Die Akademie für Jugendführung und die Stadt Braunschweig


Hausarbeit, 2008

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

1. Geschichte der Akademie für Jugendführung

2. Die Konzipierung der Akademie für Jugendführung
2.1 Die HJ und ihr Führerkorps
2.1.1 Die Führerschaft der HJ und ihre Führerschulen
2.1.2 Führerkorps und der Jugendführer als Beruf
2.2 Konzeption der Akademie
2.3 Die Architektur
2.4 Die Stellung der Akademie innerhalb der Organisation

3. Die Akademie für Jugendführung und die Stadt Braunschweig
3.1 Die Stadt Braunschweig und ihr Stellenwert im Nationalsozialismus
3.1.1 Braunschweigs Vorpostenstellung im Nationalsozialismus
3.1.2 Heinrich der Löwe in nationalsozialistischer Geschichtsinterpretation
3.1.3 Die Hitlerjugend in Braunschweig
3.2 Die Akademie für Jugendführung und Braunschweig

4. Schlussbetrachtung

Einleitung

Mit der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 ergab sich für die Hitlerjugend (HJ) eine neue Situation. Im Zuge der Gleichschaltung wurde sie zur einzigen Jugendorganisation des Dritten Reiches. Die Mitgliederzahlen explodierten. Stellte sie 1933 mit rund 55.000 Mitgliedern gerade mal 1% der Jugendlichen[1], wurde sie in den nächsten Jahren zu einer Massenorganisation mit Mitgliederzahlen in Millionenhöhe. Um das bewältigen zu können, musste sie einen enormen Apparat aufbauen, aber vor allem brauchte sie in kurzer Zeit auch eine zahlenmäßig und qualitativ adäquate Führerschaft. Als eine Organisation mit dem alleinigen Anspruch auf Erziehung und Jugendarbeit, und damit als Organ der nationalistischen Volkserziehung mit Anspruch auf Zukunftssicherung, galt es in dieser Hinsicht Möglichkeiten zu schaffen, die die Auslese und Heranbildung eines Korps junger Führer gewährleisteten. So ging man schon bald dazu über in Lehrgängen an Reichsführer-, Gebietsführer- und Reichssonderschulen den Führernachwuchs systematisch auszubilden. Aber darüberhinaus begannen sich bereits 1933/34 Pläne zu konkretisieren, wonach eine hauptberufliche Ausbildung zum Jugendführer in einer eigens dafür zu schaffenden Institution mit universellem und akademischem Charakter angestrebt wurde. Am 24. Januar 1936 wurde der Grundstein für die „Akademie für Jugendführung“ gelegt und 1939 wurde sie fertiggestellt. „Sie war äußerlich wie innerlich eine Mustereinrichtung mit modellhaftem, elitärem Charakter repräsentativer Prägung.“[2] Standort der einzigen Ausbildungsstätte dieser Art sollte Braunschweig werden.[3]

Aufgabe dieser Hausarbeit soll sein, herausstellen, warum die Akademie für Jugendführung eine „Mustereinrichtung“ war und welche Rolle sie im System der Hitlerjugend inne hatte. Dann soll danach gefragt werden, welche Bedeutung die Akademie für Jugendführung für die Stadt Braunschweig einnahm und warum sie sich gegen andere Bewerber bei der Standortvergabe durchsetzen konnte. Dazu soll in einem ersten Schritt die Darstellung der Konzeption der Akademie, auch hinsichtlich ihrer Relevanz in der Hitlerjugend der NSDAP und in ihrer architektonischen Ausführung, die Signifikanz und Wirkung dieser Einrichtung verdeutlichen. Im Weiteren ist dann der Stellenwert der Stadt Braunschweig im und für den Nationalsozialismus und insbesondere für die Hitlerjugend aufzuzeigen, bevor die Hintergründe beleuchtet werden, die zum Bemühen der Stadt um den Zuschlag und auch letztlich zur Standortwahl Braunschweig geführt haben. Als Grundlage dient dazu das einzige umfassende Werk „Die Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend in Braunschweig“ von Jürgen Schultz.

