Kaizen - Ein japanisches Qualitätsmanagementmodell als Chance für die Soziale Arbeit in Deutschland?


Bachelorarbeit, 2009

79 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Qualitätsmanagement

2.1 Zum Begriff der Qualität
2.2 Was ist Qualitätsmanagement?
2.3 Warum Qualitätsmanagement?

3. Organisationskultur
3.1 Organisationskultur und Organisationsklima
3.2 Organisationskultur und Qualität – Ein Zusammenhang?

4. Organisationskultur japanischer Unternehmen
4.1 Zaibatsu - Geschichtlicher Ursprung heutiger japanischer Unternehmen
4.2 Kaisha – Charakteristika moderner japanischer Unternehmen
4.3 Die Gruppe – Der Inbegriff japanischer Organisations- kultur

5. Organisationskultur sozialer Organisationen
5.1 Geschichte und Tradition sozialer Organisationen als Identitätsindikator
5.2 Struktur sozialer Organisationen
5.3 Das Leitbild als Ausdruck der Organisationskultur in sozialen Organisationen

6. Kaizen
6.1 Kaizen als Werkzeug im Qualitätsmanagement
6.2 Kaizen als Inbegriff japanischer Organisationskultur?

7. Doitsu no Kaizen
7.1 Auf Vergleichskurs zwischen Japan und Deutschland
7.2 Problembereiche der Übertragung von Kaizen in soziale Organisationen
7.3 Doitsu no Kaizen – Ein Qualitätsmanagementmodell für die Soziale Arbeit?

8. Zusammenfassung und Fazit

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit Beginn der Nachkriegszeit entwickelte sich in der Industrie ein ganz besonderes Streben nach Qualität. Puch und Westermeyer teilen diesen Weg zu den heutigen industriellen Qualitätsstandards in drei Wellen ein. Die erste Welle begann in den 50er Jahren und dehnte sich bis zum Ende der 60er Jahre aus. Bereits während dieser Zeit stand die Qualität des Produktes im Vordergrund. Um dem Kunden qualitativ hochwertige Produkte liefern zu können, führte man im Anschluss an den Fertigungsprozess, stichprobenartige Qualitätskontrollen durch. Die Folge war, dass schlechte Produkte aussortiert wurden. So war es zwar möglich dem Kunden gute Produkte zu liefern, die Probleme im Fertigungsprozess blieben von diesen Kontrollen jedoch völlig unberührt. Dies änderte sich mit dem Beginn der zweiten Qualitätswelle in den 70er und 80er Jahren. Hier bemühte man sich bereits um die Einführung erster Qualitätssicherungssysteme, die der Kontrolle des Fertigungsprozesses dienten. Ziel war die frühzeitige Erkennung von Fehlern um so übermäßigem Ausschuss vorzubeugen. Erst die dritte Welle ab Mitte der 80er Jahre führte zu den Qualitätsbemühungen die wir heute kennen. Zuvor gemachte Erfahrungen in Japan und den USA führten zur Implementierung eines umfassenden Qualitätsmanagements. In den Jahren 1985 und 1987 wurden die noch heute gültigen nationalen und internationalen Standards für Qualität festgelegt, welche wir heute unter den Begriffen DIN (Deutsches Institut für Normung) und ISO (International Organization for Standardization) kennen. Diese damals eingeführten Systeme sind noch bis heute gültig und sorgten für ein hohes Maß an Kundenorientierung innerhalb der Industrie. Im Zentrum aller Qualitätsbemühungen stehen noch heute der Kunde und seine Wünsche. Seine Zufriedenheit ist der oberste Maßstab für jegliches Qualitätsmanagement.

So erfolgreich diese Bemührungen in der Industrie umgesetzt wurden, so fremd waren sie jedoch der Sozialen Arbeit. Wie Meinhold und Matul im Jahre 2003 bereits richtig anmerkten, galt die Betriebswirtschaftslehre und alle dazugehörigen Disziplinen, wie das eben genannte Qualitätsmanagement, lange Zeit als sprichwörtliches Feindbild der Sozialen Arbeit. Die Mitarbeiter befürchteten eine Vernachlässigung der Klienten zugunsten betriebswirtschaftlichen Denkens und der dazugehörigen Gewinnorientierung. Man hatte Angst davor, dass zukünftig Geld das Ausmaß der Arbeit bestimmen würde und nicht mehr das Ausmaß der Hilfebedürftigkeit. Dieses Denken hat sich bis heute jedoch enorm verändert und man kann geradezu von einem Qualitätshype im Management der Sozialen Arbeit sprechen. Der Grund hierfür liegt vor allem in der Tatsache das Soziale Arbeit heute zugleich qualitativ gut und auf der anderen Seite auch der Knappheit der zur Verfügung stehenden Ressourcen gerecht werden soll. Sie soll also effektiv, d. h. zielbezogen im Bezug auf die Leistungserstellung und zugleich effizient, d. h. wirtschaftlich in ihrer Leistungserstellung (günstiges Input-Output-Verhältnis) sein. Diese Forderung von Qualität und deren Nachweis wurde vor allem durch einige Gesetzesänderungen zur Voraussetzung der Finanzierung sozialer Dienstleistungen gemacht. Zu nennen seien hier nur die Änderungen in SGB XII und SGB VIII. Diese Qualität der sozialen Dienstleistungen zu sichern ist die Aufgabe des Qualitätsmanagements (vgl. Puch / Westermeyer 1999). So einfach dies auch klingen mag, so umfangreich und verschieden sind die Methoden zur Erreichung dieses Ziels. Wie in Kapitel 2 deutlich werden wird, steht der Sozialen Arbeit eine weit gefächerte Palette an Qualitätsmanagementmethoden zur Verfügung aus der sie schöpfen kann. In der hier vorliegenden Arbeit geht es um eine solche Methode. Die Rede ist vom japanischen Modell des Kaizen. Ziel dieser Arbeit ist es zu ermitteln, ob Kaizen eine für die Soziale Arbeit ertragreiche Methode ist ihre Qualität zu sichern und sogar zu verbessern. Dabei geht es weniger um die Methoden der Umsetzung oder die Frage ob das Modell überhaupt in Japan in vollem Umfang eingesetzt wird, sondern in erster Linie um die Frage, ob ein Modell, welches in einer fremden Kultur entwickelt wurde, überhaupt so ohne weiteres in die deutsche Landschaft der sozialen Organisationen übernommen werden kann. Dieser Frage liegt die Annahme zugrunde, dass sich deutsche und japanische Unternehmen vermutlich in ihrer Struktur und Arbeitsweise voneinander unterscheiden, genauso wie dies auch in der Gesellschaft der Fall ist zu sein scheint. In den folgenden Kapiteln werde ich diesen Annahmen und Fragen auf den Grund gehen. Beginnen werde ich zunächst mit einer genauen Beschreibung des Qualitätsmanagements. Was ist Qualitätsmanagement? Warum ist es überhaupt nötig? Das sind zentrale Fragen des zweiten Kapitels. Kapitel 3 beschäftigt sich dann mit dem Begriff der Organisationskultur. Ziel ist es zu klären, ob Organisationen tatsächlich eine eigene bestimmende Kultur aufweisen und ob diese die Qualität der Dienstleistung oder Ware mit beeinflusst. Im Anschluss daran werfen wir einen näheren Blick auf japanische Organisationen. Ziel ist die Ermittlung der Organisationskultur der fernöstlichen Wirtschaft und deren Unternehmen. Ist dies gelungen gilt es im darauf folgenden Abschnitt darzustellen, wie genau die Organisationskultur sozialer Organisationen beschaffen ist. In Kapitel 6 beschreibe ich schließlich das Kaizen-Modell, d. h. seine Methoden und Ziele um zunächst einen guten Überblick darüber zu erlangen und dann gleich im Anschluss zu klären in wie weit dieses System mit der Organisationskultur japanischer Organisationen verwoben ist. Das letzte Kapitel hat schließlich die Aufgabe all die zuvor gewonnen Erkenntnisse miteinander zu verbinden. Welche Unterschiede gibt es zwischen japanischen und deutschen Organisationen? Welche Probleme ergeben sich daraus und ist es darauf aufbauend überhaupt möglich Kaizen in der Sozialen Arbeit einzuführen? Diese Fragen und natürlich deren Beantwortung bilden den Abschluss dieser Arbeit.

2. Qualitätsmanagement

Wie in der Einleitung bereits angemerkt, galten die Betriebswirtschaftslehre und ihre verwandten Disziplinen lange Zeit als Feindbild der Sozialen Arbeit. Nach Meinhold und Matul befürchteten die Mitarbeiter der einzelnen Bereiche durch die Anwendung solcher Praktiken lange Zeit eine Vernachlässigung der Klienten zugunsten betriebswirtschaftlichen Denkens. Doch längst bestimmt das Geld das Ausmaß der Arbeit und nicht mehr das Ausmaß der Hilfebedürftigkeit. Dies führte dazu dass sich dieses Denken heute umgekehrt hat und geradezu ein Qualitäts-Hype im Management der Sozialen Arbeit zu beobachten ist.

Das nun folgende Kapitel soll einen tieferen Einblick in diese neue Aufgabe der Sozialen Arbeit gewähren.

2.1 Zum Begriff der Qualität

Bevor ich mich in den folgenden Abschnitten mit dem Begriff des Qualitätsmanagements beschäftige, erachte ich es zunächst als überaus sinnvoll den Begriff der Qualität etwas näher zu betrachten. Der Sinn für diese Vorgehensweise ergibt sich aus dem Begriff des Qualitätsmanagements. Teilt man diesen Terminus in die zwei, ihm inne wohnenden, Begriffe – nämlich „Qualität“ und „Management“ – wird es meiner Ansicht nach am ehesten deutlich. Es geht um das Managen (aus dem engl.: to manage), also das erreichen oder auch zustande bringen von Qualität. Um also in diesem Fall überhaupt zu erahnen was zu tun ist, gilt es zunächst den Gegenstand des Vorgangs, nämlich die Qualität genauer zu betrachten.

Wie Heß 1997 darstellte, stammt der Begriff „Qualität“, wie viele andere Fachtermini auch, aus dem Lateinischen. Er leitet sich aus dem lateinischen Wort „qualis“ ab, was so viel wie „wie beschaffen“ bedeutet. Bereits seit der Zeit des griechischen Philosophen Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.), gehört der Begriff der Qualität zu den grundlegenden philosophischen Kategorien. Doch was verbirgt sich genau dahinter? Vertreter des Realismus betrachten Qualität als objektiv messbare Eigenschaft von Objekten. Diese Definition ist meiner Ansicht nach aber viel zu allgemein gefasst. Ich werde den Qualitätsbegriff daher aus einem spezifischeren Blickwinkel, nämlich dem der Betriebswirtschaft betrachten. Hiernach ist Qualität die „Beschaffenheit eines Produktes, einer Dienstleistung, eines Unternehmens oder einer anderen Einheit, gemessen an den Bedürfnissen der Anspruchsgruppen (Interessierte, betroffene Personen, d. h. Stakeholder oder Kunden)“. (Gerull 2007, S. 28). Nach Gerull 2007 ist Qualität aber noch viel mehr. Sie ist auch

- die Relation zwischen dem Ist-Zustand und der Soll-Forderung.
- die Gesamtheit der Eigenschaften und Merkmale eines Produkts oder einer Tätigkeit die sich auf die Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse bezieht.
- der Übereinstimmungsgrad zwischen versprochener und erfüllter Leistung.

Neben diesen Definitionsmerkmalen gibt es aber auch noch international standardisierte Formulierungen zum Qualitätsbegriff. Nach ISO 9000:2000 wird Qualität als die realisierte Beschaffenheit einer Einheit bezüglich der an diese gestellte Qualitätsanforderungen definiert. Diese Definition schlägt somit schließlich die Brücke von der, oben hergestellten, allgemeinen produktbezogenen Betrachtung des Qualitätsbegriffs, zum einem umfassenden Qualitätsverständnis. Hans-Dieter Zollondz erschuf auf Grundlage dieser Erkenntnisse folgende Definition zur Qualität im Total Quality Management (TQM), einem Begriff der im nächsten Abschnitt näher beschrieben wird:

Im TQM ist Qualität die realisierte Beschaffenheit von Einheiten mit unmittelbarem, mittelbarem und keinem direkten Qualitätsbezug, bezüglich Qualitätsanforderungen und anderer Forderungen an diese Einheit.

Oftmals ist es aber auch so, dass Qualität als Güte im Sinne von Zweckerfüllung verstanden wird. Damit ist dann sowohl die Beschaffenheit eines Produktes, aber auch dessen Anspruchsklasse (z. B. das Sterne-System bei Hotels) gemeint.

So treffend und differenziert die oben dargestellten Definitionen zum Qualitätsbegriff auch sein mögen, so viel Spielraum lassen sie jedoch um weitere Interpretationen zu tätigen. Vertreter des Idealismus gehen sogar so weit und vertreten die Auffassung, dass Qualität mit dem Objekt selbst nichts zu tun hat, sondern immer in der Wahrnehmung des Betrachters liegt und daher eine klare Definition kaum möglich ist (vgl. Heß 1997). In dieser Sichtweise findet sich vielleicht auch der Grund dafür, dass in der Fachwelt einige verschiedene Qualitätsmodelle existieren von denen ich an dieser Stelle die wichtigsten kurz vorstellen möchte. Peter Gerull stellte sie im Jahre 2007 in Form von sechs unterschiedlichen Modellen dar.

1. Das Qualitätskreismodell von Masinger

Dieses Modell geht von der Kundenforderung aus, indem es jeder Phase (Planung, Realisierung, Nutzung) bestimmte qualitätssichernde Maßnahmen (z. B. Markforschung, Beschaffung, usw.) zuordnet.

2. Der Qualitäts-Termin-Kosten-Kreis von Geiger

Es handelt sich bei diesem Modell um ein Zusammenwirken von Qualität, Zeit und Kosten. Es betont die Parallelität der jeweiligen Tätigkeiten und erscheint für den sozialen Bereich als grundsätzlich geeignet. Leider wird es nur sehr selten angewandt.

3. Die Wertschöpfungsanalyse nach Weth

Hierbei geht es um die Differenz des Wertes eines Produkts vor und nach der Weiterverarbeitung, d. h. welchen Wert hat das Produkt gewonnen. Aufgrund der starken industriellen Produktorientierung ist es für die Soziale Arbeit sehr fraglich.

4. Das partialanalytische Qualitätsmodell von Garvin

Dieses Modell differenziert Qualität nach absoluter Qualität, der Qualität des Produktes, der Qualität für den Kunden, der Qualität der Herstellung und der Qualität als Wert.

5. Das Dienstleistungsqualitätsmodell nach Donabedian

Dieses Modell unterscheidet nach Strukturqualität (Ressourcen die für die Produktion von Bedeutung sind), Prozessqualität (Gesamtheit der Aktivitäten im Verlauf der Herstellung) und Ergebnisqualität (Änderung des Patientenzustandes). Wie an dieser Stelle deutlich wird stammt, dieses Modell aus dem Pflegebereich und wird auch in weiten Teilen der Sozialen Arbeit verwandt. Allerdings fehlt in diesem Modell ganz klar die Rolle des Adressaten.

6. Das Dienstleistungsqualitätsmodell von Meyer & Mattmüller

Dieses Modell greift das Modell von Donabedian auf wobei es in folgende Kategorien unterscheidet:

a) Potenzialqualität (Unterteilung in Spezifizierungspotential (individuelle und spezifizierte Problemlösung) und Kontaktpotential (Integrations- und Interaktivitätspotentiale, d. h. Einbringungsbereitschaft und Auswirkungen von Kundenkontakten untereinander))
b) Prozessqualität
c) Ergebnisqualität

Trotz der Vorbehalte gegenüber dem Modell von Donabedian, wird dieses Modell kaum verwendet, obwohl es das wohl geeignetste Modell für die Soziale Arbeit ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

So schwierig der Qualitätsbegriff auch sein mag und so unterschiedlich die Modelle zur Erklärung sein mögen, so möchte ich an dieser Stelle doch zwei wichtige Kriterien hervorheben, die ich gerade im Bezug auf die Qualität in der Sozialen Arbeit heute als überaus wichtig erachte. Auch wenn es an dieser Stelle sehr betriebswirtschaftlich klingt, so kommen wir dennoch nicht darum herum uns Heß aus dem Jahre 1997 anzuschließen und zu sagen, dass Qualität immer dann optimal ist, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, d. h. das Verhältnis zwischen Gebrauchs- und Tauschwert muss stimmig sein. Dies impliziert auch, dass hohe Qualität nicht immer teuer sein muss. Daher ist dieses Kriterium auch für die Soziale Arbeit sehr wohl geeignet. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Tatsache, dass die Kunden in der freien Marktwirtschaft, aber auch die Adressaten in der Sozialen Arbeit, inzwischen weitgehende Vorstellungen von Qualität entwickelt haben. Der Kunde / Adressat erwartet, dass seine individuellen Wünsche erfüllt werden. Somit kann man sagen dass Qualität auch immer der Erfüllung von Kundenwünschen entspricht und somit auch als Prozess zwischen Kunde und Produkt gesehen werden kann. Mit Steigerung des Angebotes auf dem Markt werden diese Wünsche immer differenzierter und dadurch immer schwerer zu erfüllen. Die Abnehmer werden kritischer und anspruchsvoller und erschweren somit eine genaue Definition des Qualitätsbegriffs. Diese Sichtweise der Qualität als Prozess erweist sich meiner Ansicht nach für die Soziale Arbeit als besonders ertragreich, da nur in Zusammenarbeit mit dem Adressaten effektive und effiziente Arbeit überhaupt erst möglich wird. Dies erfolgt über so genannte Schlüsselprozesse, d. h. jene Arbeitsprozesse die für den Geschäftserfolg einer Institution von großer Bedeutung sind. Im Bereich der Sozialen Arbeit definiert sich Qualität also über die Schlüsselprozesse der kundenbezogenen, bzw. klientenbezogenen Arbeitsprozesse (vgl. Meinhold / Matul 2003). Doch auch im Bereich des Marktes wird Qualität anhand der Kundenwünsche, also über den Prozess der Interaktion zwischen Kunde und Anbieter definiert. Es gilt die Wünsche des Kunden in vollstem Umfang zu erfüllen oder sogar noch zu übertreffen (vgl. Puch / Westermeyer 1999). Nun sind wir wieder an dem Punkt angelangt den ich weiter oben bereits angesprochen hatte. Qualität scheint also durchaus individuelle bzw. subjektive Aspekte aufzuweisen, die sich situativ voneinander unterscheiden. Dies wird deutlicher wenn wir nun tiefer in das Qualitätsmanagement und die Gründe für eine Anwendung dieses Werkzeuges in der Sozialen Arbeit und der freien Wirtschaft eintauchen.

2.2 Was ist Qualitätsmanagement?

Nachdem ich mich im letzten Abschnitt ausführlich mit dem Begriff der Qualität beschäftigt habe, gilt es nun den noch undefinierten Bereich des Qualitätsmanagements näher zu betrachten. Bereits bei näherer Betrachtung der aktuellen Literatur wird die schwierige Klassifizierung des Qualitätsbegriffs noch viel deutlicher. So vielschichtig wie die Definitionen des Qualitätsbegriffs, so vielschichtig und umfangreich sind auch die Methoden und Verfahren des Qualitätsmanagements. Die wohl ausführlichste Darstellung fand ich in dem Werk von Peter Gerull aus dem Jahr 2007. Ich empfinde diese Darstellung als dermaßen umfangreich, dass ich auf weitere Literatur zur Erklärung des Qualitätsmanagements verzichtet habe und mich gänzlich auf seine Darstellung stütze.

Bevor ich mich aber nun den einzelnen Teilfunktionen und Methoden des Qualitätsmanagements (im Folgenden nur noch mit QM bezeichnet) widme, gilt es diesen Begriff zunächst zu definieren. Im Allgemeinen versteht man unter QM das funktionsübergreifende Planen von Qualität, inklusive der hierfür nötigen Steuerung und Überwachung. Nach ISO 9000:2000 wird QM auch als aufeinander abgestimmte Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Organisation bezüglich der Qualität klassifiziert. Es handelt sich hierbei also um die Gesamtheit der Aktivitäten zur Erreichung und Förderung der Qualität im Unternehmen. Dies schließt alle qualitätsbezogenen Tätigkeiten und Zielsetzungen einer Organisation mit ein. Wichtig anzumerken, ist hierbei, das QM immer auch ein Teil der Gesamtführungsaufgabe, also des Managements ist. Es hat die Aufgabe günstige Struktur-, Rahmen- und Prozessbedingungen herzustellen unter denen sich die einzelnen Systeme innerhalb der Organisation selbst steuern, organisieren und entwickeln können. Zusammenfassend könnte man also sagen, dass es sich bei QM um die Optimierung der Leistungspotenziale, -prozesse und -ergebnisse einer Organisation handelt. Im letzten Abschnitt sind wir zur Erkenntnis gelangt, dass Qualität meist im Prozess zwischen Anbieter und Kunde bzw. dem Produkt und dem Kunden begründet liegt. Somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, das die Basis des QM im Prozessmanagement liegt. Ziel ist es Gegen- und Abgrenzung von Hierarchie und Bereichen zu vermeiden. Es geht also darum ein bereichs- und funktionsübergreifendes Zusammenwirken aller Bereiche zu Gunsten des Kunden / Klienten zu erreichen.

Um all die eben genannten Ziele zu erreichen gliedert sich das QM in verschiedene Teilfunktionen, die ich an dieser Stelle kurz vorstellen möchte.

1. Qualitätsplanung

Bei der Qualitätsplanung geht es in erster Linie darum, Prozesse bedarfsgerecht und mit relativ geringem Fehlerrisiko zu gestalten. Dies wird meist dadurch erreicht, dass Qualitätsziele aus dem Soll-Zustand heraus formuliert werden.

2. Qualitätslenkung (-regelung, -steuerung)

Ziel ist es hier den Standardanforderungen durch Vorbeugung, Überwachung und Korrektur gerecht zu werden. Dies kann z. B. durch geeignete Kommunikations- und Informationsformen erreicht werden.

3. Qualitätssicherung (-prüfung, -kontrolle)

Hauptaufgabe dieses Bereichs ist die Fehlerbegrenzung. Aktives Risikomanagement inklusive der hierfür nötigen Überwachungsverfahren kann eine Methode hierfür sein. Wichtig ist hierbei aber, das dieser Bereich nicht mit QM gleichgesetzt werden darf, da es nur ein Teilbereich dessen ist und meist auf ein einzelnes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung gerichtet ist. Gerade in der Sozialen Arbeit wird dieses Teilfunktion oft nicht verwandt, da sie im Kern zu technisch ist. Die Soziale Arbeit verwendet hier meist den Begriff der Qualitätsentwicklung oder Qualitätsbewertung.

4. Qualitätsförderung (-verbesserung)

Die Schaffung und Pflege einer Unternehmenskultur der kontinuierlichen Verbesserung ist das oberste Ziel dieses vierten Teilbereichs.

5. Qualitätsdarlegung oder Qualitätsdokumentation

Hierbei handelt es sich um die Abbildung des QM für die Inner- oder Außendarstellung, z. B. in Form eines QM-Handbuches.

Wir dürfen jedoch nicht den Fehler machen und diese Bereich getrennt voneinander als einzelne Instrumente betrachten, sondern all diese Teilbereich wirken verzahnt ineinander und prozessübergreifend.

Um die eben genannten Ziele zu erreichen hat sich in der Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher QM-Modelle entwickelt. Thronend über den allgemeinen Kernmodellen befindet sich das so genannte Conditio-Sine-Qua-Non-Modell. Es handelt sich hierbei um Elemente die allen QM-Modellen als gemeinsamer Nenner inne wohnen:

1. Prozesse (Identifizierung und Bestimmung der Kern-, Führungs- und Supportprozesse).
2. Management (Formulierung der Qualitätsziele und uneingeschränktes Vorleben des QM).
3. Ressourcen (Bereitstellung von materiellen und immateriellen Ressourcen).
4. Mitarbeiter (Qualifizierung und Förderung von Qualitätsbewusstsein und unternehmerischem Denken).
5. Kunden (Ableitung der Qualitätsanforderungen aus deren Erwartungen).
6. Verbesserungen (kontinuierliche Verbesserung als integraler Bestandteil des QM).

Wie eben schon erwähnt sind dies Elemente die allen anderen Kernmodellen mehr oder weniger inne wohnen. Als nächstes werde ich nun einige wenige wichtige Kernmodelle des QM beschreiben.

1. QM vom Elektrizitätstypus

Es handelt sich hierbei um kein explizit formuliertes Modell sondern eher um einen charakteristischen Handlungstypus von Organisationen. „Was passiert wenn?“ ist die wohl deutlichste Fragestellung um diesen Typus zu beschreiben.

2. QM vom Kulturtypus

Auch hier handelt es sich um kein explitzites QM-System oder gar um eine transparente QM-Planung. Es umfasst vielmehr die kontinuierliche Schulung des Managements und des Personals sowie eine gute Unternehmenskultur oder eine gute technische Ausstattung.

3. Kontinuierliches Verbesserungsmanagement

Hierbei handelt es sich entweder um ein eigenes Konzept, wie etwa das in dieser Arbeit behandelte Kaizen oder es ist in das QM eingebettet.

4. QM-Systeme

Genormte QM-Systeme existieren in der Praxis noch nicht. Es existieren lediglich Normen für das QM. Diese Normen enthalten alle Maßnahmen die zur Verbesserung der Qualität der Produkte oder der Dienstleistung beitragen. Sie schaffen Vertrauen zwischen Kunden / Klienten und Dienstleistern aber auch unter Geschäftspartnern und Lieferanten.

