Theorien von Macht und Herrschaft bei Weber und Arendt

Ein Vergleich


Hausarbeit, 2009

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Max Webers Theorien von Macht und Herrschaft
2.1 Macht als Chance zur Willensdurchsetzung – auch gegen Widerstand
2.2 Herrschaft – Legitimation und Organisation

3 Macht und Herrschaft bei Hannah Arendt
3.1 Macht als Interaktionsprozess zur Konsensfindung
3.2 Herrschaft ohne Gewalt – Gewalt und Zerstörung von Herrschaft

4 Bilanz: „Symmetrischer“ vs. „asymmetrischer“ Machtbegriff, „power to“ vs. „power over“

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Wenn wir moderne Theorien von Macht und Herrschaft untersuchen, dann müssen wir realisieren, dass beide Begriffe in den letzten Jahrhunderten unzählige Male unterschiedlich definiert wurden. So war es beispielsweise Thomas Hobbes (1588-1679), der bereits 1651 mit „Leviathan or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiastical and Civil” eine Macht- und Herrschaftstheorie generierte. Bei Hobbes schließen die einzelnen Staatsbürger untereinander einen Gesellschaftsvertrag und ermächtigen eine Person oder eine Versammlung (fortan als Souverän bezeichnet), sie zu regieren. Es werde also ein dritte Instanz beauftragt, die durch den Gesellschaftsvertrag vereinigten Staatsbürger zu regieren. So sei der Leviathan erzeugt wurden, dessen Handlungen eben durch den Gesellschaftsvertrag legitimiert werden. Im Gegenzug wahre er den Frieden im Inneren und schütze den durch den Gesellschaftsvertrag konstituierten Staat vor äußeren Angriffen. Macht werde also von den einzelnen Personen an den Leviathan übertragen, der so in die Lage versetzt wird, durch seine „abschreckende“ Stärke für Ruhe und Ordnung zu sorgen. (vgl. Münkler 22001: 116f.). Genau hier liegt die Bedeutung von Hobbes: Er hat bereits Mitte des 17. Jahrhunderts mit seiner Theorie „die Notwendigkeit von staatlicher Ordnung und souveräner Macht überzeugend nachgewiesen“ (ebd.: 144). Nur durch diese souveräne Macht kann man laut Hobbes Werteverlust, bürgerkriegsähnliche Zustände und die daraus resultierende Unsicherheit in den Griff bekommen. Sein daraus resultierendes Herrschaftsmodell ist demnach vertikal bzw. hierarchisch organisiert.

Doch auch andere Herrschaftstheorien sind nicht erst im 20. Jahrhundert entstanden. So hat sich beispielsweise Karl Marx (1818-1883) im Jahr 1847 mit (kapitalistischer) Herrschaft und deren Ausprägungen auseinandergesetzt.

Die vorliegende Arbeit stellt jedoch zwei modernere Theorien von Macht und Herrschaft gegenüber: So sollen die Theorien von Max Weber (1864-1920) und Hannah Arendt (1906­1975) miteinander verglichen und klar voneinander abgegrenzt werden. Zunächst werden Webers (2) und Arendts (3) Theorien separat analysiert, um sie dann in einem letzten Schritt (4) miteinander zu vergleichen.

Hierbei soll verdeutlicht werden, dass sich beide Konstrukte deutlich voneinander unterscheiden: Während Arendt einen „symmetrischen“ (Lukes 1983) bzw. einen „power to“-Machtbegriff (Göhler 2004: 246) entwickelt, so spricht man im Falle Webers von einem „asymmetrischen“ (Lukes 1983) bzw. „power over“-Machtbegriff (vgl. Klinger 2004: 85).

Konkret bezogen auf die Definitionen der Macht bedeutet dies, dass Weber einen Begriff definiert, den Arendt als Gewalt bezeichnet und klar von ihrem Machtbegriff abgrenzt (vgl. Habersmas 1979: 287). Auch die Herrschaftstheorien sind letztlich aufgrund der Rolle der Gewalt klar voneinander abgrenzbar. Während Weber den Staat als Monopolinhaber der legitimen physischen Gewalt ansieht (vgl. Weber 51988b: 506), spricht Arendt von der Auflösung einer Ordnung, von einer Art Staatsbankrott, sobald der Staat zur Gewalt greifen würde (vgl. Arendt 121996: 57).

Bevor diese Abgrenzungen in Kapitel 4 noch einmal aufgegriffen und konkretisiert werden, widme ich mich nun zunächst den einzelnen Theorien.

2 Max Webers Theorien von Macht und Herrschaft

2.1 Macht als Chance zur Willensdurchsetzung – auch gegen Widerstand

Webers universeller Machtbegriff wurde maßgeblich von Friedrich Nietzsche (1844-1900) beeinflusst (vgl. Sukale 2002: 487), der sich 1887 in seinem Werk „Zur Genealogie der Macht“ bereits mit Macht befasst hatte, ohne jedoch eine eindeutige Definition zu verfassen. Macht hätte eben zu viele Facetten, um den Begriff zu definieren, Macht(willen) sei überall zu finden, könne aber nicht aufgehoben, sondern nur verteilt werden. Verbunden sei Macht vor allem mit Konfrontation (vgl. Nietzsche 1930). Überträgt man nun Nietzsches Thesen (Macht ist universell, Macht ist eng mit Konfrontation verbunden) auf Webers idealtypische Definition von Macht, so werden die Parallelen deutlich: Auch Weber sieht Macht in jeder Art einer sozialen Beziehung Formen von Macht und daraus resultierender Abhängigkeit. Zudem ist auch Webers Machtbegriff mit Konfrontation verbunden, da er die Durchsetzung von Interessen auch gegen Widerstände – letztlich resultierend in Konfrontationen – als Macht definiert, wie ich an seiner Begriffsbestimmung von 1922 noch nachweisen werde.

Bereits mit seiner Freiburger Antrittsvorlesung 1895 verband er seinen Machtbegriff mit dem Staat. Das deutsche Kaiserreich sei kulturell überlegen und politisch reifer als Polen oder andere Staaten. Da das Deutsche Reich – politisch, ökonomisch und kulturell gesehen – mächtiger sei als andere, so solle es auch nach mehr Macht streben (vgl. Weber 51988a: 14f.). Webers Machtbegriff ist also eng mit politischen Entscheidungen des Staates verbunden. Präziser ausgedrückt: Macht kann laut Weber nur vom Staat ausgehen. Im Zeitalter des Imperialismus wundern solche Ansichten nicht. Die sozialdarwinistische Argumentation wirkt hier eher provozierend als gewollt rassistisch. Weber verband hier also seine Lehren mit den Erfordernissen der Zeit.

Nach verlorenem Weltkrieg wurde Weber zu einem „Vernunftrepublikaner“ (Müller 2007: 144). In seinem Vortrag „Politik als Beruf“ im Jahre 1919 verband er zwar weiterhin den Machtbegriff mit dem Staat, besetzte ihn jedoch weniger imperialistisch. Im Vortrag erteilt er den sozialwissenschaftlichen Wirklichkeitsbegriffen eine Absage und konzentriert sich auf die Generierung von Idealtypen. Diese sollen als Verständnishilfe bzw. als Ausgangspunkt für die empirische Forschung dienen (vgl. Lenk 51987: 303).

Weber setzt erkennbar einen äußeren Rahmen, der die Mittel der Politik beleuchtet: Zunächst die physische Gewaltsamkeit. Der Staat habe das Monopol der physischen Gewaltsamkeit und somit das Mittel, den eigenen Willen auch gegen den Widerstand durchzusetzen (vgl. Weber 51988b: 506). Der Staat hat also ein Mittel, um Macht zu erhalten bzw. zu vermehren. Für Weber ist eben dieses Mittel das spezifische Merkmal von Macht. Würde der Staat dieses Monopol nicht beanspruchen, dann könne er auch nicht funktionieren.

Wenn Weber von der Trennung von Verwaltung (dem personalen Verwaltungsstaat) und Verwaltungsmitteln (die sachlichen Verwaltungsmittel) spricht (vgl. ebd.: 509), so erinnert das doch stark an das Marxsche Modell der ursprünglichen Akkumulation. Marx erklärte, dass der Kapitalismus durch die Trennung von Produzent und Produktionsmitteln entstanden sei, Weber wendet dieses Modell auf die Politik an, um zu verdeutlichen, dass durch die Trennung von Verwaltung und Verwaltungsmitteln die Bürokratie entstehe. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der äußere Rahmen bzw. die äußere Dimension von Politik eben die Mittel der Politik zusammenfasst. Die innere Dimension von Politik befasst sich mit der Legitimität von Herrschaft und der Frage nach den Unterordnungsmotiven von Menschen. Diese sollen jedoch im nächsten Kapitel geklärt werden.

