Menschen in Prüfungssituationen stärken

Eine Zusammenstellung von Bewältigungsstrategien für Prüfungs- und Redeangst


Diplomarbeit, 2009

132 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Vorwort

1. Rede- und Prüfungsängste – Eine Einführung

2. Ursachen von Prüfungs- und Redeangst
2.1. Angeborenes Verhalten
2.2. Erworbenes Verhalten
2.3. Auslöser von Prüfungsangst

3. Konsequenzen von Prüfungs- und Redeangst
3.1. Körperliche Symptome
3.2. Gedankliche Symptome
3.3. Verhaltenssymptome

4. Selbstanalyse

5. Klärung der Situation

6. Entkräftung einiger gängiger hinderlicher Vorannahmen

7. Methoden und Wege zum Abbau von Prüfungsangst
7.1. Kognitive Umstrukturierung
7.2. Selbstinstruktionstraining
7.3. Autosuggestion und mentales Training
7.4. Neurolinguistisches Programmieren
7.5. Autogenes Training
7.6. Progressive Muskelentspannung
7.7. Yoga
7.8. Rollenspiele
7.9. Sonstige Methoden Zusammenfassung

8. Zeitmanagement

9. Lernmethoden
9.1. PQ4R
9.2. Die Mindmap
9.3. Die Vergleichsmethode
9.4. Die Aufzeichnungsmethode
9.5. Die Mnemotechniken
9.6. Die Talkshowmethode
9.7. Die Lerngruppe

10. Ratschläge für einen starken Willen und zur Selbstmotivation

11. Brain-Food – Nahrungsmittel, die dem Gehirn schmecken

12. Strategien für Prüfungssituationen
12.1. Tipps zum Nervositätsabbau bei schriftlichen Prüfungen
12.2. Tipps zum Nervositätsabbau bei mündlichen Prüfungen
12.3. Tipps beim Blackout

13. 24 h – Der Countdown läuft

I. Literaturverzeichnis

II. Stichwortverzeichnis

III. Anhang a) Weiterführende Informationen
b) Lösungsvorschläge zu Übungen

IV. Danksagung

Diese Arbeit handelt von dem klammen, beängstigenden Gefühl, das man verspürt bevor man sich in eine Situation begibt „in der es drauf ankommt“. Während die Einen es stärker verspüren als die Anderen, nehmen es die Anderen nur bei bestimmten Gelegenheiten wahr, während es die Einen wiederum jedes Mal haben. Dieses mulmige Gefühl trägt viele Namen: Rede- oder Sprechangst, Versagensangst, Lampenfieber oder Prüfungsangst.

Noch zahlreicher sind die Situationen in denen man ihm „begegnet“:

…kurz bevor man eine Theaterbühne betritt.

…wenn man vor der Klasse abgefragt wird oder mit dieser in einer Schulaufgabe schwitzt.

…vor dem man zum alles entscheidenden Wettkampf, der über Erfolg oder Misserfolg der Saison entscheidet, antritt.

…wenn man den TÜV-Prüfer über Stadt und Land während der Führerscheinprüfung chauffiert.

…wenn man dem Hochschulprofessor in der Prüfung gegenüber sitzt.

…wenn man beim Vorstellungsgespräch um den potentiellen Traumjob bangt.

…wenn man in einem Meeting den Kollegen und Vorgesetzten bestimmte Sachverhalte erläutern muss.

…wenn man auf der Familienfeier vor Bekannten und Verwandten, sei es zum Geburtstag oder zur Hochzeit, etwas vorträgt.

und und und …

die Gelegenheiten sind äußerst vielfältig.

Diese Nervosität begleitet einen also mehr oder weniger ein Leben lang und „piesackt“ einen unter anderem vor und während Reden, Vorträgen, Ausfragen, Tests und Prüfungen (diese Leistungssituationen werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit ebenso synonym verwendet wie Prüfer, Dozent, Chef, Ausbilder, usw.). Der Schüler kann genauso darunter leiden wie der Manager. Überschreitet die Prüfungsangst ein gesundes Maß, so hindert sie den Menschen daran sein optimales Leistungsvermögen entfalten zu können. Die Prüfungsangst wird zum Problem. Die Angst davor, Fehler zu machen und dafür kritisiert zu werden, lähmt und kann auch dazu führen solche Situationen zu vermeiden.

Um dem entgegen zu wirken ist es nötig, Menschen in Prüfungssituationen zu stärken. Die Möglichkeiten zur Unterstützung sind so vielfältig wie die Situationen in denen Prüfungsangst auftritt. Im Laufe der Arbeit werden unter Anderem effektive Lernmethoden beschrieben, Wege hin zu einer positiven Veränderung der Wahrnehmung (was wiederum zu einer deutlichen Abnahme des Prüfungsstresses führt) aufgezeigt oder auch Tipps dargeboten wie man sich auch in kniffligen Situationen von der Prüfung bzw. der Prüfungsangst keine Angst machen lassen muss. Durch ausgewählte Übungen werden diese Fähigkeiten gefestigt.

Dem Leser werden somit als Ziel dieser Arbeit zum Einen praxisnahe Ratschläge für eine optimale Prüfungsvorbereitung gegeben und zum Anderen auch eine Zusammenstellung unterschiedlichster – manch weit verbreitete, manch bisher eher unbekannte - Bewältigungsstrategien für Prüfungs- und Redeangst detailliert dargeboten.

Prüfungsangst ist kein Schicksal, sondern eine Herausforderung!

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Übung zu Beginn

Natürlich kann man einfach mal etwas über Prüfungsangst lesen. Es ist jedoch entscheidender, ob man tatsächlich auch ins Handeln kommt. Dies ist das Ziel dieser Übung:

Nehme Dir einen Moment Zeit. Schließ die Augen und komm langsam zur Ruhe. Lasse Deinen Gedanken freien Lauf. Denk daran wie es wäre keine Prüfungsangst mehr zu haben – keine Angst mehr davor zu haben vor mehreren Leuten zu sprechen ... und das vielleicht obwohl Du allein auf einer Bühne stehst. Stell Dir die Situation, die Umgebung bildhaft vor – so ganz von Ängsten befreit.

Wie wirkst Du nun auf diese Leute? Bist Du dadurch zu einer besseren Leistung fähig? Was empfindest Du dabei? Hänge eine Zeit lang diesen Gedanken nach und koste diese aus. Je detaillierter Deine Vorstellung ist, desto besser!

