Friedrich Ludwig Jahn

Der "Turnvater" und seine Rolle in der Bildung einer deutschen Nation


Hausarbeit, 2008

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2. Friedrich Ludwig Jahn – Ein Kind seiner Zeit
2.1. Kindheit und Jugend
2.2. Studienzeit
2.3. Jahn und der Kampf für Deutschlands Freiheit
2.3.1. Der Einmarsch Napoleons in Deutschland
2.3.2 Deutschland unter Napoléon
2.3.3 Friedrich Ludwig Jahn – Der Beginn des politischen Wirkens
2.3.4. Der „Turnvater“ Jahn
2.3.5. Friedrich Ludwig Jahn – Zeit der Befreiungskriege
2.3.6. Restauration und Burschenschaftsbewegung
2.3.7. Vormärz und Deutsche Revolution

3. Nation und nationale Identität
3.1. Was ist eine Nation?
3.2. Nationale Identität

4. Schlussfolgerung und Zusammenführung der Forschungsergebnisse

5. Literatur

1 Einleitung

„Was seine Selbstständigkeit verloren hat, hat zugleich verloren das Vermögen einzugreifen in den Zeitfluss (…).“

(Johann Gottlieb Fichte, Reden an die deutsche Nation)

Über den deutschen Nationalgedanken wurde quer durch die Dekaden gern und vor allem häufig debattiert, gespickt mit politischer Polemik und Agitation. Was macht Deutschland aus? Was ist typisch deutsch? Doch keine dieser Fragen sollen in dieser Arbeit beantwortet werden. Vielmehr wird eine Zeit in der deutschen Geschichte näher beleuchtet, die geprägt war von Krieg, Besatzung und vor allem der Suche nach einer gemeinsamen deutschen Identität, abseits jedes Regionalismus, die im beginnenden 19. Jahrhundert sowohl philosophisch als auch mit Waffengewalt geführt wurde.

Es stellte sich zu Beginn dieser Arbeit wiederholt die Frage, wie man einen solchen Transformationsprozess transparent und nachvollziehbar beschreiben und bearbeiten kann, wie Theorie und Geschichte gekoppelt werden können. Die Lösung schien in einer sehr biographisch geprägten Darstellung des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts zu liegen.

In dieser Arbeit begibt sich der Leser auf eine Reise in die deutsche Geschichte und zu einer schillernden Persönlichkeit, die allzu oft politisch missbraucht und missverstanden wurde; zu einem Mann, der mit Recht als Kind seiner Zeit verstanden werden kann.

Friedrich Ludwig Jahn, der heute nur mehr als „Turnvater“ bekannt ist, verschwand in den letzten 60 Jahren fast vollständig in der historischen, politischen und auch philosophischen Bedeutungslosigkeit. Dies spiegelt sich auch in einer nur geringen Literaturauswahl wieder, die zudem größtenteils veraltet und massiv ideologisiert ist.

Im Verlaufe dieser Arbeit soll ein Netz aus Historie, Biographie und politischer Theorie die Ausgangsfrage nach der Rolle Friedrich Ludwig Jahns und des vaterländischen Turnens im Identitätsfindungsprozess Deutschlands beantworten.

Meine These lautet dabei, dass Friedrich Ludwig Jahn als Kind seiner Zeit betrachtet werden kann, welches die ohnehin schon vorhandenen Veränderungsprozesse in den deutschen Ländern maßgeblich beeinflusst hat, indem er sich stark machte für die deutsche Freiheit und Einheit, sowie für die deutsche Sprache und Kultur. Das Turnen wurde zu einer vaterländischen Kampfübung der jungen Deutschen, um die Befreiung vom französischen Joch herbeizuführen. Oder war es nichts weiter als eine Art der Freizeitgestaltung und Friedrich Ludwig Jahn schwamm nur auf der Welle der Veränderung ohne sie mit ausgelöst zu haben?

Diese Fragen gilt es auf den folgenden Seiten zu klären. Dabei sollen die historischen und biographischen Hintergründe dieser Zeit verbunden werden mit theoretischen Überlegungen zu Nation und nationaler Identität.

Zunächst jedoch ein Einblick in das Leben und Wirken Friedrich Ludwig Jahns in einer Zeit voller Umbrüche.

2. Friedrich Ludwig Jahn – Ein Kind seiner Zeit

„Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ich`s weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, dass zerrissener wäre wie die Deutschen.“

(Friedrich Hölderlin, Hyperion)

Das Deutschland, in dem Friedrich Ludwig Jahn geboren wurde, war geprägt von einer ausgeprägten Vielstaaterei und einem hervorstechenden Regionalismus. Wirtschaftlich war das Gebiet agrarisch geprägt. Die meisten Bauern waren zu Frondiensten verpflichtet. Ein unfreies Volk in einem feudalistisch geprägten „Deutschland“. Dieses Land, dieses Volk, wird in den nun folgenden Dekaden einen Umwälzungsprozess sonder gleichen erleben.

