Formen und Funktionen der Komik in den Nürnberger Fastnachtspielen


Hausarbeit, 2002

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Beurteilung von Komik im Mittelalter
2.1 Das christliche Misstrauen gegenüber dem Lachen
2.2 Die antike Bejahung von Lachen und Komik
2.3 Integration antiker Argumente zur Bejahung des Komischen in christliches Denken

3. Delectatio und utilitas als wesentliche Funktionen der Komik in mittelalterlicher Literatur

4. Mittel der Komik im Fastnachtspiel
4.1 Mittel der Komik auf inhaltlicher Ebene
4.2 Mittel der Komik auf sprachlicher und stilistischer Ebene

5. Funktionen der Komik im Fastnachtspiel

6. Schlussbemerkungen

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Was zeichnet einen Sachverhalt, eine Person oder einen Gegenstand aus, der uns zum Lachen bringt; was ist das Komische? Kant beantwortet diese Frage folgendermaßen: „Es muß in allem, was ein lebhaftes erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein (woran also der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden kann).“[1] Widersinn, Umkehrung und Verzerrung findet sich in den Fastnachtspielen des 15. Jahrhunderts zuhauf. Dennoch erscheint die Erklärung, die Kant für das Komische findet nur der grobe Wegweiser zu sein, der eine umfassende Analyse der Bedingungen, Mittel und Funktionen einleiten und anstoßen kann.

Ziel meiner Arbeit ist es, die komischen Wirkung der Fastnachtspiele genauer zu bestimmen. Dazu scheint es zunächst angebracht, der Frage der gesellschaftlichen bzw. sittlichen Beurteilung von Komik im Mittelalter nachzugehen. Dabei sind zwei unterschiedliche Traditionslinien zu berücksichtigen: Die skeptische und ablehnende Haltung christlicher Moral gegenüber Lachen und Komik steht der antiken Bejahung des Komischen gegenüber. Nachdem ich die einzelnen Traditionen kurz umrissen habe, werde ich darstellen, wie antikes Gedankengut in die christliche Lehre integriert werden konnte. Im dritten Kapitel gehe ich in Anlehnung an Joachim Suchomski kurz auf die wesentlichen Funktionen mittelalterlicher Literatur (delectatio und utilitas) ein, um später danach zu fragen, inwieweit diese auch in den Fastnachtspielen von Bedeutung sind. Schließlich komme ich zu meinem Hauptteil: der Untersuchung der Mittel der Komik in den Fastnachtspielen. Hierzu möchte ich zunächst die Komik des inhaltlichen Gehaltes untersuchen, um dann in einem zweiten Schritt die Komik in der sprachlichen und stilistischen Gestaltung herauszuarbeiten. Im Rahmen dieser Arbeit kann keine umfassende Analyse der komischen Mittel erfolgen. Daher beschränke ich mich auf einige Beispiele, die ich anhand ausgewählter mittelhochdeutscher Textbeispiele anführe. Im fünften Kapitel dieser Arbeit soll nach den Funktionen der Komik im Fastnachtspiel gefragt werden, um die Komik als tragendes Element der Handlung begreifen zu können. Den Abschluss der Arbeit bildet eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse, wobei grundsätzliche Bedingungen der Möglichkeit einer Kategorisierung von Komik reflektiert werden sollen.

2. Beurteilung von Komik im Mittelalter

Um eine systematische Bewertung von komischen Elementen in mittelalterlichen Texten zu ermöglichen, gilt es zunächst, sich vor Augen zu führen, welcher Stellenwert dem Lachen als Ausdruck affektiver Bewegung einerseits und der Komik als dem Lachen erregenden Objekt, Gestus oder Sachverhalt andererseits in der mittelalterlichen Gesellschaft zukam. Hierbei sind zwei verschiedene Traditionslinien zu unterscheiden, die Joachim Suchomski in seiner Untersuchung zu ‘Delectatio’ und ‘Utilitas’[2] verfolgt. An seine Ausführung möchte ich mich im folgenden halten, wenn ich die einzelnen Bewertungsansätze von Komik und Lachen kurz skizziere.

2.1 Das christliche Misstrauen gegenüber dem Lachen

Die christliche Einstellung zu Lachen und Komik ist geprägt von einem grundsätzlichen Widerspruch: Während einerseits die ‘risibilitas’, die Fähigkeit zum Lachen, als dem Menschen ureigene Möglichkeit anerkannt wird, die ihn nach unten hin vom Tier, nach oben hin aber auch von Gott, dem aller irdischen Gefühle enthobenen Wesen, abgrenzt, scheinen umgekehrt jedoch große Vorbehalte gegenüber Lachen, Witz und Komik als vorherrschende Einschätzungen der christlichen Lehre ausschlaggebend. Diese Vorbehalte finden ihr stärkstes Argument in der Tatsache, dass Jesus Christus im Neuen Testament niemals als lachend oder scherzend dargestellt wird.[3] Verstehen streng gläubige Christen sich nun als Nachfolger Christi, der, da er ganz Mensch geworden ist, auch das Lachen als Urfähigkeit in sich trug, dieses jedoch scheinbar nicht als notwendig oder gar wünschenswert empfand, so scheint es durchaus folgerichtig, auch das Lachen und die positive affektive Bewegung grundsätzlich abzulehnen.

