Die Werte der "Kulturrevolution" um 1970

Die demokratische Gründung der Bundesrepublik Deutschland?


Hausarbeit, 2009

32 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. DIE DEUTSCHE GESELLSCHAFT NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG
2.1 Grundstein der Demokratie
2.2 Die Republik formt sich

3. DIE DEUTSCHE GESELLSCHAFT IN DEN 1950ER UND 60ER JAHREN
3.1 Die Spiegel-Affäre
3.2 Willy Brandt wird Bundeskanzler
3.3 Studentenunruhen (APO, RAF)

4. DIE GESELLSCHAFT HAT SICH VERÄNDERT – DER WANDEL WIRD ZU BEGINN DER 1980ER JAHRE SICHTBAR

5. FAZIT

6. LITERATUR

Die Werte der „Kulturrevolution“ um 1970 Die demokratische Gründung der Bundesrepublik Deutschland?1

Björn Glüsen

Lüneburg, den 07.02.2009

1. Einleitung

Durch den Besuch des Filmes „Der Baader Meinhof Komplex“ nach der Vorlage von Stefan Austs Standardwerk mit dem gleichen Titel und einer grundsätzlichen Affinität mit politischen und gesellschaftlichen Prozessen in der Bundesrepublik Deutschland, wurde beim Verfasser ein Interesse für die Thematik geweckt. Nachdem durch ein Referat ein Einblick in diesen Abschnitt der jüngeren Geschichte gewonnen werden konnte, soll durch diese Arbeit eine vertiefte Untersuchung einiger Teilaspekte erfolgen.

Im Kern dieser Auseinandersetzung sollen die gesellschaftlichen Veränderungen in den 1960er und 1970er Jahren stehen. Dabei ist am Anfang die Ausgangssituation zu beschreiben, d.h. die gesellschaftliche Situation in der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der Wirtschaftswunderzeiten. Jedoch soll dieser Abschnitt nur einen kurzen Überblick geben. Die Personen und Tendenzen werden eingeführt, die für die zentralen Betrachtungen der Arbeit eine Rolle spielen.

Der zentrale Teil dieser Arbeit setzt sich mit den Jahren 1965 bis 1978 in der Bundesrepublik Deutschland auseinander und beschreibt, welche Einflüsse auf die Gesellschaft gewirkt haben. Ein zentrales Augenmerk wird hierbei auf die Studierende und ihre Aktivitäten gelegt. Allerdings kann das Agieren der „Roten Armee Fraktion“, der Vietnamkrieg und der Regierungswechsel von einer Regierung der Parteien CDU/FDP über eine Große Koalition hin zu einer sozial-liberalen Koalition nicht unberücksichtigt bleiben.

Abschließend soll dargestellt werden, dass die Veränderungen in der Gesellschaft nicht sofort wirkten, sondern zum Teil noch viele Jahre vergehen mussten, bevor ein Wandel bei der Bevölkerung sichtbar wurde. An dieser Stelle soll neben anderem die Gründung der „GRÜNEN“ Berücksichtigung finden, aber auch weitere Effekte, die aus den Veränderungen der 1960er und 1970er Jahre abgeleitet werden können.

2. Die deutsche Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg

2.1 Grundstein der Demokratie

Nach dem Selbstmord Adolf Hitlers am 30. April 1945 war der grausamste und blutigste Krieg der Neuzeit durch die bedingungslose Kapitulation des deutschen Reiches am 08.Mai 1945 beendet. Dieser Zeitpunkt wird als „Stunde Null“ für Deutschland beschrieben. Allerdings, schreibt Zolling, sei dies natürlich nur bedingt richtig, weil das Leben immer weiter ginge und der Alltag der Menschen sich oftmals weit entfernt von den großen Ereignissen der Geschichte abspiele.2

Dennoch wurde die deutsche Gesellschaft schon allein durch die Teilung des ehemaligen deutschen Reiches in vier Besatzungszonen und zwei unterschiedliche Staatenmodelle immens verändert. Durch die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse konnte ein Neustart für die Gesellschaft ermöglicht werden. Manchen geht dieser Anfang jedoch nicht weit genug. Willy Brandt soll, damals als Journalist bei den Prozessen anwesend, gefordert haben, dass die deutschen Nazi-Gegner mindestens als Mitankläger auftreten können, damit sie mit ihren Peinigern abrechnen können.3

Bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland vergehen nach dem Ende des Weltkrieges noch vier Jahre. Auf die Initiative der Amerikaner wurden die drei westlichen Besatzungszonen zusammengeführt und es sollte eine vorläufige deutsche Regierung gebildet werden. Der US-Außenminister James Francis Byrnes, sagte im September 1946, „dass das »amerikanische Volk< den Deutschen helfen wolle, »seinen Platz zurückzufinden [...]unter den freien und friedliebenden Nationen der Welt<“4 Der „Marshall-Plan“ wurde ebenfalls aufgrund des Einsatzes der amerikanischen Regierung hin aufgestellt. Dieses Wiederaufbauprogramm für Europa sicherte 17 westeuropäischen Ländern von 1947 bis 1952 Unterstützung in Höhe von 13 Milliarden Dollar zu. Wahrscheinlich wurde erst durch diese Subventionen der Aufstieg der Bundesrepublik zu einer der größten Volkswirtschaften der Welt möglich.