2.1. Kindheit und Jugend

Friedrich Ludwig Jahn wurde 1778 in der Nähe von Lanzen an der Elbe, als Sohn eines Pastors und einer Pastorentochter, geboren. Dort erlebte er eine unbeschwerte Kindheit im Dreiländereck von Preußen, Mecklenburg und Hannover[1].

„Ich war in drei Ländern zu Hause und hatte keinen anderen Begriff von deutschen Staaten, als sie lagen aller in einer, in Deutschlands Reichsflur.“[2]

Schon früh entwickelte sich folglich bei Jahn das Verständnis eines geeinten Landes, ohne Grenzen und Zollschranken. Später sagte er über das Deutschland seiner Kindheit, es sei „(…) nach Titeln der Herrscher gemacht.“[3], ein zusammenhangloser Flickenteppich „(…) ohne Brauchbarkeit, Haltbarkeit und Schönheit.“[4]

Antonowytsch betrachtete 1933 das Deutschland des ausgehenden 18. Jahrhunderts eher als Kulturnation. „Die Deutschen fühlten sich wie einst die Griechen berufen, die Träger der geistigen Kultur in der ganzen Welt zu werden (…).“[5] Jedoch gab es keinen Patriotismus, geschweige denn ein einendes Nationalgefühl[6].

Bei der Frage was eine Nation ausmacht, soll auf Max Weber zurückgegriffen werden. Nach Weber ist der Begriff Nation schwer definierbar, da er von verschiedenen Komponenten getragen wird[7]. An dieser Stelle sei zunächst jedoch nur darauf hingewiesen, dass nach Max Weber weder Nation und Staatsvolk noch Nation und Sprachgemeinschaft identisch sein müssen[8]. Nation wird eher durch gemeinsame ethnische Elemente, subjektiv betrachtet, nach einem gemeinsamen Nationalgefühl, gebildet[9].

Dieses Nationalgefühl gab es in der Jugend Jahns jedoch nicht, es gab Preußen, Sachsen oder Bayern, aber keine Deutschen, auch wenn die individuellen Lebenswege immer wieder in die verschiedenen deutschen Länder führten, so auch bei Friedrich Ludwig Jahn. Sein wechselhafter Lebensweg soll im Folgenden näher beleuchtet werden, um Jahns Verständnis für Staat und Nation transparenter zu gestalten.

Im Alter von 13 Jahren begann seine schulische Ausbildung am Gymnasium in Salzwedel (Altmark), welches er jedoch nicht lange besuchte.

„Häufige Balgereien mit Mitschülern, sein Hang zu Eulenspiegeleien und der Umstand, daß er mit einigen Lehrern Fehden hatte, führten dazu, daß ihm nach drei Jahren der Rat zum Abgang erteilt wurde.“[10]

Ein Rat, den er noch häufig in seinem Leben hören sollte. Der weitere Weg führte Jahn nach Berlin ins Gymnasium zum Grauen Kloster, wo er 1794 wegen herausragender Geschichtskenntnisse in der Unterprima dieser preußischen Kaderschmiede[11] aufgenommen wurde, es jedoch bald wieder verließ.

„(…) auch hier haben ihn seine Schroffheit, sein selbstherrliches Auftreten und sein Oppositionsgeist bald in ein ungünstiges Verhältnis zu seinen Lehrern und Mitschülern gebracht.“[12]

Ohne Abschied und ohne Abschluss verließ Jahn 1795 Berlin[13].

2.2. Studienzeit

„Die Hochschuljahre sind für Jahn echte Wanderjahre gewesen. Sie waren entscheidend für sein ganzes Leben. Land und Volk, seine Sagen und Märchen lernte er vorzüglich kennen.“[14]

Jahn war unter verschiedenen Namen an den Universitäten von Halle, Leipzig, Greifswald und Göttingen eingeschrieben.

Halle

Am 29. April 1796 immatrikulierte sich Friedrich Ludwig Jahn an der Alma Mater Halensis. In Halle begann er, im Sinne der Familientradition, das Studium der Theologie und unterrichtete nebenbei in der Schule der Francke`schen Stiftungen[15].

Im ausgehenden 18. Jahrhundert fanden sich Studierende in Landsmannschaften zusammen, studentische Verbindungen nach territorialer Herkunft. Diesen Verbindungen hielt sich Jahn aus verschiedenen Gründen fern, einerseits durch den Mangel an finanziellen Mitteln[16], andererseits durch seinen ausgeprägten deutschen Nationalgedanken. So trat Jahn den Unitisten, einem geheimen studentischen Orden, bei[17] und kämpfte aus voller Überzeugung und auch mit den Fäusten gegen die Landsmannschaften. Sein Ziel war die Einigung aller Studenten.[18] Er „(…), zog sich aber als „bekannter Student“ Feinde auf den Hals. Der großgewachsene Jahn ging keinem Streit aus dem Wege.“[19] In Halle wurde er schließlich von seinen Feinden verfolgt und suchte Schutz in der „Jahn-Höhle“ oberhalb der Saale.