1. Geschichte der Akademie für Jugendführung

Auf der Braunschweiger Führertagung im Oktober 1935 verkündete der Reichsjugendführer Baldur von Schirach die Errichtung einer Akademie, die das Führerkorps der Hitlerjugend ausbilden sollte. Am 24. Januar 1936 war dann die feierliche Grundsteinlegung für die Akademie für Jugendführung im Richmond-Park in Braunschweig. Erst danach wurde das Gebäude von dem Architekten Erich von Putlitz geplant und ab 1937 begann man mit dem Bau, der sich bis 1939 hinziehen sollte. Nach einer baulich bedingten Verzögerung konnte sie dann am 5. August 1939 eröffnet und der Lehrgang mit 100 Jugendführer-Anwärtern fortgeführt werden, der aufgrund der Verzögerung bereits seit dem 20. April auf der Potsdamer Führerschule begonnen hatte. Dieser sollte an der Akademie allerdings auch nur vier Wochen andauern, bis er jäh durch den Kriegsbeginn unterbrochen wurde, da fast die gesamte Führerschaft geschlossen zum Kriegsdienst eingezogen wurde, wie auch bis 1941 für die gesamte HJ 95% der Führerschaft im Kriegsdienst und somit auch fast alle hauptamtlichen Führungskräfte ausgefallen waren. Zwar versammelte man den gesamten Lehrgang wenige Tage vor Weihnachten erneut zu einem Wiedersehen in der Akademie, der Lehrbetrieb konnte aber nicht wieder aufgenommen werden, so dass die Reichsjugendführung (RJF) den Lehrgang am 20. Dezember 1941 für beendet erklären musste, die Teilnehmer von der Regelung der Ausführungsbestimmungen der Ausbildungsordnung von 1938 ausnahm und ihnen den Rang eines Bannführers zusprach. Die Akademie stand vorerst leer bis dort mit Beginn des Jahres 1940 das BDM[4] -Werk „Glaube und Schönheit“ untergebracht wurde und in Lehrgängen 80 hauptamtlich Führerinnen schulte. Das beginnende Jahr 1941 brachte einen Wechsel insofern, als dort der BDM nun Lehrgänge für Untergauführerinnen und Abteilungsleiterinnen - ein Pendant zur Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend - durchführte. Ab dem Winter 1941 wurde die Akademie dann von der Wehrmacht als Lazarett beschlagnahmt, bis sie 1942 wieder freigegeben wurde und die RJF bis 1945 den Akademiebetrieb in Form von Versehrtenlehrgängen wieder aufnehmen konnte, da die Sachlage dazu zwang, die einberufenen oder gefallenen Jugendführer zu ersetzten, um die Jugenderziehung weiterhin fortzuführen. Daher ging man dazu über, kriegsversehrte und nicht mehr bzw. noch nicht wieder fronttaugliche HJ-Führer auszubilden.[5]

Hier ist nun auf die Problematik hinzuweisen, dass es nie wirklich zu einer praktischen Umsetzung der Ausbildungskonzeption an der Akademie für Jugendführung im geplanten Sinne kam, geschweige denn zu einem Abschluss der insgesamt 12 Jahre dauernden Ausbildung zum Jugendführer. Auch die späteren Kurzlehrgänge für Kriegsversehrte waren lediglich improvisierter Natur. Die Akademie konnte nie das sein, was sie beanspruchte. Somit können aber auch keine endgültigen Aussagen über den tatsächlichen Wert der Akademie und ihrer Ausbildung und auch nicht über spätere Auswirkungen auf die Stadt Braunschweig getroffen werden. Ein Bedeutungsgehalt kann nur in einer synchronen Betrachtung ermittelt werden, zukünftige Auswirkungen und Einschätzungen können nur im Bereich des Spekulativen bleiben.

