Moral und Kommunikation


Seminararbeit, 2002

12 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Moralische Kommunikation
1.1 Kommunikative Konstruktion vom Moral
1.2 Konstitutive Komponenten einer Protomoral

2. Exkurs: Moralische Entwicklung nach Lawrence Kohlberg (1927 - 1987)
2.1 Niveaus und Stufen der moralischen Entwicklung nach Kohlberg (1964; 1981)

3. Philosophische Grundannahmen Kohlbergs Theorie und Diskursethik

4. Literaturverzeichnis

1. Moralische Kommunikation

Moralische Kommunikation ist sowohl auf der Ebene der "massenmedialen 'Angebote' moralischer Unternehmer" (Luckmann 1998, 31) als auch auf der Ebene "der unmittelbaren und wechselseitigen moralischen Kommunikation im Alltag" (Luckmann 1998, 31) empirisch erfaßbar.

Kommunikative Handlungen unterliegen den Erfordernissen der jeweiligen Situation, an der andere Personen [...] beteiligt sind und sie sind in ihrem Vollzug z. B von der Wortwahl, dem Tonfall bis hin "zu den dialogischen Strukturzwängen der kommunikativen Gattung, auf die sich die Kommunikationspartner eingelassen haben" (Luckmann 1998, 32) vorgeprägt.

Kommunikative Handlungen können sowohl einseitig, vom Kommunikationspartner keine Antwort erwartend als auch wechselseitig und demzufolge eine Antwort des Kommunikationspartners erwartend, sein. Kommunikative Handlungen können darüber hinaus unmittelbar sein, d. h. die an einer kommunikativen Situation Beteiligten sind "in gegenseitiger körperlicher Reichweite" (Luckmann 1998, 32) und kommunikative Handlungen sind mittelbar, "wenn andere Bedeutungsträger als die eigene Stimme, Gestik oder der Gesichtsausdruck zur Vermittlung des gemeinten Sinns, der 'Botschaft', nötig werden" (Luckmann 1998, 32 - 33).

Kommunikation wird dann zu einer moralischen,

"wenn in einer kommunikativen Tätigkeit eine fremde oder eigene konkrete Handlung, ein ganzes Leben, ein Individuum, eine kollektive Person bewertet wird; und zwar nach Kriterien bewertet wird, die inhaltlich an einer Vorstellung von Gut und Böse ausgerichtet sind, wobei das Werten der Form nach entweder explizit oder implizit sein kann" (Luckmann 1998, 33).

1.1 Kommunikative Konstruktion von Moral

Moralischer Kommunikation und ihrer damit "ausgeführten kommunikativen Handlungen" (Bergmann/Luckmann 1999, 13) begegnen wir in unserem heutigen Alltag ständig in Form von "Beleidigungen, Beschuldigungen, Vorwürfe[n], Vorhaltungen, Beschwerden, Entschuldigungen, Rechtfertigungen, Flüche[n], Entrüstung[en], Gejammer und zahlreiche[n] andere[n] Aktivitätstypen" (Bergmann/Luckmann 1999, 13).

Dieser Moral in der alltäglichen Kommunikation sind wir uns jedoch häufig nicht bewußt. Oft werden wir uns dieser erst in "besonderen Situationen - etwa dort, wo unterschiedliche moralisch Regeln aufeinandertreffen und für Irritation sorgen" (Bergmann/Luckmann 1999, 14) bewußt.

Eine auf Kommunikation begründete "Konzeption von Moral" (Bergmann/Luckmann 1999, 22) fragt danach, ob eine "Handlung von den Beteiligten selbst überhaupt als moralisch relevante Handlung wahrgenommen" (Bergmann/Luckmann 1999, 22) wird und wie diese "Moralische Interpretation im kommunikativen Austausch der Beteiligten zum Ausdruck" (Bergmann/Luckmann 1999, 22) kommt.

Moralische Kommunikation definiert sich dadurch, daß

"in der Kommunikation einzelne Momente der Achtung oder Mißachtung, also der sozialen Wertschätzung einer Person, mittransportiert werden und dazu ein situativer Bezug auf übersituative Vorstellungen von 'gut' und 'böse' bzw. vom 'guten Leben' stattfindet" (Bergmann/Luckmann 1999, 22).

Bei dieser Definition von moralischer Kommunikation sei erwähnt, daß eine Kommunikation nicht dadurch moralisch ist, "daß in ihr moralische Aspekte des menschlichen Handelns angesprochen werden" (Bergmann/Luckmann 1999, 22).

Für Moralische Kommunikation ist also entscheidend, "daß es zu einer Moralisierungshandlung [...], also zu sozial wertenden Stellungnahmen" (Bergmann/Luckmann 1999, 23) kommt, "die sich auf Handlungen oder Personen beziehen und geeignet sind, das Ansehen, das Image, die Ehre oder den Ruf der benannten oder identifizierbaren Person zu beeinträchtigen oder zu steigern" (Bergmann/Luckmann 1999, 23). Moralisierung bezieht sich hierbei sowohl "auf vergangene Handlungen bzw. abwesende Personen" (Bergmann/Luckmann 1999, 23) als auch "auf ein aktuelles Geschehen" (Bergmann/Luckmann 1999, 23) bzw. eine anwesende Person. Darüber hinaus "kann der moralisierende Achtungs- oder Mißachtungserweis direkt und explizit [...] erfolgen oder indirekt und von der Seite her" (Bergmann/Luckmann 1999, 23). Direktheit und Explitzitheit erfolgt z. B. durch "moralisierende[r] Sprichwörter oder "moralisch aufgeladene[r] Bezeichnungen" (Bergmann/Luckmann 1999, 23). Indirektheit und Implizitheit kann z. B. "durch Andeutung, Anspielung, Ironie, Insinuation und dergleichen" (Bergmann/Luckmann 1999, 23) erfolgen. Moralisierung bezieht sich sowohl "auf Einzelindividuen als auch auf soziale Gruppen [...]" (Bergmann/Luckmann 1999, 23).

1.2 Konstitutive Komponenten einer Protomoral

Protomoral ist als

"jenes universales Strukturelement der Lebenswelt, das in der historischen gesellschaftlichen Konstruktion, Aufrechterhaltung und Vermittlung jeweiliger moralischer Kodes vorausgesetzt ist" (Bergmann/Luckmann 1999, 27)

definiert.

Hier steht die Frage nach einem gemeinsamen Fundament "für die verschiedenen Spielformen der Moral" (Bergmann/Luckmann 1999, 24) im Vordergrund. Für eine "Konstitution der Protomoral" (Bergmann/Luckmann 1999, 25) spielen Termini der Bewertungsleistungen sowie Werte „als deren sedimentierten Ergebnisse“ (Bergmann/Luckmann 1999, 25), des Akteurbezugs und der Wahlmöglichkeit eine bedeutende Rolle.

Eine Wertezuschreibung erfolgt, indem etwas als besser bzw. höher bewertet wird als etwas anderes. Werte erlauben also die Möglichkeit Urteile und Wahlentscheidungen zu treffen. Jedoch ist nicht jede Bewertung gleichzeitig auch ein moralisches Urteil, da Werte „ganz allgemein konstitutive Bestandteile des subjektiven Sinns von Handlungen“ (Bergmann/Luckmann 1999, 25) sind.

Bewertungshandlungen allein genügen jedoch nicht, ein Urteil auch automatisch zu einem moralischen Urteil zu machen. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil für die Konstitution einer Protomoral ist der bereits o. g. Akteurbezug, da Bewertungen sich nie allein „auf einen Gegen-stand oder eine isolierte Handlung“ (Bergmann/Luckmann 1999, 26) beziehen. Vielmehr sind diese, direkt oder indirekt „auf einen Akteur oder eine Gruppe von Akteuren" (Bergmann/Luckmann 1999, 26) bezogen.

Die moralische Bewertung hat also immer auch die Funktion einer Wertschätzung des Akteurs. Moralische Urteile sind demzufolge "immer auf das Ansehen, das Image, die Ehre oder den Ruf des Moralisierungsobjekts ausgerichtet" (Bergmann/Luckmann 1999, 26).

Soll jedoch ein wertendes Urteil zu einem moralischen Urteil werden, ist ein drittes Strukturmerkmal - das der Wahlmöglichkeit - erforderlich. Wertende Urteile werden letztlich erst dann zu moralischen Urteilen, wenn "den Akteuren die Möglichkeit und Fähigkeit zugeschrieben wird, zwischen verschiedenen Handlungsobjekten zu wählen" (Bergmann/Luckmann 1999, 26).

Ihre Begründung findet diese Zuschreibung im "Prinzip der Reziprozität der Perspektiven (Schütz 1971b, 364ff.)" (Bergmann/Luckmann 1999, 26 - 27). Dieses Prinzip geht davon aus, daß kompetente Akteure für sich persönlich die Fähigkeit in Anspruch nehmen, "zwischen verschiedenen Handlungsentwürfen und -verläufen zu wählen" (Bergmann/Luckmann 1999, 27). Dem Prinzip der Reziprozität der Perspektiven zufolge wird diese Fähigkeit, zwischen verschiedenen Handlungsentwürfen zu wählen, ebenfalls auf diejenigen Interaktionspartner attribuiert, welche als solche anerkannt werden. Hier erfolgt ein Prozeß wechselseitiger Zuschreibung von Verantwortung, indem man andere für ihre Handlungen verantwortlich hält und gleichzeitig davon ausgeht,

"daß man selbst für das, was man tut, von den anderen verantwortlich gehalten wird" (Bergmann/Luckmann 1999, 27).

Aus dieser sogenannten "Proto-Verantwortung" (Bergmann/Luckmann 1999, 27) können nun in den verschiedenen Kulturen jeweils individuelle "Ausprägungen von moralischer Verantwortung konstruiert werden" (Bergmann/Luckmann 1999, 27). Dabei ist beachtenswert, daß die verschiedenen Kulturen jeweils unterschiedliche Auffassungen davon haben, "für wen das Prinzip der Reziprozität der Perspektiven Gültigkeit haben soll" (Bergmann/Luckmann 1999, 27). So werden diejenigen zu Außenstehenden der Gesellschaft gemacht, auf die dieses Prinzip nicht angewandt wird. "Zuerkennung protomoralischer Qualitäten" (Bergmann/Luckmann 1999, 27) führt demzufolge zur 'Achtung' bzw. deren "Verweigerung oder Entzug zur 'Ächtung'" (Bergmann/Luckmann 1999, 27) der betreffenden Personen.

[...]

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Details

Titel
Moral und Kommunikation
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Philosophische Fakultät / Interkulturelle Kommunikation)
Veranstaltung
Religiöse Wertorientierung und Interkulturelle Kommunikation
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
12
Katalognummer
V13397
ISBN (eBook)
9783638190664
Dateigröße
486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Moral, Kommunikation, Religiöse, Wertorientierung, Interkulturelle, Kommunikation
Arbeit zitieren
Sandra Richter (Autor:in), 2002, Moral und Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13397

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