Betrachtungen zu Stephen Hawkings 'Eine kurze Geschichte der Zeit'


Seminararbeit, 2000

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Die Kosmologie und Stephen Hawking

3) Hawkings Leben und der Weg zu seiner Weltvorstellung.

4) Inhaltliche und formale Aspekte von Hawkings Buch
4.1) Zum sachlichen Inhalt
4.2) Formale und persönliche Darstellungsformen
4.3) 'Ich, Stephen Hawking - und die Anderen'

5) Das achte Kapitel: Ursprung und Schicksal des Universums

6) Hawkings 'Zeitpfeile' und seine Schlussfolgerungen

7) Schlussbemerkungen

8) Anmerkungen und Zitatverweise.

9) Verwendete Literatur

1) Einleitung

Diese Arbeit entstand im Rahmen des Seminars 'Weltentstehungstheorien -

Von der Theogonie zum Big Bang' im Sommersemester 2000 an der TU Berlin. Sie hat den Bestseller von Stephen Hawking zum Thema, mit welchem dieser die (zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts) neuesten Erkenntnisse und For-schungsrichtungen zur Kosmologie einer breiten Öffentlichkeit nahe bringen wollte. Die enge Verzahnung des Buches und seiner Thesen mit der Persön-lichkeit des Autors sowie dessen Ideenwelt, die weit vor das moderne, mathematische Naturverständnis zurückreichen, bedingen auch den Aufbau der folgenden Ausführungen:

Sie beginnen mit dem Versuch, Hawkings Rolle im Wechselspiel zwischen Wissenschaft und Metaphysik zu skizzieren. Danach folgt ein Abriss seiner persönlichen und wissenschaftlichen Biographie. Im vierten Abschnitt kommen anhand von exemplarischen Beispielen formale und inhaltliche Aspekte des Buches zur Sprache. Hier ist zu zeigen, dass es, außer der Tatsache ein populärwissenschaftliches Geschichtsbuch zu sein, auch zur Selbstdarstellung des Autors dient und gleichsam ein Rechtfertigungsmittel für dessen Vorstellungen und eine Art Glaubensbekenntnis darstellt.

Der fünfte Abschnitt referiert den zentralen Teil von Hawking Werk, die seinerzeit aktuellste populäre Darstellung vom Ursprung und Schicksal des Universums. An der Erarbeitung der Grundlagen hierzu hatte er selber einen wesentlichen Anteil. Auch hier ist eine bemerkenswerte Ambivalenz zwischen rational-mathematischer Arbeitsweise und metaphysischen Wunschvorstel-lungen nicht zu übersehen. In den Schlusskapiteln münden die Erörterungen zu diesen physikalischen und kosmologischen Entdeckungen und Erkenntnisse (fast?) schon wieder in kosmogonische Sichtweisen ein, und es erhebt sich die Frage, ob die Grundgedanken der modernen Wissenschaft sich wirklich von Sichtweisen und Vorstellungen unterscheiden, die zweieinhalb Jahrtausende in die Kulturgeschichte zurückreichen.

Da Hawkings Buch die wesentliche Grundlage dieser Arbeit darstellt, wird aus Vereinfachungsgründen auf ausführliche Zitatverweise diesbezüglich verzichtet. Nur wo es besonders angebracht erscheint, ist im Anschluss daran in Klam-mern die jeweilige Seite angegeben. Im dritten Abschnitt zu Hawkings Biographie wird bezüglich des Buches: 'Stephen Hawkings Welt, Ein Wissenschaftler und sein Werk' die gleiche Vorgehensweise angewandt. Bei darüber hinaus verwendeter Literatur wird gemäß wissenschaftlicher Übung zitiert.

2) Die Kosmologie und Stephen Hawking

Das erwähnte Seminar schlägt einen Bogen von den frühen Versuchen, die Entstehung der Welt sowohl mythisch als auch 'wissenschaftlich' zu erklären, bis hin zu den Varianten, welche die aktuellen Erkenntnisse von Mathematik und Physik als Kronzeugen anrufen. Die hierbei betrachteten Anfänge, einschließlich der Bibel und Hesiods Theogonie, können klar als mythisch angesehen werden. Sie waren ein Versuch, dass Unfassbare zu erklären, ohne es mit der beobachtbaren Natur wirklich in Einklang zu bringen und nachvollziehbar machen zu können. Trotz eines großen Absolutheitsanspruchs haftet diesen Erklärungsmodellen immer etwas 'Gerüchthaftes' an. Und ohne direktes göttliches Eingreifen ist die Welt nicht denkbar.

