Natursymbolik im Roman von Thomas Mann "Der Zauberberg"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Themen und Figuren im Roman

3 Natursymbolik im „Zauberberg“
3.1 Symbolik des Berges
3.2 Hadesfahrt von Hans Castorp
3.3 Jahreszeiten auf dem Zauberberg
3.4 Schnee
3.5 Meer

4 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundärliteratur

1 Einleitung

Der Roman von Thomas Mann „Der Zauberberg” gilt dank seiner Vielschichtigkeit und seines Reichtums an Symbolen als eines der anspruchsvollsten Werke der deut­schen Literatur. Zahlreiche symbolische und mythische Zusammenhänge sowie Ver­flechtungen mit anderen literarischen, musikalischen und philosophischen Werken bieten ein breites Feld für mögliche Interpretationen.

Eine besondere Rolle im Roman spielt die Natur. Sie stellt nicht nur den Hintergrund des Geschehens dar, sondern ist eng mit den Geschehnissen verbunden, indem sie diese auf eine besondere Weise widerspiegelt. Die Natursymbolik ist sehr aufschluss­reich für das Verstehen des Romans und seiner zahlreichen Zusammenhänge. Leider wurde dieses Thema von Thomas Mann-Interpreten vernachlässigt, so dass es hier eine Forschungslücke entstanden ist. Deshalb setzt sich diese Arbeit zum Ziel, die Natursymbolik im Roman zu erschließen und zu verdeutlichen. Hauptsächlich wird hier versucht, die folgende Frage zu beantworten: Wie ist die Natursymbolik mit den Hauptthemen des Romans verbunden (Zeit, Tod etc.)?

Nach dem einleitenden Kapitel, in dem die Hauptfiguren sowie die Themen des Ro­mans kurz skizziert werden, folgen Untersuchungen in Bezug auf die Naturphäno­mene und ihre symbolische Kraft im Roman. Da es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, die ganze Palette der Natursymbolik im “Zauberberg” zu untersuchen, habe ich mich auf wichtige Naturphänomene konzentriert, die im Roman oft auftau­chen und die auf eine besondere Weise bedeutungstragend sind. So wird im dritten Kapitel der Symbolik des Berges nachgegangen, danach wird versucht, die Schnee- und Meeressymbolik aufzuschließen. Auch die Jahreszeiten und ihre Rolle im Ro­man sollen im Folgenden untersucht werden.

Wie oben bereits erwähnt wurde, war das Thema der Natursymbolik im “Zauber­berg” bisher nicht ausreichend genug untersucht worden. Diese Arbeit soll einen Beitrag zur Interpretation des Romans leisten und das Verstehen der komplizierten Bezüge auf verschiedene Bedeutungsebenen erleichtern.

2 Themen und Figuren im Roman

Der 1924 erschienene Roman von Thomas Mann „Der Zauberberg” ist eines der klassischen Werke der europäischen Moderne. Wegen seiner komplizierten Kon­struktion und der Vielfalt der behandelten Themen kann er nur schwer einer be­stimmten Art zugeordnet werden. Die Forschung sucht das Werk als Bildungsroman, als „intellektuellen” oder „metaphysischen” Roman zu verstehen. Jedoch sind diese Bezeichnungen umstritten, was von seiner Vielseitigkeit zeugt.

Der Roman handelt vom Reifeprozess des jungen Hamburger Patriziersohns Hans Castorp. Das früh verwaiste und bei seinem Onkel Tinappel aufgewachsene Einzel­kind Hans besucht nach bestandenem Ingenieur-Examen vor dem Eintritt in eine Schiffsbauwerft seinen lungenkranken Vetter Joachim Ziemßen in einem Bergsana­torium in Davos. Die besondere Atmosphäre „dort oben”, gekennzeichnet durch die Nachbarschaft vom Leben und Tod sowie durch physischen Müßiggang und ausgie­bige Mahlzeiten, zieht den jungen Castorp allmählich in ihren Bann. Das Leben in diesem Paralleluniversum mit eigener Ordnung und Disziplin in kompletter Abge­schiedenheit von der bürgerlichen Welt versetzt die Bewohner des Sanatoriums in einen Zustand der Zeitlosigkeit. „Man ändert hier seine Begriffe”, sagt Joachim sei­nem Cousin. (S.16, K. I)

Drei Wochen will Hans Castorp zunächst bei seinem Vetter bleiben. Jedoch wird sein Aufenthalt durch die Erkrankung an einer leichten Form der Tuberkulose ver­längert. Auf Hofrat Behrens’ Rat bleibt er vorerst im Sanatorium und nimmt an the­rapeutischen Maßnahmen teil. Während seines Aufenthalts lernt Hans Lodovico Settembrini kennen, einen italienischen Literat, Polyglott, Aufklärungsoptimist und Humanist, der die Rolle von Hans` Erzieher übernimmt. Der brillante Redner, der an der Enzyklopädie des menschlichen Leidens arbeitet, erachtet die im Sanatorium herrschende Atmosphäre als gefährlich für den jungen Mann und drängt ihn zur Ab­reise. Hans Castorp aber verliebt sich in eine geheimnisvolle Russin Clawdia Chau­chat, Frau eines russischen Beamten aus Dagestan, „schlaff, fiebrig und innerlich wurmstichig” (S. 201, K. IV), die sich bereits seit langem auf dem Zauberberg auf­hält; sie vor allem hält ihn im Sanatorium zurück. Clawdia verkörpert Venus und Persephone, eine antike Unterweltgöttin, zugleich. Mit ihrer Gestalt sind im Roman erotische Assoziationen sowie das Irrationale verbunden. Sie ist auch der Inbegriff der irrationalen Lebensmacht, ein Gegenstück zur Vernunft. Hans’ Liebe (oder die Verliebtheit) für Clawdia ist einzigartig. Er sieht in ihr nicht eine Person, mit der er ein verbindliches Verhältnis eingehen könnte, sondern er empfindet sie als ein irrati­onales, außergesellschaftliches, vitales Wesen. Es ist auch der Grund dafür, dass Hans Clawdia nur duzen kann, weil “Sie” gesellschaftliche Gepflogenheit bedeuten würde. Dieses Gefühl bleibt nicht unverborgen für Settembrini, der den jungen Mann vor Clawdia warnt. Sie verkörpert in seinen Augen das mythische und europäischer Zivilisation fremde Asien, die Heimat der „Parther und Skythen”. Darüber hinaus sieht er am Beispiel von Clawdia seine These bewahrheitet, wonach die Krankheit nicht nur eine Folge, sondern auch eine Form der Liederlichkeit ist. Jedoch hat die Anziehungskraft von Madame Chauchat auf Hans eine größere Wirkung als die Ar­gumente seines Freundes, so dass es während der Faschingsnacht, sieben Monate nach Hans’ Ankunft, zur Liebesbegegnung mit Clawdia kommt.

