Landesausbau und Binnenkolonisation als Territorialaspekt der Grafschaft Kleve


Hausarbeit, 2007

13 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Rahmen zur Entwicklung der Grafschaft Kleve
2.1. Konkurrenz mit dem Erzstift Köln um territoriale Ansprüche am Niederrhein

3. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte der Binnenkolonisation

4. Territorialpolitische Aspekte des klevischen Landesausbaus

5. Beispiele für territorialpolitische Stadtgründungen im Kontext des klevischen Landesausbaus
5.1. Kalkar
5.2. Kranenburg
5.3. Sonsbeck

6. Zusammenfassung

7. Bibliographie

1. Einleitung

In der folgenden Abhandlung soll versucht werden das „erregendste Kapitel klevischer Territorialpolitik[1], nämlich die Binnenkolonisation am Niederrhein, näher zu untersuchen. Im Fokus dieser Betrachtung soll der Landesausbau im Kontext der Territorialisierung der Grafschaft Kleve stehen, sprich die Klärung, in wie weit die Neulandgewinnung und Kolonisation mit dem Aspekt der klevischen Territorialbildung in Verbindung gebracht werden kann.

Dafür werden, nach einer einführenden Schilderung der Auseinandersetzungen zwischen der Grafschaft Kleve und dem Erzstift Köln um die territorialen Ansprüche am Niederrhein, zunächst die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekte der Binnenkolonisation erläutert, um danach die territorialpolitischen Gesichtspunkte des klevischen Landesausbaus darzulegen.

Abschließend werden dann, anhand der Beispiele von drei exemplarischen klevischen Städtegründungen, die zuvor geschilderten Untersuchungen überprüft und veranschaulicht.

2. Historischer Rahmen zur Entwicklung der Grafschaft Kleve

2.1. Konkurrenz mit dem Erzstift Köln um territoriale Ansprüche am Niederrhein

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts war Kleve mit der Grafschaft Geldern und vor allem dem Erzstift Köln, von den zwei mächtigen Nachbarn umgeben.

Der Kölner Erzstift war dabei der größte Konkurrent der Klever Grafschaft am südlichen Niederrhein[2]. Seit dem Tode des Kölner Erzbischofs Engelbert von Berg im Jahre 1225 herrschte ein dauernder Kriegszustand zwischen Kleve und Köln[3]. Während Engelberts schwacher Nachfolger Heinrich von Müllenark noch die Plünderung von Rees und Xanten durch den Klever Graf Dietrich VI. zuließ[4], bestieg im Jahre 1238 mit Konrad von Hochstaden der „mächtigste Fürst am Rhein“ den Stuhl des Kölner Erzbischofs[5].

Der neue Bischof beantwortete die territorialen Ansprüche Dietrichs umgehend und verlieh Rees, Xanten und Rheinberg das Stadtrecht, „[…] denn nur von befestigten Plätzen aus konnte damals die Landesherrschaft behauptet und ausgedehnt werden […][6]. Nachdem Konrad die kölnische Stellung am Niederrhein ausbauen konnte, erzwang er unter Bannungsdrohungen im Jahre 1247 die Unterwerfung Dietrichs[7]. Damit hatte der Erzstift Köln nach zwanzig Jahren Fehden einen vollständigen Sieg über den Klever Grafen errungen[8].

Der Klever Landesherr war gezwungen die „herzogsgleichen Autorität Kölns[9] anzuerkennen und verfolgte von nun an eine prokölnische Politik. Im Zuge dieses klevisch-kölnischen Interessensausgleichs unterstützte Konrad im Gegenzug die territorialen Bemühungen Dietrichs[10], wobei die gemeinsame Politik freilich stets auf das Interesse des Erzstifts ausgerichtet war.

So wurde es beispielsweise dem Graf von Kleve im Jahre 1260 erlaubt die Burg Monterberg (Monreberg) bei Kalkar wieder aufbauen, wahrscheinlich allerdings unter der Bedingung diese Burg dem Erzstift als Lehen aufzutragen[11].

Nachdem der Sohn und Nachfolger des alten Klever Grafen Dietrich VII. im Jahre 1255 die Erbtochter Aleids von Heinsberg heiratete, die das linksrheinische Land Hülchrath mit in die Ehe brachte, geriet Dietrich VII. in noch größere Abhängigkeit vom Kölner Erzstift, da Hülchrath als Lehen der Kölner Kirche galt[12]. Er wurde Bundesgenosse des neuen Erzbischofs Engelbert von Valkenburg und stand ihm in der Auseinandersetzung mit dem Grafen von Jülich zur Seite[13], er beteiligt sich aber nicht an den Unternehmungen Engelberts gegen die Bürgern, welche, in dem sich seit 1250 zuspitzenden Konflikt mit der Kölner Kirche, um die Stadtherrschaft kämpften[14].

Die Grafschaft Kleve enthielt sich auch unter Dietrich VIII. als einzige rheinische Dynastie aus der der Schlacht von Worringen 1288, in deren Zuge sich die Kölner Bürger der erzbischöflichen Stadtherrschaft entledigten[15]. Stattdessen lavierte Dietrich VIII, friedliebend und auf Neutralität bedacht, in den folgenden Jahren geschickt zwischen den streitigen Mächten[16] und bemühte sich indes stets um ein gutes Verhältnis zum deutschen König Rudolf von Habsburg[17]. Er heiratete in die königliche Familie ein und erhielt dabei als Mitgift die Stadt Duisburg[18]. Durch diese bemerkenswerte Königsnähe konnte sich der Klever Graf in den Streitigkeiten um Duisburg gegen den Kölner Erzstift erfolgreich durchsetzten[19]. Die klevische Politik zielte seit Beginn des 14. Jahrhunderts nun bewusst auf die Schwächung Kurkölns, gleichzeitig aber auch auf die Stärkung der Königsmacht ab[20]. Für diese Treue wurde Dietrich VIII. durch die Anerkennung der reichsrechtlichen Landeshoheit des Klever Grafen belohnt[21]. Damit war der Höhepunkt der außenpolitischen Machtstellung Dietrich VIII. erreicht, was ihn zur bedeutendsten Gestalt der Klever Grafen im 13. und 14. Jahrhundert machte[22].

Er weitete seinen Lehnshof aus und brachte viele adlige Herren am Niederrhein in seine Abhängigkeit. Zwar brannte die Feindschaft zwischen Kleve und dem Erzstift seit der episodenhaften Regierungszeit (1305-1310) von Otto, einem Sohn Dietrichs noch einmal auf[23], durch die Nähe der Klever Grafen zu Ludwig von Bayern konnten die gefährlichen Ansprüche des Erzstifts auf klevisches Gebiet jedoch erfolgreich abgewehrt werden[24].

Damit war es der Grafschaft Kleve in einem insgesamt eineinhalb Jahrhunderte andauernden Emanzipationsprozess endlich gelungen, die ausgeübte Herzogsgewalt der Kölner Erzbischöfe abzuschütteln[25].

3. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte der Binnenkolonisation

Wie auch Norbert Becker in seiner Untersuchung des „Landes am unteren Niederrhein[26] feststellte, sei gerade den volkswirtschaftlichen Aspekte des Landesausbaus in den klevischen Bruchkolonien eine größerer Bedeutung zuzuschreiben, als es die bisherige Forschung bisher getan habe[27]. Das folgende Kapitel soll sich daher mit diesen, sowie mit den gesellschaftlichen Aspekten der Binnenkolonisation der Grafschaft Kleve näher auseinandersetzen.

Zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert ist im Gebiet des deutschen Reiches ein gewaltiger Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen[28] ; bedingt durch Faktoren wie die Klimaverbesserung und technischen Neuerungen (Einführung des Pferdepfluges, Entwicklung von Entwässerungstechniken[29] ) wuchs die Bevölkerung in einem Zeitraum von knapp 400 Jahren von ca. drei auf über neun Millionen an[30]. Um die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können, musste die Erschließung der Bruchgebiete zur menschlichen Besiedlung und landwirtschaftlichen Nutzung in höherem Maße vorangetrieben werden als bisher[31]. So vollzog sich zwischen Mitte des 13. und 14. Jahrhunderts die planmäßigste und umfassendste Niederungskolonisation, die es im deutschen Rheingebiet je gegeben hat[32].

Dieser komplexe Vorgang der Erschließung der Rheinauen in ihrer Gesamtheit, bedurfte „[…] umfassender, räumlich aufeinander abgestimmter Maßnahmen, wie sie damals nur die Territorien durchzuführen vermochten. Kraftvolle territoriale Eigentwicklung und ganze Landschaften umspannende Niederungskolonisationen sind daher [...] nicht von einander zu trennen.[33] Die Bruchkolonisation in Kleve konnte folglich erst einsetzen, nachdem die Klever Grafen eine geschlossene Territorialherrschaft aufzubauen begannen, das heißt nicht vor dem 13. Jahrhundert[34]. Nach Becker nehme die Forschung an, dass die Bruchkolonisation in Kleve ab 1270 eingesetzt habe[35], wobei die beachtliche Belegfülle, welche die Zeit zwischen 1270 und 1350 kennzeichnet, diese vermeidliche willkürlich gesetzte Zeitgrenze belege[36]. Zwar sei bereits zwischen 1100 und 1269 eine erste Periode von Meliorationsmaßnahmen zu verzeichnen[37], in der Rodungs- und Entwässerungsmaßnahmen in sogar großem Umfang stattgefunden haben, die diesbezügliche Quellenlage sei jedoch sehr dürftig[38].

Abgesehen von dem kontinuierlichen Anstieg der Bevölkerung, der für den notwendigen äußeren Druck sorgte, um die Landgewinnung im höherem Maße voranzutreiben, spielte speziell für die klevische Dynastie ein ganz anderer Faktor eine nicht unerhebliche Rolle, welcher den raschen Landesausbau unabdinglich machte. Die bis dahin rein ländliche strukturierte Grafschaft Kleve, die außer Wesel über keine stadtartigen Siedlungen verfügte, litt unter starker Landflucht, ausgelöst durch den Anreiz der neugegründeten Städte und Freidörfer der mächtigen Nachbarn Geldern und des Kurköln[39]. Angesichts der drohenden Entvölkerung ihres bis dahin städtelosen Territoriums waren die Klever Grafen gezwungen auf diese Entwicklung zu reagieren[40]. Zum Schutz der Rheinuferlandschaften wurden holländische Entwässerungsspezialisten ins Land geholt und entlang der klevischen Bruchgebiete angesiedelt. Diese Neusiedler mit ihren „[…] so viel älteren und umfassenderen Erfahrungen in allen gegen das Wasser betreffende Fragen […][41] wurden für ihre „Knochenarbeit“ mit Freiheitsrechten honoriert. Mit diesem Abkommen, dem „cope[42], übergab der Landesherr den Kolonisten entsprechendes Land zur Kultivierung. Über dieses Land erhielten die Siedler volle Verfügungsgewalt, „[…] sie konnten es also frei verkaufen und vererben […][43]. Die Neusiedler hatten ihrem Landesherren dafür jährlich einen Betrag zu entrichten, der als Zinszahlung bzw. Erbpacht oder Erbleihe bezeichnet wurde[44]. „Überdies gab es in diesen Gebieten keine Grundhörigkeit und keine Frondienste[45] Die neu entstandenen Freidörfer, die villae liberae, ausgestattet mit günstigen Rechten und Privilegien für die Kolonisten, wurden so zum Anziehungspunkt, insbesondere für die unfreien Bevölkerungsteile („Rodung macht frei[46] ). Da die Beteiligten in ihrer Funktion als Bruchkolonisten eine Lösung von der grundherrschaftlichen Bindung sowie aus der Unfreiheit erfuhren und nun die Möglichkeit einer bäuerlichen Existenzgründung vorfanden[47], muss man feststellen, „[…] dass sich mit der Binnenkolonisation nicht nur eine neue Technik, sondern auch ein neues Rechtskonzept entwickelte […]. Denn mit der planmäßigen und gesteuerten Gewinnung von Neuland ging auch die Herausbildung einer privilegierten Schicht von Neulandsiedlern einher, die von einem neuen Rechtgefüge profitierten.[48]

[...]


[1] Klaus Flink: Territorialbildung und Residenzentwicklung in Kleve, Kleve 1993, S. 76

[2] Vgl. Gerhard Kallen (Hrsg.): Niederrheinische Städteatlas, Klevische Städte, S.36

[3] Dieter Kastner: Die Territorialpolitik der Grafen von Kleve, Düsseldorf 1972, S. 18

[4] Ebd.

[5] Ebd. S.19

[6] Ebd. S.18f

[7] Ebd. S.19

[8] Ebd.

[9] Ebd. S.200

[10] Vgl. Ebd. S.200f

[11] Kastner: S. 23

[12] Ebd. S.201

[13] Ebd.

[14] Ebd.

[15] Ebd.

[16] Ebd. S.204

[17] Ebd. 202

[18] Ebd.

[19] Ebd.

[20] Ebd. 203

[21] Ebd.

[22] Ebd.

[23] Kastner: S. 204

[24] Vgl. Ebd.

[25] Wilhelm Janssen: Territorialbildung und Territorialorganisation niederrheinisch-westfälischer Grafschaften bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Berlin 1996, S. 71

[26] Norbert Becker: Das Land am unteren Niederrhein, Köln [u.a.] 1992

[27] Becker: S.174

[28] Lexikon des Mittelalters (CD-ROM Ausgabe), LexMA 5, 1644-1646

[29] Ebd.

[30] http://www.mittelalter.uni-tuebingen.de/?q=personen/widder/ws9900/diagramm.htm

[31] Vgl. Johannes Schreiner: Der Schauzwang auf Deich und Schleuse, Bielefeld 1995, S.22

[32] Franz Petri: Die Holländersiedlungen am klevischen Niederrhein und ihr Platz in der Geschichte der niederländisch-niederrheinischen Kulturbeziehung, S.1117

[33] Ebd.

[34] Ebd.

[35] Becker: S. 176

[36] Ebd. S.176f

[37] Ebd. S.177

[38] Ebd.

[39] Kastner: S. 29ff

[40] Ebd.

[41] Petri: S. 1118

[42] Schreiner: S. 23

[43] Ebd.

[44] Ebd. S.24

[45] Ebd.

[46] Vgl. Becker: S. 184

[47] Ebd.

[48] Schreiner: S. 24

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Landesausbau und Binnenkolonisation als Territorialaspekt der Grafschaft Kleve
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,6
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V133316
ISBN (eBook)
9783640398119
ISBN (Buch)
9783640398072
Dateigröße
427 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kleve, Sonsbeck, Landesausbau, Niederrhein, Binnenkolonisation, Mittelalter
Arbeit zitieren
Armin de Jonghe (Autor:in), 2007, Landesausbau und Binnenkolonisation als Territorialaspekt der Grafschaft Kleve, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133316

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