Grundzüge der Netzwerktheorie


Hausarbeit, 2009

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Soziale Beziehungen als Grundlage sozialer Netzwerke

3 Ursprünge der soziologischen Netzwerkanalyse

4 Ebenen der Netzwerktheorien
4.1 Netzwerktheorie als strukturalistische Handlungstheorie
4.2 Netzwerktheorie als konstruktivistische Gesellschaftstheorie

5 Ausblick

Literaturverzeichnis

Internetverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Zum Aufbau der Arbeit

Abb. 2: Dimensionen sozialer Beziehungen

Abb. 3: Merkmale sozialer Netzwerke

Abb. 4: Historie vom Strukturfunktionalismus zur sozialen Netzwerkanalyse

Abb. 5: Soziogramm einer Kleingruppe

Abb. 6: Partielle versus globale Netzwerke

Abb. 7: Methoden zur Entwicklung von Netzwerktheorien

Abb. 8: Ansätze zur Theoretisierung sozialer Netzwerke

1 Einleitung

„Netzwerke“ sind in aller Munde und beschreiben Verbindungen zwischen Personen, Organisationen, Computern u.ä. Im Rahmen dieser Arbeit werden Netzwerke aus soziologischer Perspektive betrachtet:

- Dabei ist der erste Schritt der Einsatz der soziologischen Netzwerkanalyse als statistisches Instrumentarium (Jansen, 2006, S. 11).
- Der zweite Schritt ist die Interpretation der erhobenen Daten über soziale Netzwerke durch die Verwendung / Generierung von Netzwerktheorien. Dabei werden jeweils unterschiedliche Sichtweisen der Beziehungsstrukturen zwischen den Akteuren miteinander in Verbindung gebracht (Stegbauer, 2008, S. 12).

Entsprechend dieser Chronologie erfolgt der Aufbau der Arbeit in vier Schritten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Zum Aufbau der Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung.

Im folgenden Kapitel werden einschlägige Definitionen des Begriffes der „sozialen Netzwerke“ beschrieben. Dabei spielen soziale Beziehungen jeweils eine wesentliche Rolle, daher erfolgt auch eine Charakterisierung ihrer Dimensionen. Aufgrund der Vielzahl der vorhandenen Definitionen für soziale Netzwerke werden zusätzlich auch deren Merkmale beschrieben, die im Rahmen empirischer Untersuchungen erhoben werden. Ergänzend zu diesen Hintergrundinformationen wird in Kapitel 3 ein Überblick über die historische Entwicklung gegeben. Dabei werden - ausgehend von Gestalttheorie und Strukturfunktionalismus - die wesentlichen Meilensteine bis hin zur heute bekannten Netzwerkanalyse genannt.

Aufbauend auf den Grundlagen der vorangegangenen Abschnitte werden in Kapitel 4 verschiedene Perspektiven der Netzwerktheorie erörtert. Dabei wird zuerst auf die Mikroebene eingegangen. Diese interpretiert die Netzwerktheorie als strukturalistische Hanldungstheorie, bei welcher soziale Netzwerke jeweils Einfluss auf das soziale Handeln der Individuen haben. Dieser Ansatz wird an einer empirischen Studie belegt. Den Gegenpol bildet dazu Kapitel 4.2. Hier wird die Netzwerktheorie aus der Makroebene interpretiert. Die Netzwerktheorie ist damit eine konstruktivistische Gesellschaftstheorie. Um eine Verknüpfung zur Praxis herzustellen, wird auch dieser Ansatz im Anschluss an die theoretischen Ausführungen durch eine empirische Studie verdeutlicht. Im Ausblick wird schließlich anhand von kurzfristig anstehenden Fachtagungen zu den Themen Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie ein Überblick über den aktuellen Stand der Forschung im deutschsprachigen Raum gegeben.