Ab der klassischen Zeit Griechenlands werden die Erklärungsmodelle ratio-naler, und es entstehen mehr 'philosophische Kosmologien'. Im Versuch von Gottesbeweisen durch die Scholastik hatte diese Sichtweise Auswirkungen bis in das christlich geprägte europäische Mittelalter hinein. Die stärkere Betonung einer im Prinzip 'gottlosen' Betrachtungsweise der Welt begann dann mit der Aufklärung. Gottlos ist hier nicht als eine Leugnung Gottes im Zusammenhang mit der Schöpfung zu verstehen, sondern als Versuch den Ablauf nach der Schöpfung ohne direktes Eingreifen einer göttlichen Macht zu erklären. Gott ist nach wie vor als eine Art mythischer Überbau präsent, nach dessen Willen dies alles geschieht. Primärer Betrachtungsgegenstand wird aber jetzt das Erschaffene selbst und die ihm innewohnenden Gesetze. Es beginnt in gewissem Maße eine Trennung von Schöpfer und dem von ihm Geschaffenen.

Im neunzehnten und bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein werden dann die Vorstellungen und Darstellungsformen rein mechanistisch und rational und schließen damit nicht nur an Newton, sondern auch an verschiedene klassische Ideen an. So hat Hermann Bondi 1952, noch ganz der Rationalität verpflichtet, nur naturwissenschaftliche Weltmodelle vorgestellt und diskutiert. [1] Andere populäre Darstellungen der Astronomie haben im letzten Jahrhundert das Thema Religion lediglich zur geschichtlichen Illustration verwendet oder es als Mittel benutzt, auf offene Fragen der Kosmologie hinzuweisen. [2]

Unter dem Einfluss der Quantenmechanik werden die Vorstellungen wieder etwas verschwommener. Genaues kann auch die moderne Wissenschaft zur Entstehung der Welt nicht sagen. So gesteht Steven Weinberg 1977 zu, dass auch andere Weltvorstellungen zu respektieren sind als diejenigen, welche die Physik anbietet. [3] Harald Fritzsch widmet der Problematik Kosmologie und Religion 1983 gar ein ganzes Kapitel. [4]

Hawking nun geht in seinem Buch, mit dessen Abfassung er 1982 begann, weit darüber hinaus. So kann Carl Sagan in seiner Einleitung zu Hawkings Buch schreiben: "<Eine kurze Geschichte der Zeit> ist auch ein Buch über Gott...oder vielleicht über die Nichtexistenz Gottes. Das Wort Gott ist auf diesen Seiten überall präsent" (S. 11 f.). Ist Hawking nun Theologe oder Physiker ? Rudolf Kippenhahn beantwortet diese Frage so: "Stephen Hawking ist einer der ein-fallsreichsten Forscher unserer Zeit auf dem Gebiet der Gravitationstheorie". [5] Das sind klare Worte. Trotzdem begleitet uns im Hintergrund Gott das ganze Buch hindurch, und je mehr uns Hawking an die Grenzen der neuesten Forschungsansätze führt, desto häufiger wird Gott (zumindest als fragende Hypothese) mit einbezogen.

"Hawking versucht, wie er ausdrücklich feststellt, <Gottes Plan> zu verstehen"; aber: "...um so überraschender ist das -zumindest vorläufige- Ergebnis dieses Versuchs: ein Universum, das keine Grenze im Raum hat, weder einen Anfang noch ein Ende in der Zeit und nichts, was einem Schöpfer zu tun bliebe" kommentiert Sagan diesen Widerspruch (S. 12). Es drängt sich der Eindruck auf, dass Hawking will, dass es einen Schöpfer und dessen Plan gibt ! Er will ein Zeichen, dass diese Welt nicht so sinnlos ist, wie die Folgerungen auch seiner Forschungen es ergeben.

Nun ist sein Weltbild, sowie das gesamte wissenschaftliches Wirken und Werk Hawkings ohne sein persönliches Schicksal nicht zu verstehen. Da dieses einen Schlüssel für die scheinbare Widersprüchlichkeit von vordergründiger mathematischer Exaktheit und hintergründiger theologischer Wunsch-vorstellung liefern kann, ist zuerst eine Übersicht zu seinem Leben angezeigt.

