Geschichtskultur Breslaus im 18. Jahrhundert

Eine Stadt zwischen Österreich und Preußen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. GESCHICHTSKULTUR
2.1. Begriffliche Eingrenzung
2.2. Forschungsgegenstand

3. GESCHICHTSKULTUR B RESLAUS IM 18 JAHRHUNDERT
3.1. Breslau im 18. Jahrhundert
3.2. Österreichische Erinnerungsorte
3.3. Preußische Erinnerungsorte

4. GESCHICHTSKULTUR IM WANDEL

5. RESÜMEE

6. QUELLEN - UND LITERATURVERZEICHNIS
6.1. Quelle
6.2. Literatur

1. EINLEITUNG

Das Vorhandensein österreichischer und preuBischer Elemente in der Geschichtskultur Breslaus im 18 Jahrhundert begriindet sich durch den Machtwechsel im Jahre 1740. Die Annexion, des zum Habsburger Reich gehörenden, Schlesiens durch PreuBen bedeutete eine Zäsur fiir die Geschichte des deutschen Reiches. Fiir das preuBische Reich bedeutete die Eroberung auf der einen Seite einen territorialen Gewinn, auf der anderen Seite war es der Beginn seiner politischen GroBmachtstellung in Europa. In den drei Schlesischen Kriegen (1740-1763) gelang es Friedrich II., die Eroberung gegen Osterreich zu behaupten. Fiir Osterreich bedeutete das Eintreten PreuBens in die europäische Politik, dass es einen ernstzuneh-menden Konkurrenten um die Macht innerhalb des deutschen Reiches bekommen hatte. Die Besetzung Schlesiens bildete den Auftakt des preuBisch-österreichischen Dualismus. Doch welche Veränderungen besaB das Jahr 1740 fiir Breslau und seine Bevölkerung? Die Analyse der Geschichtskultur soll einen möglichen Wandel, der durch die preuBische Annexion verursacht wurde, untersuchen.

Die Literatur, die fiir die Untersuchung der Geschichtskultur Breslaus im 18. Jahrhundert zur Verfiigung steht, beschränkt sich auf eine geringe Anzahl von deutsprachigen Werken. Eine Arbeit, wie die von Loew iiber die Geschichtskultur Danzigs, findet sich fiir Breslau nicht. Es gibt einige Aufsätze, die sich mit dem Wandel der Stilrichtung in Kunst und Architektur beschäftigen. Hierzu zählt auch die Arbeit von Kalinowski, welche die politische Bedeutung von den beiden unterschiedlichen Stilrichtungen erörtert. Um einen Einblick in die Lage Breslaus in den Jahren 1740-41 zu bekommen, eignet sich das Werk von Griinhagen. Dieses zeichnet sich durch eine sehr detaillierte Analyse des Breslauer Tagebuches von Johann Georg Steinberger aus. Die Arbeit von Davis und Moorhouse ist die wichtigste und modernste iiber die Stadtgeschichte Breslaus, sowohl in der Habsburger als auch in preuBischer Zeit. Sie untersucht die verschiedenen Regierungen hinsichtlich ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung fiir die Stadt und ihre Einwohner. Zur Erörterung von Geschichtskultur als eigener Forschungs-gegenstand sind vor allem die Arbeiten von Riisen und Jeinsmann von

Bedeutung. Eine gute Zusammenfassung des abstrakten Gegenstandes der Geschichtskultur bietet die Einleitung in Loews Arbeit. Als Grundlage fiir die Quellenarbeit dient das zweibändige Geschichtswerk von Karl Ludwig von Klöber und Hellscheborn1, in dem er die Geschichte Schlesiens im Zeitraum von sechs Jahrhunderten beschreibt. Es ist das wichtigste zeitgenössische Werk, das die Zustände Schlesiens unter Friedrich II. beschreibt.

Bevor die Geschichtskultur Breslaus untersucht werden kann, macht es Sinn sich zuerst mit dem Forschungsgegenstand von Geschichtskultur im Allgemeinen auseinander zusetzen und sich die Bedingungen in Breslau im 18. Jahrhundert vor Augen zu fiihren. Um einen eventuellen Wandel in der Geschichtskultur der Stadt feststellen zu können, muss analysiert werden, welche österreichischen bzw. preuBischen Erinnerungsorte in Breslau zu finden sind und wodurch sie sich unterscheiden.

2. GESCHICHTSKULTUR

2.1. Begriffliche Eingrenzung

Der Begriff „Geschichtskultur" ist eine relativ neue Bezeichnung, die besonders in der Geschichtsdidaktik Verwendung findet. Der Begriff ist das Resultat einer, in den 60er Jahren des letzten Jahrhundert verstärken-den Debatte, um einen eventuellen Nutzen von Geschichte fiir die Gegenwart. Jörn Riisen entwickelte Geschichtskultur zu einer historischen Kategorie weiter. Definitionen wurden seitdem vielfach formuliert. Hier-bei ist zu erkennen, dass die Begriffe „Geschichtskultur" und „Geschichts-bewusstsein" voneinander abzugrenzen sind. Es kommt jedoch häufig vor, dass keine eindeutige Trennung zwischen den beiden Begriffen vorgenommen wird oder dass sie sogar vertauscht werden. Um Geschichtskultur verstehen zu können, muss deshalb zuerst geklärt werden, wodurch sie sich vom Geschichtsbewusstsein unterscheidet.2

Unter Geschichtsbewusstsein versteht man den „Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsorient-ierung"3. Zuerst hat ein Individuum Kenntnis von Geschichtlichem. Das bedeutet, dass Vergangenes in der Gegenwart, in der sich das Individuum befindet, vorhanden sein muss. Uber diese Vergangenheit macht sich die Person Gedanken, d.h. das Vergangene wird im Bewusstsein aufgenom-men und verarbeitet.4 Durch die Vergegenwärtigung von Geschichte entsteht eine subjektive Beziehung des Individuums zum Vergangenem. Somit umfasst die Bedeutung von Geschichtsbewusstsein weit mehr als ein reines Interesse an Geschichte oder das Wissen von Vergangenem. Die subjektive Beziehung einer Person zur Geschichte spiegelt sich in den Bildern, die sie sich von der Geschichte macht, wieder. Die Falle der unterschiedlichen Geschichtsbilder ist der Grund, weshalb eine empirische Analyse von Geschichtsbewusstsein Schwierigkeiten bereitet, wenn nicht sogar unmöglich ist.5

Der Unterschied zur Geschichtskultur ist, dass diese sich mit den kulturellen Ausprägungen von Vergangenem auBerhalb des Bewusstsein beschäftigt. Geschichtskultur ist sozusagen das, was nach einer mentalen Verarbeitung eines „historischen Inputs"6 herauskommt. Jörn Risen beschreibt Geschichtskultur abstrakt als „Sitz des Geschichtsbewusstsein im Leben, seine Erstreckung in verschiedene Dimensionen der Kultur und deren inneren Zusammenhang"7. Dadurch wird der kategoriale Charakter von Geschichtskultur sichtbar.

2.2. Forschungsgegenstand

Geschichtskultur untersucht also das Vorhandensein von Geschichte in einer jeweiligen Gegenwart. Die Fragen, die sich bei der Untersuchung stellen, sind zum einen, wie Geschichte in die Gegenwart gelangt und mit welcher Absicht das Vergangene von Seiten der herrschenden Gewalt historisiert wird. Dabei spielen Gesichtspunkte der Gegenwartssicherung sowie der Zukunftsorientierung eine bedeutenden Rolle.8

Um eine empirische Analyse zu ermoglichen, fasste Jörn Riisen Ge-schichtskultur in ein dreidimensionales Modell. In diesem unterscheidet er zwischen der ästhetischen, der politischen und der kognitiven Dimension. Jede Dimension unterscheidet sich von der anderen und doch haben alle drei Dimensionen einen inneren Zusammenhang.9

Die ästhetische Dimension zeigt sich vor allem in der kiinstlerischen Gestaltung von Geschichte. Hierzu zählen alle Produkte der Bildenden Kunst also Denkmäler, Bestandteile städtischer Architektur sowie Hi-storienmalerei. Aber auch die historische Belletristik und Arbeiten der Historiographie fallen unter das Asthetische. Der Bereich der politischen Dimension untersucht die bewusste Instrumentalisierung und Funktionalisierung von Geschichte durch die jeweilige politische Gewalt, um deren gegenwärtige Stellung oder ihre Entwiirfe fiir die Zukunft zu legitimieren und zu sichern. Hier sind Herrschergenealogien, nationale Gedenktage oder religiösen Prozessionen als mogliche Quellen von Interesse. Die kognitive Dimension wird in der heutigen Gesellschaft groBteils durch die Geschichtswissenschaft abgedeckt.10

Betrachtet man die drei Dimensionen genauer, lässt sich erkennen, dass die einzelnen Quellengattungen nicht nur unter einen Bereich fallen, sondern dass sie durch alle Dimensionen miteinander verbunden sind. Ist z.B. ein historiographisches Werk Gegenstand der Untersuchung, kann dies unter asthetischen Gesichtspunkten analysiert werden. Denn die Sprache in der es geschrieben wurde, ist Ausdruck der Zeit aus der es stammt. Somit weist die Sprache verschiedene, epochenspezifische Merkmale auf. Jedoch ist der asthetische Gesichtspunkt nicht der einzige, der bei einem historiographischen Werk von Interesse ist. Geschichts-schreibung dient zur Legitimation von politischer Herrschaft. Oft recht-fertigt sie die bestehenden Verhaltnisse, um diese auch fiir die Zukunft zu sichern. Aber auch die kognitive Dimension wird von einem historio-graphischen Werk abgedeckt, da es den Anspruch hat Wissen zu vermit-teln und Erkenntnis zu erlangen.11

