Höreraktivität und Rückmeldeverhalten


Hausarbeit, 2008

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Höreraktivität und Rückmeldeverhalten
1. Die Rolle des Hörers
2. Hörverstehensakttheorie und Rückmeldungsakte nach Henne/ Rehbock
3. Rückmeldeverhalten
3.1 Typen/ Arten von Rückmeldeverhalten
3.2 Funktionen

Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Es fällt auf, daß [sic!] von den ältesten bis zu den neuesten Theorien das Hören unter einer Mißachtung [sic!] leidet, die aus einer vielfältigen Mißbestimmung [sic!] oder Unterbestimmung erwächst.“ (Waldenfels 1994, zitiert nach Schmitz 1998: 57)

Waldenfels formuliert hier mit seiner These eine scharfe Kritik. Ist sie aber auch auf die gesprächsanalytischen Theorien und Forschungsergebnisse anzuwenden? Diese kurze Ausarbeitung soll den Blick auf die Rolle des Hörers, die Höreraktivitäten und damit auf das spezifische Rückmeldeverhalten lenken und der Frage nachgehen, inwieweit der Hörer und seine Aktivitäten in der linguistischen Gesprächsanalyse Berücksichtigung gefunden haben.

Höreraktivität und Rückmeldeverhalten

Tatsächlich wurden die Aktivitäten des Hörers in den Anfängen der Sprachwissenschaft nur unzureichend berücksichtigt. Sie waren lange Zeit hinter den Aktivitäten des Sprechers in den Hintergrund getreten. Zwar hatte Bühler bereits 1927 die aktive Beteiligung des Hörers am Gespräch erkannt und von „gegenseitiger Steuerung“ von Sender und Empfänger innerhalb eines „Gemeinschaftaktes“ gesprochen, aber eine weiterführende Differenzierung der Hörerrolle oder die Untersuchung und Beschreibung der Höreraktivitäten nicht vorgenommen. Erst durch die Arbeiten der amerikanischen Interaktionsforschung, zuerst 1952 durch C. C. Fries und 1970 durch Yngve, fanden diese Aktivitäten unter dem Begriff „back-channel-behavior“ oder übersetzt als „Rückmeldeverhalten“ Eingang in die wissenschaftliche Diskussion und die Linguistik. Erst dieser Anstoß führte dazu, dass die Höreraktivitäten zu einer gesprächsanalytischen Kategorie erhoben und die Rolle des Hörers neu bestimmt werden konnte (vgl. Henne 1979: 122 f.). Weitere wichtige Beiträge lieferten u.a. Duncan, Henne/ Rehbock, Rath, Willkop, Bublitz und Schwitalla (vgl. Stein 2003: 389 f.). Drei Grundpositionen der Forschung lassen sich thesenartig für Höreraktivitäten formulieren[1]:

a.) Höreraktivitäten sind aktive Formen der Beteiligung an einem Gespräch. Sie erfolgen parallel zum Gesprächsbeitrag des Sprechers bzw. „out of turn“ (Terminus von Yngve 1970). Handlungssemantisch werden sie als „Rückmeldungsakte“ gewertet (vgl. Henne/ Rehbock 2001: 41).
b.) Höreraktivitäten streben nicht nach einer Veränderung der Rollenverteilung im Gespräch. Sie stellen kooperative Formen der Gesprächsorganisation dar. Einzige Ausnah-me bilden die Gesprächsschrittbeanspruchungen, die aufgrund des ausbleibenden Sprecherwechsels zu den Höreraktivitäten gezählt werden.
c.) Höreraktivitäten haben eine kooperative und gesprächskonstitutive Funktion. Sie sind ein wichtiges Mittel der Gesprächssteuerung und -stabilisierung. Der Sprecher wird in seiner Rolle unterstützt und die Partnerbeziehung reguliert (vgl. Stein 2003: 389).

Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Höreraktivitäten und deren Funktionen in allen Facetten erforscht und geklärt wären. In einigen Punkten, die im Folgenden noch aufzuzeigen seien, herrscht noch kein einheitlicher Konsens.

1. Die Rolle des Hörers

Henne macht darauf aufmerksam, dass bereits Harvey Sacks 1972 die Regel, es gebe immer nur einen Sprecher während eines Gesprächsturns, dahingehend korrigierte, dass es auch nicht-krisenhafte Gesprächsteile gibt, in denen simultan gesprochen wird. Abzugrenzen seien sie von den simultanen Gesprächsschritten, bei denen der Gesprächsschritt von beiden Gesprächsteilnehmern gleichzeitig beansprucht wird. Diese Rückmeldungen seien deshalb so einzustufen und als solche zu bezeichnen, da sie sich auf Beiträge des Gesprächsschrittinhabers beziehen und nicht den Gesprächsschritt beanspruchen würden (vgl. Henne 1979: 123). Damit wird der Hörer aber selbst vorübergehend zum Sprecher und der Sprecher gleichsam zum Hörer dieser Rückmeldungen und ein Feld komplexer Wechselwirkungsmöglichkeiten ist damit aufgetan. Aufgabe des Sprechers ist es, das Gespräch aktiv durch sprachliche Aktionen zu führen. Aufgabe des Hörers ist es, die Führung des Gesprächs durch Rückmeldungen oder Reaktionen zu begleiten und damit zu kontrollieren (vgl. Henne 1979: 124).

