Work Life Balance unter dem Aspekt instabiler Beschäftigungen


Hausarbeit, 2007

27 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Zielsetzung

2 Arbeitsgesellschaft im Wandel
2.1Ein Überblick
2.2Subjektivierung in der Arbeitswelt
2.3Flexibilisierung in der Arbeitswelt
2.4Bedeutung der Erwerbsarbeit

3 Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse
3.1Normalarbeitsverhältnis
3.2Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse
3.3Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse?
3.4Was ist „gute Arbeit“ aus Sicht von Erwerbstätigen?
3.5Work Life Balance trotz instabiler Beschäftigungen?
3.6Abgrenzung

4 Herausforderung durch instabile Beschäftigung
4.1Allgemeines
4.2Theoretische Betrachtung im Überblick
4.3Mögliche Flexibilisierungsbelastungen
4.3.1 Übersicht
4.3.2 Integration / Desintegration
4.3.3 Lebensplanung
4.3.4 Identität- und Anerkennungsproblematik
4.3.5 Gesundheit
4.4Förderung personaler Ressourcen
4.5Stellungnahme

5 Zusammenfassung

6 Literaturverzeichnis

1 Zielsetzung

Im Zuge des Strukturwandels der Arbeitsgesellschaft, der auch unter Stichworten wie Entgrenzung, Vermarktlichung und Subjektivierung diskutiert wird (vgl. z.B. Voß, 1998; Kratzer & Sauer, 2005), zeichnen sich Veränderungstendenzen ab, die die Arbeits- und Lebenswelt des Einzelnen stark beeinflussen. Mit der Zunahme instabiler Beschäftigungsverhältnisse und einer zeitlichen und räumlichen Flexibilisierung von Arbeit werden sich die steuernden und regelnden Funktionen von Institutionen, Traditionen, Zugehörigkeiten in ihrer Wirkung abschwächen. Damit entstehen für den Einzelnen auf der einen Seite neue Freiheiten, Optionen und Chancen, aber auch vielfältige Risiken, Entscheidungs- und Wahlzwänge, die belastend wirken können und gewohnte soziale wie materielle Sicherheiten in Frage stellen. Für die Betroffenen wächst die Notwendigkeit, das eigene Leben bewusst und aktiv zu gestalten. Der in diesem Zusammenhang häufig gebrauchte Begriff Work Life Balance (WLB) kann dabei als Schlagwort aufgefasst werden, dessen Bedeutung und Inhalt sich in Abhängigkeit der Fragestellung unterschiedlich erschließen lässt. In dieser Arbeit wird versucht den Zugang über instabile Beschäftigungsformen und den damit einhergehenden Belastungen, Ressourcen und Puffern herzustellen. Das Zusammenspiel und die Optimierung langfristiger Balanceprozesse werden als entscheidende Einflussgröße für eine erfolgreiche Anpassung an die veränderten Arbeitswelten gesehen (vgl. Kastner, 2004a). Dabei gilt es den weiterhin hohen Stellenwert der Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft, verbunden mit der Vorstellung der Erwerbstätigen darüber was für sie „gute Arbeit“ ausmacht, mit den fortschreitenden Umbrüchen in der Entwicklung der Arbeit in Einklang zu bringen.

Im Folgenden werden die in den letzten Jahrzehnten verzeichneten Veränderungen der Arbeitswelt hin zu Subjektivierung und Flexibilisierung aufgezeigt um daran anschließend den Bereich der Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse und die damit einhergehende Diskussion um die Erosion der Normalarbeitsverhältnisse näher zu betrachten. Die damit verbundenen Herausforderungen die sich durch instabile Beschäftigungsverhältnisse für die Balanceprozesse der WLB stellen, sollen zusammenfassend aufgezeigt werden.

