Im Roten Kloster: Das Journalistikstudium in der DDR


Seminararbeit, 2008

13 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorurteile und Realitäten

2. Die Grundprinzipien der DDR-Journalistik

3. Der Studienstandort Leipzig

4. Auswahlkriterien

5. Grundversorgung der Studenten

6. Der Unterricht

7. Wehrdienst

8. Praktika

9. Die Macht der Partei

10. Überwachung durch die Stasi

11. Journalistische Karrieren nach der Wende

12. ‚Das Rote Kloster’ nach der Wende

13. Schlusswort

14. Quellen

1. Vorurteile und Realitäten

Das Bild bundesdeutscher Wissenschaftler vom Journalistikstudium in der DDR wurde, laut Joachim Schlevoigt[1], von „[d]ümmliche[n] Vorurteile[n]“[2] bestimmt. Journalistikstudenten im ‚Osten’ galten als überzeugte Sozialisten, als Marionetten der SED.[3] „Dümmliche Vorurteile“, doch was steckt dahinter? Wie dachten, lernten und lebten Journalistikstudenten in der DDR wirklich? Wie wurde mit ihnen umgegangen?

2. Die Grundprinzipien der DDR-Journalistik

Bei der Beantwortung dieser Frage muss ein erster Blick den Grundprinzipien der DDR-Journalistik gelten. Lenin[4], der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, sprach dem bedeutendsten Medium seiner Epoche, der Zeitung, drei wichtige Funktionen zu. „Die Zeitung ist […] kollektiver Propagandist[,] Agitator, [und] Organisator.“[5] Was steht hinter diesen Begriffen? Laut Herrmann Budzislawski[6] ist der Propagandist ein „Aufklärer“. Er vermittelt Wissen. Der Agitator hingegen ist eine Art „Führer“. Er regt zum Handeln an. Gemeinsames Wissen und gemeinsames Handeln geben Gruppen unabhängiger Individuen eine gemeinsame Organisationsstruktur. Daher kann „keine […] Massenbewegung in einem halbwegs zivilisierten Land [ohne Zeitung, d.h.: ohne einen journalistischen Apparat] auskommen“.[7]

Laut SED war die Deutsche Demokratische Republik ein Arbeiter- und Bauernstaat. Dieser Arbeiter- und Bauernstaat sollte auf dem Fundament einer ‚sozialistischen’ Gesellschaftsordnung stehen. Große Teile der DDR-Gesellschaft, das wurde spätestens am 17. Juni 1953[8] klar, waren relativ ‚unsozialistisch’. Hier kamen nun die Medien ins Spiel. Ihre Aufgabe war es die Ideale des Sozialismus „wie eine Fahne voran[zutragen]“[9]. Um Lenins Theorem aufzugreifen: Sie sollten, auf Basis des Sozialismus, propagieren und agitieren, um so die DDR-Gesellschaft, im Sinne des Sozialismus, zu reorganisieren.[10],[11],[12]

Kernzelle der Medienarbeit waren die „sozialistischen Journalisten“. Sie verstanden sich, laut dem Verband der Journalisten der DDR (VDJ), als „Funktionär[e] der Partei“[13]. Nun galt aber für die Journalisten, in Analogie zur Gesellschaft: Nicht jeder Journalist war von vornherein Sozialist. Er musste, dessen war sich die SED-Führung bewusst, erst von der Partei zum Sozialisten erzogen werden. Das Werkzeug, das der Partei dazu diente, war das Leipziger Institut für Zeitungswissenschaft, das sogenannte „Rote Kloster“.[14]

3. Der Studienstandort Leipzig

Das Institut für Zeitungswissenschaft der Universität Leipzig, das erste publizistische Institut in Deutschland, wurde 1926 von Karl Bücher[15], gegründet. Nach der Requirierung durch die Nazis, 1933 – 1945, blieb es geschlossen. 1950 regte der Vorstand der SED zur „Herausbildung eines akademisch geschulten, journalistischen Nachwuchses“[16], die Wiedereröffnung des Instituts an. Mit der Wiedereröffnung war eine umfassende Neustrukturierung verbunden. Diese Neustrukturierung diente der Ausrichtung des Instituts auf marxistisch-leninistische Prinzipien.[17] Die Verantwortung dafür wurde, „bewährten Antifaschisten“ übertragen. Darunter waren hochqualifizierte Journalisten wie Hermann Budzislawski, aber auch Laien mit geringer Qualifikation, wie etwa Heinrich Bruhn.[18],[19] Nach Moskauer Vorbild[20] wurde der Lehrstuhl für Publizistik und Zeitungswissenschaft mit seinen 375 Studienplätzen 1954 in eine eigenständige ‚Fakultät für Journalistik’ umgewandelt. Im Zuge des Ausbaus der Leipziger Universität, nun Karl-Marx-Universität, ging daraus 1969 die ‚Sektion Journalistik’, mit etwa 740 Studienplätzen, hervor.

4. Auswahlkriterien

An der Leipziger Sektion ‚Journalistik’ konnten sich alle DDR-Bürger[21] mit Abitur bewerben, die zuvor ein einjähriges Volontariat in einem Medienbetrieb durchlaufen hatten. Mitglieder der SED, der Blockparteien (DBD, CDU, LDPD, NDPD) und der Jugendorganisation FDJ[22] wurden bevorzugt aufgenommen. Gleiches galt für Arbeiter- und Bauernkinder[23].

