Bewertungsmethoden für Wertpapiere auf unvollkommenen und unvollständigen Märkten


Diplomarbeit, 2005

85 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Einführung und Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2 Wertpapierbewertung auf vollkommenen und vollständigen Kapitalmärkten
2.1 Wertpapiere
2.1.1 Finanzierungstitel
2.1.2 Derivate
2.2 Kapitalmärkte
2.2.1 Vollständige versus unvollständige Kapitalmärkte
2.2.2 Vollkommene versus unvollkommene Kapitalmärkte
2.3 Bewertungsmodelle für Wertpapiere auf vollkommenen und vollständigen Märkten
2.3.1 Absolute Bewertung
2.3.2 Relative Bewertung

3 Bewertungsmodelle auf vollkommenen und unvollständigen Märkten
3.1 Absolute Bewertung bei unvollständigem Kapitalmarkt
3.1.1 Das "Capital Asset Pricing Modell":
3.1.2 Die „Arbitrage Pricing Theory"
3.2 Relative Bewertung bei unvollständigem Kapitalmarkt
3.2.1 Bewertung unbedingter Termingeschäfte: Future
3.2.2 Bewertung bedingter Termingeschäfte: Call
3.2.3 Bewertung bedingter Termingeschäfte: Put

4 Bewertungsmodelle auf unvollständigen und unvollkommenen Märkten
4.1 Absolute Bewertung
4.1.1 Der unvollkommene Kapitalmarkt und das CAPM
4.1.2 Der unvollkommene Kapitalmarkt und die APT
4.1.3 Informationsasymmetrie
4.2 Relative Bewertung - partielles Gleichgewicht
4.2.1 Die Bewertung von Derivaten auf unvollkommenen Märkten
4.2.2 Informationsasymmetrie bzw. Symmetrie

5 Untersuchungsergebnisse

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Gesetze

Abbildungsverzeichnis

1 Abbildung 1: Portefeuilles mit der Rendite Rf

2 Kapitalmarktlinie mit risikoloser Geldanlagemöglichkeit

3 CAPM mit sicherer Kapitalanlage

4 Die Kapitalmarktlinie mit gespaltenem Zins

Tabellenverzeichnis

1 Vollkommener versus Unvollkommener Kapitalmarkt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[1]

1 Einleitung

1.1 Einführung und Problemstellung

Die Frage der Bewertung von Wertpapieren ist so alt wie Wertpapiere selbst. Jedoch wurden erst im Laufe der letzten 50 Jahre eine Reihe von Modellen zur Bewertung von Wertpapieren entwickelt, die auf zum Teil sehr strengen Annahmen beruhen. Diese Annahmen stellen theoretische Anforderungen an Kapitalmärkte, die real nicht gegeben sind. Das sind vor allem die Annahmen vollständiger und vollkommener Kapitalmärkte. Diese Arbeit untersucht, wie sich die Bewertungsmodelle ändern, wenn diese Annahmen nicht vorzufinden sind. Ziel ist somit die Einbettung der Modelle in eine reale Kapitalmarktumgebung und eine Darstellung ihrer Tauglichkeit.

1.2 Gang der Untersuchung

In Kapitel 2 wird zunächst eine Übersicht über Wertpapiere, Kapitalmärkte und Bewertungsmethoden gegeben. Die Annahmen eines vollständigen und vollkommenen Kapitalmarktes werden herausgearbeitet und festgestellt, wann der Kapitalmarkt dies nicht ist. Der Wertpapierunterscheidung folgend wird in absolute und relative Bewertungsmethoden unterschieden. Anschließend werden in Kapitel 2 relevante Bewertungsmethoden herausgearbeitet und nach dem Kriterium Unvollständigkeit aussortiert. Eine Beschreibung dieser Modelle schließt sich in Kapitel 3 an. Im Hauptteil - Kapitel 4 werden diese Modelle dann bezüglich der in Kapitel 2 definierten Unvollkommenheiten untersucht.

2 Wertpapierbewertung auf vollkommenen und vollständigen Kapitalmärkten

2.1 Wertpapiere

Wertpapiere werden hier unterteilt in Finanzierungstitel und Derivate und stellten generell eine Urkunde dar, die dem Inhaber der Urkunde bestimmte Rechte gewährt.

