Thomas von Aquin

Der Lex-Traktat


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Werke und Einordnung des Lex-Traktates

3 Das Gesetz
3.1 Das ewige Gesetz (lex aeterna)
3.2 Das natürliche Gesetz (lex naturalis)
3.2.1 Theoretische und praktische Vernunft
3.2.2 Natürliche Neigungen
3.3 Das menschliche Gesetz (lex humana)
3.3.1 Der Bezug zum Gemeinwohl
3.3.2 Der Gesetzgeber

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Thomas von Aquin wollte der Theologie den Charakter einer Wissenschaft geben und unternahm den Versuch einer neuen Grundlegung der christlichen Philosophie und Theologie. Zur Klärung der Glaubensgeheimnisse wird dabei die natürliche Vernunft herangezogen, insbesondere das philosophische Denken des Aristoteles. Thomas erlebte in seiner Zeit Gegensätze zwischen den Anhängern des Augustinus, der das Prinzip des menschlichen Glaubens betont, und den Anhängern Aristoteles, der von der Erfahrungswelt und der darauf aufbauenden Erkenntnis ausgeht. Thomas stellt die Frage nach einer möglichen Synthese von Philosophie und christlicher Heilsgeschichte, indem er aufzeigen will, dass sich beide Lehren nicht widersprechen, sondern ergänzen können. Einiges kann nach Thomas nur durch Glauben und Offenbarung erklärt werden, anderes nur durch Vernunft. Die Philosophie dient zur Untermauerung der christlichen Glaubenspräambeln.

Thema dieser Arbeit sind die Ausführungen des Scholastikers zum Gesetz vor dem Hintergrund, inwieweit seine Thesen philosophisch gewertet werden können. Einleitend wird der Umfang des Schaffens von Thomas skizziert und das Lex-Traktat in sein Gesamtwerk eingeordnet. In den folgenden Abschnitten wird das thomistische Gesetz analysiert, im Rahmen dieser Arbeit insbesondere mit Blick auf grundsätzliche Thesen. Dazu habe ich mich in erster Linie auf den Primärtext bezogen, übersetzt von Josef F. Groner. Sekundär waren die Interpretationen von Wolfgang Kluxen und Stefan Lippert sehr aufschlussreich. Anthony Kenny und Michael Wittmann lieferten ergänzende Kenntnisse zur thomistischen Ethik und zur Rezeption antiker Quellen.

Das göttliche Gesetz wird in der vorliegenden Arbeit nur am Rande behandelt, da es als theologischer Sonderfall bezeichnet werden kann. In dieser Arbeit ist das ewige Gesetz als metaphysischer Überbau von Bedeutung und die Ableitung des menschlichen Gesetzes aus dem natürlichen Gesetz. Die Arbeit schließt mit einem Resümee in dem dargelegt werden soll, inwieweit dieses theologische Konstrukt vom Gesetz philosophisch relevant sein kann.

2 Werke und Einordnung des Lex-Traktates

Thomas gab sich ganz der Wissenschaft hin und schuf zwei systematische Hauptwerke, die Summa contra Gentiles, die Summe gegen die Heiden, auch bekannt unter dem Titel Über die Wahrheit des katholischen Glaubens und die Summa Theologiae oder Zusammenfassende Gesamtdarstellung der Theologie. Die Hauptwerke des Thomas, die zwei Summen, sind im Zusammenhang mit dem Bildungsauftrag des Dominikanerordens zu verstehen. Der Scholastiker verfasste außerdem einige Disputationsmitschriften, wie zum Beispiel De veritate, Kommentare zu Aristoteles` Nikomachischer Ethik und zur Politik, kleinere Schriften und Streitschriften wie zum Beispiel De Malo und auch Schriften zur Rechts-, Staats- und Gesellschaftsphilosophie, darunter Vom Fürstenregiment.

Die Summa contra Gentiles stellt den Versuch dar, die Wahrheit der zentralen christlichen Glaubensinhalte, der Präambeln, im Sinne der Vernunft zu prüfen und zu verteidigen. Sie umfasst vier Bücher, in denen Thomas je ein Thema behandelt: die Natur Gottes, die erschaffene Welt, ethische Fragen und schließlich spezifisch christliche Fragen, wie Dreifaltigkeit und Sakramente. Laut Kenny geht Thomas in der Summa contra Gentiles „bei seiner Argumentation von philosophischen Prämissen aus und verzichtet auf konfessionsgebundene Unterstellungen; er behandelt seine Themen mit subtiler Schärfe, also in einem spürbar anderem Stil als die ansonsten übliche missionarische Apologetik“.[1] Die Heiden von denen er sich abgrenzen will sind in erster Linie der jüdische Religionsphilosoph Moses Maimonides und die islamischen Philosophen Avicenna und Averroes.[2]