5. TQM-Modelle

TQM bedeutet Total-Quality-Management welches sich im Begriff zu einer übergeordneten Unternehmensstrategie entwickelt hat. Es beinhaltet:

- Kundenorientierung
- Partnerschaftliche Lieferantenbeziehungen
- Integration und Partizipation der Mitarbeiter
- Gruppenarbeit
- Abbau von Hierarchie
- Humanität und soziale Komponenten
- Ständiger Verbesserungsprozess
- Moderne Technologien
- Abbau von nicht kundenorientierten Tätigkeiten
- Partizipatives und zugleich straffes Management

Das in dieser Arbeit behandelt Kaizen ist dem TQM zuzuordnen.

6. Integrierte Managementsysteme

Diese Systeme berücksichtigen neben den qualitätsbezogenen Anforderungen auch qualitätsbeeinflussende Faktoren wie Umwelt, Arbeitsschutz, Anlagensicherheit, Notfall oder Hygiene.

All die eben hier vorgestellten QM-Modelle wären völlig wirkungslos ohne die ihnen inne wohnenden Qualitätstechniken und -instrumente. Sie sind die praktische Ebene des QM auf der operativen Ebene. Man kann sie auch als Werkzeuge bezeichnen, die für die Zwecke des QM instrumentalisiert wurden und zuvor zum traditionellen Rüstzeug von z. B. Lehrern oder Fortbildern gehörten.

Qualitätstechniken

Qualitätstechniken sind meist auf eine bestimmte Fragestellung zugeschnitten. Zollondz unterteilte sie bereits im Jahre 2001 in Qualitätstechniken im engeren Sinn. Hier nennt er z. B.:

- Quality Function Deployment
- Fehlermöglichkeits und –einflussanalyse
- Statistische Prozesseregelung
- usw.

Im weiteren Sinne nennt er:

- Vignettentechnik (Design / Entwicklung / Prävention / Ermittlung der Qualitätsmerkmale)
- Service Blueprinting (Prozessdarstellung)
- Sequentielle Ereignismodelle (Ermittlung der Qualitätsmerkmale)
- ServQual (Qualitätsmessung)
- Beschwerdemanagement
- usw.

Hinzu kommen noch so genannte Kreativitätstechniken, wie Brainstorming, Brainwriting, Reizwortanalyse, usw. und bestimmte Elemente des Produktionssystems und der Arbeitsorganisation zu denen auch Kaizen gehört. Hierzu gehören aber auch Audits oder Qualitätszirkel.

Qualitätsinstrumente

Qualitätsinstrumente erfüllen eine umfangreiche betriebliche Funktion und sind mehr oder weniger tragende Praktiken des QM. Hierzu gehören:

- Qualitätsleitbild
- QM-Handbuch
- Qualitätszirkel
- Qualitätsbeauftragte
- Kunden- und Mitarbeiterbefragung
- Prozessanalyse (inkl. Kundenpfadanalyse)
- Benchmarking
- Idee-, Wissens- und Beschwerdemanagement

Neben diesen Qualitätstechniken und -instrumenten existieren noch so genannte Qualitätsmanagement-Kontextkonzepte. Sie entstammen zum Teil andere Wissenschaftstraditionen aber lassen sich zum Teil auch ohne Probleme dem QM zuordnen, da sie ähnliche oder auch gleiche Ziele verfolgen. Da sie jedoch keine eindeutige Zuordnung erfahren haben, führt man sie unter dem Begriff Kontextkonzepte. Hierzu gehören:

- Lean-Management
- Business Reengeneering
- Evaluation
- Controlling
- Balanced Scorecard
- Benchmarking
- Organisationsentwicklung (OE), Change Management, u. Ä.
- Lernende Organisationen
- Unternehmensphilosophie, Corporate-Identity, u. Ä.
- Personalentwicklung (PE)
- Human Resource Management (HRM)
- Partizipation und Empowerment
- Gruppenarbeit und Qualitätszirkel
- Arbeitsgestaltung (job design)
- Betriebliches Vorschlagswesen (BVW)
- Beschwerdemanagement
- Wissensmanagement und Management-Informationssysteme (MIS)

Nach nun mehr als zwei Abschnitten und zwei Dritteln des zweiten Kapitels wird uns eines deutlich. So umfangreich und unklar wie der Qualitätsbegriff, so umfangreich und vielschichtig sind auch die verschiedenen Methoden und Modelle des QM. Dies ist sicherlich auch nicht weiter verwunderlich wenn wir uns die Subjektivität des Begriffs „Qualität“ immer wieder vor Augen führen. Welches Modell oder welche Methode angewandt wird, liegt immer ein wenig an der Art und Weise wie Qualität verstanden wird. Man muss sich an dieser Stelle aber immer vor Augen halten, dass alle Wege irgendwie nach Rom führen. Letztendlich verfolgen all diese verschiedenen Sichtweisen nur ein Ziel, nämlich die Qualität der Ware oder der Dienstleistung nachhaltig zu verbessern. Die entscheidende Frage die an dieser Stelle jedoch bleibt, ist die Fragen nach dem „Warum“. Warum ist Qualitätsmanagement überhaupt nötig und warum bedient sich gerade die Soziale Arbeit immer häufiger diesem Instrument? Dieser Frage werde ich nun im folgenden Abschnitt nachgehen.

2.3 Warum Qualitätsmanagement?

Warum Qualitätsmanagement? Dieser Frage möchte ich mich in dem nun letzten Abschnitt dieses Kapitels widmen. Zunächst gilt es zu bedenken, das für die Industrie und den sozialen Bereich zwar sicherlich Gemeinsamkeiten zu dieser Frage existieren, die Kluft zwischen den Qualitätsanforderungen und natürlich auch den Forderungen nach Qualität zum Teil doch relativ groß ist. Aufgrund der Relevanz für die vorliegende Arbeit, werde ich mich im Folgenden allerdings nur mit dem Bereich der Sozialen Arbeit beschäftigen.

Nach Puch und Westermeyer reichen die Anfänge der Qualitätsdiskussion in der Sozialen Arbeit bereits bis in die Nachkriegszeit zurück. Vornehmlich wurde hier unter Qualität in erster Linie die Versorgungssituation einer bestimmten Region verstanden. Man könnte also sagen, dass Qualität hier mehr aus quantitativer Perspektive verstanden wurde. Erst in den 60er und 70er Jahren wurden erste formal-rechtliche Kriterien der Qualitätsdefinition entwickelt. In den 80er Jahren wurde die Qualitätsdebatte schließlich an die Professionalisierungsdebatte angeknüpft. Jedoch bewegte sich diese Debatte währen dieser Zeit eher auf sozialpolitischem, als auf betriebswirtschaftlichem Niveau. Merchel merkt hier jedoch an, das bis weit in die 80er Jahre hinein, ein enormer Ausbau der sozialen Leistungen erfolgte. Neu aufkommende oder neu entdeckte Problemlagen wurden mit der Finanzierung weiterer Leistungen und Projekte bekämpft. Die hier entstandenen Kosten wurden meist auf kommunaler Ebene getragen. Mitte der 80er Jahre begann dieses System allerdings ganz allmählich zu zerbröckeln. Man könnte es mit einer alten Mauer vergleichen, die immer größere Risse bekommt. Diese Zeit ist noch heute als „Krise des Wohlfahrtsstaates“ bekannt und bescherte der Sozialen Arbeit erste Probleme auf finanzieller Ebene. Gründe hierfür waren vor allem die große Zunahme an Sozialhilfeempfängern, die sich verändernde Altersstruktur der Bevölkerung, stärkere Eingriffe des Bundes und der Länder in die Finanzen der Kommunen und nicht auch zuletzt die hohen Kosten der Wiedervereinigung. Hier wurden auch erste kritische Anfragen im Bezug auf Effektivität und Wirtschaftlichkeit sozialer Dienstleistungen laut. Die sozialen Problemlagen wurden also nicht weniger, sonder stiegen sogar weiter an, so das die Kosten geradezu astronomisch in die Höhe schossen. Von 1992 bis 2003 stiegen die Kosten in der Jugendhilfe z. B. um sagenhafte 38,4%. Deutlich ausgedrückt betrachten wir hier eine Art Scherenentwicklung zwischen steigendem Hilfebedarf und schwieriger Finanzierungslage.

Die Folgen für die Soziale Arbeit waren dramatisch und reichen bis in die Gegenwart hinein. Am gravierensten war und ist wohl die starke Umsteuerung in der Sozialpolitik. Der Staat übte immer mehr Druck auf die bereits existierenden Einrichtungen Sozialer Arbeit aus und setzte nach und nach immer mehr Mittelkürzungen in diesen Bereichen durch. Wir blicken somit auf den ersten Grund für die Einführung eines umfangreichen Qualitätsmanagements in der Sozialen Arbeit. Die Rede ist von der Verknappung der finanziellen Mittel. Die immer wieder auftretenden neuen Anforderungen und Probleme müssen ohne neue Finanzierung bewältigt werden. Dies führt dazu dass sich die internen Abläufe betriebswirtschaftlichen Prozessen unterwerfen müssen. Die Verknappung der finanziellen Ressourcen führt aber noch zu einem weiteren Problem, nämlich zur Frage der Legitimation Sozialer Arbeit. Die neue Steuerung von Seiten der öffentlichen Hand legt zunehmend größeren Wert auf Wirtschaftlichkeit und Qualitätssteuerung und rückt diese in den Vordergrund der Beziehungen zwischen öffentlichen und freien Trägern Sozialer Arbeit. Das Produkt und dessen Qualität stehen von nun an im Zentrum der Vertragsbeziehungen zwischen Geldgebern und den einzelnen Trägern untereinander. Wirkung und Finanzierung werden somit immer stärker in Verbindung gebracht und Begriffe wie Effizienz, Effektivität und Qualität bestimmen den neu geschaffenen Sozialmarkt. Dies ist übrigens ein gutes Stichwort für einen weiteren Grund, warum Soziale Arbeit auf Qualitätsmanagement angewiesen ist. Die Rede ist von der Ausweitung der wettbewerblichen Ebene. Da wirtschaftliche Kriterien ein zentraler Bezugspunkt für die Soziale Arbeit geworden sind, bringt dies natürlich auch eine Ausweitung der wettbewerblichen Ebene mit sich, auf der Preise und Leistungsvergleiche und nicht politische Aufteilung und Zuteilung zu zentralen Steuerungskategorien werden. Hier sind vor allem zwei Aspekte von besonderer Bedeutung:

1. Die trägerorientierte Perspektive

Hier geht es in erster Linie um die Ausweitung des Zugangs zum Anbietermarkt durch Leistungswettbewerb unter den Trägern. Ziel ist es ein besonders gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu schaffen und den Trägern einen Anreiz zur Qualitätsverbesserung zu geben.