2.1.1 Finanzierungstitel

„Wer als Kapitalgeber in irgendeiner Form zur Finanzierung eines Unternehmens beiträgt, erwirbt damit einen Finanzierungstitel, das heißt ein bestimmtes Bündel von Rechten und Pflichten. ...

Wenn zur Finanzierung der Investition eines Unternehmens Mittel von externen Kapitalgebern in Anspruch genommen werden, geschieht dies in aller Regel in der Weise, dass die Kapitalgeber als Gegenwert eine Gesamtheit von Rechten, manchmal auch verbunden mit Verpflichtungen, erhalten. Eine solche Gesamtheit von Rechten und Pflichten wird als Finanzierungstitel bezeichnet. ... Die wichtigste Eigenschaft eines Finanzierungstitels ist, dass er für seinen Inhaber mit der Anwartschaft auf zukünftige Zahlungen des Unternehmens verbunden ist. Die Ausgabe von Finanzierungstiteln durch ein Unternehmen bedeutet also, dass gegenwärtig verfügbares Geld gegen die Anwartschaft auf zukiinftige, mehr oder weniger sichere Zahlungen getauscht wird."[2]

In dieser Arbeit werden die mit einem Finanzierungstitel verbundenen nicht monetären Rechte und Pflichten zunächst von der Betrachtung ausgeschlossen und der Wert eines Finanzierungstitels auf den von ihm verursachten unsicheren Zahlungsstrom reduziert.

2.1.2 Derivate

Unter einem derivativen Finanztitel versteht man einen unsicheren Zahlungsstrom, der direkt vom unsicheren Zahlungsstrom einer anderen Vermögensposition (dem Underlying) im Zeitablauf abhängig ist und der eine bestimmte maximale Laufzeit besitzt.

Eine Option ist ein bedingtes Termingeschäft. Der Inhaber der Option hat das Recht, aber nicht die Pflicht, zu einem vorab festgelegten Preis (Basispreis) innerhalb einer bestimmten Frist (amerikanische Option) oder an einem bestimmten Termin (europäische Option) das Underlying zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Das Recht zum Kauf oder Verkauf erwirbt der Inhaber der Option vom Stillhalter der Option gegen die Zahlung des Optionspreises (Prämie).[3]

Forwards, Futures und Swaps sind unbedingte Termingeschäfte.[4] Hier verpflichten sich Käufer und Verkäufer, das Underlying zu einem vorab festgelegten Preis an einem bestimmten Termin abzunehmen bzw. zu liefern.

„Bei einem Swap vereinbaren die Vertragspartner den Tausch bestimmter aus Finanzierungstiteln resultierenden Zahlungen oder Zahlungsverpflichtungen."[5] In dieser Arbeit werden die Swaps jedoch von der Betrachtung ausgeschlossen, sind sie doch zumeist das Resultat individueller Verhandlungen und damit der exakten Bewertung durch Modelle nicht zugänglich.

Ferner lassen sich Forwards und Futures unterscheiden. Forwards werden auf nicht organisierten Märkten gehandelt. Die Verträge sind auf die individuellen Bedürfnisse des Partners abgestimmt; die Lieferung der vereinbarten Leistung ist erwünscht. Aus den gleichen Gründen wie beim Swap werden auch die Forwards von einer weiteren Untersuchung ausgeschlossen. Futures dagegen sind durch die Verpflichtung gekennzeichnet, eine genau spezifizierte Warenart und Menge zu einem bei Abschluss des Geschäftes festgelegten Preis und Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen. Es erfolgt eine Standardisierung bezüglich Erfüllungstermin, Betrag und Menge, so dass ein Börsenhandel möglich wird.

Unterscheiden lassen sich der Interest-Rate-Future, welcher ausschließlich von der Marktzinsentwicklung abhängt und der Index Future, dessen Kontraktgegenstand ein Aktienindex, also ein abstrakter, nicht lieferbarer Basiswert ist. [6] Der Index—Future und die Option auf Finanzierungstitel, im Besonderen Aktien, soll im Folgenden betrachtet werden.