Das Lex-Traktat findet sich in der Summa Theologiae. Thomas begann dieses Werk 1265/66 im Dominikanerkonvent in Rom. Er führte die Arbeit an diesem Werk zwischen 1268-72 in Paris und Neapel weiter, hat es aber nie abgeschlossen, da er im Winter 1273/74 seine gesamte intellektuelle Arbeit abbrach. Die Summa Theologiae ist als Handbuch der Theologie konzipiert, die auch Anfängern den christlichen Glauben in seiner Gesamtheit in streng systematischer Ordnung vorstellen soll. Sie sollte die Sentenzen des Petrus Lombardus ersetzen, die üblicherweise Gegenstand der Vorlesungen waren. Es handelt sich um eine Mischung aus systematischem Traktat und thematischer Sammlung und das Werk ist in drei Teile gegliedert. Es handelt sich um eine mit größter Sachlichkeit geführte wissenschaftliche Debatte und diese Vorgehens-weise ist kennzeichnend für Thomas` Denken.[3]

Hauptthema des ersten Teils ist die philosophisch-theologische Gotteslehre. Gott wird als das erste Prinzip behandelt und dies ist auch der Ausgangspunkt der thomistischen Lehre. Der zweite Teil kann als christliches Traktat über die Ethik bezeichnet werden, hier wird die Morallehre behandelt. Thomas konstatiert, dass jedes Handeln auf ein Ziel gerichtet ist und letztes Ziel aller Menschen die Glückseligkeit ist. Die Struktur des Textes lehnt sich an die Nikomachische Ethik an, in der nach Aristoteles Glück das Tätigsein der Seele in Übereinstimmung mit der Tugend ist. Dieser zweite Teil stellt den größten der drei Teile dar und ist nochmals unterteilt in den ersten des zweiten Teils, der Prima Secundae, die den allgemeinen Teil der Ethik darstellt und in die Secunda Secundae, die seine ausführliche Lehre über einzelne moralische Themen enthält. Der unvollendete dritte Teil behandelt christliche Fragen und die Sakramente, bis hin zu Tod, Weltende und Auferstehung und damit verbunden die Rolle Jesu Christi als Erlöser. Damit zeigen der zweite und dritte Teil die Rückkehr des Menschen zum Ursprung, also zu Gott. Diese Struktur der Summa Theologiae geht zurück auf eine Wirklichkeitskonzeption des Neuplatonismus, dem Modell des Exitus–Reditus. Demnach geht die gesamte Wirklichkeit aus einem ersten Prinzip hervor und kehrt zu diesem zurück.[4]

Um die Quaestiones zu beantworten, greift Thomas auf die praktische Philosophie des Aristoteles zurück und ergänzt die vier Kardinaltugenden Gerechtigkeit, Klugheit, Mäßigung und Tapferkeit um die theologischen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung. Vorher prüft Thomas die allgemeinen Prinzipien des moralischen Handelns und unterteilt diese in innere und äußere Prinzipien. Thomas von Aquin baut seine Ethik systematisch auf und ist bestrebt, auch das Gesetz systematisch einzugliedern. Er leitet vom sittlichen Handeln zum Gesetz über und sieht zuerst die Tugend als inneres Prinzip des sittlichen Handelns. Er kommt zu dem Schluss, dass das wichtigste der äußeren Prinzipien das Gesetz ist und analysiert dieses in den Fragen 90 – 108 der Prima Secundae. Thomas bearbeitet zu diesem Thema das Alte Gesetz, also den alttestamentarischen Dekalog und das Neue Gesetz der Lehre Christi. Laut Imbach geht Thomas selbst davon aus, „dass ein großer Teil der expliziten Prämissen, sofern sie eben mit Sätzen des christlichen Glaubens identische sind, weder evident noch vernünftig nachvollziehbar sind.“[5] Diesem theologischen Thema geht ein theoretischer Teil voraus, indem sich Thomas bemüht, das Gesetz unabhängig von spezifisch theologischen Aspekten darzustellen. Wie sich im Folgenden zeigen wird, behalten die Ausführungen des Scholastikers trotzdem spekulativen Charakter.

3 Das Gesetz

Die in einer konkreten Gemeinschaft geltenden Gesetze leitet Thomas in einem gestuften Verfahren vom ewigen Gesetz ab, dem lex aeterna. Jedes andere Gesetz geht aus dem ewigen Gesetz hervor. Das natürliche Gesetz, das lex naturalis, ist Derivat des ewigen Gesetzes. Auf unterster Stufe in der thomistischen Gesetzes-Hierarchie ist das menschliche Gesetz, das lex humana. Die Basis für das lex humana ist das lex naturalis, das aber wiederum vom lex aeterna abhängt.