In ihrem Buch “Das Rote Kloster“ berichtet die Schriftstellerin Brigitte Klump von ihrem Auswahlgespräch im Jahr 1954. „Herrmann Budzislawski[24] […] fragte mich: Worin sehen sie die ‚Aufgabe der Zeitung?’“. Er “erwartete […] ich würde mit den leninschen Begriffen operieren.“[25] Lenins Pressetheorie kannte Klump nicht. In ihrer Antwort erläuterte sie die Wirkungsweise der Presse im Milieu der Arbeiter und Bauern. Damit befolgte Klump Wilhelm Piecks[26] elementares Gesetz für Journalisten: „Wenn du schreibst und sprichst, so musst du stets an den einfachen Arbeiter [oder Bauern] denken, der dich verstehen […] und dir mit Bereitschaft folgen soll.“[27]

[...]


[1] Ehemaliger Student und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Leipziger ‚Sektion Journalistik’.

[2] Maik Henschke, Johannes David, Vom Roten Kloster zum Institut für KMW, www.uni-leipzig.de, Letzter Zugriff: 21.06.2008.

[3] SED, Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, 1946 unter Druck der Sowjets aus der KPD und SPD hervorgegangen.

[4] Wladimir Iljitsch Lenin (1870 – 19 24), Politiker, ‚Vater’ der Sowjetunion.

[5] Wladimir I. Lenin, Womit beginnen?, in: Brennende Fragen unserer Bewegung, 17. Auflage, Berlin 1983, S. 12.

[6] Hermann Budzislawski (1901 – 1978), erster Vorsitzender des Volksfrontausschusses in Prag, Herausgeber der ‚Neuen Weltbühne’, erster Dekan der ‚Sektion Journalistik’

[7] Vgl. Winarski, Andreas, Agitation mit Propaganda, Zur Theorie und Praxis von Agitation und Propaganda in der ehemaligen DDR, Berlin 2004.

[8] Auf Grund schlechter ökonomischer und sozialpolitischer Verhältnisse wurden in der DDR am 17. Juni 1953 Proteste laut. Es kam zum sogenannten ‚Volksaufstand’, der von der DDR Regierung mit sowjetischer Hilfe gewaltsam beendet wurde. Vgl.: www.ddr-wissen.de, letzter Zugriff: 21.06.2008.

[9] H. Sindermann, Schlußwort auf der 3. Pressekonferenz des ZK der SED, in: Die Presse – Kollektiver Organisator der sozialistischen Umgestaltung, Berlin 1959, S. 192.

[10] Günter Raue, Geschichte des Journalismus in der DDR, Leipzig 1986., S. 29.

[11] Vgl.: Holzweißig, Gunter, Die schärfste Waffe der Partei, 1. Auflage, Köln, 2002.

[12] Vgl.: Wilke, Jürgen, Journalisten und Journalismus in der DDR, Köln 2007.

[13] www.ddr-wissen.de, letzter Zugriff: 21.06.2008.

[14] Vgl. Pürer, Heinz, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Ein Handbuch. Konstanz 2003, S. 420 – 422.

[15] Karl Bücher (1847 – 1930), Nationalökonom und Journalist.

[16] A.a.O. Günter Raue, 1986, S. 27.

[17] Vgl. Hans Bohrmann, Studium nach dem Krieg : Lernen mit alten Büchern, www.journalistik-journal.lookingmedia.com, letzter Zugriff: 19.06.2008.

[18] Vgl.: a.a.O.Günter Raue,1986, S. 28.

[19] Hermann Bruhn hatte weder ein Gymnasium noch eine Universität besucht. Ihm wurde sein Profes- sorentitel für „Verdienste in der Arbeiterbewegung“ verliehen., Vgl.: Brigitte Klump, Das rote Klos- ter. Eine deutsche Erziehung. Produktion der Machtelite in der DDR, München 1980, S. 57 – 59.

[20] Die Moskauer Lomonossow Universität hatte die Journalistik bereits 1952 in den Rang einer selbstständigen Fakultät erhoben., Vgl.: a.a.O. Günter Raue, 1986, S. 28.

[21] In den Anfangsjahren der DDR studierten in Leipzig auch einige wenige überzeugte Kommunisten aus der Bundesrepublik. Sie wurden unter falschem Namen geführt. Ziel der DDR-Führung war es diese Kommunisten nach dem Studium ‚undercover’ in den bürgerlichen Zeitungen Westdeutschlands unterzubringen. Sie sollten die BRD „von innen her reif für den Sozialismus“ machen., a.a.O. Brigitte Klump, 1980, S. 85 – 86.

[22] FDJ, Freie Deutsche Jugend, Jugendorganisation der DDR.

[23] Im Besonderen: Arbeiter und Bauernkinder mit Arbeitserfahrung.

[24] Zu dieser Zeit Dekan der Fakultät.

[25] a.a.O. Brigitte Klump, 1980, S. 35.

[26] Wilhelm Pieck (1876 – 1960), Präsident der DDR, 1949 – 1960.

[27] Wilhelm Pieck, Der neue Weg zum gemeinsamen Kampf, Berlin 1957, S. 77.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Im Roten Kloster: Das Journalistikstudium in der DDR
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Grundstrukturen des Mediensystems, Kommunikationspolitische Konflikte
Note
1.3
Autor
Jahr
2008
Seiten
13
Katalognummer
V130232
ISBN (eBook)
9783640406579
ISBN (Buch)
9783640406814
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Roten, Kloster, Journalistikstudium
Arbeit zitieren
Stefan Noack (Autor:in), 2008, Im Roten Kloster: Das Journalistikstudium in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130232

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