2.2 Kapitalmärkte

Unter dem Kapitalmarkt versteht man in Anlehnung an Peridon/Steiner (1999) S. 166 den Markt für längerfristige Kapitalanlage und Aufnahme, speziell den Markt für verbriefte Finanztitel - Wertpapiere. Der Primärmarkt stellt den Markt für Neuemissionen dar. Auf dem Sekundärmarkt vollzieht sich der Handel bereits emittierter Papiere zwischen den Anlegern.[7]

Gegenstand von Markttransaktionen können aber auch Derivate sein. Die dafür bestehenden Märkte werden als derivative Märkte bezeichnet. Auf derivativen Märkten kann man wieder zwischen Primär- und Sekundärmärkten unterscheiden.[8]

Alle diese Märkte können entweder vollständig oder unvollständig als auch vollkommen oder unvollkommen sein.

2.2.1 Vollständige versus unvollständige Kapitalmärkte

Bei S definitiven Zuständen/Zeitpunkten weisen J Wertpapiere bezüglich dieser S Zustände/Zeitpunkte eine Auszahlungsstruktur auf. Ein Gleichungssystem von Auszahlungsstrukturen und Preisen der Wertpapiere p lässt sich immer dann eindeutig lösen, wenn die Rückflussmatrix X invertiert werden kann. Ist das der Fall, so sind auch die Preise der reinen Wertpapiere [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten][9] [10]

Eine Matrix ist invertierbar, wenn sie quadratisch und regulär ist. 1. Quadratisch ist sie dann, wenn sie ebenso viele Zeilen wie Spalten besitzt. Ökonomisch bedeutet das: Die Anzahl der Marktwertpapiere muss genauso groß sein wie die Zahl der relevanten Zeitpunkte/Zustände. 2. Die Matrix muss regulär sein. Ihre Determinante darf nicht null sein. Dieser Fall träte ein, wenn die Rückflüsse eines Wertpapiers nichts anderes als das Vielfache eines (oder mehrerer) anderer Wertpapiere darstellen würden. Die Rückflüsse müssen also linear unabhängig sein, damit das Gleichungssystem lösbar ist.

Darüber hinaus sprechen wir von Arbitragefreiheit dann, wenn eine Matrix X und ein Vektor p gegeben sind und ein Vektor[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gilt. Oder es existiert ein Vektor n, so dass sowohl [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] erfüllt ist. Dann sagen wir, dass eine Arbitragegelegenheit gegeben ist. [11] Arbitragefreiheit und ein System reiner Wertpapiere zugleich ist nur auf vollständigen Märkten möglich, wobei ein nicht vollständiger Kapitalmarkt auch arbitragefrei sein kann.

Ferner wird unterschieden:

1. Unvollständiger Kapitalmarkt

Ist die Zahl der am Markt gehandelten Wertpapiere kleiner als die Zahl der relevanten Zustände/Zeitpunkte (J < S), dann existiert der Vektor [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] nicht.

2. Übervollständiger Kapitalmarkt

Von einem übervollständigen Kapitalmarkt wird gesprochen, wenn mehr Titel gehandelt werden als relevante Zustände zu unterscheiden sind, J > S. Unter der Vorraussetzung, dass Cash-Flows und Preise von S Titeln linear unabhängig sind, gibt es auf einem solchen Kapitalmarkt J - S redundante/rekonstruierbare Finanztitel.[12]

2.2.2 Vollkommene versus unvollkommene Kapitalmärkte

Eine Beschreibung vollkommener Märkte stellt sich nicht einheitlich dar. Je nach Zweck sind Abweichungen gegeben. So wird zum Beispiel ein vollkommener Kapitalmarkt benötigt, um die kapitalbindende (Investitions-) und kapitalbeschaffende (Finanzierungs-) Entscheidung zu separieren[13]. Relevant ist diese Perspektive eher aus der Sicht eines Unternehmens und weniger für die Bewertung von Wertpapieren. Trotzdem bietet sich diese Form des vollkommenen Kapitalmarktes als Einstieg an. Sie zeichnet sich durch folgende Merkmale aus[14]:

1. Das Kapital ist hinsichtlich Eigen- oder Fremdkapital und unterschiedlicher Bonität der Kunden nicht differenziert.
2. Das Kapital steht in einer einzigen gleichbleibenden Qualität zur Verfügung (Homogenität).
3. Jeder hat Zugang zum Kapitalmarkt in unbeschränkter Höhe (Free Entry).
4. Durch die vollständige Markttransparenz existiert ein einheitlicher, sich nicht verändernder Zinssatz, der Marktzinssatz, der als Kostenfaktor die „Beschränkung" dieses vollkommenen Kapitalmarktes darstellt.

