Agenda-Setting: Entwicklung & Facetten eines Forschungsansatzes


Seminararbeit, 2009

13 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Wissenschaftsbegriffe im Alltagsgebrauch

2. Der Ursprung des Agenda-Setting-Ansatzes

3. Prägung und Weiterentwicklung des Agenda-Setting-Ansatzes
3.1. Die erste Forschungsphase: Der Nachweis des Agenda-Settings
3.2. Die zweite Forschungsphase: Rahmenbedingungen des Agenda-Settings
3.3. Die dritte Forschungsphase: Neue Perspektiven
3.2.1. Neue Wirkungsdimensionen: Second-Level-Agenda-Setting
3.2.2. Neue Wirkungsräume: Ranglisten und Beziehungen
3.4. Die vierte Forschungsphase: Wie entsteht eine Agenda?
3.4.1. Intermedia-Agenda-Setting
3.4.2. Agenda-Building

4. Fazit: Die Suche lohnt sich

5. Literaturverzeichnis

6. Webverzeichnis

1. Einleitung: Wissenschaftsbegriffe im Alltagsgebrauch

Ein grundlegendes Problem der Publizistik- & Kommunikationswissenschaften ist die Alltagsgebundenheit ihres Fachgegenstands.[1] Schriftliche und verbale Kommunikation „schein[en] dem Laien, der sie [jeden Tag] praktiziert, problemlos erkennbar.“[2] Die Gefahr, dass Begriffe aus der Umgangssprache „unhinterfragt und undefiniert in die Wissenschaft“ übernommen werden, ist deshalb groß. Ebenso groß ist die Gefahr, dass Laien Wissenschaftsbegriffe, ohne Verständnis der ihnen zu Grunde liegenden Konzepte, im Alltag verwenden. So zum Beispiel den Begriff des ‚Agenda-Settings’. Längst schmückt er zahllose Berichte in Zeitung, Fernsehen und den neuen Medien. „Betreibt der Bundestrainer Agenda-Setting?“, fragt Onlinejournalist Oliver Fritsch.[3] Sein Kollege, Wolf Schneider schreibt mit Blick auf die Politik in Hessen: „In der Zeitung stand [Roland Koch] jeden Tag. [A]uch den kritischsten Journalisten blieb nichts anderes übrig, als ihm [ein] Forum zu verschaffen.“ Koch bestimmte die Tagesordnung. Er bestimmte „worüber sich die Menschen aufregen.“ – „,Agenda Setting’ heißt das in der Publizistik.“[4] Schneider und Fritsch gehen auf einzelne Aspekte des Agenda-Setting-Ansatzes ein. Diese Aspekte integrieren sie in ihre eigenen, simplen Erklärungsmodelle. Agenda-Setting ist jedoch ein komplexer Prozess und muss als solcher dargestellt werden. 40 Jahre Forschung fordern ihren Tribut.

2. Der Ursprung des Agenda-Setting-Ansatzes

Bereits in den zwanziger Jahren gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Medien, im Besonderen die Presse, durch ihre Berichterstattung das Realitätsbild der Menschen beeinflussen. In seinen Buch ‚Public Opinion’ analysierte Walter Lippmann das Verhältnis der „world outside“ zu den „pictures in our head“.[5] Mit seinen Untersuchungen erregte Lippmann nur wenig Aufsehen. In der Kommunikationsforschung konzentrierte man sich damals auf den Nachweis der direkten Wirkung von Medien auf Einstellungen und Verhalten der Rezipienten.[6] Trotz intensiver Arbeit blieb ein Erfolg aus. Die Medienwirkungsforschung geriet in die Krise. Diese Krise endete in den 60er Jahren mit einem Paradigmenwechsel. Die Ausrichtung der Forschung auf direkte Medienwirkungen verschob sich zu Gunsten indirekter Medienwirkungen. Die Lippmansche Vorstellung von den realitätsprägenden Medien inspirierte eine neue Forschergenerationen. 1958 erkannte Norton Long den Einfluss der Zeitung bei der Wahl von Themen für zwischenmenschliche Kommunikationsprozesse.[7] Die beiden Wissenschaftler Kurt und Gladys Lang gelangten zu ähnlichen Erkenntnissen.[8] Long, Lang und Lang formulierten die Grundgedanken des Agenda-Settings. Bernard Cohen fasste diese Grundgedanken 1963 in seinem vielzitierten Werk ‚The Press and Foreign Policy’ zusammen. Er erklärte:

„[T]he press is significantly more than a purveyor of information. It may not be successful much of the time in telling people what to think, but it is stunningly successful in telling is readers what to think [and talk] about“.[9]

Die Medien, hier in Form der Presse, bestimmen durch Art und Gewichtung der Berichterstattung welchen Themen Rezipienten besondere Bedeutung zusprechen. In Folge dessen entscheiden sie worüber Rezipienten nachdenken und reden.