2. Die nutzerorientierte Perspektive

Der Wettbewerb um potentielle Kunden / Adressante wird angekurbelt. Ziel ist eine Verbesserung der Entscheidungs- und Steuerungsmöglichkeiten der Nutzer. Dieses Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe ist ja bereits in den neuen Büchern des SGB gesetzlich verankert.

Zu guter Letzt bleibt dann noch ein weiterer wichtiger Grund dafür, warum Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Rede ist von der immer wieder auftretende Kritik an der Form der Erbringung sozialer Dienstleistungen im Bezug auf die Qualität. Bisher herrschte in diesem Punkt eine große Undurchsichtigkeit im sozialen Bereich. Welche Ziele werden mit welchem Angebot verfolgt? Welche Gütekriterien im Bezug auf die Beurteilung einer Hilfeleistung gibt es? Welche Verfahren zur Bewertung existieren? Da diese Fragen bis heute nur schwer zu beantworten sind, muss sich die Soziale Arbeit immer wieder Vorwürfe gefallen lassen. Die gängigsten Vorurteile sind:

- Zufälligkeit der Wirkung
- Subjektivität der Leistungserbringung
- Unverbindlichkeit

Dieser letzte Punkt ist in meinen Augen besonders wichtig, da er ganz deutlich das professionelle Selbstverständnis der Sozialen Arbeit angreift.

Bevor sich aber nun ein allgemeiner Verdruss einstellt, sollte angemerkt werden, dass das Ausmaß der Forderungen nach Qualitätsmanagement innerhalb der verschiedenen Arbeitsfelder deutlich unterschiedlich ausfällt. Nach Meinhold und Matul bestimmen in besonders gering verrechtlichen Bereichen wie der Gemeinwesen- und Kulturarbeit oder dem Streetwork vor allem die geldgebenden Instanzen das Ausmaß des QM wobei ein gesundes Maß hier durchaus ausgehandelt werden kann. In stärker verrechtlichen Bereichen wie der Sozialhilfe oder der ambulanten Pflege wird das Ausmaß des QM vor allem durch das Gesetz und Vereinbarungen mit staatlichen Stellen und der Politik von Wohlfahrtsverbänden bestimmt. Die Jugendhilfe wiederum besitzt bis heute keinerlei Vorschriften für QM. Hier ist lediglich von Qualitätsentwicklung (Supervision, Selbstevaluation, usw.) die Rede. Auch Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind ein weitere Sonderfall. Hier bestimmen meist die Auftraggeber die Ausmaße des QM.

Fassen wir zum Ende noch mal kurz zusammen. Die Gründe für QM in der Sozialen Arbeit sind vielschichtig und haben sich im Laufe der Jahrzehnte entwickelt. Besonders wichtig sind an dieser Stelle folgende Gründe:

a) Ressourcenverknappung und Zeitdruck
b) Steigende Legitimationsanforderungen für den Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel
c) Änderungen der Finanzierungsstrukturen
d) Zunehmende Fragen nach Nutzen der Arbeit und den Ergebnissen
e) Zukunftsperspektiven (jetzige und zukünftige Anspruchsgruppen)

Es handelt sich hier also ganz klar um Fragen der Effektivität und Effizienz, die beantwortet werden müssen um Gelder von der öffentlichen Hand in Anspruch nehmen zu können (vgl. Puch / Westermeyer 1999). Der wichtigste Punkt ist meiner Ansicht nach aber der, welcher die nächsten Abschnitte dieser Arbeit ganz klar dominieren wird. Die Rede ist von dem Nutzen für den Klienten oder Adressaten, welcher sich meist aus tiefster Not heraus an die Soziale Arbeit wendet um Hilfe zu bekommen. Diesen Menschen mit bestem Wissen und Gewissen und mit einem Höchstmaß an fachlicher Kompetenz zu helfen ist doch das wichtigste Kriterium Sozialer Arbeit. Man spricht von einem enormen Ausmaß an qualitativer Arbeit. Die Qualität dieser Arbeit gilt es zu sichern und das ist neben den wirtschaftlichen Aspekten, das wohl wichtigste Kriterium für QM in der Sozialen Arbeit.

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Details

Titel
Kaizen - Ein japanisches Qualitätsmanagementmodell als Chance für die Soziale Arbeit in Deutschland?
Hochschule
Hochschule Fulda
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
79
Katalognummer
V132230
ISBN (eBook)
9783640377398
ISBN (Buch)
9783640377770
Dateigröße
814 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale Arbeit, Qualitätsmanagement, Kaizen, Qualitätssicherung, Sozialmanagement, Soziales Management, Thema Kaizen
Arbeit zitieren
Mathias Schäfer (Autor:in), 2009, Kaizen - Ein japanisches Qualitätsmanagementmodell als Chance für die Soziale Arbeit in Deutschland?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132230

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