Aristoteles Nikomachische Ethik

Der Zusammenhang zwischen dem Begriff des Guten, des Glücks und der spezifisch menschlichen Tätigkeit im ersten Buch


Seminararbeit, 2006

14 Seiten, Note: 1,5

Marie-Luise Leise (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.) Einleitung

2.) Die Konstellation der Begriffe agathon – eudaimonia - areté
2.1.) Der Begriff des Guten (agathon)
2.2.) Der Begriff der Glückseligkeit (eudaimonia)
2.3.) Der Begriff der Tüchtigkeit (areté)

3.) Grundgedanken zur Beziehung zwischen areté und eudaimonia

4.) Schlussbetrachtungen

5.) Verwendete Literatur

Primärliteratur

Sekundärliteratur

1.) Einleitung

Die Nikomachische Ethik gilt als wichtigster Text der aristotelischen Ethikkonzeption, bei welchem es sich, im Gegensatz zur fragmentarisch überlieferten Eudemischen Ethik und zur Magna Moralia, deren Authentizität umstritten ist, um ein in sich kohärentes, abgeschlossenes Buch mit systematisch - logischem Aufbau handelt. Das inhaltlich dichte und komplexe Werk, das zu den Moralphilosophien des Altertums zählt, beeinflusste die Philosophiegeschichte des Abendlandes bedeutsam und scheint bis heute kaum an Aktualität eingebüßt zu haben.[1]

Keine „Anleitung“ zum vollkommenen Leben gibt sie oder postuliert solch einen Menschen, was sie von den anderen Denkschriften der Antike absetzt. Ihr Thema, als erste Abhandlung überhaupt, besteht aus der phänomenologischen Bestandsaufnahme der gegebenen ethischen Tatsachen, was auch die gegenwärtige Philosophie als eine ihrer bedeutsamsten Aufgaben ansieht.

Ausgearbeitet wird in der Nikomachische Ethik die Lehre von der Sittlichkeit oder Tugend, durch welche der Mensch seine Bestimmung erfüllt, seine eigentümliche Vollendung, und infolgedessen glücklich wird. Ein Gut, das höchste Ziel, wird erstrebt von allem Lebendigen, ebenso vom Menschen, für welchen die Glückseligkeit dies darstellt. Auf die jenseitige Glückseligkeit jedoch legt Aristoteles sein Augenmerk kaum, vielmehr setzt er sich mit der diesseitigen und irdischen auseinander.

Mit der im ersten Buch der Nikomachischen Ethik eingeführten Begriffskonstellation agathon, eudaimonia und areté soll sich nun die folgende Arbeit auseinandersetzen. Zunächst werden die Begriffe einzeln gemäß ihrer Herleitung und Bedeutung erläutert, und anschließend ihr Zusammenhang gründlich herausgearbeitet und kurz diskutiert.

Den Ausgangspunkt der Nikomachischen Ethik und die Grundlage der zu erklärenden Begriffskonstellation bildet die Frage nach dem letzten Ziel des Handelns, dem höchsten Gut des Menschen.

2.) Die Konstellation der Begriffe agathon – eudaimonia - areté

2.1.) Der Begriff des Guten (agathon)

„Jedes praktische Können und jede wissenschaftliche Untersuchung, ebenso alles Handeln und Wählen strebt nach einem Gut, wie allgemein angenommen wird. Daher die richtige Bestimmung von „Gut“ als „das Ziel, zu dem alles strebt.“[2]

Mit diesem Satz leitet Aristoteles seine Nikomachische Ethik ein, was, formal verstanden, bedeutetet, dass das Gute als das Erstrebte und somit Gewollte festgelegt wird. Was dieses Gut, vielmehr das Ziel, beinhaltet, gilt zunächst zu untersuchen.

Ein Streben verlangt nach einem Objekt, einem Ziel (telos). So kann beispielsweise die Schusterei, als ein Werk, das zur Kunst oder Kunstfertigkeit (techné) gehört, solch ein Ziel oder Zweck sein. So ist bei einer techné wie dem Schusterhandwerk ist folglich das telos das ergon[3]. Jedes Ziel, das angestrebt wird, birgt also etwas Gutes, weshalb das Gute das ist, wonach alles strebt.

Am Beispiel des „Lebens“ lässt sich jedoch zeigen, dass eine Tätigkeit auch selbst das Ziel sein kann, was Aristoteles Selbsttätigkeit, Selbstbewegung benennt. In diesem Falle ist das telos also die energea[4] selbst.

Folglich unterscheidet Aristoteles zwei verschiedene Formen von Zielen, zum einen liegt es in der Tätigkeit selbst, oder eben außerhalb dieser. Zielgerichtet sind jedoch alle Tätigkeiten, Aristoteles geht immer vom (erlangbaren) Ziel, dem Ergebnis aus.