2 Soziale Beziehungen als Grundlage sozialer Netzwerke

Im Rahmen dieser Arbeit werden soziale Netzwerke und die soziologische Netzwerktheorie erörtert. Der zugrundeliegende Sachverhalt ist nicht neu, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema jedoch noch sehr jung und territorial sehr unterschiedlich. Daher gibt es derzeit noch keine einheitlichen wissenschaftlichen Definitionen. Um sich dem Thema trotzdem auf diesem klassischen Weg anzunähern folgen nun einige Beispiele:

Soziale Netzwerke beschreiben:

- „soziale Beziehungen zwischen Personen“ (Holzer, 2006, S. 6).
- „relationships among social entities, and on the patterns and implications of these relationships” (Wasserman & Faust, 2008, S. 3).
- “a specific set of linkages among a defined set of persons, with the additional property that the characteristics of these linkages as a whole may be used to interpret the social behavior of the persons involved” (Mitchell, 1969, S. 2).

Von soziologischem Interesse werden soziale Netzwerke, wenn sich aus gelegentlichen Kontakten zwischen bestimmten Personen ein relativ stabiles und erwartbares Beziehungsmuster entwickelt hat (Holzer, 2006, S. 9). Wobei jedoch nur reflexive Erwartungen eine Rolle spielen, d.h. Erwartungen, die auf der Grundlage von Erwartungen gebildet werden (Schützeichel, 2003, S. 116).

Im Rahmen von sozialen Beziehungen werden drei Dimensionen unterschieden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Dimensionen sozialer Beziehungen

Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Holzer, 2003, S. 8 ff.

Die expressive Dimension sozialer Beziehungen spiegelt starke Beziehungen wieder, die in der Regel zu Familienangehörigen und guten Freunden zu finden sind. Diese Beziehungen sind auf Dauer angelegt, sie beruhen auf Gegenseitigkeit und äußern sich darin, dass die Personen häufig miteinander interagieren (Friedrichs et al., 1997, S. 428). Im Gegensatz dazu beschreibt die instrumentelle Perspektive von Beziehungen deren Wert in Form von Sozialkapital. Hier werden Kontakte verwendet, um bestimmte Ziele zu erreichen (Holzer, 2006, S. 14 ff.). Da genau diese Form der sozialen Beziehungen in den noch folgenden empirischen Untersuchungen eine tragende Rolle spielt, soll an dieser Stelle zur Gewährleistung eines einheitlichen Verständnisses noch die Definition von Sozialkapital nach James Coleman (1926-1995) ergänzt werden:

"Social capital is defined by its function. It is not a single entity, but a variety of different entities having two characteristics in common: They all consist of some aspect of social structure, and they facilitate certain actions of individuals who are within the structure. Like other forms of capital, social capital is productive, making possible the achievement of certain ends that would not be attainable in its absence" (Coleman, 1990, S. 302).

Die abschließende Kategorie gemäß Abbildung 2 bilden korrupte Beziehungen, bei welchen die Aktivierung der Netzwerke zu Problemen führt. Dies ist der Fall, wenn das Verhalten „von den formalen Pflichten einer öffentlichen Rolle abweicht, zugunsten von als privat anzusehenden (…) finanziellen oder Status-Gewinnen“ (Sommer, 2001, S. 23).

Aufgrund der mangelnden einheitlichen Definition von sozialen Netzwerken wird im Folgenden zur Verdeutlichung zusätzlich auf die Merkmale sozialer Netzwerke eingegangen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Merkmale sozialer Netzwerke

Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an von Kardorff, 1995, S. 403.

Jedes o.a. Merkmal sozialer Netzwerke dient auch als Grundlage für empirische Untersuchungen im Rahmen der Netzwerkanalyse. Die Clusterung der charakteristischen Merkmale ist wie die grundlegende Definition bisher noch nicht vereinheitlicht. Hier vorgestellt wird die Einteilung von Prof. Dr. Ernst von Kardorff, weil sich diese auch in vielen anderen Einschätzungen systematisch wiederspiegelt. Gemäß von Kardorff, 1995, S. 402 ff. verbirgt sich hinter den Interaktionskriterien z.B. die Häufigkeit der Kontaktaufnahme. Dabei liegt der Fokus auf dem jeweiligen Impulsgeber für die Interaktion sowie auf dem Verbindungstyp beider Personen. Als Verbindungstypen werden direkte oder indirekte Kontakte zwischen Menschen beschrieben.

