Zu: Per Kirkeby - Photoromane


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

26 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Das Medium Fotografie
.1. Das individuelle fotografische Gedächtnis bei Kirkeby in der Bildauswahl I
.2. Menschenbilder
.3. Räume, Orte und Landschaften
.4. Illustrationsvorlagen, Zeichnungen und Radierungen
.5. Zusammenfassung der Fotografien in Bildauswahl I

3. Bildauswahl II
.1. Das kollektive Gedächtnis
.2. Backsteinskulpturen
.3. Der zusammengebrochene Linné
.4. Zu Kirkebys Übermalungen
.5. Filme
.6. Radierungen

4. Resümee

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als Maler, Lyriker und Bildhauer ist Per Kirkeby bekannt. Im Hintergrund liegen dagegen seine fotografischen Werke.

Per Kirkeby wurde 1938 in Kopenhagen geboren. Er ist im Bispebjerg-Viertel, einer typischen Backsteinsiedlung in der Tradition der dänischen Sozialwohnungsbau-Bewegung aufgewachsen.

1958 beginnt er sein Studium der Geologie und Paläontologie an der Universität in Kopenhagen. Er nimmt an mehreren Expeditionen nach Grönland teil. 1962 tritt er der avantgardistischen Künstlergruppierung »Den Eksperimenterende Kunstskole« in Kopenhagen bei. Auf quadratischen Masonitplatten malt er Bilder mit Lackfarbe unter dem Einfluß der amerikanischen Kunst der fünfziger und sechziger Jahre. Seit 1963 finden Einzelausstellungen statt. 1971 reist er nach Mexiko. Die Pop Art Einflüsse verschwinden in seiner Malweise und er greift die informelle Malerei der fünfziger Jahre auf. 1973 entsteht seine erste Backsteinskulptur mit Mörtel gemauerte im Außenraum. Er interessiert sich für die Maya-Kultur. 1974 findet seine erste Ausstellung in der Galerie Michael Werner in Köln statt. Dort lernt er die Maler Baselitz, Penck, Lüpertz und Immendorf kennen. 1976 nimmt er an der Biennale in Venedig mit einer Backsteinwand als Rahmen für vier Malereien teil. Von 1978 bis 1988 ist er Professor an der Kunstakademie in Karlsruhe, danach hat er eine Professur an der Städelschule in Franfurt am Main inne. 1980 entsteht der Kurzfilm Carl Brummer, sein einziger Film über Architektur. 1982 nimmt er an der dokumenta 7 u. a. mit einer Backsteinskulptur teil und 1992 an der dokumenta IX. Die Backsteinskulpturen werden zu gefalteten Mauern mit raumbildenden Grundrissen. 1995 stellt er ein Ferienhaus in Laesö fertig und ein geologiesches Museum in Vemb. Erste Bilder aus der Werkfolge Neue Schatten, in denen er die Grundfarben Blau, Rot und Gelb verwendet, die von byzantinischen Ikonen beeinflußt sind, entstehen. Deckengestaltung in Aarhus und Feijlev. 1996 entstehen große Platzgestaltungen in Kopenhagen-Ballerup, Recklinghausen und Frankfurt am Main.

Per Kirkeby lebt in Kopenhagen-Hellerup, Laesö, Frankfurt am Main und Arnasco, Italien. Er ist Maler und Lyriker , doch auch Skulpturen, Filme, Zeichnungen und Radierungen sowie Fotografien zeugen von seinen künstlerischen Betätigungsfeldern. Über sein fotographisches Schaffen ist bisher wenig bekannt. Die Publikation die »Fliegenden Blätter«, die anläßlich der Ausstellung von Per Kirkebys Werken im Museum Folkwang in Essen 1977 erschienen ist, greift diesen Teil seines Werkes auf. Es war seine erste große Einzelausstellung im Ausland und der Photoroman ist sein eigenständiger Beitrag zur Ausstellung. Der Ausstellung lag die Thematik „ Ausstellung in einem Museum“ zugrunde. Der Titel ist der Essaysammlung „Fliegende Blätter. Die Kunst für alle“ entliehen.[1]

In der Ausstellung wurden alle Objekte, Gemälde, Backsteinskulpturen, Übermalungen, Collagen und die Bücher in den Vitrinen gezeigt. Auf den vorliegenden Photografien sind nun alle Dinge festgehalten, die im Rahmen der Ausstellung präsentiert wurden.