„Erst das Zusammenspiel von sprachlicher Handlung (als sprachlicher Aktion) und sprachlicher und/oder [sic!] nichtsprachlicher Begleit-Handlung (als Re-Aktion) garantieren das, was Bühler ‚gegenseitige Steuerung‘ und ‚Gemeinschaftsakt‘ der Zeichengeber und Zeichenempfänger nennt.“ (Henne 1979: 124)

Die Ursache für eine Wirkung, die sich als Hörerrückmeldung manifestiert, ist nicht gleich die Äußerung eines Sprechers. Die Ursache ist vielmehr bereits selbst in Form und Inhalt Produkt komplexer Wechselwirkungen zwischen Sprecher und Hörer. Die Gesprächsteilnehmer stehen also beiderseits sprechend und hörend in einem ständigen Wechselwirkungsprozess, in dem die aneinander gerichteten Mitteilungen erst entstehen (vgl. Schmitz 1998: 67). Damit ist aber ein komplexer Sachverhalt nur kurz angerissen. Nicht in Betracht gezogen sind z.B. die visuellen Signale und Wahrnehmungen, die die Gesprächspartner senden sowie empfangen bzw. interpretieren und beeinflussen. Ist damit eine begriffliche Trennung zwischen „Sprecher“ und „Hörer“ überhaupt sinnvoll? Henne spricht diese Problematik an, erachtet seinen eigenen Vorschlag der Bezeichnungen „Turn-Inhaber“ und „Turn-Nichtinhaber“ aber für zu umständlich und belässt es bei den eingeführten Bezeichnungen unter dem Verweis, dass sowohl Sprachliches als auch Nicht-Sprachliches mit Hörerrückmeldungen gemeint sein kann (vgl. Henne 1979: 122). Schmitz aber plädiert nach eingehender Argumentation für die Bezeichnungen „Sprecher/Hörer“ und „Hörer/Sprecher“ (vgl. Schmitz 1998: 66). Doch damit wird der Aspekt (den Schmitz gleichwohl anspricht) nicht berücksichtigt, dass es neben den Zuständen der (aktiven) Interaktion auch einen Zustand der Nicht-Interaktion geben kann - einen Anwesenden, der nicht zuhört (vgl. Henne/ Rehbock 2004: 193 f.). Daher differenziert Henne die Hörerrolle dahingehend, dass er von dem aktiven Hörer auch noch nicht-interaktive Hörer scheidet: den passiven und den simulierenden Hörer. Den passiven Hörer charakterisiert er als jemanden, der nicht zuhört und auch keine Rückmeldungen gibt und der simulierende Hörer täuscht mittels Rückmeldungen ein Zuhören nur vor. Bei diesen Formen der Nicht-Interaktion ist das Gespräch (besonders bei einem Zweiergespräch) immer in Gefahr zu versanden oder erst gar nicht zustande zu kommen (vgl. Henne 1979: 124). Erst durch die Berücksichtigung eines nicht-interaktiven Zustands wird auch das Hören als aktiver Vorgang erkennbar (vgl. Henne/ Rehbock 2004: 194). Bei dieser Differenzierung der Hörerrolle erscheint mir aber auch ein Verweis darauf sinnvoll, dass es auch im aktiven Zustand Unterscheidungen dahingehend geben kann, ob ein Hörer nur aktiv zuhört oder ob er auch Rückmeldungen vornimmt. Henne hat diesen Aspekt insofern angesprochen, dass er bei Gesprächen mit mehr als einem Gesprächspartner nochmals einen Adressaten (einen vom Sprecher angesprochenen oder non-verbal ausgewählten Hörer) vom Hörer scheidet, der dadurch zu einem Rückmeldeverhalten verpflichtet ist (vgl. Henne 1979: 125). Damit wird auch die Möglichkeit einer Nicht-Rückmeldung bei einem aktiven (Zu-)Hörer impliziert. Doch auch durch dieses ausdrückliche Herausstellen dieser Möglichkeit, ähnlich wie bei dem Zustand der Nicht-Interaktion, kann deutlich gemacht werden, wie wichtig Rückmeldungen für das Gespräch, dessen Verlauf und Ergebnis sein können. Wie jeder aus eigener Erfahrung sagen kann, sind Sprecher nicht nur auf Hörerrückmeldungen angewiesen, sie orientieren sich auch stark daran und strukturieren und ändern dementsprechend ihren Beitrag. Noch einen Schritt weiter geht Bublitz: Er nimmt eine Differenzierung vor, die nicht das beobachtbare sprachliche und non-verbale Verhalten des Hörers zur Grundlage hat, sondern sich auf Aktivitäten hinsichtlich der Themenbearbeitung und/ oder der Themenorganisation bezieht, deren Realisierung Hörer in unterschiedlicher Intensität vollziehen können. Für das Gruppengespräch unterscheidet er drei Beteiligungsrollen: den „primary speaker“, den „secondary speaker“ und den (eigentlichen) „hearer“. Hierbei wird zum einen der Anteil an themenbezogenen Aktivitäten berücksichtigt und zum anderen beim „hearer“ und „secondary speaker“ dahingehend differenziert, ob sich die Rezeptionstätigkeit auf einfaches Rückmeldeverhalten bezieht (Aufmerksamkeit und Verstehen) oder ob auch Einstellungsbekundungen geäußert werden (vgl. Stein 2003: 393). Hiermit könnte nun auch der aktive Hörer nach der Art seines Rückmeldeverhaltens unterschieden werden.

[...]


[1] Diese Positionen beziehen sich auf eine kooperative Hörerbeteiligung durch einfaches Rückmeldeverhalten.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Höreraktivität und Rückmeldeverhalten
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Kontrastive Gesprächsanalyse
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V131659
ISBN (eBook)
9783640414895
ISBN (Buch)
9783640413492
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Höreraktivität, Rückmeldeverhalten
Arbeit zitieren
Annika Singelmann (Autor:in), 2008, Höreraktivität und Rückmeldeverhalten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131659

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