung, ebenfalls wie dann mit der Kriminalität umgegangen wird. Rechtliche Folgen krimineller Handlungen werden im jeweiligen Strafgesetzbuch festgehalten.

Gewalt kann verschiedene Formen haben zum Beispiel Gewalt gegen die eigene Person, gegen andere Personen, aber auch gegen Sachen.

Zudem wird unterteilt zwischen körperlicher und psychischer Gewalt.

Gewalt, als kriminelle Handlung gesehen, ist also Hauptelement der Kriminologie. Genau mit dieser Form von Gewalt will ich mich in meiner Arbeit beschäftigen.

Die Form von Gewalt, die in der Kriminologie beobachtet wird, ist meist physisch gegen Sachen oder Personen gerichtet. Da psychische Gewalt oft nicht angezeigt und immer noch verharmlost wird, ist diese Form schwerer zu untersuchen.

Ein auslösender Faktor der oft zu Gewalt führt ist die Aggression. „Aggression betrifft innerpsychische Prozesse [...] Gewalt hingegen ist eine beobachtbare tatsächliche Handlung [...].“5 Aggression allein, ist also noch kein Indikator für kriminelles Verhalten. Zusammenfassend kann man sagen, dass gewalttätiges Verhalten dann als kriminell eingestuft wird, wenn es gegen juristische Normen verstößt. Aggressivität verstößt lediglich gegen allgemeine Umgangsformen.

In der Sozialarbeit sollte aber die Aggressivität in Untersuchungen mit einbezogen werden, da aggressives Verhalten oft durch Gewalttätigkeit ausgedrückt wird.

Es gibt bereits vielerlei Ansätze bei der Erklärung wie Kriminalität entsteht, diese werden im kommenden Unterkapitel kurz dargestellt.

2.2 Kriminologische Theorien

Biologische Theorien in der Kriminologie suchen Ursachen von gewalttätigem Verhalten im Menschen selbst. Genetische und neurophysiologische Aspekte sind hier besonders bedeutsam.6

Eine der biologischen Theorien zur Entstehung von Kriminalität ging von Cesare Lombroso aus, der behauptete man könne kriminelle Menschen an deren Körper erkennen. Verbrecher hätten ihm zufolge im allgemeinen krumme Nasen, eine kleine Stirn, spärliche Behaarung, blutunterlaufene Augen und lange Ohren.

Er wollte das kriminelle Verhalten auf Erbanlagen zurückführen. Somit stellte er die These vom geborenen Verbrecher auf, die auch als Kriminalbiologie bekannt ist. Diese Theorie ist heute verständlicherweise äußerst umstritten und findet kaum noch Beachtung.7

Die Psychoanalytische Sicht auf die Kriminologie wurde von Freud geprägt, der davon ausging, dass eine Tat eine Erleichterung für den Täter darstellen kann und dazu dient ein Schuldgefühl zu unterdrücken.8 Freud, genau wie Aichhorn, ging davon aus, dass der Mensch als kriminelles Wesen geboren wird und es nur durch Sozialisation gelingen kann ihn von kriminellem Handeln abzuhalten.9

Aichhorn nahm ebenfalls an, dass bedingt durch Störungen in der Persönlichkeits-entwicklung, zum Beispiel durch Ablehnung der Eltern, kriminelles Handeln entstehen kann.10 Diese Theorie ist bekannt als „latente Verwahrlosung“. Der emotionalen und sozialen Verwahrlosung des Kindes wird hier besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Sozialpsychologische Theorien wurden unter anderem von Sutherland aufgestellt. Das kriminelles Verhalten genau wie jedes andere Verhalten auch gelernt werden kann, besagt er mit seiner Lerntheorie. Dies kann so erfolgen, dass ein erstes kriminelles Handeln Erfolg hatte und somit das Verhalten wiederholt wird.11

Eine soziologische Kriminalitätstheorie ist die Theorie der Subkultur von Cohen. Cohen meinte, dass vor allem Menschen aus der Unterschicht kriminell werden, die weniger Möglichkeiten haben erfolgreich zu sein. Da dies eine der wenigen Chancen ist Ziele zu erreichen und Stress abzubauen, greifen Menschen auf Kriminalität zurück.12

Eine weitere bekannte Kriminalitätstheorie ist die „General Theory of Crime“ von Hirschi und Gottfredson, ein Kombinationsansatz aus verschiedenen Theorien. Es wird davon ausgegangen, dass mehrere Faktoren bei der Entstehung von Gewaltneigung eine Rolle spielen, vor allem schwache Selbstkontrolle und verschiedene andere Persönlichkeits-merkmale werden hierfür aufgeführt.13 Die Sicht auf verschiedene Faktoren als Entstehungsmöglichkeit wird sehr positiv gesehen. Eher negativ bewertet wird aber, dass andere Personengruppen wie zum Beispiel Drogenkonsumenten oder Ursachen wie eigene Gewalterfahrungen gänzlich aus dem Blickfeld geraten sind.14

3. Die familiäre Bindung

In diesem Kapitel soll es darum gehen, grundlegendes Verständnis darüber zu vermitteln, was die Bindungstheorie lehrt und welche verschiedenen Bindungsmuster es gibt.

Im späteren Verlauf werden wir auf diese zurückgreifen, um sie als eine Möglichkeit für die Entstehung von kriminellem Verhalten in Betracht zu ziehen.