Ein Gut steht somit für ein Ziel, nach dem sich alles Streben und Handeln richtet. Dieses „höchste Gut“ soll hier jedoch nicht verstanden werden als ein bestimmtes, einziges Gut; Aristoteles weist auf die Mannigfaltigkeit der Ziele hin.[5] Ein „Gut als das Ziel, zu dem alles strebt“[6] sollte man also, sodass der Begriff des Guten im aristotelischen Sinne genau verstanden wird, folgendermaßen umformulieren, dass nämlich ein Jedes jeweils auf ein Gut hinstrebt, welches das Ziel der jeweiligen Handlung darstellt. Das agathon stellt also immer das Ziel einer einzelnen Handlung bzw. techné und eben nicht ein allumfassendes Ziel allen Strebens dar.

Unter „Handlungen“ werden jedoch keine individuellen Einzelhandlungen verstanden, weshalb nicht von den Einzelzielen bestimmter Handlungssituationen und -trägern gesprochen werden soll, denn vielmehr vom tatsächlichen Wesen des einzelnen Handlungstyps sowie seinem Ziel insgesamt im Dasein. Nicht zu denken ist das Gute (agathon) als das ethisch - moralisch gute Strebeziel einer handlungsausübenden Person, vielmehr bezieht es sich auf das durch Handeln erstrebte und erwünschte Gute.

Häufig werden auf Ziele nicht um ihrer selbst willen, als vielmehr wegen anderer Ziele hingesteuert, weshalb diese von Aristoteles unterschieden werden. Nochmals definiert er das höchste Gut als dasjenige, das um seiner selbst willen fokussiert werden soll; dementsprechend reiner Zweck und niemals nur ein Mittel oder expliziter: ein vollkommener Zweck, d.h., es kann keine Steigerung nach Erreichung geben. Nach Aristoteles soll eben dieses höchste Gut die Glückseligkeit (eudaimonia) sein.

Allerdings ist der Begriff des Guten inhaltlich und formal bisher nur schwer greifbar. Deutlich wurde jedoch, dass ein Gut das Ziel des Strebens sein muss, da eine Handlung ihrem Wesen zufolge immer zielgerichtet ist. Durch die besprochene Vielzahl von Handlungen jedoch, deren Ziele und folglich einer Fülle von erstrebten Gütern, ist der Begriff „Gut“ bisher noch nicht ausreichend bestimmt worden.

Um Ziele differenzierter betrachten zu können, denn gleichwertig sind sie nicht, gliedert Aristoteles die zu einem Handlungsbereich gehörenden technai im weiteren Verlauf des ersten Buches der Nikomachischen Ethik hierarchisch. Nach und nach erschließt sich so die führende techné, deren Ziel nicht das Mittel zum höchst näheren Zweck darstellt, sondern eben nur um seiner selbst willen erstrebt wird. Ein von Aristoteles angeführtes Beispiel zur Verdeutlichung: Die Sattlerei dient der Reitkunst, diese wiederum dem Zweck der Kriegsführung und die techné der Kriegskunst zielt auf das Gute für die Polis ab.[7]

Eine Steigerung widerfährt im folgenden dem bislang verwendeten Begriff des Guten: das ariston, das so viel bedeutet wie das Beste, das vollkommene Gute, das höchste Gut, das ein Ziel darstellt, welches nicht wegen eines anderen Gutes anstrebt wird, sodass es folglich das letzte und höchste Ziel sein muss. Da das Wesen des menschlichen Strebens einen Endpunkt fordert, so argumentiert Aristoteles, muss es von allen Gütern ein bestes geben, denn ansonsten sei das Streben und Handeln leer[8] und vergeblich, da wir die Ziele immer um ein hochgradigeres wegen verfolgen würden und unser Verlangen folglich nie zufrieden gestellt wäre.

[...]


[1] Kindlers neues Literaturlexikon: Ēthika Nikomacheia. Band 1, München 1998, S. 691.

[2] Aristoteles: Nikomachische Ethik. Reclam, Stuttgart 2004, 1094a 1.

[3] Ergebnis, Produkt

[4] Tätigkeit, Aktivität; vgl. auch Ursula Wolf: Aristoteles´ Nikomachische Ethik , Darmstadt 2002, S. 25.

[5] vgl. ebd. 1094a

[6] ebd. 1094a

[7] vgl. ebd. 1094a

[8] Problem von Leere des Wollen stellt sich im Grunde nicht, wenn man „prohairesis“ nicht als faktisches, sondern als ein Wollen im Sinn des überlegten Vorsatzes auffasst >Prämisse für Notwendigkeit von letztem Wollen soll sich daraus ergeben: menschliches Handeln aus Überlegung, was wählenswert

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Aristoteles Nikomachische Ethik
Untertitel
Der Zusammenhang zwischen dem Begriff des Guten, des Glücks und der spezifisch menschlichen Tätigkeit im ersten Buch
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Philosophisches Institut)
Veranstaltung
Einführung in die philosophische Ethik
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V130694
ISBN (eBook)
9783640363025
Dateigröße
421 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aristoteles, Gut, Gute, Glück, eudaimonia, Tugend, Nikomachische Ethik, Tätigkeit, Ziel, Handeln, Ethik, Sittlichkeit, agathon, arete, telos, techne, ergon, energea, ariston, Glückseligkeit, Tüchtigkeit, eutychia
Arbeit zitieren
Marie-Luise Leise (Autor:in), 2006, Aristoteles Nikomachische Ethik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130694

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