Systemische Faktoren beim Aufstieg und Niedergang von Imperien

Am Beispiel der USA im 20. Jahrhundert


Hausarbeit, 2008

26 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Begriffdefinitionen
2.1. Macht
2.2. Imperium
2.3. Systemische Faktoren

3. Aufstiegsbegünstigende Faktoren

4. Zerfallsbeschleunigende Faktoren

5. Systemische Faktoren beim Aufstieg der USA zur Supermacht des 20. Jhr.
5.1. Der Dollar – als ökonomischer Stabilisator der USA

6. China der neue Herausforderer? – Ein Ausblick
6.1. Die amerikanisch-chinesischen Wirtschaftbeziehungen
6.2. Die Prognose

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

9. Internetverweise

1. Vorwort

Es war der längste Konflikt des 20. Jahrhunderts, der bei einer Eskalation die gesamte Menschheit hätte auslöschen können. Die sich gegenüberstehenden Imperien verfügten beide über ein gewaltiges militärisches und politisches Potenzial sowie einen riesigen Einflussbereich. Auf der einen Seite die USA, welche die Ausbreitung des monolithischen Weltkommunismus stoppen wollten und auf der anderen Seite die Sowjetunion, die den kolonialen Imperialismus der USA einzudämmen versuchte. Das besondere am Ost-West-Konflikt war nicht etwa seine Ausdehnung auf fast alle Lebensbereiche oder die politische Spaltung der gesamten Welt in zwei Lager - nein das wirklich bemerkenswerte ist sein friedlicher Ausgang. Die Sowjetunion eines der am stärksten bewaffneten Imperien aller Zeiten „trat“ ab ohne, dass ein einziger Schuss fiel.

Das wirft zwangsläufig die Frage auf, welche Faktoren dazu geführt haben, dass die USA als Sieger aus diesem Konflikt hervorgegangen sind. Es müssen demnach systemische Faktoren existieren, die beim Prozess der Imperiumsbildung und Stabilisierung fördernd und destruktiv wirken.

Die vorliegende Arbeit wird diese Faktoren zeigen und analysieren. Dabei wird der Aufstieg der USA zur Supermacht des 21. Jahrhunderts exemplarisch herangezogen werden. Ziel soll es sein, herauszufinden, ob es Schlüsselfaktoren gibt, die den Aufstieg und Niedergang eines Imperiums begünstigten und ob sich aus diesen ein Schema ableiten lässt. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen schließlich dazu dienen, eine Prognose über den Verlauf des sich abzeichnenden Konflikts zwischen der Volksrepublik China und den USA aufzustellen. Damit verbunden ist die Frage, ob systemische Faktoren überhaupt verlässliche Indikatoren bei der Erstellung solcher Hypothesen sein können?

2. Begriffdefinitionen

Bevor den gesetzten Zielen nachgegangen werden kann, ist es zunächst im Sinne der Nachvollziehbarkeit notwendig, sich über einige Begrifflichkeiten zu verständigen, welches im Folgenden getan werden soll.

2.1 Macht

In der sozialwissenschaftlichen Literatur finden sich unzählige Definitionen des Machtbegriffs. Die allgemein bekannteste dürfte wohl die von Weber sein, der Macht als Mittel versteht, seinen Willen gegen den Widerstand anderer durchzusetzen. Diese Definition lässt sich in Ansätzen auch auf die Vorgehensweise von Imperien anwenden, aber eben nur in Ansätzen, denn ihr fehlt die nötige Präzision. Wenn man systemische Faktoren im Aufstieg und Niedergang von Imperien sucht, bietet es sich an, dem Machtmodell von Mann zu folgen[1] Denn dieses liefert mit seiner Unterscheidung in vier Wirkungsweisen von Macht sowie der Einteilung von verschiedenen Machtsorten den idealen Ausgangspunkt für die nachfolgende Untersuchung.

Was sind nun die Wirkungsweisen von Macht? Für Mann gibt es extensive, intensive, autoritative und diffuse Ausprägungen von Macht. Unter extensiv versteht er das Vermögen, eine Vielzahl von Menschen über weite Räume zu organisieren, wohingegen intensiv bedeutet, eine kleinere Anzahl von Menschen straffer zu organisieren bzw. stärker zu binden. Eine autoritative Wirkungsweise ist durch konkrete Anweisungen und bewussten Gehorsam einer bereitwillig folgenden Gruppe gekennzeichnet. Ganz im Gegensatz zur diffusen Wirkungsweise, die auf einem grundlegenden Einverständnis mit den jeweiligen Machtpraktiken beruht und relativ spontan und dezentral wirkt[2].

Neben diesen Wirkungsweisen unterscheidet Mann noch zwischen verschiedenen Machtsorten, welche die Grundlage für die Errichtung oder den Zerfall eines Imperiums bilden. Denn die Existenz oder Nichtexistenz der folgenden Machtsorten bzw. die Fähigkeit diese auch ausüben zu können ist von zentraler Bedeutung für die Stabilisation eines großen Herrschaftsgebiets.

