Die Seligpreisungen

Exegese über die Seligpreisungen in ihrem historischen, theologischen und korrelativen Kontext


Hausarbeit, 2008

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Matthäus 5, 1-12: Die Seligpreisungen

1 Das Evangelium des Matthäus
1.1 Matthäus, sein Werk und seine Zeit
1.2 Aufbau des Evangeliums und die matthäische Theologie
1.3 Aufbau und Inhalt der Bergpredigt

2 Seligpreisungen
2.1 Aufbau der Seligpreisungen
2.2 Synoptischer Exkurs
2.3 Form, Gattung und Tradition

3 Aussagen
3.1 Historische Hintergründe
3.2 Sitz im Leben – damals und heute

Literaturverzeichnis

Matthäus 5, 1-12: Die Seligpreisungen

1 Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich;[1]
und seine Jünger traten zu ihm.
2 Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:
3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden;
denn ihrer ist das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen
und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen.
12 Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.[2]

1 Das Evangelium des Matthäus

1.1 Matthäus, sein Werk und seine Zeit

Über den Schreiber des Matthäus-Evangeliums kann man keine eindeutige Aussage machen. Selbst bei seinem Namen sind sich die Kritiker nicht einig. Einerseits gibt es Überlegungen in die Richtung, es sei einer der Jünger Jesu, der im Markus-Evangelium „Levi“[3] heißt und erst in der parallelen Stelle im Mt-Evangelium den Namen „Matthäus“[4] trägt. Mätthäus Levi war Zöllner und musste als solcher „in Lesen und Schreiben bewandert sein und Übung darin haben, als Teil seiner Geschäftstätigkeit Notizen zu machen.[5] Infolgedessen musste das Mt-Evangelium in aramäisch geschrieben und später ins Griechische übersetzt worden sein, was aber nicht ausschließt, dass Matthäus selbst die griechische Fassung verbreitet hat. Über Matthäus weiß man außer Name und Beruf nicht viel und er „verschwand dann nach der Aufzählung in der Apostelgeschichte [6] aus der Geschichte der Kirche, abgesehen von einzelnen Hinweisen, die wahrscheinlich Legende sind.[7] Andererseits gibt es begründete Zweifel an dieser Überlegung, denn es wird allgemein in der Theologie davon ausgegangen, dass Matthäus Textvorlagen von Markus voraussetzt und diese starke Abhängigkeit schließt durch die Entstehung des Mk-Evangeliums um ca. 70 n. Chr. die Niederschrift des Mt-Evangeliums durch einen Jünger Jesu oder Augenzeugen aus.[8]

Eine weitere Überlegung von Bibelkritikern ist, dass der Schreiber namentlich nicht bekannt ist und lediglich „eine Sammlung von ‚Worten‘, die Matthäus zusammenstellte, benützt.[9] Begründet wird das damit, dass Papias[10] (ca. 100 n. Chr.) darauf hinweist.[11]

Über die Entstehungszeit und den Ort weiß man ebenfalls nicht viel und kann nur Vermutungen anstellen. „Jedenfalls blickt Mt 22,7 deutlich auf die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 zurück. Die dort angedeutete christlich-jüdische Konfliktsituation weist auf den syrischen Raum als Ort der Niederschrift hin. Vielleicht entstand das Matthäusevangelium in einem der städtischen Zentren Antiochia oder Damaskus. Über die Person des Verfassers sind dem Evangelium selbst keine weiteren Hinweise zu entnehmen.[12] Für Antiochia spricht auch die ausgeprägt nichtjüdische Zusammensetzung aus sowohl aramäisch als auch griechisch sprechenden Christen. Die wahrscheinlichste Entstehungszeit liegt Bibelkritikern zufolge zwischen 50 und 70 n. Chr. Die Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n. Chr. ist sicherlich ein Anhaltspunkt, jedoch gibt es „keine Anspielung darauf, dass die Stadt tatsächlich besiegt wurde.[13] Fiedler und weitere Theologen rechnen eher mit einer Entstehung zwischen 80 und Anfang 90 n. Chr. mit der Begründung, dass das Mk-Evangelium erst 70 entstanden ist und Mt darauf aufbaut.