Auch wenn die Gewichtung der unterschiedlichen Dimensionen unterschiedlich ausfallen kann, hat jedes Phanomen der Geschichtskultur ein asthetisches, ein politisches und ein kognitives Element, d.h. es besteht eine komplexe Beziehung zwischen den einzelnen Dimensionen, was den Forschungsgegenstand der Geschichtskultur interessant macht. Die ein-seitige Uber- bzw. Unterbewertung einer der drei Dimensionen wird der Vielseitigkeit des Phanomens nicht gerecht.12

3. GESCHICHTSKULTUR BRESLAUS IM 18 JAHRHUNDERT

3.1. Breslau im 18. Jahrhundert

Breslau war, sowohl unter österreichischer als auch unter preuBischer Herrschaft, die unumstrittene Hauptstadt Schlesiens. Anfang des 18. Jahrhunderts begann eine neue Bliitezeit, die ihren Ausdruck in einer Art Bauboom fand. In dieser Periode entstanden zahlreiche Herrenhäuser des aufstrebenden Biirgertums sowie katholische und protestantische Kirchen. Auch das kulturelle Leben passte sich mit der Eröffnung des ersten Theaters Breslaus den Anspriiche des intellektuellen Biirgertums an. Das Jesuitenkolleg wurde 1702 zur Hochschule Leopoldina ausgebaut und so wurde in Schlesien eine universitäre Ausbildung möglich. Breslau war wirtschaftlich die attraktivste Stadt der A TIegion. Diese Stellung begriindete sich vor allem in ihrer giinstigen Lage, da Breslau an einem wichtigen Schnittpunkt internationaler Verkehrs- und Handelswegen gelegen ist. Jedoch buBte der Handel in der ersten Hllfte des 18. Jahrhunderts auf-grund der ersten merkantilistischen MaBnahmen Osterreichs einige Freiheiten ein. Die Einengung des Handels verscharfte sich im Laufe des Jahrhunderts durch den immer starker werdenden Gewerbeschutz zwischen Osterreich und PreuBen.13

[...]


1 Karl Ludwig Klöber nannte sich selbst „von Klöber und Hellscheborn". Er war ab 1766 in der Kriegs- und Domänenkammer als Verwaltungs-beamter und später als 2. Kammerdirektor tätig. Ab 1794 hatte er zu-sätzlich das Amt des Zensors inne. Als Historiker machte er sich vor allem durch sein vielbeachtetes Geschichtswerk „ Von Schlesien vor und seit dem Jar MDCCXXXX“ einen Namen. Kiinftig wird Karl Ludwig von Klöber und Hellscheborn unter dem Namen Klöber aufgefiihrt.

2 Vgl. Loew, Peter Oliver: Danzig und seine Vergangenheit 1793-1997. Die Geschichtskultur einer Stadt zwischen Deutschland und Polen, Osnabruck 2003, 15-20. Kunftig als: Loew: Danzig und seine Vergangenheit.

3 Jeinsmann, Karl-Ernst: Geschichtsbewusstsein-Theorie. In: Handbuch der Geschichtsdidaktik, 5 uberarbeite Auflage, hrsg. von Klaus Bergmann u.a., Seelze 1997, S. 42.

4 Befindet sich das Geschehene, an das sich eine Person erinnert, vor der Geburt dieser, nennt man dieses Erinnern auch historische Erinnerung.

5 Vgl. R•sen, Jörn: Historische Orientierung. Uber die Arbeit des Geschichtsbewusstseins, sich in der Zeit zurechtzufinden, Köln/ Weimar/ Wien 1994, S. 214-218. Kunftig als: Rosen: Historische Orientierung sowie Loew: Danzig und seine Vergangenheit, S 18-21.

6 Loew: Danzig und seine Vergangenheit, S. 16.

7 Riisen: Historische Orientierung, S. 235.

8 Vgl. TL,oew: Danzig und seine Vergangenheit, S. 2°f.

9 Vgl. Riisen: Historische Orientierung, S. 223.
1° Vgl. Ebd., S. 223-225.

11 Vgl. Loew: Danzig und seine Vergangenheit, S. 23.

12 Vgl. A TIiisen: Historische Orientierung, S. 225-229.

13 Vgl.: Griinhagen, Colmar: Friedrich der GroBe und die Breslauer. In den Jahren 1740-1741, Breslau 1864, S. 1-16 sowie Weczerka, Hugo (Hrsg.): Handbuch der historischen Statten. Schlesien, 2. verbesserte und erweiterte Auflage, Stuttgart 2003, S. 49f.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Geschichtskultur Breslaus im 18. Jahrhundert
Untertitel
Eine Stadt zwischen Österreich und Preußen
Hochschule
Universität Stuttgart  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V130642
ISBN (eBook)
9783640364145
ISBN (Buch)
9783640364480
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichtskultur, Breslaus, Jahrhundert, Eine, Stadt, Preußen
Arbeit zitieren
Tanja Rilka (Autor:in), 2005, Geschichtskultur Breslaus im 18. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130642

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