In den Jahren bis zur endgültigen Gründung der Republik übernahm der Parlamentarische Rat die Geschicke der drei westlichen Besatzungszonen und verabschiedete am 08. Mai 1949, also genau vier Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation, das Grundgesetz der Bundesrepublik.5

Im August des gleichen Jahres fanden die ersten freien Wahlen statt. Konrad Adenauer wurde mit einer Stimme Mehrheit am 15. September 1949 zum ersten Bundeskanzler gewählt. Erster Bundespräsident und damit formales Staatsoberhaupt wurde der liberale Theodor Heuss. Dieser hatte allerdings 1933 für die Ermächtigungsgesetzgebung im Weimarer Parlament gestimmt, was seine Akzeptanz in einigen Teilen der Bevölkerung schmälerte und aus dieser Perspektive noch nicht zu einem vollständigen Bruch mit der Vergangenheit führte.6

2.2 Die Republik formt sich

In den drei westlichen Besatzungszonen wird in allen Städten und Orten, aber auch quer durch die gesellschaftlichen Schichten versucht, eine „normales“ Staatssystem aufzubauen. Von elementarer Bedeutung an dieser Stelle war es, Menschen zu gewinnen, die keine Naziverbrecher waren. Dies war eine Grundproblematik, der sich auch die erste Regierung Adenauers stellen musste. Walter und Müller beschreiben in „Graue Eminenzen der Macht“ die Personen, welche hinter den jeweiligen Regierungschefs standen. In dem Abschnitt über Konrad Adenauer arbeiten sie heraus, welche Verknüpfungen es zwischen den engsten Mitarbeitern7 des ersten deutschen Bundeskanzlers und dem Nationalsozialismus gab. So hat Hans Globke, der als Staatssekretär im Bundeskanzleramt agierte, 1933 den Kommentar zur Rassengesetzgebung verfasst. Auch der Pressesprecher Adenauers, Felix von Eckardt und sein „Mann für die Verträge: Walter Hallstein“8 hatten Verbindungen zur NSDAP. Eine Staatsgründung wie sie bspw. Platon in seinem Standardwerk „Politeia“9 vorschlägt, war also schlechterdings nicht möglich10. Die Regierenden und die westlichen Alliierten mussten mit den Menschen agieren, die den Zweiten Weltkrieg überlebt hatten und nicht als Kriegsverbrecher verurteilt worden waren.

Selbstverständlich gab es auch Gegenentwürfe. SPD-Vorsitzender in dieser Zeit wurde Kurt Schumacher, der „fast zehn Jahre lang [...] unter dem Nationalsozialismus in Zuchthäusern und Konzentrationslagern gelitten“11 hatte.

Der wirtschaftliche Aufschwung in der Bundesrepublik führte jedoch dazu, dass sich der Großteil der Bevölkerung mit diesen Problemen nicht befasste. Die Gesellschaft begann sich allerdings zu verändern, obwohl „die Zahl der Beschäftigten und die jährliche Wirtschaftsleistung unentwegt stiegen“12. Schon seit den 1910er Jahren hatte sich die Gesellschaft von einer landwirtschaftlichen Orientierung zu einer Industriegesellschaft gewandelt. Diese Veränderungen setzen sich jetzt immer mehr fort. Zolling schreibt hierzu, dass „der Anteil der Arbeiter und Selbständigen“13 allmählich zurückging, „dafür nahm die Schicht der Angestellten und Beamten zu, während die Landwirtschaft an Bedeutung einbüßte.“14Die Demokratie festigte sich im folgenden Jahrzehnt immer weiter.