Der Begründer der Bindungstheorie war der Arzt und Psychoanalytiker John Bowlby. Er untersuchte zusammen mit Mary Ainsworth und James Robertson wie sich mütterliches Umsorgen auf das psychische Wohlbefinden des Kindes auswirkt und wie es die Lebensentwicklung prägt.15

Durch die Reaktionen der Pflegeperson entwickelt das Kind so genannte innere Arbeitsmodelle von Bindung. Als primäre Bindungsperson gilt meist die Mutter, aber auch der Vater kann diese Rolle übernehmen.16

Die Bindungstheorie geht davon aus, dass jeder Mensch das Bedürfnis nach Bindung und Erkundung hat. Bei besonderer Erregung hat ein Kind meist den Wunsch räumliche und psychologische Nähe zu bekommen. Werden diese Bedürfnisse befriedigt, gilt dies als Voraussetzung für eine stabile psychisch-emotionale Entwicklung.

Die erworbenen Bindungserfahrungen sind bestimmend für alle folgenden Beziehungs-erfahrungen im weiteren Lebensverlauf und beeinflussen unser Bindungsverhalten bis ins Erwachsenenalter.17

Um die Bindungstheorie empirisch zu belegen und verschiedene Bindungsstrukturen zu erkunden, entwickelte Ainsworth einen „Fremde-Situations-Test“, bei dem Kleinkinder einen fremden Raum erkunden. Je nachdem wie sich das Kind verhält während die Bindungsperson den Raum verlässt und eine fremde Person den Raum dafür betritt, ließen sich verschiedene Bindungsmuster finden.

Anzumerken ist, dass das Bindungsbedürfnis vor allem bei Angst- oder Stress auch bis ins Erwachsenenalter noch aktiviert wird.18

Im nächsten Kapitel werden diese verschiedenen Bindungsmuster, deren Entstehung und Folgen näher erläutert.

3.1 Bindungsarten

Bekommen Kinder viel Geborgenheit, Sicherheit und Feinfühligkeit von ihrer Bindungsperson und wird ihnen Mut gemacht und geholfen ihr emotionales Gleichgewicht zu finden und zu halten, so entwickeln sie eine sehr enge Bindung.19 Diese Art von Bindung wird die „sichere Bindung“ genannt.

„Kinder mit „sicherer“ Bindung wissen, daß ihnen ihre Eltern in Streß- oder Angstsituationen emotional und tatkräftig zur Seite stehen [...] sich ihm liebevoll zuwendet, es insbesondere beschützt und/oder tröstet.“20

Man kann also sagen, wenn sich die Kinder sicher sind, dass sie sich zu jeder Zeit auf die Erreichbarkeit und einfühlsamen Hilfsbereitschaft ihrer Bindungspartner verlassen können, entsteht die sichere Bindungsqualität. Natürlich kann die Mutter oder der Vater nicht immer vor Ort sein, zum Beispiel wenn das Kind in den Kindergarten geht. Hier ist es aber von Bedeutung, dass das Kind auf die emotionale Erreichbarkeit bauen kann und sich der Rückkehr der Person sicher ist und freuen kann. Wissen Kinder mit sicherer Bindung nicht sich allein weiterzuhelfen, so suchen sie Rat bei anderen Personen, da ihre Erfahrungen mit Bindungspersonen gezeigt haben, dass ihnen auch gern geholfen wird.21

In nicht-klinischen Untersuchungen zeigt sich dieses Bindungsmuster am häufigsten und wird als Voraussetzung für eine hohe Resilienz gesehen.22

Menschen mit sicherer Bindung können ihre eigenen Gefühle gut erkennen und wiedergeben. Sie pflegen gern Beziehungen in ihrem Leben und messen diesen großen Stellenwert bei. Selbst einige negative Erfahrungen werden durch die positiven Bindungserlebnisse aufgehoben.23

Können Kinder ihre Bindungspersonen hingegen nicht als eine sichere Quelle empfinden entsteht eine „unsichere Bindung“.

[...]


1 Resch, Parzer, Brunner in: Streeck-Fischer (2004) S. 177

2 vgl. Kreissl, Reinhard in Krasmann, Scheerer (1997) S. 184

3 vgl. Schneider (1977) S. 8

4 Schneider (1977) S. 8

5 Krasmann, Scheerer (1997) S. 12

6 vgl. Ross (2001) S. 26- 27

7 vgl. Schneider (1977) S. 24- 25

8 vgl. Schmidts, Hessel in: Düsing, Düsing, Klein (2006) S. 210

9 vgl. http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Kriminalitätstheorie

10 vgl. http://www.lawww.de/Library/Kriminologie/skript_2.html

11 vgl. http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Kriminalitätstheorie

12 vgl. ebd.

13 vgl. ebd.

14 vgl. z.B Neubacher (2005) S. 241

15 vgl. http://www.uni-bielefeld.de/paedagogik/Seminare/moeller02/07bindung2/sub/bowlby.html

16 vgl. Bowlby (1995) S. 23

17 vgl. ebd. S. 17

18 vgl. ebd. S. 18

19 Hüther in Streeck-Fischer S. 145

20 Bowlby (1995) S. 117

21 vgl. Streeck-Fischer (2004) S. 19

22 vgl. ebd. S. 18, 24

23 vgl.Fremmer-Bombik in Sprangler, Zimmermann (1995) S. 114

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Kriminell durch Bindungsstörung?
Untertitel
Eine Fragebogenuntersuchung an verurteilten Gewaltverbrechern
Hochschule
Fachhochschule Potsdam
Note
2,1
Autor
Jahr
2009
Seiten
32
Katalognummer
V134058
ISBN (eBook)
9783640416677
ISBN (Buch)
9783640411306
Dateigröße
2768 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kriminell, Bindungsstörung, Eine, Fragebogenuntersuchung, Gewaltverbrechern
Arbeit zitieren
Sabine Wruck (Autor:in), 2009, Kriminell durch Bindungsstörung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134058

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Kriminell durch Bindungsstörung?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden