Der Feldzug des Xerxes

Die Entstehung einer negativen Überlieferung


Hausarbeit, 2006

13 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Vorspiel

3 Xerxes und seine Lenker – Ein Dispot zum Scheitern verurteilt
3.1 Xerxes wird König – Die Demaratos-Legende
3.2 Mardonis und Xerxes – Planung des Feldzuges

4 Der Xerxeszug – Ein Frevler zieht nach Europa
4.1 Xerxes’ Hybris – Der Frevel am Hellespont
4.2 Xerxes, der Barbar – Böse Vorzeichen und dispotische Willkür
4.3 Die Schlacht an den Thermopylen – Ein Sieg ohne Ruhm

5 Xerxes bei Herodot – Ein Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Vorwort

Es ist unmöglich, einen wahrheitsliebenderen Mann, als Herodot, zu finden; und dennoch hat er manches berichtet, was nicht wahr ist.“[1]

Ich möchte dieses Zitat des deutschen Althistorikers Barthold Georg Niebuhr († 1831) nutzen, um das Thema meiner Arbeit „Der Feldzug des Xerxes - Die Entstehung einer negativen Überlieferung“ erklärend einzuführen.

Ich halte es deshalb für passend, weil es die Problematik des herodotischen Geschichtswerk „Historien“, mit dem ich mich im Folgenden eingehend beschäftigen und auseinandersetzen werde, gut charakterisiert und zeigt, in welchem Dilemma man sich befindet, wenn man sich, unter einer kritischen Fragestellung, mit dem Werk eines der bedeutendsten Historiker der Menschheitsgeschichte, auseinandersetzen muss.

Das Ziel meiner Arbeit soll sein, ansatzweise zu überprüfen und zu analysieren, ob und wenn, in wie weit, sich die Geschichtsschreibung, explizit die des Herodot von Halikarnassos (ca. 484 v. Chr. bis 425 v. Chr), „schuldig“ macht, den Xerxeszug gegen Griechenland im Jahre 480/79 v. Chr. in ein negatives Licht gerückt zu haben.

Als primäre Quelle dient mir das schon angesprochene neun Bücher umfassende Geschichtswerk „Historien“ des Herodot, genau genommen die Bücher VII und VIII. Zudem werde ich mich mit Forschungsmeinungen aus der Sekundärliteratur beschäftigen und zur Unterstützung meiner Behauptungen und Thesen hinzuziehen. Diese Informationsquellen stellen hauptsächlich die Literatur Reinhold Bichlers, Josef Wiesenhöfers, Hans Dillers und anderen aber auch das Internet dar.

2 Vorspiel

Vorgeschichte des Xerxeszug – Das Debakel nimmt seinen Lauf

Wie schon angesprochen werde ich mich bei meiner Analyse hauptsächlich auf den Teil der herodotschen Historien stützen, der Feldzug des Xerxes und seine Vorgeschichte bis zur Schlacht von Salamis behandelt, was in den Büchern VII und VIII geschieht. Da das siebte Buch ohne Umschweife oder einführenden Worte direkt in das Geschehen nach der persischen Niederlage in der Schlacht von Marathon einsetzt, will ich eine kurze Einordnung in den historischen Kontext geben, der wichtig ist, um die folgenden Geschehnisse zu verstehen.

Bevor es zu den ersten Kontakten mit hellenischen Welt kam, hatte sich das persische Reich in knapp 200 Jahren zu einem mächtigen Weltreich entwickelt.

Erst der Großkönig Dareios I., unter dem der persische „[…]Vielvölkerstaat[…]den Höhepunkt seiner Macht erlebte[…][2], wurde im Zusammenhang mit der Revolte der kleinasiatischen Griechen, der in dem sog. „Ionischen Aufstand“ (500-494 v. Chr.) endete, in kriegerische Auseinandersetzungen mit Griechenland verwickelt.

Nach Niederschlagung der Revolte folgte eine Strafexpedition gegen Griechenland, die aber in einer persischen Niederlage bei Marathon endete. Genau hier setzt der Beginn des Buch VII und damit auch der Hauptteil meiner Arbeit ein.

3 Xerxes und seine Lenker – Ein Dispot zum Scheitern verurteilt

3.1 Xerxes wird König – Die Demaratos-Legende

Herodot beginnt mit dem Eintreffen der Nachricht von der Niederlage in der Schlacht von Marathon beim Hofe des Großkönigs Dareios I.[3]. Diese Nachricht habe den Groll gegen die Athener gesteigert und den Entschluss zum Krieg gegen Hellas gefördert (Hdt. VII, 1). Drei Jahre lang habe er für diesen Feldzug aufrüsten lassen, bis „Im vierten Jahr [...] die Ägypter […] von den Persern [abfielen] […]“ (Hdt. VII, 1), worauf sich Dareios für einen Feldzug gegen beide entschieden habe. Da Xerxes, etwa im Jahre 519 v. Chr. als Sohn des Dareios geboren, zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht die Macht inne hatte, muss man feststellen, dass der Feldzug gegen Griechenland und auch die Niederschlagung des Aufstandes in Ägypten zwar, wie sich später herausstellen wird, von Xerxes angeführt wurden, die Initiative zu diesen Unternehmungen (und auch zu den anfänglichen Vorbereitungen), eindeutig von Dareios ausgegangen sein muss[4]. Noch bevor Dareios „[…] nach sechsunddreißig Jahren Regierung im Jahr nach dem Ausbruch der Revolte in Ägypten mitten in den Kriegsvorbereitungen starb […]“[5], musste sein Nachfolger ernannt werden. Herodot berichtet von insgesamt sieben Söhnen des Dareios, die er mit zwei verschiedenen Müttern ( die Tochter des Gobryes und später Atossa) gezeugt habe (Hdt. VII, 2); „Unter den vorher geborenen Söhnen war Artobazanes der älteste, unter den später geborenen Xerxes.“ (Hdt. VII, 2). Die Wahl des Nachfolgers schien somit nicht eindeutig. Hier setzt nun eine Schilderung Herodots ein, die den Leser zum ersten Mal stutzig machen lässt und m.E. sogar zu einer sehr zweifelhaften Darstellung des Xerxes führt: Verständlicherweise rivalisierten die beiden Brüder untereinander sehr, schließlich ging es um die Thronfolge, die nur unter ihnen ausgemacht werden konnte. Während Artobazanes nur das eher konservative Argument vorbringt „[…] dass er als der älteste der gesamten Nachkommen entsprechend den in aller Welt üblichen Gebräuchen auch den Thron beanspruchen könne.“ (Hdt. VII, 2), knüpfte Xerxes, so Herodot, an der ruhmreichen achämenidischen Tradition an und erinnert an seine Mutter Atossa, der Tochter des Kyros, „[...]der den Persern die Freiheit gewonnen habe.“ (Hdt. VII, 2), was ihn eindeutig zum m.E. legitimeren Nachfolger auszeichnet. Doch Herodot lässt weder Dareios urteilen, noch lässt er die beiden Kontrahenten im Kampf die Nachfolge entscheiden, aus dem einer heroisch als Sieger hervorgeht (wie es in derartigen Erzählungen doch sicherlich nicht unüblich wäre). Stattdessen inziniert er den Auftritt des spartanischen Emigranten Demaratos, der Xerxes geraten habe „[…] er solle doch […] für seine Ansprüche […] hinzufügen, dass er dem Dareios bereits geboren worden sei, als dieser auf dem Throne saß und die Herrschermacht über die Perser innehatte, während die Geburt Artobazanes in eine Zeit falle, da Dareios noch ein einfacher Bürger war.“ (Hdt. VII, 2). Xerxes schien also zu unfähig, wenn nicht sogar zu feige, seine scheinbar rechtmäßige Nachfolge selbst durchzusetzen[6] und sich gegen seinen Rivalen aus eigener Kraft zu behaupten, sondern er ließ sich von einem „[…] zufällig anwesenden Fremden […]“[7] (der auch noch Grieche ist!) die Worte in den Mund

legen, die ihn schließlich zum König machen[8]. Zwar macht Herodot die beiläufige[9], „beschwichtigende“ Bemerkung, dass „[…] Xerxes auch ohne diesen Rat König geworden.“ (Hdt. VII, 3) wäre, an einem schmälernden Bild von der Person des Xerxes tut dies m.E. aber keinen Abbruch.

Unreif und ohne ausreichende Entschlusskraft, […] zu sehr zur despotischen Willkür neigend, so zeichnen die Historien Xerxes’ Bild. Schon seine ersten Erwähnungen lassen einen frevlerischen Machthaber und einen grausam strafenden Herrscher erkennen.[10]

Auch die herodotsche Darstellung des Dareios wirft zuletzt einen negativen Schatten über den neuen Großkönig Xerxes: Dareios letzte Amtstat war die Vorbereitung eines großangelegten Feldzuges gegen Ägypten und ganz Griechenland. Dieses Unternehmen war nach Herodot geprägt von „[…] unbedingter

Rachegesinnung […]“[11], was durch die Wortwahl in seinen Schilderungen unterstrichen wird, wenn er z.B. erläutert, dass es Dareios „[…] nicht vergönnt gewesen war, sich an den Ägyptern für ihren Abfall und an den Athenern zu rächen.“ (Hdt. VII, 4), was seine politischen Erfolge (z.b. der größten Ausdehnung des Imperiums, entscheidende Reichsreformen, etc.[12] ) in den Hintergrund treten lässt und so ein Bild entstehen lässt, „[…] in dem das kalkulierte Streben nach Macht und Besitz dominert.[13]. Da Xerxers nun der Sohn und Nachfolger des Dareios und dessen machtpolitischen Ziele wurde, ist ihm von Herodot der Stempel des „rachelüsternden“ Eroberers zu unrecht aufgedrückt worden[14].

3.2 Mardonis und Xerxes – Planung des Feldzuges

Aus der anfänglichen Unsicherheit des Xerxes, mit der Herodot die Anfänge den Antritts seiner Nachfolge beschreibt, der „[…] keineswegs entschlossen [war], gegen Hellas zu Felde zu ziehen.“ (Hdt. VII, 5) (was, nebenbei gesagt, auch als Zeichen von Unsouveränität gesehen werden kann), vermochte sich der junge Großkönig anscheinend nicht eigenständig befreien können. Orientiert an der Aischylos-Tragödie, in der „[…] schlechte Ratgeber […][Xerxes] den Plan zu dem hybriden Feldzug eingaben […]“[15], lässt Herodot nun wieder einen Ratgeber auftreten, in der Person des Mardonis, ein Vetter des Xerxes (Hdt. VII, 5). Die von Herodot skizzierte charakterliche Tendenz zur mangelndem Durchsetzungsvermögen des Xerxes setzt sich fort; nun ist es Mardonis, der Xerxes’ Handeln lenkt, in dem er auf ihn „[…] den größten Einfluss unter den Persern hat […]“(Hdt. VII, 5). Herodot lässt Mardonis Xerxes zu dem wahnwitzigen, schon hybriden Feldzug gegen Hellas überreden und ihn mit teilweise zweifelhaften Argumenten, wie die Aussicht auf „[…] fruchttragende Bäume mannigfacher Art […]“(Hdt. VII, 5) locken. Im Zuge der folgenden Schilderung der Niederschlagung der Revolte in Ägypten steigert Herodot das Bild des willkürlichen Herrschers Dareios, in dem er erwähnt, dass Xerxes „[…] Ägypten eine noch viel drückendere Knechtschaft auf [-erlegte] , als sie unter Dareios bestanden hatte […]“(Hdt. VII, 7). Danach berichtet Herodot von einer Rede, die Xerxes vor dem Thronrat hielt (Hdt. VII, 8). Wie Sontheimer aber in den Anmerkungen seiner Herodot-Übersetzung feststellt, sei diese Rede frei erfunden[16]. In seiner Ansprache trug Xerxes den persischen Fürsten „[…] exakt die Position des Mardonis als die seine vor.[17], nennt also die gleichen Argumente (Wahrung der persischen Interessen und Traditionen, Rache an den Griechen für Marathon, Wahrung des „internationalen“ Rufes (Vgl. Hdt. VII, 5)), was wiederholt zeigt, in wie weit sich Xerxes in der herodotschen Historie von fremden Gedanken einnehmen lässt. Zudem nutzt Herodot diese Rede um die Hybris des Xerxes aufzuzeigen: er strebt nicht nur die Eroberung Griechenlands an, nichts geringeres als die Weltherrschaft ist sein Ziel (Vgl. Hdt. VII, 8). Nach dieser Rede und dem anschließenden Beitrag Mardonios herrsche betroffenes Schweigen unter den Zuhörern, was „[…] nicht als Zeichen allgemeiner Zustimmung zu werten [ist] , sondern [als] Ausdruck einer gewissen Angst […] ;angesichts der Stellung des Xerxes und seiner leidenschaftlichen Begeisterung für das Projekt scheint ein Widerspruch nicht nur sinnlos, sondern auch riskant.[18]. Einzig Artabanos, der den Gegenpart zu Mardonios gibt[19] und auch im weiteren Verlauf immer wieder eine wichtige Rolle als „Warner“ spielt, habe sich, aufgrund der Verwandtschaft mit Xerxes, gewagt das Wort zu erheben. Herodot lässt ihn hier eine Reihe von Mahnungen aussprechen, die das Scheitern des Xerxes quasi schon voraussagen (Vgl. Hdt. VII, 10). Nach der langen Replik des Artabanos schiebt Herodot eine für ihn typische Sequenz ein: eine Traumszene (auf die ich aber nicht weiter eingehen werde), nach der sich Xerxes, nach langen Überlegungen doch für den Feldzug gegen Griechenland entscheidet so wie es ihm im Traum geraten wurde, obwohl er diesen Plan schon zuvor im Zweifel gelassen habe (Hdt. VII, 12-18).

[...]


[1] aus: Wilfried Nippel: Griechen, Barbaren und "Wilde", Frankfurt a.M. 1990, S. 11

[2] Rainer Albertz u.a.: Frühe Hochkulturen, Mannheim 1997, S. 309

[3] Walter Sontheimer: Herodot - Die Bücher der Geschichte VII-IX, Stuttgart 2001, VII, 1

Anmerkung: Da mir diese Übersetzung Sontheimers als primäre Quelle diente, werde ich im Folgenden Zitate, Anmerkungen etc, die aus dieser Quelle stammen, direkt im Textfluss (nach dem Schema Hdt. Buch, Kapitel) angeben. Als ergänzender Quellentext diente mir:

J.Chr.F.Bähr u.a.: Langenscheidtsche Bibliothek sämtlicher griechischen und römischer Klassiker in neueren deutschen Übersetzungen – 33.Band: Herodot II, Berlin und Stuttgart 1855-1910.

[4] Vgl. Reinhold Bichler u.a.: Herodots Welt, Berlin 2000, S.317

[5] Reinhold Bichler u.a.: Herodots Welt, Berlin 2000, S.317

[6] Vgl. Jörg Schulte-Altedorneburg: Geschichtliches Handeln und tragisches Scheitern – Herodots Konzept historiographischer Mimesis, Berlin u.a. 2001, S.177

[7] Jörg Schulte-Altedorneburg: Geschichtliches Handeln und tragisches Scheitern – Herodots Konzept historiographischer Mimesis, Berlin u.a. 2001, S. 177

[8] siehe dazu Bichler, Herodots Welt, Berlin 2000, S.317 :„Es ist eine reizvolle Idee, ausgerechnet den seiner angeblich nicht ebenbürtigen Abstammung wegen abgesetzten und geflüchteten König zum Ratgeber des legitimen Achaimeniden-Sprößlings in Sachen Thronfolge am Perserhof zu machen.“

[9] Vgl. Jörg Schulte-Altedorneburg: Geschichtliches Handeln und tragisches Scheitern – Herodots Konzept historiographischer Mimesis, Berlin u.a. 2001, S.177

[10] Reinhold Bichler u.a.: Herodots Welt, Berlin 2000, S.357

[11] Reinhold Bichler u.a.: Herodots Welt, Berlin 2000, S.317

[12] Vgl. Josef Wiesehöfer: Das frühe Persien – Geschichte eines antiken Weltreichs, München 1999,

S. 29

[13] Reinhold Bichler u.a.: Herodots Welt, Berlin 2000, S.317

[14] dazu Josef Wiesehöfer: Das frühe Persien – Geschichte eines antiken Weltreichs, München 1999, S.32: „Daß er dabei [Ausweitung und Reformierung der Perserherrschaft] im Ergebnis viel erfolgreicher war als uns die griechischen Zeugnisse glauben machen wollen, in denen er als intolleranter, einfallsloser Despot erscheint, ist in den letzten Jahren deutlich herausgestellt worden.

[15] Vgl. Reinhold Bichler u.a.: Herodots Welt, Berlin 2000, S.318

[16] Vgl. Walter Sontheimer: Herodot - Die Bücher der Geschichte VII-IX, Stuttgart 2001, S. 117

[17] Jörg Schulte-Altedorneburg: Geschichtliches Handeln und tragisches Scheitern – Herodots Konzept historiographischer Mimesis, Berlin u.a. 2001, S. 178

[18] Jörg Schulte-Altedorneburg: Geschichtliches Handeln und tragisches Scheitern – Herodots Konzept historiographischer Mimesis, Berlin u.a. 2001, S.183

[19] Vgl. Reinhold Bichler u.a.: Herodots Welt, Berlin 2000, S.320

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Der Feldzug des Xerxes
Untertitel
Die Entstehung einer negativen Überlieferung
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V133314
ISBN (eBook)
9783640460656
ISBN (Buch)
9783640462674
Dateigröße
548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Xerxes, Perser, Herodot
Arbeit zitieren
Armin de Jonghe (Autor:in), 2006, Der Feldzug des Xerxes , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133314

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