Ausgehend von der Thematik „Ausstellung in einem Museum“ beleuchte ich unter dem Aspekt der Fotografie die Funktionen des musealen Raumes bei Kirkeby, ferner auf welche Art und Weise Kirkeby das fotografische Medium in künstlerischer Hinsicht einsetzt und welchen Stellenwert die Fotografie für ihn einnimmt.

2. Das Medium Fotografie

In der Regel gehen die einzelnen Publikationen über Per Kirkeby auf einen Werkkomplex ein. Erst in den letzten Jahren erscheinen Ausstellungskataloge, die Ansätze zeigen, sein umfangreiches Œuvre zu verzahnen. Als Geologe, sachkundiger Archäologe und Kunstwissenschaftler verfügt er über ein reiches Bilderrepertoire, das sich in seinen Arbeiten widerspiegelt. Seine Bilderfindungen finden auf zwei- sowie auf dreidimensionaler Ebene statt. Der Betrachter ist hier aufgefordert, seinen Blick von der Fläche in den Raum zu wechseln.

Im zweidimensionalen Bereich bleibt er der Tradition gemäß dem Thema der Landschaft verhaftet, ebenso im plastischen Bereich der menschlichen Figur. Seine Architektonischen Skulpturen sind dagegen etwas Neues: Bauten, die nicht bewohnbar sind und das Ornament aus der Zweidimensionalität herausheben.

Mit dem Medium der Fotografie besteht nun die Möglichkeit, alle Bilder gleichwertig aneinander zureihen. Die Wahl des Objektives bestimmt den Bildausschnitt und läßt die Abbildung von flächigen sowie räumlichen Erscheinungsformen zu.

In den »Fliegenden Blättern« von Per Kirkeby sind die Fotografien in der Bildauswahl I von 1975 und in der Bildauswahl II von 1977 zusammengefaßt. Die Bildauswahlen kennzeichnen durch die Jahreszahl in der Tat die Bildauswahl, nicht aber die Entstehungszeit der Fotografien. Die Fotografien stammen aus den Jahren davor, und es sind nicht nur Fotografien aus seiner Hand, sondern auch lllustrationen aus naturwissenschaftlichen oder kunsthistorischen Büchern sowie von anderen Fotografen.

Die Bildauswahl I besteht aus 60 Fotografien, die Bildauswahl II aus 30. Im Anhang finden sich häufig Erläuterungen zu den einzelnen Aufnahmen.

Die Fotografien sind zum Teil aus einer Zeit, in der sich Kopenhagen zum aktiven Zentrum der internationalen Happening- und Fluxus-Bewegung etablierte. 1963 fand in der Nikolajkirche in Kopenhagen die Aktion „Sibirsk Symfoni“ statt, die zu einer engen Zusammenarbeit von Joseph Beuys, Per Kirkeby, Bjrn Nrgaard und dem Komponisten Henning Christiansen führte.

1962 tritt Kirkeby in die neugegründete »Eksperimenterende Kunstskole« in Kopenhagen ein. Dort arbeitet er in den Bereichen Malerei, Grafik und Film. Kirkeby hat sich nie auf ein Medium festgelegt, was zum einem aus seinem Protest gegen die Festlegung des Künstlers auf einem Gebiet erwächst, und zum anderen seine Beweggründe in seinem Bedürfnis hat, „die Wirklichkeit in verschiedenen Formen von Bildern zu zeigen und ihr neue Bilder entgegenzustellen.“[2]

Der Eindruck ein Photoalbum mit Reiseerinnerungen vor sich zu haben täuscht. Gerade in der Begrenzung der Bilderauswahl stellt sich vorrangig die Frage nach den richtigen Bildern, die letztendlich den Gesamteindruck bestimmen. Weitere Assoziationen knüpfen daran an: Welcher Teil der Realität soll ausgewählt werden, um eine Homogenität der Bilder zu erreichen? Sollen die Bilder Geschichten erzählen? Gibt es Kriterien, welche die Bildauswahl I und II verbinden oder stehen sie jeweils für sich? Inwiefern unterscheiden sich die Bildersammlungen in Bezug zur Thematik voneinander? Sind die Fotos tatsächlich in ihrer Ursprünglichkeit reproduziert worden oder sind sie durch reproduktionstechnische Bearbeitungsmöglichkeiten verstellt worden?