Die reale Kapitalmarktsituation dagegen ist gekennzeichnet durch unterschiedliche Zinssätze und Aufnahme- und Anlageobergrenzen und stellt einen unvollkommenen, beschränkten Kapitalmarkt dar.[15] Statt Kapitalanbieter und -nachfrager werden in dieser Arbeit Wertpapierkäufer und Wertpapierverkäufer mit unbeschränktem Zugang zum Kapitalmarkt bzw. auch einer unbeschränkten Leerverkaufsmöglichkeit betrachtet. Inflation stellt das Gegenstück zur gleichbleibenden Qualität des Kapitals dar. Die Bonität der Kunden/Kapitalnachfrager/Wertpapierkäufer spielt eine eher untergeordnete Rolle.

Diese Vollkommenheitsvoraussetzungen führen zur Ausschaltung jeglicher Liquiditätsprobleme. Geld steht immer in beliebiger Höhe zur Verfügung.[16]

Unter Liquidität wird hier jedoch nicht die Zahlungsfähigkeit der einzelnen Marktteilnehmer (Bonität) gesehen, sondern dass ein zusätzliches Angebot abgenommen bzw. eine zusätzliche Nachfrage am Markt befriedigt werden kann, ohne dass dabei unabsehbare oder erratische Kursschwankungen ausgelöst werden. In einem liquiden Markt wird es - auch bei umfangreichen Transaktionen - keinem einzelnen Marktteilnehmer gelingen, einen spürbaren Einfluss auf den aktuellen Marktpreis auszuüben. Ein liquider Markt geht i.d.R. mit einer vergleichsweise geringen Kurs-Schwankungsbreite (Volatilität) und hohem Umsatzvolumen einher.

Die Liquidität eines Marktes hängt nicht unwesentlich von der Anzahl und Heterogenität seiner Marktteilnehmer ab: Je größer die Anzahl bzw. unterschiedlicher die Handelsmotive der Marktbeteiligten, je enger werden Geld- und Brief-Kurse beieinander liegen und umso schneller, einfacher und verlässlicher lassen sich in der Regel auch umfangreiche Aufträge zu oder nahe dem letztgehandelten Kurs ausführen.

An manchen Börsen erhöhen sog. "market-maker" durch Eigengeschäfte die Liquidität eines Marktes, indem diese zu jedem Zeitpunkt einen Preis stellen, zu dem sie zu kaufen oder zu verkaufen bereit sind. Sie unterliegen deshalb einem Risiko, für welches sie zu entlohnen sind. Diese Entlohnung erfolgt durch einen Bid - Ask Spread[17]. Je enger die Geld- und Brief-Kurse in einem Markt beieinander liegen, umso liquider kann der Markt eingestuft werden.[18]

Schließlich weist die Bid - Ask - Spanne die klassischen Eigenschaften von Transaktionskosten auf. In Anlehnung an Bell (1993) S. 90 soll von impliziten Transaktionskosten gesprochen werden. Hohe Liquidität bedingt niedrige Transaktionskosten. Geringe Transaktionskosten wiederum erhöhen die Attraktivität und damit die Liquidität eines Marktes[19].

Damit haben wir ein erstes Bild vom vollkommenen Kapitalmarkt:

1. Das Kapital steht in einer einzigen gleichbleibenden Qualität zur Verfügung (Homogenität).
2. Es existiert ein unbeschränkter Zugang zum Kapitalmarkt und eine unbeschränkte Leerverkaufsmöglichkeit und damit auch keine Kapitalaufnahme- und Kapitalanlage — Obergrenze oder ungleicher Marktzugang.
3. Ferner gibt es einen einheitlichen, sich nicht verändernden Zinssatz.
4. Es gibt eine „ausreichende" Liquiditit und keine Transaktionskosten.

Als eine Art Transaktionskosten können ferner Informationskosten angesehen werden. Ihr Auftreten ist nur möglich, wenn keine Informationseffizienz herrscht, sich die Kurse erst mit zeitlicher Verzögerung an den richtigen Wert anpassen und eine Informationsverarbeitung und -beschaffung fiberhaupt zulassen. Von Informationseffizienz ist nämlich laut Franke/Hax (1999) S. 389 dann die Rede, wenn sich die Preise bei jeder neuen Information ohne zeitliche Verzögerung auf das Niveau einstellen, das sich ergäbe, wenn alle Investoren diese Information gleichzeitig erhielten und unverzfiglich disponieren wfirden.

Es werden drei Stufen der Informationseffizienz unterschieden:

1. Informationseffizienz im strengen Sinne ist gegeben, wenn zu jedem Zeitpunkt in den Marktpreisen alle fiberhaupt verffigbaren Informationen voll zum Ausdruck kommen.
2. Informationseffizienz im mittelstrengen Sinne ist gegeben, wenn zu jedem Zeitpunkt in den Marktpreisen alle allgemein verffigbaren Informationen voll zum Ausdruck kommen.
3. Informationseffizienz im abgeschwächten Sinne ist gegeben, wenn zu jedem Zeitpunkt die Marktpreise alle Informationen fiber das Marktgeschehen in der Vergangenheit voll zum Ausdruck bringen.

Ist alles außer den zufälligen Änderungen antizipiert, bleibt nur noch der Zufallseinfluss als Ursache von Preisänderungen fibrig.[20] Ein Zufallsprozess wiederum lässt sich als Normalverteilung darstellen[21].

Der zentrale Unterschied des vollkommenen zum unvollkommenen Markt ist ferner in der Annahme einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen den handelnden Akteuren zu sehen[22].

Der vollkommene Markt wird hier somit um die Informationseffizienz ergänzt. Es lässt sich festhalten, dass auf unvollkommenen Märkten Informationskosten entstehen können, heterogene Erwartungen auftauchen oder sogar Informationsasymmetrie herrscht.

Ferner wird ein Kapitalmarkt dann als vollkommen definiert, wenn folgende Eigenschaften vorliegen:

1. Rationalverhalten: Stehen für einen Marktteilnehmer mehrere Handlungsalternativen zur Auswahl, so wird von ihm diejenige gewählt, die ihm den größten subjektiven Vorteil zu bringen erscheint.
2. Mengenanpasserverhalten: Alle Marktteilnehmer glauben, dass sie durch individuelle Handlungen die Preise von Finanzierungstiteln auf dem Kapitalmarkt nicht beeinflussen können.
3. Transaktionskostenlosigkeit: Jede Handlung hat keine Kosten, die aus der Handlung selbst herrühren (also z.B. Steuern, Informationskosten).[23]

Es folgt dementsprechend die nächste Ausbaustufe mit der Erweiterung durch die Anlegerperspektive. Das Rationalverhalten und Mengenanpasserverhalten der Anleger findet Eingang in die dieser Arbeit zugrundeliegende Definition des vollkommenen Marktes. Auch die Abwesenheit von Transaktionskosten wird durch die Anlegerperspektive insoweit erweitert, dass es keine Steuern und Informationskosten geben darf.

Abschließend wird der vollkomme Kapitalmarkt um den Aspekt der beliebigen Teilbarkeit von Finanztitel ergänzt.

Ein Kapitalmarkt ist nun als unvollkommen zu bezeichnen, wenn alle der beim vollkommenen Kapitalmarkt aufgezählten Bedingungen nicht bzw. nur teilweise nicht zutreffen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Vollkommener versus Unvollkommener Kapitalmarkt

2.3 Bewertungsmodelle für Wertpapiere auf vollkommenen und vollständigen Märkten

Unter den Modellen für einen vollkommenen Kapitalmarkt ist zunächst zwischen Modellen unter Sicherheit und unter Unsicherheit zu differenzieren.

Herrschen über die künftigen Entwicklungen sichere Erwartungen, bleibt lediglich der intertemporale Tausch von Zahlungen über den Kapitalmarkt zu untersuchen. Bei Vollständigkeit und Vollkommenheit muss es einen einzigen Zinssatz r geben, zu dem jetzige Geldbeträge in künftige transformiert werden können und umgekehrt[24]. Der Preis p eines Finanzierungstitels entspricht dem Barwert des mit diesem Titel verbundenen Zahlungsstromes. Die Barwertformel kann durch Einbeziehung unterschiedlicher Zinssätze für verschiedene Zeitspannen modifiziert werden[25]. Für die Vereinbarkeit mit einem Marktgleichgewicht muss die Zinsstrukturkurve der Bedingung der Arbitragefreiheit genügen[26].[27] Es existiert somit ein System nicht negativer Preise für reine Wertpapiere[28].