Auch wenn sich die aus den verschiedenen instabilen Beschäftigungsformen resultierenden Anforderungs- und Beanspruchungsprofile unterscheiden, so gibt es doch „gemeinsame“ Beanspruchungsfolgen, die sich aus der Belastungen der „Instabilität“ ergeben können. Ein Ausblick auf mögliche Potentiale, eine Balance zwischen den geänderten arbeitsweltlichen Anforderungen und den eigenen Ressourcen (wieder) herzustellen, sollen das Bild einer Work Life Balance unter dem Aspekt instabiler Beschäftigungen abrunden.

2 Arbeitsgesellschaft im Wandel

2.1 Ein Überblick

Arbeitsgesellschaft und Erwerbsarbeit befinden sich seit Beginn der 1980er Jahren in einer tief greifenden Umbruchphase (vgl. z.B. Voß, 1998; Kratzer & Sauer, 2005). Während zunächst angenommen wurde, dass der Wandel durch den Bedeutungsverlust die Arbeitsgesellschaft ausgelöst wird (vgl. Matthes, 1982), wird in neueren Diskussionen die Entwicklung von der Arbeit selbst als grundlegend für die These des Umbruchs dargestellt (vgl. Kratzer, Sauer, Hacket, Trinks & Wagner, 2003). Insbesondere drei Entwicklungen werden dabei von Kratzer et al. (2003) hervorgehoben. Zum einen sind dies Hinweise auf weitgehende Veränderungen der Unternehmensorganisation und der Organisation von Arbeit, wie z.B. neue Produktionskonzepte, Dezentralisierung und Vermarktlichung. Als weitere Entwicklung wird eine wachsende Verbreitung neuer Arbeitsformen und neuer leistungspolitischer Konzepte wie z.B. indirekte Steuerung durch Zielvereinbarungen gesehen und zum dritten die zunehmende Flexibilisierung von Arbeit.

Sauer (2003) sieht die gesellschaftliche Organisation von Arbeit vor allem gekennzeichnet von den Tendenzen Entsicherung und Flexibilisierung auf der einen und Selbstorganisation und Subjektivierung von Arbeit auf der anderen Seite. Mit diesen Veränderungen sind aber nicht nur die grundlegenden Strukturprinzipien der fordistisch-tayloristischen Regulation von Arbeit betroffen, sondern es wird dabei auch der Lebensentwurf des Einzelnen beeinflusst. Die Subjektivierung verweist auf eine Abkehr von tayloristischen Rationalisierungsprinzipien. An Stelle von Fremdorganisation und direkter Kontrolle, Standardisierung und Arbeitsteilung tritt die Selbstorganisation, die indirekte Steuerung, die Re-Integration von planenden und ausführenden Tätigkeiten. Es wird nun wieder verstärkt die Arbeitskraft als Subjekt angesprochen. Die Entsicherung kann als Bruch mit der fordistischen betrieblichen und sozialstaatlichen Regulierung beschrieben werden. Mit der Zunahme von ungesicherter Beschäftigungsverhältnisse und der Flexibilisierung von Arbeit werden Marktrisiken stärker auf die Beschäftigten verlagert.

Im Folgenden werden die Begriffe Subjektivierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt als auch die aktuelle Bedeutung der Erwerbsarbeit näher betrachtet.