Und nun: Auf geht’s! Tauche ein in Deine Vorstellung ohne Prüfungsangst. Die Arbeit erwartet Dich in zwei Minuten oder später wieder zurück. J

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Rede- und Prüfungsängste – Eine Einführung

Wie schon angesprochen hat die Rede- und Prüfungsangst noch vielerlei andere Namen und Bezeichnungen und betrifft Menschen sämtlicher Altersgruppen. In der Literatur schwanken die Angaben und somit ist unter den Prüflingen (egal welche Prüfung) mit einem Anteil von Prüfungsangstkandidaten bis zu 40 % zu rechnen. Unter erheblichen Beeinträchtigungen leiden circa zehn Prozent der Prüfungskandidaten (vgl. Schmeling 2005). Interessanterweise konnte man feststellen, dass beim Großteil dieser prüfungsängstlichen Personen gar keine realen traumatischen Prüfungserlebnisse vorliegen.

Allgemein werden mündliche Prüfungen häufiger mehr als schriftliche gefürchtet. Untersuchungen haben gezeigt, je weniger Prüfungen von einem Menschen absolviert werden müssen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mensch Prüfungsangst entwickelt (vgl. Fliegel 2008).

Allgemein wird diese Form der Angst den sozialen Ängsten bzw. der sozialen Phobie zugeordnet. Der Fachbegriff für diese spezielle Form der sozialen Phobie lautet Testophobie. Diese Phobie gehört zu den spezifischen Phobien, wie beispielsweise auch die Klaustrophobie (Raumangst) oder die Aviophobie (Flugangst). Sie umfasst die krankhafte Angst vor Tests bzw. davor getestet zu werden. Es ist damit also nicht die normale Prüfungsangst gemeint, die jeder einmal verspürt, sondern eben die krankhafte, die pathologische Form davon. Der so genannte Testophobiker meidet im Gegensatz zum gesunden Menschen jegliche Form von Test und versucht sich diesen zu entziehen. Dies kann so weit gehen, dass er sich sogar im vornherein darum bemüht Situationen, die zu Tests führen können, zu meiden. Als Folge davon kann es passieren, dass der Testophobiker Ausbildungen nicht abschließt bzw. gar nicht erst anfängt (vgl. Hilscher 2008 a). Auch Kurzschlussreaktionen sind denkbar. So war die Prüfungsangst einer Heidelberger Zahnmedizinstudentin 2007 der Auslöser für eine Bombendrohung, die zur Evakuierung der Heidelberger Uniklinik führte (vgl. Rosskopf 2007). Schüler und Studenten mit solch extremer Prüfungsangst können sich an den jeweiligen Schulpsychologen bzw. an die psychologische Beratungsstelle der betreffenden Universität wenden. Betroffene, die nicht diesen beiden Gruppen angehören, können bei Psychotherapeuten Hilfe finden.

Es bleibt also festzuhalten, dass Prüfungsangst im Verständnis der Allgemeinheit ausschließlich negativ konnotiert ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Der Zusammenhang von Angst und Leistung

Dabei ist zu sagen, dass ein bisschen Prüfungsangst ganz normal, ja sogar förderlich ist. Wie man anhand der Grafik sehen kann, lässt sich ohne Prüfungsangst ein ansprechendes Leistungsniveau abrufen. Wie man aber anhand der sogenannten Yerkes – Dodsen – Regel beobachten kann, steigt mit zunehmender Angst auch das Leistungspotential einer Person. Erst wenn die Angst ein gewisses Angstlevel überschreitet, wird die Ängstlichkeit zum Problem und kann zu Denkblockaden führen. Bei starker Prüfungsangst drückt diese in einem solchem Maße auf das Leistungsvermögen, dass man sogar von einem Leistungszusammenbruch sprechen kann. Hier wird es zwingend notwendig, etwas gegen die Prüfungsangst zu unternehmen.

Prüfungsangst kann also beides bewirken: Einen Leistungsanstieg, aber auch einen Leistungsabfall. Somit ist es nicht zwingend negativ, von einer gewissen Prüfungsängstlichkeit betroffen zu sein – denn wie die Kurve zeigt, kann man trotz Prüfungsangst sehr gute Leistungen abrufen.

2. Ursachen von Prüfungs- und Redeangst

Tritt ein Problem auf, so stellt sich als eine der ersten Fragen, die Frage nach dem wieso und woher und was die Ursache war. Ist der Grund erstmal gefunden, ist die Lösung des Problems nicht weit. Beim Phänomen der Prüfungs- und Redeangst sind verschiedene Ursachen denkbar und die Probleme der Einzelperson haben zumeist mehrere Gründe. Grob kann man angeborene und erworbene Teile unterscheiden, die bei der Entstehung von Prüfungsangst eine Rolle spielen.

2.1. Angeborenes Verhalten

Denkt man an den Urmenschen zurück, so erscheinen gewisse Ängste als durchaus sinnvoll und notwendig. Die Angst vor dem Säbelzahntiger musste zu einem großen Teil schon vererbt sein, denn derjenige, der sie erst langsam „lernen“ wollte, endete in des Säbelzahntigers Magen. Möglicherweise wird heutzutage neben der mittlerweile nutzlosen „Säbelzahntigerangst“ auch Sozialangst weitervererbt. Kleinkinder zeigen im Alter von ca. acht Monaten eine verstärkte Angstreaktion, wenn sie von ihrer Mutter getrennt werden: Das Fremdeln. Es ist noch ungeklärt, ob besonders starkes Fremdeln auf eine spätere Sozialangst, die wiederum Prüfungsangst begünstigen würde, hindeutet. Laut Kagan und Snidman kommen ungefähr 15-20% aller Kinder mit einer neurochemischen Ausstattung auf die Welt, die eine besondere Anfälligkeit für gehemmtes Verhalten aufweist (vgl. Kagan & Snidman 1991). Dieses trat durch eine Fehlfunktion im Gehirn ausgelöst in Stresssituationen auf. So wurde eine ungewohnte Situation nicht neugierig erkundet, sondern lieber gemieden. Dies führt dazu, dass diese Kinder weniger Erfahrung mit ungewohnten Situationen haben und somit sich auch mit der Bewältigung selbiger schwerer tun. Nach Studien der Zwillingsforschung lassen sich familiäre Abstammungslinien von Sozialangst vermuten. Ähnliche Ergebnisse ergaben sich auch bei der Untersuchung an Tieren (Rhesusaffen, Mäusen). Die Forschungen ergaben jedoch allesamt einen genetischen Einflussfaktor von unter 50%, was auf eine große Rolle der Umwelteinflüsse hindeutet (vgl. Beushausen 2004, S. 32). Auch Überlegungen zur Selbstsicherheit deuten in diese Richtung. Kein Baby zieht sich die Decke über, da es der Meinung ist, dass es um die Hüften herum in letzter Zeit etwas dicklich geworden ist. Also muss auch die Unsicherheit mit der Zeit erworben werden.