Ferner lässt sich das auf Arbitrageüberlegungen aufbauende Mehr — Perioden — „Arrow/Debreu" Modell[29] in ein atemporales Modell transformieren. Vollständigkeit und Nichtnegativität vorausgesetzt lassen sich die Preise von Wertpapieren am einfachsten durch Replikation mit den synthetisch erzeugten Preisen reiner Wertpapiere ermitteln. Mit Hilfe der reinen Wertpapiere lässt sich ferner der Sicherheitszins rf bestimmen. Dieser entspricht 1 geteilt durch die Summe der Preise der reinen Wertpapiere.

Festhalten lässt sich, dass Vollständigkeit und Sicherheit sich gegenseitig bedingen. Ferner lässt sich bei Unvollständigkeit kein Sicherheitszins mehr konstruieren, was ein ausweichen auf öffentliche Anleihen, das sind jene mit der höchsten relativen Sicherheit, erforderlich macht[30]. Gemäß unserer Aufteilung in Finanzierungstitel und Derivate wird hier zwischen absoluter und relativer Bewertung auf unvollständigen Märkten bei Unsicherheit differenziert.

2.3.1 Absolute Bewertung

Während unter Sicherheit zunächst das Barwertkonzept und unter Unsicherheit bei Vollständigkeit ein Zeit oder Zustands — „Arrow/Debreu" Modell konstruiert werden kann, welches die scheinbare Unsicherheitssituation dank Vollständigkeit zurück auf eine Sicherheitssituation führt, beschäftigt sich die Kapitalmarkttheorie mit dem vollkommenen Kapitalmarkt unter Unsicherheit.

Die moderne Kapitalmarkttheorie wird hier in der Form des Sekundärmarktmodells betrachtet[31], da die Ableitung von Gleichgewichtskursen und Gleichgewichtsrenditen — die Bewertung — im Vordergrund steht. Von dieser Perspektive aus gestaltet sich die Bewertung von Wertpapieren auf Primärmärkten schwierig, da es zur Informationsasymmetrie kommt, der ein eigener Abschnitt gewidmet ist.

Der klassische Ansatz der Kapitalmarkttheorie, der häufig auch als „das Kapitalmarktmodell" bezeichnet wird, ist das Capital Asset Pricing Model (CAPM), das in seiner Originalversion auf Sharpe (1964), Lintner (1965), Mossin (1966) zurückgeht und auf der Portefeuilletheorie unter Einbeziehung einer sicheren Kapitalmarktanlagemöglichkeit[32] basiert.[33]

Ein zum CAPM alternativer Ansatz zur Erklärung erwarteter Aktienrenditen ist die von Ross (1976) entwickelte APT. Ausgangspunkt der ursprünglichen APT Ableitung ist die als Faktormodellannahme bezeichnete Prämisse, dass die Entstehung der Renditen durch ein lineares Mehrfaktorenmodell beschrieben werden kann. Die zweite grundlegende Prämisse ist die Arbitragefreiheitsannahme.[34]

2.3.2 Relative Bewertung

Das Prinzip der Arbitragefreiheit erlaubt auch derivative Finanztitel, wie Terminkontrakte, Swaps und Optionen, zu bewerten. Die Grundidee besteht darin, den zukünftigen Zahlungsstrom des derivativen Finanztitels synthetisch durch ein Portefeuille aus anderen Geschäften (Aktie und Kredit/Geldanlage) zu erzeugen. In einem arbitragefreien Markt muss dann der Preis des derivativen Finanztitels mit dem Preis des Portefeuilles übereinstimmen.[35]

Auffallend ist, dass wenn der Markt für Finanzierungstitel und der Markt für Derivate, im Zeitablauf, bei Kenntnis des Wertes des Underlying, in einem linearen Zusammenhang stehen, es keiner Vollständigkeit bedarf um das Derivat zu bewerten. Dies gilt ausschließlich für die Bewertung von Futures.