2.2 Subjektivierung in der Arbeitswelt

Mit dem Begriff der Subjektivierung wird der Bedeutungszuwachs von Subjektivität und subjektiver Gestaltung der Arbeitskraft in der Arbeitswelt beschrieben. Nach Kratzer et al. (2003) sind entscheidende Indizien für einen Veränderungsprozess in Richtung einer „Subjektivierung von Arbeit“ die neuen Arbeits- und Organisationsformen, die mit Anforderungen an die Selbstorganisation und Selbstregulation der Beschäftigten einhergehen und/oder den Einsatz von Subjektivität (Emotionen, Kooperationsfähigkeit, Kreativität, etc.) erfordern. Es lassen sich dabei Verschiebungen z.B. von der Zentralisierung zur Dezentralisierung, vom Top-down-Ansatz zum Bottom-up-Ansatz in Organisationen als eine Verschiebung des Fokus von der Objektivierung betrieblicher Zusammenarbeitsprozesse hin zur Subjektivierung erkennen. Dies zeigt sich unter anderem durch den vermehrten Einsatz von Gruppen- und Projektarbeit. Daneben werden zunehmend indirekte Steuerungskonzepte wie Ergebnissteuerung und die Selbststeuerung von Individuen und Gruppen etabliert und dadurch das eigenverantwortliches Handeln der Beschäftigten gefordert. Durch diesen Zugriff auf "den ganzen Menschen" (Pongratz & Voss, 2000) wird in betriebswirtschaftlicher Absicht das subjektive Potenzial der Beschäftigten zur Produktivitätsressource des Unternehmens. Darüber hinaus sind jedoch auch gesellschaftliche und lebensweltliche Tendenzen wie Individualisierung, Pluralisierung von Lebensstilen und ein Wertewandel zu beobachten, die ebenfalls als Hinweise zur Subjektivierung von Arbeit gelten können (Kratzer et al., 2003). Die Subjektivierung von Arbeit basiert somit nicht nur auf betriebswirtschaftlichen Überlegungen, sondern kann ebenso aus persönlichen Motiven der Beschäftigten heraus resultieren. Dieser Entwicklung wurde auch mit dem „Arbeitskraftunternehmer“ als neuem Typus von Arbeitskraft Rechnung getragen (vgl. Pongratz & Voss, 2003). In diesem Zusammenhang sei allerdings auf die Anmerkung von Kratzer et al. (2003) hingewiesen, die aufgrund der wachsenden Differenzierung von Erwerbsarbeit, Lebenslagen, Lebensstilen und Lebensläufen, in generalisierenden Aussagen prinzipiell die Gefahr der unzulässigen Verallgemeinerung sehen.

2.3 Flexibilisierung in der Arbeitswelt

Die Flexibilität im Begriff flexible Arbeitsformen beziehen sich zum einen auf die Art der Beschäftigung, bzw. des Vertragsverhältnisses zur Leistungserbringung - sei es als Alleinselbständige, Freie, feste Freie, in befristeten Beschäftigungsverhältnissen, als Zeitarbeitnehmer oder in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen in Vollzeit oder Teilzeit. Sie bezieht sich zum anderen auf die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die sich dabei nach Kratzer et al. (2003) durch drei Prinzipien auszeichnet: Zum einen in der Individualisierung der Arbeitszeit, zum anderen in der Vermarktlichung des zeitlichen Arbeitseinsatzes und zum dritten in der Selbstorganisation der Arbeitszeit. Flexibilisierung von Beschäftigung und Arbeitszeit sind keine neuen Phänomene: Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass das individuelle Arbeitsvolumen zur Variable und das Subjekt zum Akteur der Organisation der Arbeitszeit wird (Kratzer et al., 2003). Es ist somit ein Wandel von der kollektiven zur individuellen und von der fremd organisierten zur selbst organisierten Arbeitszeit zu beobachten. Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht in der höheren Unmittelbarkeit von Arbeitszeitgestaltung und Markterfordernissen. Die Arbeitszeitgestaltung kann somit als Komplementärstrategie zu der Vermarktlichung der Organisation und der Übertragung von Steuerungsfunktionen auf die Beschäftigten gesehen werden. Das Arbeitsvolumen wird zum ausschlaggebenden Kriterium, die Zeit als Maßstab verliert ihre Bedeutung.

2.4 Bedeutung der Erwerbsarbeit

Unter dem Eindruck wirtschaftspolitischer Daten schien es zu Beginn der 1980er Jahre realistisch, mit einem weiteren Absinken der durchschnittlichen Erwerbsarbeitszeit zu rechnen (vgl. Offe, 1983; Matthes, 1982). Die Bamberger Thesen von einem Ende der Arbeitsgesellschaft haben sich jedoch nicht bestätigt. Bewahrheitet hat sich, dass das Modell des Normalarbeitsverhältnisses zugunsten neuer Arbeitsformen „erodiert“ ist, d.h. institutionelle und standardisierte Rahmenbedingungen von Arbeit werden mehr und mehr zur Disposition gestellt (vgl. Kratzer & Sauer, 2005). Dies hat jedoch nichts an der Bedeutung der Erwerbsarbeit geändert. Im Rahmen der Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung Deutschlands wurde festgestellt, dass Deutschland weiterhin eine Arbeitsgesellschaft bleibt und Erwerbsbeteiligung für die große Mehrheit der Bevölkerung die Aktivität ist, die ihre Lebensweise bestimmt und über ihre soziale Sicherung entscheidet (vgl. Kratzer & Sauer, 2005). Nach Sauer (2003) wird der gesellschaftliche Umbruch nicht durch das „Ende der (Erwerbs-) Arbeitsgesellschaft“ markiert, sondern es ist gerade die Entwicklung von Arbeit selbst, in der sich die Umbrüche manifestieren.

3 Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse

3.1 Normalarbeitsverhältnis

Der Begriff des Normalarbeitsverhältnisses wurde mit der einsetzenden Diskussion über Flexibilisierungs- und Deregulierungstendenzen der Arbeitswelt in den 1980ern geprägt. Nach Osterland (1990) sind „Normalarbeitsverhältnis“ und „Normalbiographien“ Begriffe, die in die sozialwissenschaftliche Diskussion Einzug gehalten haben, als der Tatbestand, den sie bezeichnen sollten, bereits wieder im Entschwinden zu sein schien. Dabei versteht man unter einem Normalarbeitsverhältnis ein außerhalb des eigenen Haushalts, unbefristetes, arbeits- und sozialrechtlich abgesichertes, unselbstständiges und auf Normalarbeitszeit basierendes Arbeitsverhältnis für einen Auftraggeber (vgl. Mückenberger 1985). Das Normalarbeitsverhältnis bietet einen Rahmen und Orientierung für individuelles sowie für institutionelles Handeln. Dies beinhaltet neben der sozialrechtlichen Absicherung, sowohl Möglichkeiten der Teilhabe an Gestaltungs- und Regelungsprozessen als auch Planbarkeit von Berufsverlauf und Lebensführung. Gerade durch die Kontinuität der Beschäftigung wird dem Einzelnen ermöglicht, seinen Lebensentwurf auf einer sozialen und materiellen abgesicherten Basis aufzubauen. Die Begriffe „instabile Beschäftigung“ oder auch „atypische Beschäftigung“ werden nun für die Erwerbsarbeitsformen verwendet, die von diesem so genannten Normalarbeitsverhältnis abweichen.

3.2 Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse

Instabile bzw. atypische Beschäftigung gewinnen zunehmend an Bedeutung. Wenn auch das Normalarbeitsverhältnis für die Mehrheit der Erwerbstätigen weiterhin die Norm darstellt, so ist doch eine deutliche Zunahme davon abweichender Beschäftigungsverhältnisse zu beobachten. Der prozentuale Anteil der nicht dem Normalarbeitsverhältnis entsprechenden Beschäftigungsverhältnisse divergiert je nach Datenquelle und liegt zwischen 30 und 40 Prozent (vgl. dazu Brinkmann, Dörre, Röbenack, Kraemer, Speidel, 2006, S. 19ff). Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen in Deutschland bestätigen diesen Trend. In den Jahren 2000 bis 2005 ist die Zahl der Erwerbstätigen im Durchschnitt mit 39 Millionen relativ konstant geblieben. Der Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von knapp 28 Millionen auf gut 26 Millionen wurde dabei von Zunahmen der Selbständigkeit und der geringfügigen Beschäftigung weitestgehend kompensiert (Bundesagentur für Arbeit, 2006). Nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes hat sich die Erwerbstätigkeit 2006 im Jahresdurchschnitt merklich erhöht, wobei der aktuelle Anstieg zum weitaus größten Teil auf Teilzeitbeschäftigung entfällt (Bundesagentur für Arbeit, 2007). Des Weiteren nahm die Selbständigkeit weiter zu, nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes jahresdurchschnittlich um 36.000 auf 4,39 Mio.. Aktuell hat sich der konjunkturelle Aufschwung auf die Beschäftigung in den Branchen unterschiedlich ausgewirkt. Vor allem die unternehmensnahen Dienstleister konnten kräftige Beschäftigungsgewinne verzeichnen, wobei der größte Teil des Zuwachses auf Arbeitnehmerüberlasser entfällt (Bundesagentur für Arbeit, 2007). Über den Einfluss der in den letzten Jahren geänderten arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf diese Entwicklung liegen keine Zahlen vor.