Webers soziologisches Konzept wird erst verständlich, wenn man seine Machtdefinition aus „Wirtschaft und Gesellschaft“ (1922) näher analysiert: Macht ist nach Weber „[...] jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber 51980: 28). Weber geht also von sozial handelnden Akteuren aus, da diese sich beim Handeln aufeinander beziehen und versuchen, ihre subjektiven Ziele (Partikularinteressen) durchzusetzen. Demnach lassen sich alle sozialen Handlungen auf individuelle soziale Handlungen zurückführen. Somit wird Weber als Individualist und Soziologe erst mit „Wirtschaft und Gesellschaft“ richtig analysierbar.

Weber ist somit ein methodologischer Individualist. Handelnde Individuen sind die Akteure seiner Theorie, da alle gesellschaftlich bedeutenden Geschehnisse auf individuelle Handlungen zurück zu führen sind. Somit könne laut Weber überhaupt erst geklärt werden, wie kollektive Akteure entstehen (vgl. Sukale 2002: 436). Dass Weber ein „teleologisches Handlungsmodell“ (Habermas 1989: 287) entwickelt, wird daran deutlich, dass er Personen oder Gruppen als egoistische Machtmaximierer beschreibt, die ein Ziel haben und Mittel suchen, um dieses Ziel zu erreichen. Sie müssen also über Mittel verfügen, um Einfluss auf andere Personen nehmen zu können. Genau das beschreibt Weber als Macht (und Arendt als Gewalt). Für Weber ist – im Gegensatz zu Arendt – Interaktion nur funktional, um die Partikularinteressen zu verwirklichen.

Zusammenfassend lassen sich folgende Thesen generieren:

1. Webers Machtbegriff ist universell. In jeder Art von sozialen Beziehungen kann Macht auftreten.
2. Der Begriff ist laut dem Soziologen idealtypisch zu verstehen und soll gemäß der empirischen Forschung als Ausgangspunkt für Untersuchen dienen.
3. Weber verbindet in seinen Untersuchungen den Machtbegriff eng mit staatlichem Handeln.
4. Partikularinteressen spielen bei Webers Machtbegriff eine zentrale Rolle. Ziel müsse es sein, die eigenen Interessen mit bestimmten Mitteln (beim Staat ist es primär die physische Gewalt) durchzusetzen.
5. Für Weber gehören – auf staatliches Handeln bezogen – Macht und Gewalt zusammen.

2.2 Herrschaft – Legitimation und Organisation

Webers Herrschaftsbegriff ist noch deutlicher personenzentriert, man findet bei „angebbaren“, also einer überschaubaren Anzahl von Personen Gehorsam (vgl. Heins 32004: 53). Herrschaft definiert Weber als „[...] Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“ (Weber 51980: 28). Gleichzeitig steht aber auch hier der Staat im Zentrum von Webers politischem Denken (vgl. Anter 2007: 14). Er konzipiert hierbei eine Befehl-Gehorsam-Logik mit der Disziplin als Brückenfunktion (vgl. Müller 2007: 122): Disziplin ist „[...] die Chance, kraft eingeübter Einstellung für einen Befehl prompten, automatischen und schematischen Gehorsam bei einer angebbaren Vielheit von Menschen zu finden“ (Weber 51980: 28).

Der Ausgangspunkt seiner Herrschaftstypologie ist der Legitimationsanspruch (vgl. Bayer & Mordt 2008: 108), da nur die Legitimität eine dauerhafte Herrschaft ermöglichen kann. Die Organisation der Herrschaft in Form der Verwaltung (zur Organisation der Herrschaft) und die Legitimation lassen sich auch als „Stützpfeiler“ von Webers Herrschaftsbegriff verstehen (Müller 2007: 124).

Die Typologisierung des Herrschaftsbegriffes richtet sich bei Weber nach dem Glaubensmotiv, also dem Glauben an Legitimation. Weber schrieb dazu, dass er die Klassifikation sicher verändert hätte, wenn er ein anderes Kriterium gewählt hätte. Der Glaube an satzungstypische Ordnungen begründet die rationale, der Glaube an die Tradition die traditionelle und der Glaube an ein Führer bzw.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Theorien von Macht und Herrschaft bei Weber und Arendt
Untertitel
Ein Vergleich
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Politikwissenschaft und Japanologie)
Veranstaltung
Moderne Theorien von Macht und Herrschaft
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V133772
ISBN (eBook)
9783640388431
ISBN (Buch)
9783640388547
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Machttheorie, Herrschafttheorie, Theorien von Macht und Herrschaft, Hannah Arendt, Max Weber, Macht, Herrschaft
Arbeit zitieren
Robert Griebsch (Autor:in), 2009, Theorien von Macht und Herrschaft bei Weber und Arendt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133772

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