Möglicherweise hat der Verfasser des Mt-Evangeliums[14] dieses für „nicht in Palästina wohnhafte, aramäisch sprechende Konvertiten verfasst, […] die keinen Zugang zu den Aposteln hatten und deshalb für ihr Wissen über Jesus auf einen schriftlichen Text angewiesen waren.[15] Da es kein aramäisches Original (mehr) gibt, ergibt sich die Vermutung, dass aufgrund der Entstehung von immer mehr griechischen Gemeinden die aramäische Fassung verloren ging und es sich beim griechischen Text um eine neue Ausgabe und nicht um eine Übersetzung handelt. Gegen eine Übersetzung spricht auch das gute Griechisch.[16]

Wer also hat das Mt-Evangelium verfasst? Vom Schreiber kann gesagt werden, dass er wohl Jude bzw. Judenchrist war, oder zumindest, wie schon erwähnt, ein judenchristliches Publikum hatte. Bestimmte Formulierungen deuten auf diese Tatsache hin. Z. B. erwähnt Matthäus wie die Juden damals den Namen Gottes nicht so oft, wie es Markus und Lukas tun. An vielen Stellen spricht er vom „Himmelreich[17] bzw. „Reich der Himmel[18] während Mk und Lk, insbesondere auch bei den Parallelstellen[19] zu Mt, vom „Reich Gottes[20] sprechen. Das Mt-Evangelium ist sogar das einzige, in dem vom „Himmelreich“ die Rede ist.

Matthäus geht es vor allem um die Sammlung der Lehren Jesu, wie aus vielen Bibelstellen hervorgeht. So basiert sein Evangelium auf dem Markus-Evangelium als Leitquelle oder Stützwerk, unter Hinzunehmen der Logienquelle Q und des jeweiligen Sondergutes.[21] Matthäus kann sogar beinahe als revidierte Fassung von Markus gesehen werden, denn Markus scheint die Hauptquelle zu sein. Rund 500 Verse hat Matthäus in seinen 28 Kapiteln von Markus übernommen, was ca. 90% entspricht, ca. 250 Verse aus Quelle Q und 300 aus seinem Sondergut.[22] Insgesamt lässt Matthäus nur 55 Verse von Mk aus, „doch strafft er den Inhalt vieler Erzählungen, indem er sie sprachlich glättet, Stil und Wortschatz überarbeitet und darauf achtet, dass einige ungeschliffene Wendungen bei Markus nicht missverstanden werden.[23]

Um das Mt-Evangelium verstehen zu können, muss man „alles vom Gesichtspunkt der verschiedenen Zeitalter [24] sehen. Alle berichteten Wunder, alle aufgezeichneten Worte, alle Ereignisse, wie sie sich in einem bestimmten Zusammenhang abspielen, jedes Gleichnis, jedes Kapitel vom Anfang bis zum Ende sind in erster Linie als Lehre heilsgeschichtlicher Wahrheiten und als Vorausschau auf deren Zeitalter zu verstehen.[25]

Matthäus möchte einige wichtige Dinge in den Vordergrund stellen: Jesus ist tatsächlich Gottes Sohn, der verheißene Messias.

1.2 Aufbau des Evangeliums und die matthäische Theologie

Vorab lässt sich sagen, dass sich keine übergeordnete Gliederung ohne Schwierigkeiten erstellen lässt. Im Vergleich zu Lukas, der sein Evangelium chronologisch aufgebaut hat[26], wählt Matthäus eine thematische, sachliche Zusammenstellung. Er „ist im Blick auf die Gesamtanlage seiner Schrift mehr an Übergängen und Verbindungen als an Abgrenzungen interessiert.[27]Charakteristisch für Mt sind […] die fünf großen Reden, die unter Verwendung von Texten aus allen Quellen von Mt selbst erschaffen wurden.[28] Es bietet sich also an, „Mt als fortlaufende Erzählung zu sehen, und sich für den bibelkundlichen Aufriss an der Stellung der Reden zu orientieren.[29] Sehr wohl lassen sich zu den fünf großen Reden, auf die später näher eingegangen wird, noch weitere Abschnitte erkennen, die als Untereinteilungen gedacht sein könnten. Niebuhr unterscheidet hier sechs Sinneinheiten, die er als Gliederungspunkte erkennt. Diese werden im weiteren Verlauf kurz angedeutet.[30]