3.3 Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse?

Mit der Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse und dem Rückgang der Normalarbeitsverhältnisse ist die Diskussion um das Thema Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse nicht zu trennen (vgl. z.B. Brinkmann et al., 2006). Einen bedeutenden Beitrag zur Etablierung des Prekaritätsbegriffs leistete Castels Vorschlag, drei gesellschaftliche Zonen im Gefüge sozialer Ungleichheit zu unterscheiden (Castel, 2000). Instabile Beschäftigungsverhältnisse stehen in diesem Modell zwischen gesicherten Arbeitsverhältnissen auf der einen Seite und Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite. Sie markieren einen Übergangsbereich, der die klassische sozialstrukturelle Abgrenzung von Bereichen der Inklusion und Exklusion zugunsten eines fließenden Modells auflöst (vgl. Bartelheimer, 2005; Hardering, 2006).

Auch empirische Befunde aus dem ersten Bericht zur sozioökonomischen Entwicklung Deutschlands (Bartelheimer, 2007) liefern Anhaltspunkte für die Annahme, dass in der Erwerbsgesellschaft eine relativ breite Zone beruflicher und sozialer Gefährdung entsteht, die an ein fortbestehendes Segment stabiler Beschäftigung angrenzt und – bei fließenden Übergängen – nicht gleichbedeutend ist mit Langzeitarbeitslosigkeit und dauerhafter Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt. Nach Bartelheimer (2005) lässt sich die Teilhabe oder Inklusion an den Chancen oder Handlungsspielräumen messen, eine individuell gewünschte und gesellschaftlich übliche Lebensweise zu realisieren. Gefährdet oder prekär wird Teilhabe dann, wenn sich die äußeren wie verinnerlichten sozialen Anforderungen an die eigene Lebensweise und die tatsächlichen Möglichkeiten zu ihrer Realisierung auseinander entwickeln. Nach Kraemer und Speidel (2005) sind Erwerbsarbeit und die sozialen Umstände, unter denen sie verrichtet wird „… nicht allein schon deshalb als prekär zu bezeichnen, weil sie so sind wie sie sind, sondern weil sie in Relation zu anderen Beschäftigungsformen und ihren jeweiligen sozialen Umständen als prekär bewertet werden“.