Optionswertmodelle lassen sich laut Peridon/Steiner (1999) S. 322 in die partiellen und vollständigen Gleichgewichtsmodelle[36] unterscheiden. Partielle Gleichgewichtsmodelle wurden von Sprenkle (1964), Boness (1964) und Samuelson (1965) entwickelt. Sie gehen davon aus, dass ein absolutes Gleichgewichtsmodell vorhanden ist, welches die Information, wie risikoscheue Investoren riskante Wertpapiere diskontieren, liefert.[37] An dieser Stelle sei deshalb auf die vollständigen Gleichgewichtsmodelle verwiesen, die ohne zugrunde liegende absolute Bewertungsmodelle auskommen. Hierzu gehören die Modelle von Cox/Ross und Rubinstein (1979), Black/Scholes (1973) und Merton (1973).

Das von Cox, Ross und Rubinstein entwickelte Binominal — Modell[38] ermöglicht mit den Preisen reiner Wertpapiere — „Arrow/Debreu Securities" eine Optionsbewertung. Damit aber ist dieses Modell hier absolut gescheitert, da „Arrow/Debreu Securities" auf unvollständigen Märkten nicht konstruiert werden können. Der einzige Ausweg aus dem Dilemma, dass Vollständigkeit benötigt wird, ist laut Cox/Rubinstein (1985) S. 432 die dynamische Vollständigkeit, d.h.: Vollständigkeit durch dynamische Portefeuilleanpassung. Diesen Weg gingen Black/Scholes (1973). Merton (1973) kam praktisch zeitgleich mit Black/Scholes in einer anderen Veröffentlichung auf die gleiche Lösung[39].

3 Bewertungsmodelle auf vollkommenen und unvollständigen Märkten

3.1 Absolute Bewertung bei unvollständigem Kapitalmarkt

3.1.1 Das Capital Asset Pricing Modell:

Rendite und Risiko:

„Fiir Investoren von besonderem Interesse sind die kiinftigen (erwarteten) Renditen. Ihr Eintreten ist jedoch mit Unsicherheit behaftet. Einerseits besteht Unsicherheit darüber, welche Umweltlagen sich innerhalb des intendierten Prognoseintervalls einstellen (Prognose 1), andererseits besteht Unsicherheit hinsichtlich der Höhe der Erträge, die beim Eintreten bestimmter Umweltlagen erzielt werden (Prognose 2). Investoren werden daher zunächst versuchen, zumindest eine grob strukturierte Wahrscheinlichkeitsverteilung künftig als relevant erachteter Umweltlagen zu entwickehn."[40]

Liegt eine Risikosituation vor, die relevanten Umweltzustände konnten spezifiziert und die dazugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeiten und Renditen prognostiziert werden, dann lassen sich Erwartungswerte und Varianzen bestimmen.[41]

Ist nun die (erzielbare) Rendite unabhängig vom Umweltzustand, das heißt wird in jedem Umweltzustand die gleiche Rendite erzielt, spricht man von risikolosen Wertpapieren. Umgekehrt gilt: je größer die Spannweite der als möglich erachteten Renditerealisationen ist, desto riskanter ist das Wertpapier. Es liegt somit nahe, den Streubereich der möglichen Renditen zur Risikomessung heranzuziehen.[42] Die Risikoerfassung erfolgt also durch ein µa - Prinzip.

[...]


[1] Vgl.: Auckenthaler (1994) S. 195 in Anlehnung an Brennan (1970)

[2] Franke/Hax (1999) S.30.

[3] Vgl.: zum Beispiel Franke/Hax (1999) S. 54 und Peridon/Steiner (1999) S. 316.

[4] Vgl.: Peridon/Steiner (1999) S. 302.

[5] Franke/Hax (1999) S. 54

[6] Vgl.: Peridon/Steiner (1999) S. 302f.

[7] Vgl.: Peridon/ Steiner (1999) S. 166.

[8] Vgl.: Franke/Hax (1999) S. 54.

[9] Der Preis eines reinen Wertpapiers 7t ist der eines Wertpapiers, das im Zeitpunkt t flOOig ist, den Anspruch auf eine „Deutsche Mark" in diesem Zeitpunkt/Zustand verkörpert.

[10] Existiert die Inverse der Cash — flow — Matrix X-1. erhält man auf diese Weise X-1X7 = X-1p bzw. 7 = X-1p.

[11] Vgl.: Kruschwitz (1999) S. 149f. Trennungssatz der Funktionenanalysis, der zu Ehren der Mathematiker Julius Farkas und Hermann Minkowski als Minkowski - Farkas - Lemma bezeichnet wird.