Das göttliche Gesetz, das lex divina, führt er auch an, da es für den Theologen als Inbegriff aller geoffenbarten Gebote gilt. Das göttliche Gesetz weist auf den freien Willen Gottes hin und ist somit ein Gebot der christlichen Theologie, das jeden Zweifel ausschließt. Damit kann der Mensch laut Thomas absque omni dubitatione, also ohne jeden Zweifel „wissen (...), was er zu tun und was er zu lassen hat“.[6] Nach Thomas muss das menschliche Gesetz um das göttliche Gesetz ergänzt werden, da es sich nur auf die äußeren Handlungen erstreckt. Innere Vorgänge können nicht von außen beurteilt werden, aber die Tugend verlangt, dass das Handeln nicht nur nach außen gut ist, sondern auch nach innen. „Doch weil der Mensch auf die ewige Glückseligkeit als sein Ziel hingeordnet ist, die über der Reichweite der natürlichen menschlichen Kräfte liegt, musste er außer durch das natürliche und das menschliche Gesetz auch noch durch ein von Gott gegebenes Gesetz zu seinem Ziel hingelenkt werden“.[7] Das Gesetz steht für Thomas insgesamt und unmittelbar in Beziehung zu einem Willen, der für den christlichen Theologen in Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen gedacht wird, in dem Sinne, dass Gottes Wille zugleich das Gute ist.

Anthropologisch betrachtet ist menschliches Handeln verstandesgeleitet und zielgerichtet und Thomas begründet hieraus, dass das Gesetz eine Anordnung des Verstandes ist, eine ordinatio rationis.[8] Schon zu Beginn der Prima Secundae stellt Thomas fest, dass das menschliche Handeln vernunftgeleitet ist.[9] Das Gesetz ist laut Thomas infolgedessen eine Anordnung des Verstandes, weil es Regeln oder Maßstäbe enthält, nach denen man handelt. Die Regeln und Maßstäbe, die in gesetzlichen Vorschriften formuliert werden, bestimmt Thomas als allgemeine, auf Handlungen hingeordnete Sätze der praktischen Vernunft. Das Gesetz fungiert somit als Handlungsanweisung und weist auf die Vernunft hin, weil die Vernunft principium primum actuum humanorum ist, also erstes Prinzip des Handelns. Darüber hinaus erfolgt nach Thomas alles Handeln um eines Zieles willen und da nur die Vernunft fähig ist, Ziele zu erkennen, ist die Vernunft ein Spezifikum menschlichen Handelns. Thomas zitiert Aristoteles und folgt dessen Deutung des Menschen als ein vernünftiges Lebewesen.[10]

[...]


[1] Kenny, S. 21.

[2] Averroes war spanisch-arabischer Philosoph und Hofarzt und kommentierte fast jedes Werk von Aristoteles. Avicenna war persischer Arzt, Philosoph und Wissenschaftler und versuchte in seinen Schriften die Philosophie Aristoteles mit der Religion Mohammeds zu verbinden. Moses Maimonides war jüdischer Philosoph, Arzt und Rechtsgelehrter und er unternahm den Versuch, die jüdische Religion mit der aristotelischen und zum Teil auch mit der neuplatonischen Philosophie zu verbinden.

[3] Der literarische Stil der Summa Theologiae ist die Quaestionenform, abgeleitet von quaestio, die Frage. Der Titel der quaestio ist die Frage, die dann im Folgenden erörtert wird. Die Summa ist nicht in Kapitel eingeteilt, sondern wie eine Disputation in Artikel. In einzelnen objectiones wird der Meinungsstand entgegengesetzter Autoritäten dargelegt, ohne eine direkte Antwort zu geben. Es folgt eine Widerlegung der Autoritäten, die seine Meinung nicht stützen, eingeleitet mit sed contra. Erst dann formuliert Thomas seine eigene Antwort auf die eingangs gestellte Frage und beginnt mit respondeo. Am Schluss werden mit ad primum etc. die vorher aufgestellten objectiones einzeln widerlegt.

[4] Vgl. Kenny, S. 32-47.

[5] Imbach, S. 147.

[6] „…homo absque omni dubitatione scire possit quid ei sit agendum et quid vitandum, necessarium fuit ut in actibus propriis dirigeretur per legem divinitus datam, de qua constat quod non potest errare.” ST I-II, 91,4.

[7] „Sed quia homo ordinatur ad finem beatudinis aeternae, quae excedit proportionem naturalis facultatis humanae, ut supra habitum est, ideo necessarium fuit ut supra legem naturalem et humanum, dirigerentur etiam ad suum finem lege divinitus data.” ST I-II, 91,4.

[8] Vgl. „Ergo lex est aliquid rationis.“ ST I-II, 90,1.

[9] „…procedunt ex deliberatione rationis.“ Vgl. ST I-II, 1,1.

[10] „Regula autem et mensura humanorum actuum est ratio, quea est principium primum actuum humanorum, ut ex praedictis patet: rationis enim est ordinare ad finem, “qui est primum principium in agendis”, secundum Philosophum.” ST I-II, 90,1.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Thomas von Aquin
Untertitel
Der Lex-Traktat
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Moderne Interpretation klassischer Philosophen
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V130326
ISBN (eBook)
9783640366569
ISBN (Buch)
9783640366736
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Thomas, Aquin, Lex-Traktat
Arbeit zitieren
Dani Narjes (Autor:in), 2007, Thomas von Aquin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130326

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