3.4 Was ist „gute Arbeit“ aus Sicht von Erwerbstätigen?

Im Auftrag der „Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)“ erfolgte Ende 2004 eine umfangreiche Befragung zur aktuellen Arbeits- und Lebenssituation von abhängig und selbständig Beschäftigten, die zum Ziel hatte aufzuzeigen, wodurch gute Arbeit aus der Sicht von Erwerbstätigen charakterisiert ist, und in welchem Maße die heutige Arbeitswelt deren Vorstellung von guter Arbeit erfüllt (Fuchs, 2006). Zusammenfassend konnte dabei gezeigt werden, dass gute Arbeit aus der Sicht von Arbeitnehmern bedeutet, ein festes, verlässliches Einkommen zu erhalten, unbefristet beschäftigt zu sein, die kreativen Fähigkeiten in die Arbeit einbringen und entwickeln zu können, Sinn in der Arbeit zu erkennen, Anerkennung zu erhalten und soziale Beziehungen zu entwickeln (Fuchs, 2006, S. 178). Eine weitere wichtige Bedingung für gute Arbeit aus der Sicht von abhängig Beschäftigten ist, dass der Schutz ihrer Gesundheit gewährleistet und geachtet wird. Die herausragende Bedeutung von Einkommens- und Beschäftigungssicherheit wird auch durch ergänzende Ergebnisse der Befragung unterstrichen nachdem 72% bzw. 78% dem Statement zustimmen, dass der Einsatz von Zeitarbeit begrenzt bzw. die Befristung von Arbeitsverhältnissen grundsätzlich auf Ausnahmefälle beschränkt werden sollte. Diese Ablehnung von Leiharbeit und Befristungen wird auch von jenen Beschäftigten geteilt wird, die bislang nicht selbst mit diesen Formen unsicherer Beschäftigung konfrontiert wurden.

3.5 Work Life Balance trotz instabiler Beschäftigungen?

Der immer häufiger gebrauchte Begriff Work Life Balance (WLB) kann als Schlagwort aufgefasst werden, dessen Bedeutung und Inhalt sich in Abhängigkeit der Fragestellung unterschiedlich erschließen lässt. Der Zugang zur WLB über instabile Beschäftigungen oder Arbeitslosigkeit wird dabei bei Diskussionen von Fragen zur WLB oft vergessen (vgl. Kastner, 2004b, S. 71). Kastner (2004a) hat in seiner Definition der Work Life Balance das Bild der Wippe entwickelt, auf der die Aspekte Arbeit, Gesundheit, Privatleben und Sinn als ausgleichende Ebenen, denen sowohl Anforderungen und Belastungen auf der einen Seite als auch Ressourcen auf der anderen Seite zugeordnet werden und die in Balance zu halten sind. Um ein „Durchschlagen“ der Wippe zu verhindern sind auf beiden Seiten Puffer erforderlich, die dazu dienen die Wirkung unerwünschter Aktivitäten bzw. Energien zu mildern. Dabei ist die Balance für ihn „…nicht nur auf den Ausgleich von Arbeits- und Privatleben zu beziehen, sondern auf das Austarieren von belastenden und erholenden Aktivitäten in beiden Handlungsbereichen“ (2004a, S. 3). Diese können einander kompensieren und Gefährdungen „abpuffern“.

Arbeit als ein System „…das Menschen vergesellschaftet, indem es sie mit Einkommen und entsprechenden Konsumchancen ausstattet, aber auch indem es sie mit systematischen Aufgaben konfrontiert und ihre Kompetenz fordert, ihren Alltag regelhaft strukturiert, sie in soziale Beziehungen – Kooperation ebenso wie Konflikt und Abhängigkeit – einbindet, ihnen einen gesellschaftlichen Ort anweist und ihre Identität prägt“ (Kohli, 1990, S. 388), berührt die verschiedensten Bereiche des Lebens. Die Problemfelder, die in Zusammenhang mit instabilen Beschäftigungen auftreten und die Work Life Balance gefährden können, ergeben sich durch das Zusammenwirken der verschiedenen Aspekte, die sich gegenseitig verstärken und bedingen können. Unsichere Erwerbsbeteiligung, unterbrochene Erwerbsverläufe, Ausbreitung niedriger Erwerbseinkommen, mangelnde finanzielle Puffer, mangelnde soziale Integration, erhöhte gesundheitliche Risiken, eingeschränkte Möglichkeiten zur Weiterqualifikation sollen hier nur beispielhaft aufgeführt werden. Um ein ausgewogenes Verhältnis von belastenden und erholenden Aktivitäten in Arbeit und Privatleben sowie ein funktionales Anforderungs- und Beanspruchungsprofil am Arbeitsplatz zu gewährleisten, wird die Optimierung langfristiger Balanceprozesse als entscheidende Einflussgröße für eine erfolgreiche Anpassung an veränderte Arbeitswelten gesehen (Kastner, 2004a).