Die erste Sorte ist die ideologische Macht. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern ein gemeinsames Weltbild stiftet, welches wiederum die Ausbildung einer gemeinsamen Moral und die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens fördert. Ideologische Macht dient demnach der Integration bzw. der Begeisterung der Bevölkerung für eine bestimmte Sache. Sobald es einer Gruppe gelingt, etwas erfolgreich zu ideologisieren und zu monopolisieren, gewinnt diese an extensiver und intensiver Macht. Solange es den Machtinhabern gelingt, mit Überzeugungskraft und Autorität eventuelle Repressalien mit einem höheren Sinn, welcher einen Mehrwert generiert, zu begründen, kann diese Machtform ausgeübt werden[3]

Die zweite Machtsorte ist die ökonomische Macht. Im Gegensatz zur ideologischen entsteht diese durch Transformationen, Distributionen und Konsumptionen von natürlichen Ressourcen. Es geht also um Produktionskreisläufe, deren effektive Gestaltung und Weiterentwicklung entscheidend für die Weiterentwicklung einer Gesellschaft ist[4]. Neben der militärischen Macht scheint diese Form für die nachfolgende Analyse am bedeutendsten zu sein. Denn nicht ohne Grund sprechen viele Autoren von einer wirtschaftlichen und nicht ideologischen Niederlage der Sowjetunion im Kalten Krieg, was ein Indiz für die enorme Reichweite dieser Machtausprägung ist. Doch kommen wir nun zur dritten Machtform der eben schon angesprochenen militärischen Macht. Von dieser Form kann gesprochen werden, wenn eine Nation einen schlagkräftigen Militärapparat unterhält, der sowohl Verteidigungs- als auch Angriffsfälle erfolgreich bestreiten kann. Der Grad an extensiver Macht hängt dabei davon ab, wie groß das Territorium ist, welches verteidigt bzw. erobert werden kann. An der Reaktionsfähigkeit der Streitkräfte sowie deren Organisation lässt sich der Grad an intensiver Macht „messen“. Die militärische Stärke eines Imperiums ist zudem abhängig von der Fähigkeit, Zwangsgewalt zu konzentrieren. Dies umfasst z.B. den Ausbau von Verkehrswegen, die Befestigung von Städten oder die Errichtung von vorgeschobenen Stützpunkten. Denn gerade bei ausgedehnten Territorien kann im Verteidigungsfall die richtige Konzentration von Nachschub und Schlagkraft über Sieg oder Niederlage entscheiden. In Anbetracht der beiden Dimensionen von militärischer Macht scheint dies noch plausibler. Nach Mann kann nämlich direkter Zwang auf eine Bevölkerung nur innerhalb eines gewissen Kerngebiets ausgeübt werden, wohingegen die Peripherie zwar eingeschüchtert, aber nicht vollständig kontrolliert werden kann. Um dies zu gewährleisten müssen zusätzliche Formen der Kontrolle angewendet werden[5] Allerdings weißt Münkler darauf hin, dass die USA mittels ihrer Tarnkappenbomber und Marschflugkörper mittlerweile in der Lage sind, an jedem Ort der Welt Krieg zu führen[6]

Nun zur vierten und „letzten“ Form, der politischen Macht. Dieses gliedert sich in die zwei Dimensionen: Innen- und Außenpolitik. Sie dient primär der Reglementierung von sozialen Beziehungen innerhalb eines territorial begrenzten Gebiets. Innenpolitisch ist das politische Machtpotential von infrastrukturellen Faktoren, formalen Machtbefugnissen und der Fähigkeit autoritative Macht auszuüben abhängig. Idealerweise erfolgt die außenpolitische Organisation aus einem Zentrum heraus, welches im hegemonialen Herrschaftstypus die Grenzbewohner und Vasallenstaaten dominiert[7].

Nun ist Grundlage geschaffen um herauszufinden, in welchem Verhältnis die verschiedenen Machtsorten zueinander stehen müssen, um entweder stabilisierend oder destruktiv zu wirken.

2.2. Imperium

Der Versuch, „Imperium“ allumfassend und endgültig zu definieren kann nur scheitern, da der Begriff sehr stark vom jeweiligen politischen Standpunkt und zeitgeschichtlichen Standpunkt beeinflusst wird. Dennoch wird hier der Versuch unternommen, eine kurze Begriffsverständigung zu erarbeiten, welche dann den Bezugspunkt für die spätere Verwendung von „Imperium“ markieren wird.