3. Prägung und Weiterentwicklung des Agenda-Setting-Ansatzes

1972 veröffentlichten Maxwell McCombs und Donald Shaw ihre berühmte Chapel-Hill-Studie, in der sie dem Phänomen, das ihre Vorgänger und Kollegen untersucht hatten, einen Namen gaben. Der Begriff des ‚Agenda-Settings’ war geboren. Eine große Zahl von Forschern wurde auf das Konzept aufmerksam. Ihre Arbeiten[10] setzten neue Forschungsschwerpunkte. Diese Schwerpunkte lassen sich nach Maxwell McCombs vier grundlegenden ‚Forschungsphasen’ zuordnen.[11] Der Begriff der ‚Forschungsphase’ bezeichnet dabei keine zeitlich abgeschlossene Forschungsstufe, sondern eher eine Forschungstendenz.

3.1. Die erste Forschungsphase: Der Nachweis des Agenda-Settings

Die erste, klassische ‚Phase’ der Agenda-Setting-Forschung begründeten McCombs und Shaw mit der Chapel-Hill-Studie, dem erstmaligen Nachweis von Agenda-Setting-Effekten. Die notwendigen Daten für die Studie wurden während des Präsidentschaftswahlkampfs 1968 in Chapel Hill, einer Stadt im US-Bundesstaat North Carolina, erhoben. McCombs und Shaw befragten 100 unentschlossene Wähler. Sie ermittelten welche politischen Themen[12] diesen Wählern am wichtigsten erschienen. Die daraus resultierende ‚Bevölkerungs-agenda’[13], also die Themenprioritäten der Bevölkerung, verglichen McCombs und Shaw mit einer ‚Medienagenda’, die sie durch Inhaltsanalyse der in Chapel Hill verfügbaren Medien aufstellten. Die beiden Wissenschaftler vermuteten, dass

„while the mass media have little influence on the direction or intensity of attitudes [they nevertheless] set the agenda for each political campaign, influencing the salience of attitudes towards the political issues.”[14]

[...]


[1] Vgl. Klaus Merten, Einführung in die Kommunikationswissenschaft, 1. Band: Grundlagen, Münster 1999, S. 15.

[2] Klaus Beck, Kommunikationswissenschaft, Konstanz 2007, S. 1.

[3] Oliver Fritsch, Betreibt der Bundestrainer Agenda-Setting?, www.direkter-freistoss.de, letzter Zugriff: 04.05.2009.

[4] Wolf Schneider, Was Hessen über Moden und Kampagnen lehrt, www.sueddeutsche.de, letzter Zugriff: 04.05.2009.

[5] Vgl. Walter Lippmann, Public Opinion, New York 1949.

[6] Vgl. Wolfgang Eichhorn, Agenda Setting-Prozesse. Eine theoretische Analyse individueller und gesellschaftlicher Themenstrukturierung, München 2005, S. 6 – 8.

[7] Vgl. Norton Long, The local community as an ecology of games, in: American Journal of Sociology 64, S. 251 – 261.

[8] Vgl. Kurt Lang / Gladys Lang, The mass media and voting, in: E. Burdick / A.J. Brodbeck (Hg.), American Voting Behavior, New York 1959, S. 217 – 235.

[9] Vgl. Bernard C. Cohen, The Press and Foreign Policy, Princeton 1963, S.13.

[10] ü ber 200 veröffentlichte Artikel im Zeitraum von 1972 - 1993, jeweils 17 - 20 Publikationen in den Jahren 1977, 1981, 1987 und 1991. – Vgl. Maxwell McCombs / Donald Shaw, The Evolution of Agenda-Setting Research: Twenty-Five Years in the Marketplace of Ideas, in: Journal of Communication, Reihe 43, Nummer 2, 1993, S. 59.

[11] Vgl. Maxwell McCombs, Explorers and Surveyors: Expandings Strategies for Agenda-Setting Research, in: Journalism Quarterly, Nummer 69, 1992, S. 813 – 824.

[12] Themen (issues), “current topics and civics concerns linked to the national interest [!]”, Vgl. Chaim Eyal, Newspaper political advertising and news in the 1984 Israeli election, in: Journalism Quarterly, Nummer 62, 1985, S. 601 – 608.

[13] „What is an agenda: it is a list of issues and events that are viewed at a point in time as ranked in a hierarchy of importance.” Everett Rogers, James Dearing, Agenda-Setting research: Where has it been, where is it going?, in: James Anderson (Hg.), Communication Yearbook, Nummer 11, Beverly Hills 1988, S. 565.

[14] Maxwell McCombs / Donald Shaw, The Agenda-Setting-Function of Mass Media, in: Public Opinion Quarterly, Nummer 36, 1972, S. 176 – 187.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Agenda-Setting: Entwicklung & Facetten eines Forschungsansatzes
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Praxisseminar: Nachrichten und Politik
Note
1.7
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V130233
ISBN (eBook)
9783640387069
ISBN (Buch)
9783640386871
Dateigröße
436 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Agenda-Setting, Entwicklung, Facetten, Forschungsansatzes
Arbeit zitieren
Stefan Noack (Autor:in), 2009, Agenda-Setting: Entwicklung & Facetten eines Forschungsansatzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130233

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