Zusätzlich können soziale Netzwerke durch die Interaktionsinhalte charakterisiert werden. Dazu gehören die emotionale Unterstützung, kognitive Orientierung, instrumentelle Hilfe oder auch die Wertorientierung. Konkrete Beispiele aus der Praxis sind z.B. die materielle Hilfe der Interaktionspartner, Verhaltensbeistand, intime Interaktion, Anleitung, Feedback und positive soziale Interaktion (Lenz, 2006, S. 198 f.).

Darüber hinaus werden soziale Netzwerke durch die Qualität der Interaktion beschrieben. Dazu zählen neben der Intensität auch die subjektive Wahrnehmung der Erreichbarkeit des Interaktionspartners, dessen Verlässlichkeit, Belastbarkeit sowie die entgegengebrachte Hilfsbereitschaft. Wesentliche Merkmale der Qualität der Interaktion stellen allerdings auch die empfundene Kontrolle sowie individuelle Abhängigkeiten dar. Die Qualität der Interaktion beschreibt gleichsam eine Brücke zu einem weiteren Merkmal sozialer Netzwerke: der Rolle der Beteiligten. In diesem Zusammenhang ist wesentlich, wie stark die Interaktionspartner in dem zu analysierenden und in anderen Netzwerken eingebunden sind. So haben zentrale Rollen im Netzwerk andere Merkmalsausprägungen als Brückenkomponenten oder Rollen als Ausgeschlossene (Kröll, 2003, S. 183 ff.).

Soziale Netzwerke können darüber hinaus durch sogenannte Strukturmerkmale definiert werden. Dazu zählen die Größe des Netzwerkes, dessen Dichte und eventuell vorhandene Clusterbildungen. Vor diesem Hintergrund wird von Uniplexität gesprochen, wenn „ein Akteur nur einen Typus von Beziehungen zu den anderen Mitgliedern des Netzwerkes“ besitzt (Rössel, 2005, S. 251). Die letzte durch von Kardorff, 1995, S. 402 ff. beschriebene Kategorie der Merkmale sozialer Netzwerke sind deren Funktionen. Sie können bspw. dem emotionalen Rückhalt dienen oder der kognitiven Orientierung der Interaktionspartner, wobei hier zu differenzieren ist nach:

- der Funktion des Netzwerkes für das untersuchte Gemeinwesen,
- der Funktion des Netzwerkes für den Einzelnen und
- der Funktion des Netzwerkes für die jeweilige Bezugsgruppe.

3 Ursprünge der soziologischen Netzwerkanalyse

In diesem Kapitel wird ein historischer Abriss gegeben über die Entwicklung von Gestalttheorie und Strukturfunktionalismus bis hin zur Netzwerkanalyse:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Historie vom Strukturfunktionalismus zur sozialen Netzwerkanalyse

Quelle: Scott, 2009, S. 8.

Die soziologische Netzwerkanalyse geht auf zwei parallele Strömungen zurück. Die erste Bewegung findet ihren Ursprung in der psychologischen Gestalttheorie nach Wolfgang Köhler (1887-1967). In diesem Rahmen wurden erstmals Erklärungsprinzipien formuliert für die Organisation des Wahrnehmungsfeldes. Dies implizierte die Herausgliederung von Gruppen und Grenzen sowie einzelner Figuren und Objekte (Posner et al., 2003, S. 2473). Die Erkenntnisse der Gestalttheorie hatten großen Einfluss auf die Soziometrie und die Untersuchungen gruppendynamischer Prozesse.

Jacob Levy Moreno (1889-1974) nutzte die Soziometrie als eine Methode der empirischen Sozialforschung, durch welche Beziehungen zwischen Mitgliedern einer Gruppe erfasst und grafisch dargestellt werden konnten. Dies setzte Moreno zuerst als Lagerarzt in einem Flüchtlingslager Südtiroler Bauern während des Ersten Weltkrieges um und später an der „New York State Training School for Girls“ (Jilesen, 2002, S. 99). Ein Beispiel für ein derartiges Soziogramm sieht folgendermaßen aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Soziogramm einer Kleingruppe

Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/b/be/Soziogramm.png (Zugriff 05.07.2009 14:43)

Wie aus der Grafik ersichtlich, wurde die Beziehung von insgesamt sechs Personen erfasst (ein Gruppenführer und fünf weitere Gruppenmitglieder). Die Erstellung eines Soziogramms erfolgt auf der Basis sozial-emotionaler Daten. Die Datenerhebung selbst kann auf unterschiedlichen Wegen vorgenommen werden. Hier bieten sich z.B. mündliche oder schriftliche Befragungen oder auch Beobachtungen an. Ein wesentlicher Bestandteil der Erfassung ist die gegenseitig empfundene Sympathie oder Antipathie sowie die subjektiv empfundene Rolle innerhalb der Gruppe.