Der anschließende Teil des Romans erzählt von der restlichen Zeit, insgesamt sieben Jahren, die Hans „dort oben“ verbringt. Clawdia reist ab, Settembrini zieht in das Dorf hinab, auch Joachim verlässt gegen Behrens’ Willen den Zauberberg, um sei­nem Traum, dem Militärdienst, nachzugehen. Diese Zeit verbringt Hans in der At­mosphäre der „hermetischen Pädagogik”: er führt Gespräche mit Settembrini, liest medizinische Bücher, besucht Veranstaltungen von Doktor Krokowski... Der Reife­prozess des jungen Mannes wird zuerst von seinem „Erzieher” Settembrini maßgeb­lich vorangetrieben. Der italienische Literat trägt dazu bei, dass Hans sich mit den wichtigen Existenzfragen wie Zeit, Leben und Tod, Krankheit und Liebe, Geist und Natur auseinander setzt. Einige Zeit später (und die Zeit wird „dort oben” nach Jah­ren bemessen) taucht ein anderer „Pädagoge” auf, Jesuit und Kommunist Leo Naphta, ein zum Katholizismus konvertierter Jude mit bewegter Vergangenheit. Er liefert sich mit Settembrini erbitterte Diskussionen, in denen er sich als brillanter, rhetorisch begabter Intellektueller entpuppt. Seine provokativen Reden über den „an­fänglichen paradiesisch justizlosen und gottesunmittelbaren Zustand” (S. 550, K. VI) sowie über den totalitären, auf Terrorismus gestützten Gottesstaat beeinflus­sen den jungen Hans Castorp, den Settembrini erfolglos von Naphta fernzuhalten versucht. Hin und her gerissen im Kampf zwischen zwei „Pädagogen” um seine Seele, stellt Hans schließlich fest, dass seine Erzieher „beide Schwätzer [sind]. [..] Die beiden Pädagogen! Ihr Streit und ihre Gegensätze sind selber nur ein guazza­buglio und ein verworrener Schlachtlärm, wovon sich niemand betäuben lässt, der nur ein bisschen frei im Kopfe ist und fromm im Herzen.” (S. 678, K. XI) Zu dieser Erkenntnis kommt Hans während eines Spaziergangs im Schnee, als er, in einen Sturm geraten, in einem kurzen „Gedankentraum” zu sich selbst findet. Das Kapitel „Schnee” kann als Höhepunkt des ganzen Romans bezeichnet werden, weil darin, auch wenn nur für kurze Zeit, alle Gegensätze gelöst werden. Im kurzen Traum of­fenbart sich Hans eine Wahrheit, die er als Leitsatz beherzigen will. Sie wird als ein­ziger Satz im Roman kursiv gedruckt: Der Mensch soll um der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken. (S. 679, K. VI) Jedoch vergisst er ihn, sobald er im Berghof zurückgekehrt ist.

Eine weitere Person, die Einfluss auf Hans nimmt, erscheint gegen Ende des Ro­mans. Es ist Mynheer Peeperkorn, ein holländischer Kaffeepflanzer, ein bejahrter Mann voller Vitalität, in dessen Begleitung Clawdia wieder im Sanatorium erscheint. Peeperkorn ist eine fast mythische, gottähnliche Figur, ein Bacchus, dessen Charisma und Lebenskunst alle Bewohner des Sanatoriums in seinen Bann ziehen. Das Leben betrachtet er als „ein hingespreitet Weib mit dicht beieinander quellenden Brüsten und großer, weißer Bauchfläche zwischen den ausladenden Hüften, [...] das in herrli­cher, höhnischer Herausforderung unsere höchste Inständigkeit beansprucht, alle Spannkraft unserer Manneslust, die vor ihm besteht oder zuschanden wird.” (S. 776, K. VII) Im Gegensatz zu Settembrini und Naphta ist er kein Intellektueller, seine Sprache ist oft unverständlich und zusammenhangslos. Jedoch kann sich Hans Castorp seiner kraftstrotzenden Vitalität nicht entziehen, so dass er mehr Verehrung als Eifersucht gegenüber Clawdias Liebhaber empfindet. Vor der Wucht dieser Per­sönlichkeit “verzwergen” Hans Pädagogen Naphta und Settembrini. Settembrini hält Peeperkorn für einen dummen alten Mann, mit dem man nicht ein vernünftiges Ge­spräch führen kann. Jedoch ahnt Hans, dass hinter wirren Reden von Peeperkorn eine wuchtige Urkraft steht, die alles andere unwichtig erscheinen lässt. Nach schwerer Erkrankung, den Verlust seiner wuchtige Urkraft steht, die alles andere unwichtig erscheinen lässt. Nach schwerer Erkrankung, den Verlust seiner Lebens- und Manneskraft fürchtend, flüchtet sich Peeperkorn in den Tod indem er sich Gift aus einem sonderbar konstruierten, dem “Beißzeug der Brillenschlange” (S. 857, K. VII) ähnlichen Apparat injiziert

Nach dem Tod Peeperkorns und der darauf folgenden Abreise von Clawdia, herrscht im Berghof der „große Stumpfsinn”, die Zeit scheint sich verlangsamt zu haben. Hans ist an einen toten Punkt angekommen; es erscheinen keine neuen Persönlich­keiten, es gibt kein äußeres Geschehen. Es herrscht eine Leere in der Gesellschaft und in Hans Castorp. Diese Stimmung spiegelt die allgemeine Stimmung in der deut­schen Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg wider.

„Der große Stumpfsinn” wird gelindert durch die „Fülle des Wohllauts”, die ein Grammophon hervorbringt. Hans wendet sich der Musik zu und, von Todessehn­sucht ergriffen, hört sich immer wieder fünf Musikstücke an, die im Roman direkt oder indirekt genannt werden: Giuseppe Verdis „Aida”, Claude Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune”, Georges Bizets „Carmen”, Charles Gounods „Faust (Mar­garete)” und Franz Schuberts „Am Brunnen vor dem Tore”. Diese Musik steht für Hans für die nicht überwundene „Sympathie mit dem Tode”, die den ganzen Roman kennzeichnet.

Die dekadente Stimmung in der Berghof’schen Gesellschaft mündet in Veranstaltun­gen der spiritualen Sitzungen, an denen auch Hans Castorp teilnimmt. Diese Sitzun­gen sind der Höhepunkt der irrationalen Linie, die auch schon früher im Roman in Gestalt vom Psychoanalytiker Krokowski, Clawdia und Peeperkorn präsent war. Die Séancen können als Versuch angesehen werden, die Zeit als Ganzes zu betrachten, das Geistige und das Materielle zusammen zu bringen. Dieser Versuch scheitert, als während einer Sitzung der verstorbene Joachim Ziemßen erscheint. Es führt zu ei­nem Erschrecken, so dass Hans das Licht, im Roman Symbol der Aufklärung, an­schalten muss, um den Spuk zu vertreiben.

Dem „großen Stumpfsinn” folgt die „große Gereiztheit”, die zum Pistolenduell zwi­schen Naphta und Settembrini führt. Dem Zwang, aufeinander schießen zu müssen, entledigen sich die beiden auf ihre Art: Settembrini schießt in die Luft, Naphta tötet sich selbst. Die Gegensätze zwischen den beiden Intellektuellen konnten friedlich nicht beseitigt werden, eine Kommunikation erschien unmöglich. Diese Gegensätze haben auch ihren Spiegelbild in der Realität: es gab sie im Ersten und auch im Zweiten Weltkrieg.

Als Folge des Duells verschlimmert sich Settembrinis Zustand. Sein Tod kommt schleichend, fast unbemerkt. Auch sein Prinzip der bürgerlichen Realität geht mit ihm unter. Am Ende des Romans duzt Settembrini Hans, was seiner üblichen Hal­tung widerspricht. Damit drückt er seine Neigung zu Hans aus, eine Liebe, die zu einer Freundschaft führen könnte.

Die fortschreitende Dekadenz - Hans sitzt am „schlechten Russentisch” und hat sich ein Bärtchen stehen lassen, „als Zeugnis einer gewissen philosophischen Gleichgül­tigkeit gegen sein Äußeres” (S. 971, K. VII) - endet abrupt mit dem „Donnerschlag” des Ersten Weltkrieges. Die Spannung zwischen dem Geistigen und dem Materiellen wird am Ende des Romans nochmals aufgegriffen. Der Krieg ist eine physische Tat­sache schlimmster Ordnung, in der das Geistige seinen Wert verliert. Der Initiations­prozess, den Hans auf dem Zauberberg abgeschlossen hat, bleibt fruchtlos und wird durch den Krieg zunichte gemacht. Der Leser verliert seinen Helden als anonymen Soldaten im Angriff „aus den Augen” mit Schuberts „Am Brunnen vor dem Tore” auf den Lippen.

Lebewohl, Hans Castorp, [...]! Deine Geschichte ist aus. Zu Ende haben wir sie erzählt; sie war weder kurzweilig noch langweilig, es war eine hermetische Ge­schichte. Wir haben sie erzählt um ihretwillen, nicht deinethalben, denn du warst simpel. (S. 984, K. VII)

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Natursymbolik im Roman von Thomas Mann "Der Zauberberg"
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Veranstaltung
Kulturwissenschaftliches Hauptseminar "Thomas Mann und die Kultur der Weimarer Republik"
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V131940
ISBN (eBook)
9783640396658
Dateigröße
563 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Natursymbolik, Roman, Thomas, Mann, Zauberberg
Arbeit zitieren
M.A. Schuster Natallia (Autor:in), 2008, Natursymbolik im Roman von Thomas Mann "Der Zauberberg", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131940

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