2.2. Erworbenes Verhalten

Die Angst kann also nicht allein aus den Genen erwachsen. Wie entwickelt der Mensch also dieses Verhalten? Und welche Rolle spielt dabei dessen Umwelt?

Laut Eschenröder gibt es bei der Entwicklung von Prüfungsangst sowohl begünstigende als auch hemmende Faktoren:

Tabelle 1: Prüfungsangstbegünstigende und hemmende Faktoren bei Kindern (vgl. Eschenröder 2002)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schon in frühster Kindheit wenden sich Kinder mit sprachlichen Äußerungen an ihre Umwelt und diese reagiert wiederum darauf. Diese Reaktionen prägen sich mit der Zeit ein. Nun liegt es an den Reaktionen, ob sich daraus beim Kind Selbstvertrauen entwickelt, wenn sein Handeln erwünscht ist und durch Lob u. ä. gefördert wird, oder ob sich bei ihm Unsicherheit breit macht, da seinen Äußerungen mit Missbilligung, Kritik oder gar Strafen entgegnet wird. Diese Unsicherheit kann sich dann im Laufe der Jahre zu einer Redeangst verfestigen. Dieses Problem wird noch das Phänomen, dass Prüfungsängstliche häufig an sich selbst höhere Anforderungen als an andere stellen, verstärkt. Stopa und Clark fanden heraus, dass solche Leute dazu neigen ihre Fähigkeiten und Leistungen zu unterschätzen und sich selbst negativer zu beurteilen als dies das Publikum tun würde. Fehler bei anderen tolerieren sie eher als bei sich selbst (vgl. Stopa & Clark 1993, 267 ff.).

Einen weiteren Einfluss auf das Kind übt das Umfeld dadurch aus, indem es ihm als Modell dient. Wortschatz, Grammatik, Stimmgebrauch, Sprachlaute sowie das Kommunikationsverhalten der Personen in dessen näherer Umwelt werden vom Kind nachgeahmt und somit im Lauf der Zeit selbst übernommen.

Hat sich dann mal eine gewisse Unsicherheit eingeschlichen und verfestigt, so meiden diese Personen in Zukunft häufig unangenehme Situationen. Somit vermeiden sie auch neue Erfahrungen zu machen bzw. diese zu erweitern und ihre Fähigkeiten zu trainieren. Bisher gekonntes wird wieder verlernt.

Wenn ein Kind den Eindruck bekommt, nur dann von seinen Eltern geliebt zu werden, wenn es gute Leistungen bringt und ansonsten Einschränkungen oder gar körperliche Strafen fürchten muss, dann kann jede Leistungssituation von ihm als eine Bedrohung empfunden werden (vgl. Eschenröder 2002, S. 15 f.). Diese Konnotation wird dann zumeist auch im Erwachsenenalter beibehalten.

Des weiteren können auch einschneidende Erfahrungen oder Traumata, Grund für die Abneigung vor anderen zu sprechen sein (vgl. Beushausen 2004, S. 27 ff.). Ob man zu Schulzeiten schrecklich ausgelacht wurde als man an der Tafel nicht weiter wusste, ob man gehänselt wurde oder ob es ein ganz anderes folgenschweres Erlebnis war – entscheidend ist nicht wie schlimm objektiv betrachtet die Situation zu beurteilen ist, sondern entscheidend ist wie unangenehm der Moment von der jeweiligen Person empfunden wurde.

Die Umwelteinflüsse auf das erworbene Verhalten sind also sehr zahlreich und im nach hinein ist eine bestimmte Verhaltensweise nur schwerlich einem bestimmten Umwelteinfluss zuzuordnen.

2.3. Auslöser von Prüfungsangst

Jeder Mensch entwickelt also im Lauf seines Lebens eine mehr oder weniger große Anfälligkeit für Prüfungsangst. Wodurch diese Ängste dann jedoch ausgelöst werden, kann wiederum ganz unterschiedlich sein. Hier die Prüfung an sich als Auslöser zu nennen, wäre zu kurz gegriffen.

- Furcht vor Lernschwierigkeiten

Die Befürchtung aus Zeitmangel die große Stoffmenge nicht zu schaffen und somit schlecht vorbereitet zu sein kann Auslöser für Prüfungsangst sein. Andere fürchten aufgrund von aufkommender Prüfungsangst oder gelegentlicher Unlust und Trägheit keine optimale Vorbereitung zu haben. Die Konsequenz ist die gleiche: Prüfungsangst.

- Furcht vor dem Versagen

Die Vorstellung, wie sie in der Prüfung versagen, haben viele prüfungsängstliche Personen sehr detailliert. Sie denken an für sie unlösbare Fragen, die Ungeduld des Prüfers, Blackouts, etc. und wie sie somit völlig versagen.

- Furcht vor dem Prüfer

Besitzt ein Mensch die Tendenz, sich vor Autoritätspersonen und deren Möglichkeiten zu fürchten, so hat dies automatisch auch darauf Einfluss wie der Prüfer wahrgenommen wird. Während diesem übermenschliche Macht und Wissen zugeschrieben wird, traut man sich selbst nur sehr wenig zu und unterschätzt sich in starkem Maße.

- Furcht vor beruflichen Nachteilen

Nahezu jede Prüfung hat mehr oder minder große Auswirkungen auf den weiteren schulischen, universitären oder beruflichen Werdegang. Da manche Personen dazu neigen, diese Folgen viel dramatischer und endgültiger einzuschätzen als diese tatsächlich sind, droht auch hier sich Prüfungsangst daraus zu entwickeln. Werden zudem schlechte Leistungen als Anzeichen für die eigene Unfähigkeit gewertet und als etwas, das korrigiert werden kann, so verstärkt dies noch die Prüfungsangst.

- Furcht vor Blamage und Zurückweisung

Wie schon bei den Ursachen erläutert, sind manche Personen davon überzeugt nur dann sozial akzeptiert und geliebt zu werden, wenn sie gute Leistungen bringen. Die Furcht vor Zurückweisung im Falle eines negativen Abschneidens ängstigt die Leute somit. Des weiteren haben sie die Furcht, sich komplett zu blamieren und sich Vorwürfe gefallen lassen zu müssen. Auch hier gibt es die Tendenz, dass die Anmerkungen anderer Leute negativer aufgenommen werden als sie eigentlich gemeint waren und bestärkende Kommentare einfach überhört werden. Den Menschen aus dem Umfeld werden dann die negativen Gedanken („Der hält mich bestimmt für unfähig.“, „Die schaut mit ständig so an als wüsste ich das nicht.“, usw.) unterstellt mit denen man sich selbst herumquält. Die Furcht vor negativen Bewertungen durch andere Menschen und einer Blamage hängt somit eng mit der Furcht vor dem Selbstwertverlust zusammen.