Doyle versucht in seinem Buch Empires zu erfassen, was man eigentlich unter einem Imperium zu verstehen hat. Er verweißt dabei auf drei verschiedene Ausgangsperspektiven: den Systemtheoretischen Ansatz z. B. bei Waltz, dann auf die ökonomische Betrachtungsweise und die sozialistische Perspektive, wonach Kapitalismus immer zu Imperialismus und Ausbeutung führe.[8] Doyles weitere Ausführungen beschreiben sehr detailliert, wodurch die verschiedenen Formen imperialer Kontrolle geprägt sind, wobei sich diese Schlussfolgerungen auf seine wohl wichtigste Erkenntnis stützen:

„I favor the behavioral definition of empire as effectiv control, wether formal or informal, of subordinated society by an imperial society.”[9]

Die Unterscheidung von formaler und informaler Kontrolle muss hier hervorgehoben werden, da die Sphäre des Informalen auch politische und ökonomische Macht impliziert. Auch Bollmanns Imperiumsverständnis misst diesen Faktoren neben der militärischen Befehlsgewalt über einen Fremden große Bedeutung zu. Das Interessante an Bollmanns Definition ist, dass diese die Errichtung eines einheitlichen Währungs- und Wirtschaftssystems sowie die Durchsetzung „[…] einer gemeinsamen Vorstellung von den Grundstrukturen des politischen Systems“[10] mit einbezieht. Denn gerade der Aspekt der Währung wird an späterer Stelle noch größere Beachtung finden. Weitere Ergänzungen für den hier angestellten Definitionsversuch liefert Münkler - und das nicht nur weil er seine Merkmalsbeschreibungen von vornherein sehr stark auf die Vereinigten Staaten konzentriert. Er wendet sein Hauptaugenmerk auf die Grenzunterschiede von Imperien und Nationalstaaten: Während Staaten danach streben, auch die Bevölkerung innerhalb der Grenzregion zu integrieren, ist dies bei Imperien nicht der Fall. Der imperiale Raum ist demnach durch ein Integrationsgefälle vom Zentrum zur Peripherie und einer Abnahme von politischen Partizipationsmöglichkeiten mit wachsender Entfernung vom Kern geprägt.[11] Durch die überwiegend informal ausgeübte Macht von Imperien ist es allerdings schwierig, diese Grenzen genau auszumachen bzw. den herkömmlichen an Staaten gekoppelten Grenzbegriff zu verwenden. Münkler löst dieses Problem, indem er attestiert, dass imperiale Strukturen Staaten überlagern und sich nicht mit nationalen Interessen decken müssen, was die Imperiumsgrenzen sehr flexibel aber auch etwas wage in ihrer Kennzeichnung macht. Allerdings erkennt Münkler (ähnlich wie Doyle vor ihm[12]) die Parallelen zur Hegemonialmacht und grenzt diese durch die Unterschiede im Herrschaftsverhältnis von den imperialen ab. Denn während eine hegemoniale Vorherrschaft durch die formal politische Gleichberechtigung aller Akteure gekennzeichnet ist, so ist dies bei Imperien nicht der Fall. Wesentliche Entscheidungen werden vom Zentrum diktiert, auch wenn die Weisungsempfänger vermeintlich souveräne Staaten sind. Münkler wählt dabei das Beispiel der DDR im Warschauer Pakt als Klientelstaat der Sowjetunion.

Während nun die wesentlichen Merkmale von Imperien zusammengetragen wurden, fehlen noch zwei wichtige historische Kriterien. Zum einen ist das die imperiale Einmaligkeit, da kein Imperium gleichzeitig die Existenz eines zweiten dulden wird und zum anderen sollte auch der sich daraus ergibt imperiale Interventionszwang nicht vernachlässigt werden. Demnach kann sich nämlich ein Imperium in Konflikten in den beherrschten Gebieten nicht neutral verhalten, da dies einen Glaubwürdigkeitsverlust des Machtanspruchs zur Folge hätte[13].

Abschließend soll festgehalten werden, dass eine Kombination der Begriffsdefinitionen aller drei Autoren das für diese Arbeit brauchbarste Imperiumsmodell liefert.

[...]


[1] Mann Michael, Geschichte der Macht, Band 1, 1990.

[2] Vgl. ebd. S. 24f.

[3] Vgl. Mann, 1990, S. 48f.

[4] Vgl. ebd. S. 51f.

[5] Vgl. ebd. S. 52f.

[6] Vgl. Münkler Herfried, Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, 2005, S. 182.

[7] Vgl. Mann, 1990, S. 54f.

[8] Vgl. Doyle, Michael: Empires, 1984, S. 22ff oder Lenin Wladimir Iljitsch, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus, 1951.

[9] Vgl. ebd., S. 30.

[10] Vgl. Bollmann Ralph, Lob des Imperiums – Der Untergang Roms und die Zukunft des Westens, 2006, S. 34.

[11] Vgl. Münkler Herfried, 2005, S. 16f.

[12] Vgl. Doyle, 1984, S. 34.

[13] Vgl. Münkler Herfried, 2005, S. 30f.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Systemische Faktoren beim Aufstieg und Niedergang von Imperien
Untertitel
Am Beispiel der USA im 20. Jahrhundert
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Politikwissenschaft und Japanologie)
Veranstaltung
Aufstieg und Niedergang von Imperien
Autor
Jahr
2008
Seiten
26
Katalognummer
V133195
ISBN (eBook)
9783640415489
ISBN (Buch)
9783640411795
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Systemische, Faktoren, Aufstieg, Niedergang, Imperien, Beispiel, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Christoph Bernstiel (Autor:in), 2008, Systemische Faktoren beim Aufstieg und Niedergang von Imperien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133195

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