Zurückkehrend zu den Ursprüngen der Netzwerkanalyse geht die zweite Strömung in Abbildung 4 auf den Strukturfunktionalismus nach Talcott Parsons (1902-1979) und Alfred Radcliffe-Brown (1881-1955) zurück. Dieser gründet auf der Annahme, dass soziale Systeme aus sozialen Interaktionen bestehen, die „in wechselseitig aufeinander bezogenen sozialen Rollen geordnet sind“ (Münch, 2003, S. 33). Darauf aufbauend führten 1939 William Lloyd Warner (1898-1970) und Elton Mayo (1880-1949) die berühmte Hawthorne-Studie in den Hawthorne-Werken in Illinois (USA) durch, in welcher die Beziehungsgeflechte zwischen Arbeitern innerhalb eines Werkes analysiert und visualisiert wurden. Im Zentrum stand dabei die Identifizierung von Subgruppen und deren Strukturen innerhalb größerer sozialer Systeme (Broch et al., 2007, S. 92 f.). Unter der Berücksichtigung der Erkenntnisse über gruppendynamische Prozesse untersuchte George Caspar Homans (1910-1989), wie sich Normen, Aktivitäten, Emotionen und Interaktionen auf Kleingruppen auswirken. Die Verwendung erster komplexer Analyseverfahren scheiterte jedoch in den 60er Jahren an den vorhandenen Rechnerkapazitäten. Trotzallem stellt dies für die weitere Entwicklung einen wichtigen Meilenstein dar.

Aus einem anderen Blickwinkel nutzte Max Gluckman (1911-1975) die Erkenntnisse des Strukturfunktionalismus. Für ihn waren Konflikt und Macht integrale Bestandteile sozialer Ordnungen. Seiner Meinung nach zeigen Akteure die Tendenz, „ihre Kontinuität durch die systematische Beziehung der Positionen, Rollen, Werte u.ä. zu erhalten“ (Girtler, 2006, S. 182). Diese Auffassung impliziert, dass ein stetiger Wechsel innerhalb und zwischen den Beteiligten stattfindet und dass dieser Wandel auch extreme Ausmaße annehmen kann. Den praktischen Hintergrund fand Gluckman v.a. in rechtsethnologischen Feldstudien in Sambia, wobei die Apartheid in Südafrika eine wesentliche Rolle spielte. Später sympathisierten auch folgende Personen mit Gluckman´s Manchester School of Anthropology:

- John Barnes (geb. 1930): Studie über Freundschaftsbeziehungen in einer norwegischen Fischergemeinde,
- James Clyde Mitchell (1918-1995): Studie zu soziale Beziehungen in von Arbeitsmigration gekennzeichneten Minenstädten Zentralafrikas,
- Siegfried Ferdinand Nadel (1903-1956): Studie über Kriegserfahrungen und über Feldforschungen in Nigeria und im Sudan und
- Elizabeth Bott (geb. 1924): Studie zu informellen Einflussgrößen für eheliche Arbeitsteilung.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Grundzüge der Netzwerktheorie
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Qualifizierungs-Paket 1: Grundbegriffe und soziologisches Denken
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
24
Katalognummer
V133960
ISBN (eBook)
9783640405954
ISBN (Buch)
9783640406036
Dateigröße
5562 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziologie, Netzwerktheorie, Netzwerkanalyse, soziale Beziehungen, historische Entwicklung, strukturalistische Handlungstheorie, konstruktivistische Gesellschaftstheorie, Soziogramm
Arbeit zitieren
Antje Reichert (Autor:in), 2009, Grundzüge der Netzwerktheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133960

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