- Furcht vor dem Verlust der Selbstachtung

Woraus folgert ein Mensch seinen Wert und die Achtung vor sich selbst? Manche ziehen hier das Abschneiden in Prüfungssituationen als Grundlage heran. Hier besteht dann jedoch die Gefahr, dass jede Leistungsabfrage als Bedrohung für das eigene Selbstwertgefühl angesehen wird. Entspricht das erzielte Ergebnis nicht den zuvor festgelegten Erwartungen, so drohen Selbstvorwürfe oder gar Selbstverachtung. Diese Aussicht löst nachvollziehbarer weise eine hohe Prüfungsangst beim Prüfling aus.

- Furcht vor den Folgen einer erfolgreich bestandenen Prüfung

Diese Furcht klingt zunächst sehr paradox – wünscht sich doch ein jeder größtmöglichen Erfolg bei einer Prüfung. Auch Prüfungsängstliche wünschen sich selbstverständlich diesen Erfolg. Sie fürchten jedoch, dass bei einem guten Abschneiden automatisch auch die an sie geknüpften Erwartungen steigen, die sie dann irgendwann nicht mehr erfüllen können und somit zwangsläufig kläglich versagen werden. Große Prüfungen (Schulabschluss, Studium, …) sind häufig Vorboten für einen starken Einschnitt in das bisherige Leben. Die Suche nach dem optimalen Ausbildungsplatz, dem richtigen Studium, die Angst vor der Arbeitslosigkeit, Umzug, dem Verlust des bisherigen Bekanntenkreises, … es gibt vielerlei herausfordernde Auswirkungen einer erfolgreich absolvierten Prüfung. Werden diese Herausforderungen mit Sorge und als Bedrohung angesehen, entsteht daraus die eigentlich eben paradox klingende Furcht vor den Folgen einer erfolgreich bestandenen Prüfung (vgl. Eschenröder 2002, S. 22 ff.).

3. Konsequenzen von Prüfungs- und Redeangst

Wie äußern sich diese Formen der Angst? Welche Auswirkungen haben sie auf den eigenen Körper und wie kann unter Umständen das Publikum diese Angst beim Redner erkennen?

Man kann die Effekte grob in dreierlei verschiedene Arten von Symptomen, unterscheiden, die sich gegenseitig beeinflussen. Diese Einteilung erleichtert es die persönliche Prüfungsangst genauer zu ergründen und somit am drängendsten Symptom ansetzen zu können (vgl. Beushausen 2004). :

3.1. Körperliche Symptome

Das Angstgefühl aktiviert den Körper. Dies geschieht dadurch, dass das sympathische System des vegetativen Nervensystems die Produktion von Adrenalin und Noradrenalin erhöht. Diese beiden Botenstoffe sorgen dafür, dass der Körper in einen Zustand höchster Reaktions- und Leistungsfähigkeit versetzt wird. In Zeiten des Säbelzahntigers garantierte dies die überlegenswichtige schnelle Bereitschaft zur Flucht oder zum Kampf. Im Gegensatz zu solch vorzeitlichen lebensbedrohlichen Augenblicken ist es heutzutage bei Situationen sozialer Bedrohung nicht ohne weiteres möglich, davonzulaufen oder anzugreifen. Folglich verharrt die Person in der Angst und Stress auslösenden Situation und es kommt dadurch zu einer Überproduktion der Botenstoffe, die nicht schnell genug abgebaut werden können. Dies kann unter anderem folgende körperliche Symptome zur Folge haben:

- Erhöhter Blutdruck
- Nasenbluten
- Kopfschmerzen
- Pulsbeschleunigung
- Schwitzen
- Erröten
- Hautausschläge und Blasenbildung
- Veränderte Atemfrequenz (die Atmung findet dann vor allem im Brust- und Schulterbereich statt, was zu Kurzatmigkeit führt)
- Erhöhte Anspannung der Körpermuskulatur (besonders auch der Kehlkopf- und Gesichtsmuskulatur)
- Veränderte Gedächtnis- und Wahrnehmungsfunktion (beispielsweise Wahrnehmung der Zeit)
- Magen- und Darmbeschwerden
- Schlafstörungen

Die Auswirkungen bzw. die Stärke der Symptome sind bei jedem Menschen verschieden. Es erscheint jedoch nachvollziehbar, dass das jeweils „schwächste Organ“ die stärkste Erschwernis mit sich bringt.

Da diese körperlichen Reaktionen auch in anderen Lebenslagen bspw. bei Gefühlen wie Wut, bei Hitze oder in Folge von Alkoholgenuss auftreten können, werden sie erst durch die gedankliche Interpretation zu Angstsymptomen (vgl. Beushausen 2004, S. 22 f.).

3.2. Gedankliche Symptome

Es ist also nicht die körperliche Funktion, die eine physiologische Reaktion zu einem Prüfungsangstsymptom macht, sondern die mentale Bewertung der Situation. Damit kommt den Gedanken bei der Entstehung von Prüfungsangst eine sehr große Bedeutung zu. Nicht die Sachlage löst Prüfungsangst aus, sondern die Beurteilung der Selbigen. Die gleiche Situation kann also von zwei Leuten komplett unterschiedlich bewertet werden. Diese Einschätzungen können sowohl vor, als auch während und nach der Prüfungssituation gemacht werden. Verheerend sind dabei vor allem die Antizipationen, also die Annahmen, die im Vorfeld getroffen werden, da sie das Selbstbewusstsein und die Sprechsicherheit bereits vor dem die Situation begonnen hat, erschüttern und es verhindern, dass sich der Betroffene auf seinen Auftritt konzentrieren kann. Treten diese Befürchtungen schon während der Lernphase auf, so schmälert dies die Lernleistung, da man zum einen abgelenkt ist und zum anderen „ja eh keine Erfolgschance“ für sich sieht.

Meist fängt es damit an, dass eine Situation als schwierig oder gar bedrohlich bewertet wird. Man befürchtet, sich aufgrund der Angst nicht ausreichend auf die Prüfung vorbereiten zu können. Die Chancen für eine erfolgreiche Bewältigung werden als unzureichend eingeschätzt. Daraufhin richtet sich die Konzentration der Person auf die unerwünschten Folgen der eigenen Unfähigkeit. Diese negativen Gedanken stören die mentale Vorbereitung der Person auf ihre eigentliche Aufgabe. Schließlich kann dies soweit gehen, dass das Individuum sich schon vorzeitig mit seinem eigenen Versagen und dem Gesichtsverlust beschäftigt (vgl. Beushausen 2004, S. 24 f.), was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich die Befürchtungen tatsächlich bewahrheiten. Diese Entwicklung entspricht der eines Teufelskreis oder auch einer self fullfilling prophecy, also einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Wie sich dies beispielhaft Schritt für Schritt langsam immer weiter entwickelt, lässt sich auch anhand der Abbildung 2 ersehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Der Teufelskreis der Prüfungsangst

3.3. Verhaltenssymptome

Die negativen Gedanken und die im Körper ablaufenden Reaktionen führen dann auch zu sichtbaren Verhaltenssymptomen. Dieses tatsächliche Verhalten kann sich dann in vielerlei Art und Weise äußern (vgl. Beushausen 2004, S. 24 ff.):

Stimme:

- Stimmlage: zu hoch
- Lautstärke (Dynamik): zu leise
- Sprechmelodie: monoton, ausdruckslos, nicht sinngemäß
- Stimmklang: zittrig, gepresst

Flüssigkeit:

- Wortfindung verzögert, Sprechblockaden, Sprechunfähigkeiten (Versprecher, Stammeln, Stocken, Blackout)
- Pausen: unpassend
- Sprechtempo: schnell

Atmung:

- Gesteigerte Atemfrequenz
- Luftschnappen
- Bevorzugter Atemraum: Schulter- und oberer Brustbereich

Mund und Kehle:

- Häufiges Räuspern
- Häufiges Schlucken

Gesichtsausdruck:

- Kein Blickkontakt
- Augenrollen
- Gespannte Gesichtsmuskulatur
- Grimassieren
- Zuckungen
- Starrer Gesichtsausdruck
- Stereotype Gesten (bspw. Händereiben)

Arme und Hände:

- Angespannt und rigide
- Zappeln
- Bewegungslos und steif
- Zittern

Körperbewegung:

- Füße scharren
- Schwanken
- Zittern
- Von einem Fuß auf den anderen treten
- Stereotype Kopfbewegungen (bspw. Spielereien mit dem Haar)

4. Selbstanalyse

Nachdem nun die verschiedenen Prüfungsangstsymptome aufgezeigt wurden und auf welche Art und Weise sie auftreten können, stellt sich die Frage wie man selbst in Bewertungssituationen agiert.

Um dies treffend einordnen zu können, wurde von Beushausen ein Kategoriensystem entwickelt, das bei der eigenen Einschätzung einen guten Wegweiser bieten kann. Dabei unterscheidet sie die drei Kategorien Sprache, Körpersignale und Stimme, die sie wiederum in verschiedene Merkmale unterteilt. Sie gibt dabei zu bedenken, dass eine übersteigerte Selbstsicherheit schnell auch als Aggressivität wahrgenommen werden kann. Das Optimum ist es somit also, wenn man sämtliche seiner Beobachtungen bei den drei unterschiedlichen Kategorien in die Spalte „selbstsicher“ einordnen kann.

Tabelle 2: Kategoriensystem zur Selbstanalyse (vgl. Beushausen 2004)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5. Klärung der Situation

Unsicherheit verunsichert. Wenn man nicht weiß, was einen erwartet, malt man sich die Dinge oftmals schlimmer aus als sie tatsächlich sind. Wüsste man in einer Geisterbahn hinter welcher Ecke der nächste Schreck lauert, so würde die Fahrt schnell zur gemütlichen Besichtigungstour verkommen. Von Spitzensportlern ist es weitläufig bekannt, dass auch die Analyse des Gegners zur Vorbereitung gehört. Dies dient dazu, eine bessere Einschätzung der Herausforderung treffen zu können.

Es ist deshalb auch im Rahmen einer Prüfungsvorbereitung empfehlenswert, sich möglichst viele Informationen über die Prüfungssituation, also die Herausforderung, zu verschaffen, um sich so ein möglichst realistisches Bild von den Anforderungen machen zu können und um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Außerdem hilft dies auch, einige der vorangegangenen Vorahnnahmen relativieren zu können.

- Der Prüfer

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Fragen die sich hier stellen sind: „Wie viele Prüfer prüfen?“, „Darf man den Prüfer selbst wählen?“, „Welche Kriterien muss der Prüfer erfüllen?“, „Welche muss er erfüllen, um für mich der perfekte Prüfer zu sein?“, „Wie ,tickt’ der Prüfer?“, usw..

Manche Prüfer legen auf bestimmte Theorien und Inhalte besonders großen Wert. Ebenfalls ist es interessant zu wissen, welche (Forschungs-) Interessen die Person hat. Daraus lässt sich nämlich zum einen ableiten, was sie gerne hört und zum anderen auf welchen Gebieten sie besonders fachkundig ist. Je nach Wissensstand und persönlicher Art unterscheidet sich auch der Prüfungsstil eines Dozenten. Während manche lieber eine Diskussion führen, fragen andere lieber ab oder wünschen das gelernte Wissen auf bestimmte Fragestellungen anzuwenden oder zu übertragen.

Die Recherchen zum Prüfer lassen sich auch oftmals mit dem Aufbau eines positiven Kontakts verknüpfen. Bietet der Dozent Vorbereitungstermine oder Sprechstunden an, so sollten diese unbedingt wahrgenommen werden, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Dies hat den Sinn, dass man sich zum einen von Angesicht zu Angesicht am besten kennen lernt (bspw. den Fragestil), die anfängliche Nervosität abnimmt und zum anderen der Prüfer einen im Rahmen der Vorbereitung sieht. Somit kann er sich selbst davon überzeugen, dass sich der Prüfling sorgfältig auf die Prüfung vorbereitet und eine entsprechende Würdigung bei der Benotung ist wahrscheinlich. Um dies zu erreichen sollte man die Termine jedoch nicht nur als stiller Zuhörer wahrnehmen, sondern sich aktiv am Gespräch (sei es auch fachlicher oder persönlicher Ebene) beteiligen.