Nach der Besetzung durch die Alliierten hat das Braunschweig-Kolleg, Institut für Erwachsenenbildung und zur Erlangung der Hochschulreife, bis heute ihren Ausbildungssitz in der ehemaligen Akademie. Auch die Deutsche Müllerschule für Mühlenbau- und Müllereitechniker war im nördlichen Flügel des Gebäudekomplexes untergebracht bis dort nun das Abendgymnasium Braunschweig die Räumlichkeiten übernommen hat.

2. Die Konzipierung der Akademie für Jugendführung

Einleitend sei ein Auszug aus der Rede des Reichsjugendführers v. Schirachs anlässlich der Grundsteinlegung der Akademie für Jugendführung vom 24. Januar 1936 vorangestellt:

“Meine Kameraden!

Jugendheime und Führerschulen sind während der letzten Jahre in allen Teilen des Reiches entstanden, und es ist an sich an der heutigen Grundsteinlegung für eine solche neue Einrichtung nichts Besonderes. Was aber die Feier dieser Stunde grundlegend unterscheidet von allen ähnlichen Veranstaltungen, ist die Tatsache, daß hier mehr errichtet wird als eine Führerschule im landläufigen Sinne des Wortes.

[…]

Der bisherige Ausbildungsgang der Führer der nationasozialistischen Jugendverbände ist durch die Kampfzeit und durch die Schwierigkeiten unserer organisatorischen Arbeit in den vergangenen zwei Jahren bedingt worden. Wenn wir der Ausbildung unserer Führerschaft nicht die Aufmerksamkeit zuwenden konnten, die einer so wichtigen Arbeit entgegengebracht werden mußte, so liegt es nicht daran, daß wir den großen Problemen der neuen Zeit ferngestanden hätten, sondern es war darin begründet, daß das ungeheure Anwachsen der Hitler-Jugend uns nicht die Zeit ließ und die Möglichkeit gab, die für eine intensive Führerschulung der Zukunft notwendig ist. Eines ist klar: Hier entsteht ein Institut, das erste in seiner Art, das den Begriff des Jugendführers als Beruf und Berufung in sich trägt.

Nicht mehr wird der Jugendführer in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine Zufälligkeit sein, was gleichsam als Nebenberuf ausgeübt wird, sondern hier schaffen wir uns in der Akademie für Jugendführung in Braunschweig die Stätte, in der ein neuer Erzieherstand ausgebildet und für seine Aufgaben erzogen wird.

Zugleich verankern wir damit im Leben des Staates den großen revolutionären Gedanken der Selbstführung der Jugend, den wir als die uns alle verbindende Idee in unserer Jugendarbeit empfinden.

So wird auch in der Art und Führung dieses Instituts ein grundlegender Unterschied gegenüber ähnlichen zu suchen sein. Der Lehrkörper dieser Akademie wird nach anderen Gesichtspunkten ausgebildet werden als anderswo. Hier wird vor allem die große Charakterschulung vorgenommen werden, die die Grundlage zur Jugendführung sein muß. Hier wird eine Anstalt errichtet, die nach Geist und Gesetz im Nationalsozialismus ihre historische Bedeutung erhalten soll.

[…] Aus dem Jungvolk heraus beruft die NSDAP durch die Hitler-Jugendführung die Fähigsten und Berufensten in die Reihen der Hitler-Jugend.

Die Hitler-Jugend ist die vom Führer und Reichskanzler ausersehene Organisation, die die Aufgabe erfüllt, den Nachwuchs im nationasozialistischen Sinne zu erziehen. Diejenigen Jungen, die nicht dazu berufen werden, einmal Führer zu sein, werden in einer besonderen Organisation zusammengefasst werden. So werden wir bereits in absehbarer Zeit imstande sein, das Bild einer vom Reich planvoll geleisteten Erziehung zu haben. Diese Akademie für Jugendführung in Braunschweig wird zusammen mit dem Schwesterinstitut in München zu sorgen haben, daß alle, die die Jugend einmal führen wollen, hier an dieser Stätte im Geiste unseres Führers erzogen werden.“[6]