In der Vorgeschichte zeigt Matthäus die Herkunft Jesu durch die ausführliche Darstellung seines Stammbaums, der Jesus als Sohn Davids und Abrahams ausweist.[31] Im weiteren Verlauf des ersten Kapitels wird Jesus als Gott selbst vorgestellt.[32] In den Kapiteln 3 und 4 beschreibt Matthäus Jesu Vorbereitungen auf sein öffentliches Wirken[33] und im weiteren Verlauf des vierten Kapitels beginnt Jesus als Bußprediger in Galiläa aufzutreten[34], beruft seine ersten Jünger[35] und heilt „alle Krankheiten und alle Gebrechen im Volk[36].

Die Bergpredigt, die im 5. Kapitel folgt[37], ist die erste große Rede und zudem eine zentrale Stelle im Mt-Evangelium, denn Matthäus erweitert diese stark „gegenüber der Q-Vorlage (vgl. die ‚Feldrede‘ Lk 6, 20-49) [und] […] rückt bewusst die ethische Lehre Jesu an den Anfang seines öffentlichen Wirkens.[38] Sie ist in den Evangelien die einzige vollständige Aufzeichnung, bei Mk und Lk finden sich nur Teile davon.[39]

Jesu Wirken in der Öffentlichkeit kommt erst ab Kapitel 8 in vielen Wundergeschichten und Streitgesprächen richtig zum Vorschein. Matthäus hat die Geschichten sowohl von Mk als auch von Q übernommen und sie gegenüber Mk teilweise umformuliert und ausgeschmückt, wie er es an vielen Stellen in seinem Evangelium getan hat. Im Anschluss daran leitet Mt über zur geplanten „ekklesiologische[n] Verlängerung des Wirkens Jesu[40] durch denselben, als er seine zweite große Rede hält: die Aussendungsrede.[41] Wohl wissend, dass seine Zeit auf Erden bald vorüber sein wird, rüstet er seine Jünger mit Vollmacht über Krankheit und böse Geister aus, damit sie nach seinem Tod sein Werk weiterführen können und er bereitet sie auf viele Schwierigkeiten vor, die ihnen bevorstehen.[42] Die dritte große Rede ist im 13. Kapitel[43] zu finden, wo Jesus mehrere Gleichnisse erzählt und diese wegen des Unverständnisses der Zuhörer auch gleich auslegt bzw. erklärt.

[...]


[1] Der Vollständigkeit halber habe ich die beiden ersten Verse mit hinzugenommen, da sie praktisch die Einleitung der in dieser Arbeit behandelten Verse sind. (Vgl. Grundmann (1972), S. 111)

[2] Ich habe die Lutherübersetzung (LUT) und parallel dazu die Elberfelder Bibel (ELB) gewählt, da diese eher der wörtlichen Übersetzung entsprechen. Um den Text besser zu verstehen, zog ich zum Vergleich noch die Einheitsübersetzung (EU) hinzu. Darin wurde versucht, für die originalen „Worte, Ausdrücke und grammatischen Konstruktionen“ gleichwertige Gegenstücke in heutiger Sprachanwendung zu finden. In: Fee/Stuart (1982), S. 41.

[3] Vgl. Mk 2,14

[4] Vgl. Mt 9,9

[5] Tenney (1979), S. 164

[6] Vgl. Apg 1,13

[7] Ebd. Tenney

[8] Vgl. Conzelmann/Lindemann (2004), S. 330f

[9] Unger (1973), S. 15

[10] Papias: Einer der frühen Kirchenväter, lebte ca. 70 – 140 n. Chr. Herausgeber eines nicht mehr vorhandenen 5-bändigen Werkes, in dem er u. a. die Sammlung von Matthäus erwähnt. In: Maier (1981)

[11] Vgl. Unger (1973), S. 15

[12] Vgl. Dahm (1993)

[13] Vgl. Tenney (1979); S. 164 und Mt 24, 1-28

[14] Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Kommentare und Bücher gehen davon, dass Markus das erste Evangelium schrieb und sowohl Matthäus als auch Lukas die Markustexte als Grundlage für ihre Evangelien nahmen. Außerdem zogen sie auch die Logienquelle Q mit Sprüchen Jesu hinzu. Basierend auf dieser 2-Quellen-Theorie werde ich auch in dieser Arbeit argumentieren, weil sie für mich am nachvollziehbarsten erscheint. Im weiteren Verlauf werde ich Matthäus als Verfasser verwenden, wobei nicht zwingend der Jünger Jesu gemeint ist. Siehe Argumentation.

[15] Vgl. ebd. Tenney (1979)

[16] Vgl. ebd.

[17] Vgl. Mt 3,2; 4,17; 5,3.10.19.20; 7,21; 10,7; 11,11.12; 13,11.24.52; 16,19; 18,1.3.4; 19,12.14.23; 23,13; 25,1;

[18] Vgl. ebd., ELB - Kann auch „Königreich“ bedeuten

[19] In den Fußnoten mit „P“ markiert

[20] Vgl. Mk 1,15P; 4,11.26P; 9,47; 10,14.15.23P; 12,34; 15,43; Lk 6,20P; 7,28P; 8,10P; 9,2P; 13,29; 14,15; 16,16; 18,16.17.24P; 19,11; 21,31; 22,16; 23,51; u.v.m.

[21] Vgl. Conzelmann/Lindemann (2004), S. 338; Die Argumentation geht von der Zweiquellen-Theorie aus und wird von mir als Ausgangsgrundlage angesehen.

[22] Vgl. Brockhaus Kommentar zu Bibel (1987), S. 1

[23] Ebd.

[24] Die Zeitalter bedeuten in der Heilsgeschichte, dass nach dem Heil für die Juden das Heil für die Heiden folgt und schließlich in der Gemeinde Jesu zur Vollendung kommt. (Vgl. Offb.)

[25] Gaebelein (2002), S. 13

[26] Vgl. Lk 1, 3: Lukas sagt, dass er sein Evangelium „von Anfang an […] in guter Ordnung“ aufgeschrieben hat.

[27] Niebuhr (2000), S. 76

[28] Conzelmann/Lindemann (2004), S. 326

[29] Ebd. S. 327

[30] Vgl. Niebuhr (2000), S. 76. Ich habe die einzelnen Abschnitte in den Fließtext integriert, ohne sie in Überschriften explizit zu nennen, um das Gesamtwerk nicht unnötig zu zerstückeln sondern es zusammenhängend aufzubauen.

[31] Mt 1, 1ff

[32] Mt 1, 23: Jesus ist der Immanuel (Gott mit uns)

[33] Mt 3, 1 – 4, 11

[34] Mt 4, 12-17

[35] Mt 4, 18-22

[36] Mt 4, 23-24

[37] Mt 5, 1 – 7, 29

[38] Vgl. Conzelmann/Lindemann (2004), S. 327

[39] Vgl. Gaebelein (2002), S. 23

[40] Mt 9, 35 – 10, 6 nach Niebuhr (2000), S. 79

[41] Mt 10, 1-42

[42] Mt 10, 16-33

[43] Mt 13, 1-52

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Seligpreisungen
Untertitel
Exegese über die Seligpreisungen in ihrem historischen, theologischen und korrelativen Kontext
Hochschule
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Veranstaltung
Einführung in das Neue Testament
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
28
Katalognummer
V130669
ISBN (eBook)
9783640362929
ISBN (Buch)
9783640363285
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Seligpreisungen, Matthäus-Evangelium, Makarismen
Arbeit zitieren
Otto Zorn (Autor:in), 2008, Die Seligpreisungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130669

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