Die christliche Lehre kommt schließlich dazu, zwei unterschiedliche Formen der Freude gegenüberzustellen und sie, entsprechend einem polaren Wertesystem, konträr zu bewerten: Die sogenannte laetitia saecularis bzw. laetitia temporalis beinhaltet „die Freude an allen irdischen und somit vergänglichen Gütern (...), über die der Mensch sein eigentliches Ziel vergißt.“[4] Sie impliziert die Bindung des Menschen an Welt und Zeitlichkeit und ist damit eindeutig negativ konnotiert. Demgegenüber steht der Begriff des gaudium spirituale: Hierbei handelt es sich um die Vorstellung, dass die wahre Freude ihre höchste Erfüllung niemals auf Erden haben kann, sondern stets identisch ist mit der spirituellen Glückseligkeit weniger Erlöster, die sich auf ein überzeitliches Ziel, das Reich Gottes richtet. Während die weltimmanente Freude, der Spaß im Hier und Jetzt von der christlichen Lehre abgelehnt wird, so zeigt diese sich einer religiös-spirituell gefärbten (Vor-)Freude gegenüber durchaus aufgeschlossen.

2.2 Die antike Bejahung von Lachen und Komik

Schon Aristoteles betrachtete Spiel, Scherz und Witz als für den Menschen lebensnotwendige Dinge, die seiner Natur entsprechen und die ihm zur Entspannung und Erholung dienen sollen.[5] Dennoch legt schon er großen Wert darauf zu betonen, dass Spiel und Witz niemals Selbstzweck sein dürfen: Der Mensch soll sich in Selbstbeherrschung und Mäßigung (modestia) üben, um ein tugendhaftes Mittelmaß zwischen zwei Extremen im Umgang mit Witz und Scherz zu finden. Ziel ist es damit, zwischen dem Possenreißer, der alles ins Lächerliche zieht und sich über alles lustig macht, auf der einen und dem Griesgram, der durch seine Humorlosigkeit die zwischenmenschliche Kommunikation behindert, auf der anderen Seite einen geeigneten Mittelweg zu finden. Grundsätzlich werden Humor, Lachen und Witz in der Antike jedoch aufgewertet. Dies zeigt sich sehr deutlich an der Rhetorik: Vom Redner wird eine gewisse geistige und gesellschaftliche Gewandtheit, die ohne Witz und Humor nicht auskommen kann, erwartet. Nur so kann er eine fröhliche Stimmung im Publikum erzeugen, seine Zuhörer von seinem Anliegen überzeugen und ihr Wohlwollen gewinnen. Im folgenden möchte ich kurz darstellen, wie antike Argumente zur Aufwertung des Komischen in die christliche Lehre integriert werden konnten.

2.3 Integration antiker Argumente zur Bejahung des Komischen in christliches Denken

An verschiedenen Beispielen zeigt Joachim Suchomski, wie die Vermittlung von christlicher Ablehnung und antiker Bejahung des Komischen sich bei einzelnen Denkern vollzogen hat. Ich kann in diesem Rahmen nur auf eines seiner Beispiele, Clemens von Alexandrien, dessen Tod schon vor 215 zu datieren ist, eingehen. An ihm wird die dialektische Vermittlung beider oben genannter Positionen besonders deutlich: Während er sich einerseits dafür ausspricht, berufsmäßige Possenreißer aus dem Staat zu verbannen und Lachen bzw. Lachen-Erregendes grundsätzlich verurteilt, so will er den Menschen andererseits nicht dazu genötigt sehen, seine natürliche Fähigkeit zum Lachen, die risibilitas, zu unterdrücken.[6] Vielmehr sollen Lachen und Freude stets der Vernunft unterworfen sein und das Gleichgewicht der Seele niemals stören. Darüber hinaus wird die Situation, in der gelacht werden darf von ihm eng umrissen:

[...]


[1] Kant, Immanuel: Kritik der Uteilskraft, 1790, S. 54; zitiert nach Leander Petzoldt: Komik der Lebenswelt und „volkstümliche“ Komik vom ausgehenden Mittelalter bis zur Reformation. In: Der Deutschunterricht 36 (1) (1984). S. 25

[2] Suchomski, Joachim: ‘Delectatio’ und ‘Utilitas’. Ein Beitrag zum Verständnis mittelalterlicher komischer Literatur. Bern 1975

[3] Vgl. Suchomski (1975), S. 11

[4] Suchomski (1975), S. 14

[5] Vgl. Suchomski (1975), S. 30

[6] Vgl. Suchomski (1975), S. 36

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Formen und Funktionen der Komik in den Nürnberger Fastnachtspielen
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Fastnachtspiele des Mittelalters und der frühen Neuzeit
Note
2,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
14
Katalognummer
V13273
ISBN (eBook)
9783638189651
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fastnachtspiele, Komik, Humor, Mittelalter
Arbeit zitieren
Johanna Rott (Autor:in), 2002, Formen und Funktionen der Komik in den Nürnberger Fastnachtspielen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13273

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