Der Reichsjugendführer der NSDAP von Schirach betont hier die Einmaligkeit der zu errichtenden Akademie, deren Art und Führung im Vergleich zu ähnlichen bisherigen Einrichtungen grundlegend anders sein werden würde. Bedingt durch die Schwierigkeiten der organisatorischen Arbeit, die im ungeheuren Anwachsen der Organisation begründet seien, hätte nicht die notwendige Aufmerksamkeit und somit intensive Führerschulung aufgebracht werden können, die die Führerschaft bedurft hätte. In dieser Stätte aber werde ein neuer Erzieherstand ausgebildet und die Tätigkeit des Jugendführers zum Beruf und zur Berufung. Der Jugendführer solle nun keine Zufälligkeit mehr sein, nur die Fähigsten und Berufensten seien in die Reihen der Hitlerjugend auserkoren, denn die Hitler-Jugend habe die Aufgabe zu erfüllen, den Nachwuchs im nationalsozialistischen Sinne zu erziehen. Es sei von nun an auf eine vom Reich planvoll geleistete Erziehung zu blicken.

Im Folgenden sollen nun diese Pläne der RJF wie die Schaffung eines Führerkorps, die neue Ausbildungskonzeption und die Konzeption der Akademie dargelegt werden.

2.1 Die HJ und ihr Führerkorps

Die Machtergreifung 1933 brachte der HJ eine neue Position. Auf Verfügung Hitlers wurde die neue Dienststelle des Jugendführers des Deutschen Reiches, der an der Spitze aller Verbände der männlichen und weiblichen Jugend und auch der Jugendorganisationen von Erwachsenen-Verbänden stehen sollte, eingerichtet. Hierzu wurde der Reichsjugendführer der NSDAP Baldur von Schirach ernannt. Alle Angelegenheiten und Aufgaben wurden so durch seine Dienststellen verwaltet und jede Neugründung einer Jugendorganisation bedurfte seiner Zustimmung. Damit war das erste Teilziel der Hitlerjugend erreicht: die Auflösung oder Integration der freien Jugendorganisationen. Diese Gleichschaltung der Jugendverbände und schließlich das HJ-Gesetz von 1936, das die Hitlerjugend zur einzigen Jugendorganisation erklärte, führte zu einer Instrumentalisierung und zu einer Massenorganisation der Staatsjugend. Mit der zweiten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Hitlerjugend von 1939 waren schließlich alle Jugendlichen vom 10. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zum Beitritt in die Hitlerjugend verpflichtet. Zwangsläufig war eine enorme Aufbauarbeit und eine Neugliederung (siehe Anhang S. 27) der Organisation zu leisten, aber vor allem führte es zu einer Schaffung eines Führungssystems, dass die heranwachsende Jugend für die nationalsozialistische Bewegung begeistern und aus ihnen Kämpfer für die nationalistische Politik machen sollte. Hierzu war die Errichtung von Führerschulen notwendig, die eine im Sinne des Nationalsozialismus ausgerichtete Führerschaft heranbilden sollte, die dieses Ziel erst verwirklichen konnte.[7] [8]

2.1.1 Die Führerschaft der HJ und ihre Führerschulen

Vor 1933 sah sich die Hitlerjugend verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert einen geeigneten Führerstamm aufzubauen: Bis Ende 1927 hatten alle 18 Jahre alten Angehörigen der HJ und auch die Mitglieder, die Führerpositionen bekleideten, automatisch in die SA überzuwechseln. Erst dann regelte eine entsprechende Verfügung, dass diejenigen in der Jugendorganisation bleiben konnten, die Führerstellen bekleideten. Weiterhin gab es noch kein einheitliches Schulungskonzept und vor allem bot erheblicher Geldmangel nicht die Möglichkeit umfassender Führerschulungen. Ebenso konnte der größte Teil der Führerschaft die Tätigkeit nur nebenberuflich ausüben und sich daher nur in eingeschränktem Maße für die Jugendarbeit einsetzen. Auch die ersten Führerkurse in Flechtdorf bei Braunschweig, die von dem damaligen Gauführer und späteren Stabsleiter Hartmann Lauterbacher organisiert wurden und der uns später noch interessieren wird, waren von einmaliger Natur.[9]