Informationen über den Prüfer erhält man beispielsweise durch diese Quellen (die Nutzung mehrerer Quellen ist sinnvoll):

- Sprechstundenbesuche
- Gespräche nach Veranstaltungen
- Besuch von Veranstaltungen des Prüfers
- Teilnahme an einem Prüfungskolloquium des Dozenten
- Austausch mit ehemaligen Prüfungskandidaten (am besten sowohl gute als auch schlechte)
- Teilnahme als Beobachter an einer Prüfung
- Gespräche mit Kommilitonen, Fachschaft oder sonstigen Personen, die Erfahrung mit dem Prüfer haben
- Hinweise von „Hiwis“, Mitarbeitern des Prüfers, Kollegen
- Veröffentlichungen sowie Literatur zu Veröffentlichungen
- Werdegang des Prüfers
- Vom Dozenten korrigierte Klausuren, Referate und sonstige Arbeiten
- Homepage sowie allgemeine Internetrecherche zum Dozenten

Im Optimalfall hat man so mehrere Anhaltspunkte zum fachlichen Hintergrund des Dozenten, dessen Erwartungen an den Prüfling, zum Ablauf der Prüfung, zu den inhaltlichen Anforderungen, zum Prüfungsstil sowie einen persönlichen Eindruck vom Prüfer (vgl. Charbel 2004, S. 10 ff.).

- Das Prüfungsthema

Fragen die sich hier stellen sind: „Welche Themen sind möglich?“, „Welches Thema ist schwer, welches leicht und welches empfehlenswert?“, „Welches Thema soll ich nehmen?“, usw.

Bei den meisten mündlichen Prüfungen sind die Wissensgebiete aus denen die Themenvorschläge kommen müssen grob umschrieben. Informationen finden sich dazu häufig in Prüfungsordnungen. Dies macht die Entscheidung schon leichter, löst aber noch nicht beispielsweise die Fragen wie schwer oder wie umfangreich ein Thema sein soll. Beim Umfang empfiehlt sich ein eng umrissenes und gut überschaubares Thema zu wählen. Bei der Präsentation sollte man jedoch am Anfang den gewählten Themenkomplex in die übergeordneten Zusammenhänge einordnen, um dem Zuhörer die nötige Orientierung zu bieten. Nur weil man den Dozenten beeindrucken möchte, sollte der Schwierigkeitsgrad nicht die eigenen Fähigkeiten übersteigen, da sonst eine Blamage praktisch vorprogrammiert ist. Wenn das Thema nicht schon auf den ersten Blick zu einfach wirkt und anspruchsvoll aufbereitet werden kann, ist es vom Schwierigkeitsgrad genau richtig.

Um das Thema interessant präsentieren zu können ist es auch wichtig, dass man dazu einen Bezug hat. Enthält der Stoff eine Antwort auf eine Frage, die man sich schon lange gestellt hat … hat man schon mal eine Hausarbeit zu diesem Thema verfasst … hat man damit schon mal in der Praxis damit zu tun gehabt, …. Im Optimalfall sorgt dieser Bezug für das sprichwörtliche Funkeln in den Augen des Redners, das den begeisternden Redner vom Langweilenden unterscheidet. Hat man ein echtes Interesse am Stoff, lernt es sich nicht nur leichter, der Dozent merkt es auch, wenn der Prüfling aus Interesse am Thema gelernt hat und nicht nur aus Gründen der Pflichterfüllung.

Während für reine „Auswendig-Lerner“ Diskussionen oft unangenehm sind, da sie die Anwendung des gelernten Wissens erfordern, bieten sie für andere Prüflinge eine große Chance. Diskussionen sind nicht nur für den Prüfer interessanter als eine reine Punkt – für – Punkt – Wissensabfrage, sie bieten sogar noch einen weiteren Vorteil. Sie sind meist zeitintensiv und benötigen dazu im Vergleich zu reinen Wissensabfragen weit weniger punktuelles Faktenwissen. Stattdessen werden dabei eher Zusammenhänge abgeprüft, die es dann auf bestimmte Fragestellungen anzuwenden gilt. Hier ist es wiederum von Vorteil wenn das Thema gut strukturiert und eng umrissen ist.

- [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Der Prüfungsverlauf

Fragen die sich hier stellen sind: „Wie lange dauert die Prüfung?“, „Was weiß ich über deren Ablauf?“, „Kann ich irgendwie den Ablauf zu meinen Gunsten beeinflussen?“, usw.

Ist man mit dem Prüfungsverlauf vertraut, hat man schon mal eine Ursache für Prüfungsangst ausgeschaltet: Die Ungewissheit, was wohl kommen mag. Neben einem Gespräch mit Prüflingen, die vor einem geprüft werden und den Informationen, die man vom Prüfer erhält, kann man auch durch eigene Überlegungen viel über den Verlauf einer Prüfung herausfinden. Teilt man die Anzahl der angedachten Themenblöcke durch die Gesamtdauer hat man eine grobe Vorstellung davon wie viel Zeit für jeden einzelnen Themenblock zur Verfügung steht. Je mehr Zeit für ein Themengebiet vorhanden ist, desto mehr Wissen ist dafür natürlich auch notwendig. Es empfiehlt sich vorm Spiegel – vielleicht auch mit Tonaufnahme – sein Wissen zu einem der Gebiete vorzutragen. Erreicht man dreiviertel der zur Verfügung stehenden Zeit ist das schon ein guter Wert, da ja auch noch die Fragen des Dozenten von der insgesamt zur Verfügung stehenden Zeit abgezogen werden müssen. Falls es möglich ist als Zuhörer an einer Prüfung teilzunehmen, sollte diese Chance genutzt werden und anschließend Notizen zu den Fragen, zum Fragestil und zu den Erwartungen des Prüfers angefertigt werden.

Den Prüfungsverlauf direkt beeinflussen kann man durch die Wahl des Themas. Ist das Thema im Vorfeld schon ausführlich behandelt worden und hat der Dozent darin einen guten Einblick, wird er früher anfangen Fragen zu stellen und versuchen das Verständnis für das Thema zu überprüfen, indem er beispielsweise Transferfragen stellt. Wählt man jedoch ein nicht so bekanntes Thema, eine sehr aktuelle Studie oder ein sehr spezielles Thema, das beispielsweise nur auf einen kleinen Ausschnitt des Gesamtthemas (z. Bsp.: Gesamtthema: Das Dritte Reich; spezieller Themenausschnitt: Der Widerstand der Edelweißpiraten) eingeht, dafür dann jedoch sehr in die Tiefe, so wird sich der Prüfer erst mal zurückhalten und den Prüfling erzählen lassen, um selbst einen Einblick in das Thema zu erhalten. Häufig lassen die Prüfer dann das Gespräch auch einfach laufen, um mehr über das für sie bis dato unbekannte Thema zu erfahren. Der Prüfer kann im Falle von sehr speziellen Themen zumeist nur die Tiefe des Wissens abprüfen und wie verständlich und logisch alles erklärt wird. Aufgrund seines eingeschränkten Wissens vermag er es jedoch kaum inhaltliche Fehler auszumachen. Zudem ist es für ihn im täglichen Prüfungsalltag sicherlich eine willkommene Abwechslung auch mal ihm bisher nicht bekannte Inhalte zu erfahren. Dies hebt den Prüfling positiv aus der Masse heraus und der Dozent wird ihn positiv in Erinnerung behalten.