3. Die deutsche Gesellschaft in den 1950er und 60er Jahren

Die Gesellschaft der Bundesrepublik, die in den ersten Jahren nach dem Krieg einen nahezu wundersamen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hatte, wurde mehr und mehr von Normalität eingeholt. Während noch in den Jahren direkt nach dem Weltkrieg Hamsterei und Kohlenklau zum täglichen Überlebenskampf der Bevölkerung gehörte, wie es Hans-Joachim Noack in seiner Biografie über den späteren Bundeskanzler Helmut Schmidt beschreibt15, wurde in den 1950er Jahren durch den Fernseher die weite Welt in die Wohnzimmer gebracht, das Auto wurde zum Inbegriff der Individualität und die Reiselust lockte in die Ferne, wie Zolling den Aufschwung plastisch beschreibt.16 Kathrin Fahlenbrach stellt hierzu fest: „Während die Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren einen massiven ökonomischen Entwicklungsschub erlebte, der breite soziale Milieus erfasste, verharren die Leitwerte und Weltanschauungen der Deutschen bis Ende der 1960er Jahre in den von der Kriegs- und Nachkriegszeit geprägten Kategorien: Die Orientierung an Hierarchien, Autoritäten und an materieller Existenzsicherung stehen im Vordergrund ihres Denkens und Handelns.“17 Diese Umstände stießen allerdings nicht überall auf Gegenliebe. Henning Scherf, der in den 1990er Jahren Bremer Bürgermeister wurde, schrieb hierzu in seiner Biografie „Grau ist bunt“: „Die darauffolgende Restauration in der Bundesrepublik unter Konrad Adenauer habe ich, weil ich aus einem linken, christlichen Elternhaus komme, als Oppositioneller erlebt. Die Reaktionäre, wie wir sie nannten, wollten nicht über die Konzentrationslager reden, nicht über Nazi-Richter, nicht über die Nazi-Beamten, nicht über Nazi-Unternehmer, die wieder in ihre alten Positionen zurückkehrten.“18

Obwohl der Schwerpunkt dieser Arbeit dauerhaft bei der gesellschaftlichen Perspektive liegen soll, wird an dieser Stelle ein kurzer Seitenblick in Richtung des Bildungswachstums gemacht. Titze beschreibt in seinem Aufsatz „Bildungskrisen und Selbstorganisation der Kultur“, der 2005 in den Heidelberger Jahrbüchern erschienen ist, im Groben drei Perioden des Bildungswachstum.19 Die sogenannte industrielle Phase beginnt um 1850 und endet in den 1960er Jahren; dies entspricht dem Trend, den auch Zolling beschreibt (vgl. S. 8). In der Phase nach dem Weltkrieg ist den Beobachtungen Titze folgend, ein hohes Bildungswachstum festzustellen. Durch diesen Anstieg wird unter anderem die von Titze benannte Kulturrevolution begründet, welche die gesamten 1960er Jahre umfasst. Albrecht et.al. führen in „Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik“ ebenfalls den Begriff der Kulturrevolution ein. Allerdings definieren sie hierfür einen wesentlichen kürzeren Zeitraum. Günter C. Behrmann arbeitet heraus, dass es sich ausschließlich um zwei Monate im Sommer 1967 handelt, in denen sich die Mitglieder der „Frankfurter Schule“ vom „Institut für Sozialforschung“ mit den Studenten solidarisieren und bspw. Walter Ruegg und Jürgen Habermas in einem offenen Brief die schnelle Aufklärung der Ermordung des Studenten Benno Ohnesorg forderten.20 Welcher Zeitraum als Kulturrevolution in den 1960er Jahren zu bezeichnen ist und welche vielschichtigen Gründe diese Veränderungen hatten, kann und soll an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Vielmehr sollen einige weitere Aspekte beleuchtet werden, die auf die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse in den 1950er und 1960er Jahren hindeuten.

[...]


1 In Anlehnung an die Veröffentlichung von Albrecht, C; Behrmann, G. C. et. al. „Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik Deutschland“

2 vgl. Zolling(2005); S. 235

3 vgl. Merseburger(2004); S. 229

4 vgl. Zolling(2005); S. 249

5 vgl. Zolling(2005); S. 252f

6 vgl. Zolling(2005); S. 255

7 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird überall die männliche Sprachform gewählt. Die weibliche ist bei nicht eindeutig definierten Gruppen ebenso gemeint.

8 siehe Müller, K.; Walter, F.(2004); S. 31

9 vgl. Platon „Politeia“

10 An dieser Stelle wird insbesondere auf die Konstitution der Regierten und Regenten abgehoben, wie Platon sie in den ersten fünf Büchern der Politeia beschreibt. Auf einen ausführlichen Exkurs soll jedoch verzichtet werden, da es nicht Thema dieser Arbeit ist.

11 siehe Walter(2002); S. 131

12 siehe Zolling(2005); S. 271

13 ebd.

14 ebd.

15 vgl. Noack(2008); S. 57

16 vgl. Zolling(2005); S. 271

17 siehe Fahlenbrach in Klimke(2008); S. 11

18 vgl. Scherf(2006); S. 24

19 vgl. Titze in Kempter u.a.(2005); S. 201

20 vgl. Albrecht, Behrmann u.a.(1999); S. 321

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Die Werte der "Kulturrevolution" um 1970
Untertitel
Die demokratische Gründung der Bundesrepublik Deutschland?
Hochschule
Universität Lüneburg  (Institut für Pädagogik)
Veranstaltung
„Wertewandel in historischer Sicht
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
32
Katalognummer
V132673
ISBN (eBook)
9783640394739
ISBN (Buch)
9783640394364
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werte, Kulturrevolution, Gründung, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Bjoern Gluesen (Autor:in), 2009, Die Werte der "Kulturrevolution" um 1970, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132673

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