Damit war eine Zeit des systematischen Auf- und Ausbaues der Hitlerjugend und vor allem der Erziehung der Führerschaft eingeläutet. Wie bereits einleitend erläutert, war der Bedarf an entsprechend geschulten Jugendführern durch den immensen Mitgliederzuwachs und durch den alleinigen Anspruch auf Erziehung und Jugendarbeit bedingt, aber auch die Uneinheitlichkeit der Führerschaft, die durch Übernahme der früheren bündischen, konfessionellen, gewerkschaftlichen und sonstigen Jugendführern im Zuge der Gleichschaltung noch verstärkt wurde, erhöhte die Dringlichkeit einer adäquat geschulten Führerschaft, die die Jugend im nationalsozialistischen Sinne erziehen sollte. Nach der Neugliederung der HJ am 1. April 1933 folgte der systematische Aufbau der Erziehung der Führerschaft, der sich zunächst in hierarchisch gegliederten Führerschulungen bis 1936 folgendermaßen vollzog:

- Für die untere Führerschaft[10] wurden hauptsächlich im Sommer in Zeltlagern oder in Jugendherbergen Wochenendkurse angeboten, die auf die Durchführung verschiedener Aufgaben des folgenden Monats vorbereiteten. Daneben setzten die Bann-Führerschulen auf körperliche Ertüchtigung und die praktische Heimabendgestaltung.
- Die Schulung der mittleren Führerschaft vollzog sich an Gebiets-Führerschulen in Lehrgängen von 3 – 4wöchiger Dauer. Sie wurden als sehr wichtig erachtet, da die Gebietsführer dahingehend geschult werden sollten, die Fähigkeiten ihrer Führerschaft feststellen und die Auslese und Führerwahl in ihrem Bereich maßgeblich leiten zu können. Weiterhin erhielten sie intensive Schulung in den Bereichen Wehrerziehung, Leibesertüchtigung, Kulturarbeit und Weltanschauung. Für den BDM wurden entsprechende Obergau-Führerinnenschulen eingerichtet. Für jedes HJ-Gebiet war eine solche Institution vorgesehen, die auch teilweise in Neubauten entstanden, wie z.B. auch in Braunschweig. Mittlerer Führer konnte nur werden, wer die unteren Rangstufen durchlaufen hatte.
- Die Ausbildung der Führerkorps[11] erfolgte an den Reichsjugendführerschulen, ebenfalls in Lehrgängen dreiwöchiger Dauer. Die Lehrpläne unterschieden sich nicht grundlegend von denen der Gebiets-Führerschulen. Bereits 1933 wurde nach einem Umbau eines Landhauses eine solche Schule für die HJ und im darauffolgenden Jahr für den BDM in Potsdam eröffnet. Die Aufnahme in das höhere Führerkorps war bis zur Eröffnung der Akademie für Jugendführung vom erfolgreichen Besuch dieser Reichsführerschulen abhängig. Nach erfolgreicher Teilnahme wurde den Absolventen das Reichsführerschulabzeichen verliehen.