Bei schriftlichen Prüfungen macht es Sinn sich bewusst zu machen, ob es vielleicht zur Zeitnot kommen kann. Dies ist bei Tests, die in ihrer Form Fragebögen ähneln der Fall (vor allem Multiple-Choice-Tests). Hat man einen Aufsatz zu einem bestimmten Thema zu verfassen, ist die Zeit erfahrungsgemäß zumeist großzügiger bemessen und man kann mittels einer am Anfang entwickelten Struktur Zeit einsparen.

- [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Die Bewertungskriterien

Fragen die sich hier stellen sind: „Sind die Kriterien denn festgelegt?“, „Gibt es eine Übersicht über diese bzw. wo kann man diese erhalten?“ „Durch welche Verhaltensweisen kann ich bei den vorliegenden Kriterien Höchstwertungen erhalten?“, usw.

Schon zu Schulzeiten kann man die Erfahrung machen, dass das, was dem einen Lehrer gefällt, dem anderen nur eine durchschnittliche Wertung wert ist. Es ist somit wichtig Kenntnisse über den Geschmack des Prüfers zu erlangen. Diese lassen sich direkt in Veranstaltungen des Prüfers sowie Vorbesprechungen zur Prüfung gewinnen und indirekt über Erzählungen von anderen Prüflingen.

Daneben gibt es auch die Möglichkeit von festgeschriebenen Bewertungskriterien. Diese haben den Vorteil, dass man seine Vorbereitungen an deren Maßstäben messen kann. Ist mein Vortrag verständlich gegliedert? Ist er zu lang oder zu kurz? Diese Fragen zu den Maßstäben helfen dabei das eigene Wissen an den Wünschen der Prüfenden auszurichten, was sich wiederum positiv in der Beurteilung nieder schlägt.

Es empfiehlt sich auch die eigenen Vorbereitungen bewusst auf Besonderheiten hin zu untersuchen. Gibt es Details, die dem Prüfer noch nicht bekannt sind, ist man auf Punkte gestoßen, die die anderen Prüflinge nicht kennen? Diese Vorteile gilt es dann in der Prüfung gekonnt zu nützen, um sich beim Prüfer so „Bonuspunkte“ zu verdienen.

Damit die Erkenntnisse, die man im Lauf der Vorbereitung erhält nicht im Trubel der Prüfungsangst in Vergessenheit geraten, sollte man sie sich stets vergegenwärtigen können und somit schriftlich festhalten.

6. Entkräftung einiger gängiger hinderlicher Vorannahmen

Manchmal macht man sich selbst das Leben unnötig schwer. Anstatt an sich zu glauben und sich Mut zu zusprechen, demotiviert man sich selbst und redet sich ein klein, dumm und unfähig zu sein. Wenn man sich dann erst mal davon überzeugt hat keine Chance zu haben, muss man es eh nicht mehr versuchen – man hat ja schließlich keine Chance. Die Folge: Man versucht es nicht oder wenn dann nur mit halbem Einsatz und – voilà – man hat keinen Erfolg. Die Prophezeiung hat sich selbst erfüllt. Das Scheitern ist in einem solchen Falle vielmehr bei einem selbst zu suchen als in der Problemstellung.

Deshalb ist es wichtig, solche hinderlichen Vorannahmen, die gelegentlich auch als „Ausreden“ dafür herhalten müssen, weshalb man sich nicht wirklich anstrengt („weil es ja eh keinen Sinn hat“), näher zu beleuchten und damit auch zu entkräften. Eine gedankliche Neubewertung soll dabei helfen Angst auslösende und blockierende Gedanken in Frage zu stellen und Auswege zu erarbeiten.

 „Das schaffe ich doch nie! Ich werde damit so was von Baden gehen.“

- Wer chancenlos ist, kann nur gewinnen.
- Wie hoch schätzt Du Deine Chancen auf einen Erfolg ein? 1:3 ? 1:10 ? Woche für Woche spielen Menschen trotz einer Chance von unter 1: 15 Millionen Lotto!
- Beim letzten Vortrag, bei dem die Aussichten ähnlich schlecht waren, brauchte man doch auch keine Badehose danach, oder?
‚ „Ich bin schlecht vorbereitet, ich weiß bei weitem nicht so viel über das Thema wie meine Zuhörer.“
- Die Zuhörer würden die Veranstaltung nicht besuchen, wenn sie das Gefühl hätten, schon alles über dieses Thema zu wissen.
- Kannst Du noch sämtliche Gedichte, die Du zu Deiner Schulzeit auswendig lernen musstest? Nein? Der Dozent sowie die Zuhörer wahrscheinlich auch nicht! Es ist normal, dass man sich an umso weniger Details erinnert je weiter der Zeitpunkt des Lernens zurückliegt. Dozenten haben außerdem nicht die Zeit, sich für sämtliche ihrer Veranstaltungen genauso intensiv vorzubereiten wie der Referent.
- Sind die Zuhörer tatsächlich kompetenter als man selbst, dann bietet es sich an, in die Rolle eines Moderators zu schlüpfen und eine Diskussion zu initiieren. Deren Fazit kann man dann als persönliche, äußerst fachkundige Schlussfolgerung präsentieren und somit auf seine Fahne schreiben.
ƒ „Die hören mir doch eh nicht zu.“
- Nun, dann hört es ja auch niemand, wenn man einen Fehler macht.
- Diese Befürchtung lässt sich zu einem Vorteil wandeln! Diese Möglichkeit gilt es nutzen, um mal die ganze Aufregung um die Prüfungssituation, die schwierigen Sachverhalte des Themas usw. zu verdrängen und sich für diesen einen Vortrag nur um eines zu bemühen: Dass einem das Publikum aufmerksam zuhört! Hierzu sollte man sich bereits im Vorfeld Kniffe überlegen, wie dies zu bewerkstelligen ist (abwechslungsreich sprechen, laut genug reden, Fragen stellen, u. v. m.; siehe mehr auf Seite 111 ff.).
- Forscher fanden heraus, dass Kinder, die niedergedrückt oder traurig sind, besser und aufmerksamer lernen (vgl. Schnall, Jaswal & Rowe 2008). Man hat also beste Voraussetzungen!
„ „Sie werden mich kritisieren.“
- Nichts Besseres kann passieren! Aus konstruktiver Kritik kann man viel lernen.
- Man muss mit den Kritikern ja nicht einer Meinung sein. Die entgegen gebrachte Kritik kann man annehmen, muss es aber nicht. Man kann in diesem Falle die Kritik mit einem Buffet vergleichen: Das, worauf man Lust hat es zu probieren, das probiert man. Das, worauf man keinen Appetit hat, lässt man liegen. Man sollte sich dabei auch nicht „überfressen“, sprich zu viele Vorschläge auf einmal versuchen umzusetzen. Und wer gar nichts vom Buffet nimmt, der wird auch nichts Neues kennen lernen.
- Kritik sollte sachlich und nicht persönlich genommen werden. Im Falle negativer Äußerungen gilt es, stets auf ein wichtiges Detail zu achten: Die Kritiker sagen „Das war nicht OK.“ und eben nicht „Du bist nicht OK.“ (vgl. Löhr, Pramann 2006, S.195).