3.6 Abgrenzung

Wie schon erwähnt unterschiedlichen sich die vom Normalarbeitsverhältnis abweichenden Beschäftigungsformen hinsichtlich Anforderungs- und Beanspruchungsprofile in Abhängigkeit der Art des Beschäftigungsverhältnisses deutlich. Ein hoch qualifizierter und Alleinselbstständiger IT Fachmann ist anderen Belastungen und Anforderungen ausgesetzt und auch mit anderen Ressourcen ausgestattet (vgl. z.B. Gerlmaier, 2004), als eine weniger qualifizierte Verwaltungskraft, die in einer Zeitarbeitsfirma immer wieder wechselnden Anstellungen gegenüber steht (vgl. z.B. Wieland & Krajewski, 2002). Im Folgenden wird aufgrund des gegebenen Rahmens auf eine durchgängig differenzierte Betrachtung der einzelnen „Belastungsprofile“ der unterschiedlichen Beschäftigungsformen verzichtet. Sofern eine Differenzierung erforderlich oder hilfreich erscheint, wird dies beispielhaft anhand einer ausgewählten Beschäftigungsform erfolgen ohne den Anspruch, das Bild gesamthaft darstellen zu wollen. Darüber hinaus werden die aus den einzelnen instabilen Beschäftigungsformen resultierenden Ressourcen nicht näher betrachtet.

4 Herausforderung durch instabile Beschäftigung

4.1 Allgemeines

Die neuen Arbeitsbedingungen und -verhältnisse ziehen veränderte Belastungs- und Beanspruchungsmomente nach sich (vgl. zusammenfassend Kastner, 2004a, S. 19), deren Erforschung noch am Anfang steht (vgl. Fuchs & Conrads, 2003; Wieland & Krajewski, 2002). Einige Studien belegen bereits, dass bei instabilen Beschäftigungen eine Zunahme psychomentaler Belastungen und Beanspruchungen zu beobachten sind (vgl. z.B. Kuhnert, 2004). Diese resultieren nach Wieland & Krajewski (2002) vor allem aus raum-, zeit- und personenbezogenen Flexibilitätsanforderungen, sowie der Anforderung mit einem hohen Maß arbeitsvertraglicher Unsicherheit umzugehen. Wie auch der INQA-Studie zu entnehmen ist (siehe Kap. 3.4) hat gerade die Einkommens- und Beschäftigungssicherheit für einen Großteil der Erwerbstätigen einen herausragenden Stellenwert. Nach Kuhnert (2004, S. 149) zeigen Forschungsübersichten auch, „…dass instabile Beschäftigungsformen, die sich mit Arbeitsplatzunsicherheit und Angst vor Arbeitslosigkeit sowie niedrigem Einkommen, hohen Arbeitsbelastungen und geringem beruflichen Status verknüpfen, keinen Raum für WLB lassen“. Stehen den Betroffenen keine individuellen Bewältigungsmöglichkeiten zur Verfügung können diese Belastungen zu Stresserleben führen. Die Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Lage, die Erfahrungen von Anstrengungen ohne Gratifikation und die Nicht-Kontrollierbarkeit können dabei bei instabilen Beschäftigungen unter anderem vegetative und neuro-endokrine Stressphänomene auslösen (vgl. Kastner, 2004b, S. 72).

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Work Life Balance unter dem Aspekt instabiler Beschäftigungen
Hochschule
FernUniversität Hagen
Veranstaltung
Selbst- und Sozialkompetenz
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
27
Katalognummer
V131192
ISBN (eBook)
9783640367108
ISBN (Buch)
9783640367412
Dateigröße
640 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Work, Life, Balance, Aspekt, Beschäftigungen
Arbeit zitieren
Ella Kolb (Autor:in), 2007, Work Life Balance unter dem Aspekt instabiler Beschäftigungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131192

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