3) Hawkings Leben und der Weg zu seiner Weltvorstellung

Am 8.1.1942 wurde Stephen Hawking als erstes Kind von Frank und Isobel Hawking in Oxford geboren. Dies geschah laut seiner eigenen Aussage genau 300 Jahre noch dem Tode Galileis. In der Schule soll er nur mittelmäßig gewesen sein (S. 16 ff). Da sein Vater Medizin studiert hatte, sollte der Sohn ebenfalls Mediziner werden. Dieses Fach aber war Stephen zu "deskriptiv und nicht grundsätzlich genug" (S. 47). Mathematik und Physik übten einen größeren Reiz auf ihn aus. So studierte er im University College in Oxford Physik, wobei er aber nach eigenen Aussagen nicht sehr fleißig war. Im Jahresdurchschnitt beschäftigte er sich damit eine Stunde am Tag. (S. 47).

Trotzdem ging er im Alter von siebzehn Jahren, ein Jahr früher als üblich, auf die Universität. Wie intelligent er wirklich war, merkten seine Kommilitonen erst im zweiten Studienjahr. Derek Powney schildert hierzu folgende Episode: Für eine Physikübung waren dreizehn Aufgaben aus einer Abschlussprüfung zu lösen. Kaum einer schaffte mehr als ein oder zwei Aufgaben bis zum vorgegeben Termin. Stephen, der sich erst am Morgen desselben Tages damit befasst hatte, erschien mit der Bemerkung zum Unterricht, dass er nur zehn Aufgaben lösen konnte. Für den Rest habe die Zeit nicht gereicht. "Da merkten wir, dass er von einem anderen Stern war" (S. 48 f.). Auch soll Hawking damals viel lieber über Fehler in den Physikbüchern als über den Lehrstoff mit den Professoren diskutiert haben (S. 51). Ebenso kennzeichnend für ihn ist eine Episode aus der Abschlussprüfung an der Oxforder Universität. Vor dem mündlichen Teil stand er zwischen eins und zwei. Die Prüfer, die seine grundlegende Liebe zur Kritik wohl nicht teilten, stellte er vor die Wahl: wenn er eine eins bekommt geht er nach Cambridge, bei einer zwei bleibt er in Oxford. Er bekam eine eins ! (S. 61).

Ab dem drittem Studienjahr begann sich sein privates Leben dramatisch zu verändern. Zuerst er konnte seine Hände nicht mehr richtig gebrauchen. Eine neu-urologische Untersuchung führte zu keinen Befund (S. 63). Erst eine genauere Untersuchung, die kurz nach seinem einundzwanzigsten Geburtstag durchgeführt wurde, erbrachte als Diagnose amythrophe Lateralsklerose (ALS), eine unheilbare Muskelkrankheit. Die Ärzte gaben ihm noch maximal drei Jahre Lebenserwartung (S. 65). Da begriff er, welchen Wert das Leben hat und was es für ihn noch alles zu tun gab (S. 69). Weil er trotz dieser schweren Beeinträchtigung weiterarbeiten und auch heiraten wollte, suchte er eine feste Anstellung an der Universität in Cambridge (S. 70 f.). Dazu benötigte er die Promotion. Er wählte sich für diese Aufgabe Dennis Sciama, wie Fred Hoyle ein Vertreter der 'Steady-State-Theorie', als Doktorvater. Hawking wandte sich nun verstärkt der Kosmologie zu, weil sie, anders als die Teilchenphysik, seiner Meinung nach über eine feststehende Theorie verfügte (S. 75 f.).

In diese Zeit, Mitte der sechziger Jahre, fielen wichtige Entdeckungen in der Astrophysik, an denen auch Hawking beteiligt war. Unter anderem die Erkenntnis, dass Pulsare rotierende Neutronensterne sind. Damit tauchte auch die Frage nach der realen Existenz von Schwarzen Löchern auf (S. 92 ff.). In diesem Zusammen-bang entwickelte Hawking mit Roger Penrose 1965-1970 die mathematischen Verfahren zur Urknalltheorie, zur Berechnung der Singularität (S. 100 f.). In den Jahren 1973-1974 wandte er sich außerdem Problemen zu wie:

- Vergrößert oder verkleinert sich der Ereignishorizont an Schwarzen Löchern?
- Können Elementarteilchen gemäß den Gesetzen der Quantenmechanik durch

diesen Ereignishorizont hindurchsickern ?

- Ist ein Schwarzes Loch schwarz oder strahlt es ?

Die Beantwortung dieser Fragen durch seine Forschungsergebnisse führte zur Formulierung der sog. 'Hawking-Strahlung' und dem überraschenden Ergebnis, dass der Gravitationskollaps eines Schwarzen Loches nicht endgültig ist. Dies bedeutete aber, dass die Gesetze der Relativitätstheorie bei den Schwarzen Löchern ungültig wurden. Die Quantenmechanik trat noch stärker in den Vordergrund. (S. 115 ff.). Nach Greensteins Aussage war es Hawkings Verdienst, dass er verstand, die Theorie der Schwarzen Löcher mit der Quantenmechanik besonders des Vakuums zu verbinden und damit revolutionäre Ergebnisse zu erzielen. [7]

Im Zusammenhang mit diesen Forschungserfolgen äußerte Hawkings Mutter zu dieser Zeit, dass er ohne seine Krankheit nicht das geworden wäre, was er nun war. Mitte der siebziger Jahre war diese so weit fortgeschritten, dass Stephen Hawking nicht einmal mehr gehen konnte, sondern an den Rollstuhl gefesselt war. Darüber hinaus unterlag er einer religiösen Beeinflussung durch seinen Doktoranden Kip Thorne (S. 131 ff.). (Ob es damit zusammenhängt, dass er 1975 eine Medaille vom Vatikan erhielt ?) 1979 wurde er auf den 'Lukasischen Lehrstuhl' für Mathematik der Universität Cambridge berufen, eine Position die zuerst Newton innehatte (S. 171 f.).

Ab den achtziger Jahren änderte sich dann sein Forschungsstil. Statt wie bis-her auf Exaktheit in der Vorgehensweise Wert zu legen, wollte er nun Sicherheit bei seinen Ergebnissen erreichen. Sein Ziel war jetzt, das Wesen des Universums zu verstehen. Seine Ansätzen und Aussagen wurden spekulativer (S. 139 f.).

1982-1984 beschäftigte er sich mit der Weiterentwicklung der sog. Quantenkosmologie, d.h. er schuf ein Modell eines 'Ohne-Grenzen-Weltalls', das mittels der Quantentheorie der Gravitation zu berechnen ist. Im Gegensatz zur Allgemeinen Relativitätstheorie behalten in diesem Modell die Naturgesetze immer ihre Gültig-weit, auch in der Singularität eines Schwarzen Loches und im Urknall (S. 141 f.). Daraus folgerte er ein vereinfachtes Modell des Kosmos:

- Es gibt einen Urknall in der klassischen Allgemeinen Relativitätstheorie und
- Es gibt keinen Urknall im quantenmechanischen Ansatz (S. 144).

Aus der zweiten Version folgt aber: Das All konnte gar nicht entstehen; nicht ein-mall aus dem Nichts, weil es nicht einmal das Nichts gibt. Es stellt - letzten Endes - nur eine Wellenfunktion dar, weil diese eine in sich schlüssige mathematische Struktur besitzt. Aufgrund der von ihm postulierten 'imaginären Zeit' (auf die später noch näher eingegangen wird) kann das All für sich selbst existieren, ohne von Gott geschaffen worden zu sein. Darüber hinaus machte er sich zusammen mit Roger Penrose auch Gedanken über den Zweck des Universums (S. 148 ff.).

[...]


[1] vgl. Bondi, Cosmology, S. 9

[2] vgl. u.a. Lause, Bis zum Ende des Weltalls, S. 107 ff.; Hermann, Astronomie,

[S]. 13; Littrow/Stumpff, Die Wunder des Himmels, S. 670 ff.

[3] vgl. Weinberg, Die ersten drei Minuten, S. 13

[4] vgl. Fritzsch, Vom Urknall zum Zerfall, S. 325 ff.

[5] vgl. Kippenhahn, Licht vom Rande der Welt, S. 320

[6] Die Seitenangaben in diesem Kapitel beziehen sich sämtlich auf: Hawking, Stephen W.: "Stephen Hawkings Welt, Ein Wissenschaftler und sein Werk"

[7] vgl. Greenstein, Der gefrorene Stern, S. 321

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Betrachtungen zu Stephen Hawkings 'Eine kurze Geschichte der Zeit'
Hochschule
Technische Universität Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
22
Katalognummer
V131340
ISBN (eBook)
9783640365524
ISBN (Buch)
9783640365715
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betrachtungen, Stephen, Hawkings, Eine, Geschichte, Zeit
Arbeit zitieren
Siegfried Exler (Autor:in), 2000, Betrachtungen zu Stephen Hawkings 'Eine kurze Geschichte der Zeit', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131340

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