„Sie werden meinen Vortrag zerfetzen.“

- Geschmäcker sind verschieden. Was der Eine für gut und richtig befindet, ist dem Anderen absolut fremd und unzugänglich. Es kommt auf die Vorbereitung an. Wenn man guten Gewissens sagen kann, dass man sich sorgfältig auf das Thema vorbereitet hat, dann muss es im Falle heftiger Kritik wohl einfach daran liegen, dass die meckernde Person eine andere Meinung hat und nicht dazu bereit oder fähig ist, sich auf einen für sie neuen Standpunkt einzulassen.

- Man hat im Laufe der Jahre so viele Referate, Vorträge, Prüfungen, Situationen, bei denen es drauf ankommt …was macht es da schon, wenn man mal eine davon versiebt? Klar, ist es in dem Moment nicht schön, aber das geht vorbei, das Leben geht weiter. „Einmal ist kein mal“, „Ausnahmen bestätigen die Regel“, … auch der Volksmund pflichtet einem also bei, sich wegen eines Misserfolgs sich nicht allzu viele Gedanken zu machen.
- Zudem sind Versagensängste mitunter schlimmer als das Versagen selbst. Aus „Niederlagen“ kann man lernen. Man bekommt zwar Grenzen aufgezeigt, doch dies kann auch eine wertvolle Erfahrung sein. Wer sich also durch seine Versagensängste daran hindern lässt, diese Lektion zu erfahren, vergibt eine große Chance.

† „Sie werden mich angreifen, mich bloß stellen“

- Das Interesse der Anderen am eigenen Tun wird in solchen Fällen schnell mal überschätzt. Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass sie sich kurz ihren Teil denken und dann einfach ihrer Wege gehen und nichts sagen?
- Jemanden direkt vor den Augen anderer verbal nieder zu machen, gilt als unhöflich. Auch wenn der ein oder die andere nach der Präsentation zu einem wirklich negativen Fazit kommen sollte, so wird es nicht zur Bloßstellung kommen, da die harte Kritik – wenn überhaupt – erst unter vier Augen einem entgegen gebracht wird.
- Sinn einer Kritik nach einem Vortrag ist, es dem Vortragenden zu helfen, sich zukünftig verbessern zu können. Zu harsche Kritik führt nicht dazu, dass der Vortragende die Vorschläge beherzigt, sondern sie schlichtweg ignoriert. Angriffe sind hier also absolut unangebracht. Kurz gesagt ist gutes Feedback hart in der Sache, jedoch weich zur Person. Ist ein Feedback nicht konstruktiv, also gibt es keine Tipps oder Hilfen zur Verbesserung, so ist es wenig hilfreich und kann somit ohne weiteres auch ignoriert werden.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass man doch mal in die Situation kommen sollte, in der jemand unangebracht hart vom Leder zieht und somit keine Ahnung von richtigem Kritisieren beweißt, lächelt man am besten einfach über diese Person und ihren Mangel an Intelligenz.

(Mehr hierzu im Kapitel „Kognitive Umstrukturierung auf Seite 34 ff.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7. Methoden und Wege zum Abbau von Prüfungsangst

Was ist der Königsweg zum Abbau der Prüfungsangst? Ein breites Spektrum an Bewältigungsstrategien verspricht Abhilfe. Während die einen Methoden eher kognitiv ansetzen, zielen andere eher auf ein körperliches Wohlbefinden. Es obliegt letztendlich jedem selbst, sich die für sich richtige Strategie zu wählen oder auch verschiedene Strategien für sich zu kombinieren. Um solche „Maßanfertigungen“ zu erleichtern, werden im Folgenden die bekanntesten Methoden vorgestellt. Um die Orientierung zu erleichtern, soll folgender Überblick dienen:

[...]

Ende der Leseprobe aus 132 Seiten

Details

Titel
Menschen in Prüfungssituationen stärken
Untertitel
Eine Zusammenstellung von Bewältigungsstrategien für Prüfungs- und Redeangst
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
132
Katalognummer
V133611
ISBN (eBook)
9783640415588
ISBN (Buch)
9783640406951
Dateigröße
2291 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Umfang: Die Diplomarbeit umfasst neben den breitgefächerten theoretischen Grundlagen zahlreiche praktische Übungen, Selbsttests und Anwendungstipps, um so als geeigneter Ratgeber sowohl für Betroffene als auch Interessierte dienen zu können. Anmerkungen der Korrektoren: "Die Arbeit ist klar strukturiert, logisch aufgebaut und deutlich untergliedert." "Die vorliegende Arbeit übertrifft die an den Autor gestellten Anforderungen in beträchtlichem Maße [...]."
Schlagworte
Prüfungsangst, Redeangst, Lernen, Lerntechniken, Lernstrategien, Angst, Black-out, Präsentation, Prüfung, Mindmap, PQ4R, Mnemotechnik, Nervositätsabbau, Entspannung, Selbstmotivation, Zeitmanagement, Autogenes Training, Yoga, Progressive Muskelentspannung, NLP, Rollenspiele, Selbstanalyse, Schule, Bewerbungsgespräch, Referat, Klausur, Kommunikation, Situationsanalyse, Thema Referat
Arbeit zitieren
Martin Selzle (Autor:in), 2009, Menschen in Prüfungssituationen stärken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133611

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