Ein erster Blick auf den Endzustand der Bilder läßt diese Frage gleich beantworten.

Die Fotografien sind alle in schwarz-weiß reproduziert. In der Art und Weise ihrer Reproduktion ist weder auf eine Tiefenschärfe noch auf eine Kontrastzeichnung Wert gelegt worden. Die Graufarbigkeit der Reproduktionen bewegen sich im Bereich der Mitteltöne und sie wirken, als würde ein Grauschleier über ihnen liegen. Viele Fotos sind sogar unscharf. Die Farbigkeit der Vorlagen und die Formatunterschiede, die zwischen den Bildern bestehen, sind von der Bildauswahl I nicht bekannt, von der Bildauswahl II existieren allerdings die Angaben zu den Bildvorlagen. Im Vergleich zu farbigen Reproduktionen dieser Arbeiten fällt gleich der unterschiedliche Informationsgehalt bei gleichem Bildinhalt auf.

Weder bei den Fotografien noch bei den Reproduktionen werden die handwerklichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Einige Fotografien geben dem Bildraum ein flächiges Gefüge, aber in der verwendeten Konnotation reichen diese Fotografien nicht aus, um die Fotografie als Gestaltungsmittel erkennen zu können.

Diese Sammlung von Fotografien nimmt eher einen Bezug zu den ersten entstandenen Fotografien von Historikern auf und dokumentieren im ersten Teil die fotografierten kulturellen Dinge. Städte, Landschaften, ein Bär, Menschen, bewohnte Zelte, etc., bilden ein Sammelsurium unterschiedlichster Bildeindrücke. Joanna C. Scherer beschreibt diesen Urzustand der verwendeten Fotografien. „Historians successfully use photographs as documents. Photographs can be used as primary data and as anthropological documents - not as replications of reality itself but as representation that require critical reading and interpretation. Proposed here is a reflexive, critical study of photographs that contextualizes images to aid in the reconstruction of cultures.“[3]

Seit 1958 nahm Kirkeby an verschiedenen Grönlandexpeditionen teil. Die geologischen Untersuchungen der Gletscher, die arktische Landschaft und das Leben der Einwohner, alles ist in den Abzügen festgehalten. Die Fotografien seiner anderen Reisen nach Mexiko, Guatemala, Samarkand und Buchara im russischen Zentralasien sind Zeugnisse davon, an diesem Ort gewesen zu sein und diese Kultur kennengelernt zu haben. Die Möglichkeit die sich den frühen Historikern bot, durch die Fotografien eine Kultur zu bestimmen, wird heute noch in der Stilforschung eingesetzt. Insofern haben Kirkebys Fotografien ebenso einen starken dokumentarischen Charakter und es lassen sich kulturhistorische sowie stilgeschichtliche Merkmale definieren.

„Die Fotografie mochte 1839 erfunden worden sein, aber sie wurde erst in den siebziger Jahren entdeckt,“[4] schreibt Douglas Crimp vor dem Hintergrund, daß die Malerei für tot erklärt wurde und der „Hunger nach Fotografie unersättlich gewesen ist.“ In dieser Zeit eroberte die Fotografie einen Teilbereich des musealen Raumes. Unter diesen Gesichtspunkten sind nun die Fotografien Kirkebys zu betrachten.

[...]


[1] Zdenek, Felix, in: Fliegende Blätter, Essen, 1977.

[2] Zdenek, Felix, in: Fliegende Blätter, Essen, 1977.

[3] Scherer, Joanna C., in: Anthropology and Photography, London, 1992, S.32.

[4] zitiert nach: Crimp, Douglas, Über die Ruinen des Museums, Massachusetts, 1993, S.109.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Zu: Per Kirkeby - Photoromane
Hochschule
Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe  (Institut für Kunstwissenschaft und Medientheorie)
Veranstaltung
Künstler als Photographen
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
26
Katalognummer
V13087
ISBN (eBook)
9783638188333
ISBN (Buch)
9783638642712
Dateigröße
1080 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kirkeby, Photoromane, Künstler, Photographen
Arbeit zitieren
Karoline Kmetetz-Becker (Autor:in), 2001, Zu: Per Kirkeby - Photoromane, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13087

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