Beim Stabsführer der HJ, ab Mai 1934 Hartmann Lauterbacher, befand sich die Zentralstelle für das Arbeitsgebiet der Führerschulen. Dort wurden zusammen mit anderen relevanten Ämtern der RJF die Lehrpläne festgelegt, Art und Anzahl der Lehrgänge bestimmt, die Auswahl und Ausbildung der Lehrkräfte überwacht und die gesamte Führerschularbeit evaluiert. Die Lehrpläne der Führerschulen waren gemäß den nationalsozialistischen Erziehungsgrundsätzen konzipiert. Hiernach hatte die körperliche Ausbildung den Vorrang vor der Förderung der geistlichen Fähigkeiten und hierbei war wiederum die Stufenfolge die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung der Willens- und Entschlusskraft, dann die Erziehung zur Verantwortungsfreudigkeit und zuletzt erst die wissenschaftliche Schulung einzuhalten. Entscheidend für die Beurteilung der Führer und ihre Qualifikation waren natürlich eine feste nationalsozialistischer Weltanschauung, aber vor allem auch Kameradschaftlichkeit, wobei aber auch ein entsprechendes Wissen und Können zu einem geeigneten Führer dazugehörte.

Die Führerschulen sollten Stätten intensiver Arbeit sein, zum einen um den Führernachwuchs heranzubilden, zum anderen um den aktiven Führer neue Kenntnisse zu vermitteln. Allerdings war dies in der Anfangszeit nicht den Vorstellungen der RJF entsprechend realisierbar – von Schirach strebte eine Form von vierteljährlichen Langlehrgängen an - da ja durch das rasche Wachstum der HJ ein enormer Nachholbedarf an Jugendführern beglichen werden musste. Notgedrungen musste daher vieles noch im Bereich der Improvisation durchgeführt werden.

Was mit der Gleichschaltung der Jugendverbände begonnen hatte, wurde nun auch mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Hitlerjugend vom 1. Dezember 1936 juristisch nachgeholt. Damit wurde die HJ auch per Gesetz die einzige Erziehungsanstalt neben Schule und Familie und Baldur von Schirach erklärte den „Kampf um die Einigung der Deutschen Jugend“[12] für beendet. Umso notwendiger wurde es allerdings, die Führerschulung und -erziehung zu intensivieren. Neben die bisherigen Formen der Führerausbildung traten ab 1936 zusätzliche Einrichtungen:

- Erstmalig im Winterhalbjahr 1937/38 sollte im Führungsschulwerk die weltanschauliche Schulung in Arbeitsgemeinschaften für alle Ränge und Altersgruppen intensiviert werden, da die bisherige Schulung in diesem Bereich durch schriftliche Schulungsmaterialien, Wochenendkursen und Führerschulen als unzureichend erachtet wurde.

[...]


[1] Angabe bezieht sich nur auf die Hitlerjugend (HJ) ohne die Nebengliederungen Deutsches Jungvolk (DJ), Bund Deutscher Mädel (BDM) und Jungmädel (JM). Vgl. Schultz 1978, S. 9.

[2] Ebd., S. 226.

[3] Vgl. ebd.

[4] Bund Deutscher Mädel.

[5] Vgl. Schultz 1978, S. 176 ff.

[6] Nach: Braunschweiger Tageszeitung vom 24. Januar 1936, Nr. 20, S. 1 f. In: Schultz 1978, S. 231 f.

[7] Im Folgenden einschließlich der Gliederungen Deutsches Jungvolk (DJ), Bund Deutscher Mädel (BDM) und Jungmädel (JM).

[8] Alle Ausführungen beziehen sich auf Bültemann 1984, S. 23 ff.

[9] Alle Ausführungen beziehen sich auf Schultz 1978, S. 13 ff.

[10] Bannführer (HJ), Jungbannführer (DJ), Untergauführerinnen (BDM).

[11] Führer vom Bannführer an aufwärts.

[12] Vgl. Schultz 1978, S. 19.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Akademie für Jugendführung und die Stadt Braunschweig
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Nationalsozialistische Herrschaft in Südostniedersachsen. BS-Wob-SZ
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
28
Katalognummer
V131668
ISBN (eBook)
9783640375325
ISBN (Buch)
9783640375141
Dateigröße
846 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Akademie, Jugendführung, Stadt, Braunschweig
Arbeit zitieren
Annika Singelmann (Autor:in), 2008, Die Akademie für Jugendführung und die Stadt Braunschweig, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131668

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