[12] Vgl.: Kruschwitz (199) S. 149ff.

[13] Fishersche Separationseigenschaft — vgl.: Fisher, I., Theory of Interest (1930).

[14] Vgl.: Hahn (1983) S. 109.

[15] Vgl.: Peridon/Steiner (1999) S. 84.

[16] Vgl.: Peridon/Steiner (1999) S. 84.

[17] So auch Bell (1993) S. 90.

[18] Vgl.: Deifin (2005) Schlagwort: Liquidität.

[19] Vgl.: Deifin (2005) Schlagwort: Liquidität.

[20] Franke/Hax (1999) S. 389f.

[21] Zentraler Grenzwertsatz der Mathematik.

[22] Vgl.: Neus/Hirth (2001) S. 1305.

[23] Vgl.: Wikipedia (2005) Schlagwort: vollkommener Kapitalmarkt.

[24] Fisher (1930).

[25] Schneider (1951).

[26] Kruschwitz (1999).

[27] Vgl.: Neus/Hirth (2001) S. 1306ff.

[28] Siehe Seite Kapitel 2.2.1 zur Bestimmung der „Arrow/Debreu" Preise.

[29] Gleichgewichtsmodell geht auf Arrow (1953) und Debreu (1959) zurück.

[30] Dies gilt vor allem, da sich auf vollkommenen Märkten Soll- und Habenzins entsprechen vgl.: Fisher (1930).

[31] Für einen Vergleich zwischen Primär und Sekundärmarktmodell siehe Peridon/Steiner (1999) S. 259f. Die Derivatbewertung kann somit präferenzfrei erfolgen.

[32] Diese Annahme muss vor dem Hintergrund des unvollständigen Marktes zunächst problematisch bleiben. Das Problem wird aber im Laufe der Arbeit gelöst und der sichere Zinssatz hier zunächst z.B. durch den Zins von Bundesanleihen ersetzt.

[33] Vgl.: Peridon/Steiner (1999) S. 260f.

[34] Vgl.: Peridon/Steiner (1999) S. 261ff.

[35] Vgl.: Franke/Hax (1999) S. 375

[36] Nur vollständige Gleichgewichtsmodelle bestimmen laut Peridon/Steiner (1999) einen theoretisch richtigen Optionswert.

[37] Sprenkle (1964) leitet den Wert einer Option unter der Annahme, dass die Aktie einer geometrischen Brownschen Bewegung gehorcht, als diskontierte erwartete Auszahlung ab. Seine Formel benötigt die erwartete Wachstumsrate des Wertpapiers und einen Diskontfaktor, um die Risikoaversion des Investors einzubeziehen. Unglücklicherweise aber wird in dem Modell von Sprenkle (1964) keine Zinsrate benutzt und damit der Zeitwert des Geldes ignoriert. Boness (1964) baut eine Zinsrate und Risikoaversion ein, aber diskontiert die Auszahlung der Option mit der Diskontrate der Aktie. Diese Probleme wurden durch Samuelson (1965) gelöst, aber sein Modell benötigt immer noch Diskontraten für die Aktie und die Option. (Vgl.: Chance (2003))

[38] Für eine Darstellung siehe Kruschwitz (1999) S. 268ff.

[39] Vgl.: Wikipedia (2005) Schlagwort: Black Scholes Formel.

[40] Steiner/Uhlir (2001) S. 130.

[41] Die Erwartungswerte entsprechen dann der Summe der mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten zustandsabhängigen Renditen.

[42] Vgl.: Steiner/Uhlir (2001) S. 130f. Die Varianzen sind die Summe der mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten quadrierten Abweichungen der einzelnen Renditen vom Erwartungswert. Einen Überblick alternativ diskutierter Risikomaße,

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Details

Titel
Bewertungsmethoden für Wertpapiere auf unvollkommenen und unvollständigen Märkten
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
2,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
85
Katalognummer
V133261
ISBN (eBook)
9783640400287
ISBN (Buch)
9783640400096
Dateigröße
3820 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bewertungsmethoden, Wertpapiere, Märkten
Arbeit zitieren
Jochen Schaefer (Autor:in), 2005, Bewertungsmethoden für Wertpapiere auf unvollkommenen und unvollständigen Märkten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133261

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