Im Jahre 1799 veröffentlichte Jahn, allerdings unter dem Namen O.C.C. Höpfner[20], Über die Beförderung des Patriotismus im Preußischen Reiche, allen Preußen gewidmet. Dies scheint seinem deutschen Nationalgedanken zu widersprechen, doch sah Jahn ein starkes Deutschland nur unter der Führung Preußens[21]. „Jahns Meinung nach bewahrte Preußen die deutsche Volkstümlichkeit am besten und deshalb mußte ihm die Führung im künftigen Reiche notwendig zufallen.“[22] Österreich hingegen war zu sehr in die „undeutschen“ slawischen Gebiete ausgedehnt, um diese Rolle übernehmen zu können[23].

Aufgrund der heftigen Konflikte mit seinen Kommilitonen und der Universitätsleitung, verließ Jahn Halle im Jahre 1801. Es folgte ein einjähriger Aufenthalt in Frankfurt/Oder um dort die Unitistenloge neu zu begründen[24]

Leipzig

1802 immatrikulierte sich Jahn an der Universität zu Leipzig. Auch dieser Aufenthalt sollte nicht von langer Dauer sein. Jahn wurde aufgrund seiner Mitgliedschaft im Unitisten-Orden denunziert. Eine Untersuchung endete schließlich im Verbot, sich je an einer anderen deutschen Universität zu immatrikulieren[25]. „Die Furcht der Regierenden vor den geheimen Orden, denen man revolutionäre Ziele nachsagte, war groß.“[26]

Greifswald

Die Stadt an der Ostsee gehörte damals zu Schweden, was eine Immatrikulation Jahns ermöglichte, dennoch schrieb er sich unter dem Pseudonym Andreas Christlieb Maurizius Fritze ein[27]. „Unangefochten und ziemlich populär lebte der zur philosophischen Fakultät übergewechselte Kandidat zwei Semester in Greifswald.“[28]

Doch auch hier kämpfte er gegen die starken Landmannschaften, wodurch es zu einer Spaltung der deutschen Studenten in Greifswald kam. Das Aufeinandertreffen dieser Gruppen endete meist blutig[29], so dass Jahn erneut von einer Universität verwiesen wurde.

[...]


[1] Vgl. Karsten Brandt (1910), Als Deutschland erwachte – Lebens- und Zeitbilder aus den Befreiungskriegen, Band 10, Turnvater Jahn – Der Wegweiser zu Deutschlands Einheit; Gustav Schloeßmanns Verlagsbuchhandlung, Hamburg: 6

[2] Karsten Brandt (1910): 7 (aus einem Brief Friedrich Ludwig Jahns an seinen Paten Franz Ludwig Meffert in Kolberg)

[3] Friedrich Ludwig Jahn (1991), Deutsches Volkstum, Aufbau Verlag, Berlin, Weimar: 41

[4] Ebd.

[5] Michael Antonowytsch (1933), Friedrich Ludwig Jahn – Ein Beitrag zur Geschichte der Anfänge des deutschen Nationalismus, Historische Studien, Heft 230; Verlag Dr. Emil Ebering, Berlin: 8

[6] Vgl.: Ebd.

[7] Vgl.: Max Weber (1997), Schriften zur Sozialgeschichte und Politik – Die Nation, Reclam, Stuttgart: 183

[8] Vgl.: Ebd.: 184

[9] Vgl.: Ebd.: 187

[10] Günther Jahn (1992), Friedrich Ludwig Jahn – Volkserzieher und Vorkämpfer für Deutschlands Einigung, Muster-Schmidt, Göttingen, Zürich: 9

[11] Vgl.: Hans Otto Hoenig (1953), Jahn – Leben und Werk eines Patrioten, Das Neue Berlin, Berlin: 13

[12] Günther Jahn (1992): 9 f.

[13] Vgl.: Ebd.: 10

[14] Karsten Brandt (1910): 11

[15] Vgl.: Günther Jahn (1992): 10

[16] Vgl.: Ebd.

[17] Vgl.: Ebd.

[18] Vgl.: Karsten Brandt (1910): 11

[19] Günther Jahn (1992): 11

[20] vermutlich der Name eines Kommilitonen

[21] Vgl.: Karsten Brandt (1910): 23

[22] Michael Antonowytsch (1933): 39

[23] Vgl.: Ebd.:42

[24] Vgl.: Günther Jahn (1992): 13

[25] Ebd.: 14

[26] Ebd.

[27] Vgl.: Ebd.: 15

[28] Ebd.: 16

[29] Günther Jahn (1992): 17

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Friedrich Ludwig Jahn
Untertitel
Der "Turnvater" und seine Rolle in der Bildung einer deutschen Nation
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V130983
ISBN (eBook)
9783640446285
ISBN (Buch)
9783640446919
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Friedrich, Ludwig, Jahn, Turnvater, Rolle, Bildung, Nation
Arbeit zitieren
Romy Höhne (Autor:in), 2008, Friedrich Ludwig Jahn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130983

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Friedrich Ludwig Jahn



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden