Sexualität und Jungfräulichkeit in der Legende "Von der heiligen Margareta"

Tabus in der Literatur des Mittelalters


Hausarbeit, 2007

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Christentum, Kirche und Sexualität
2.1. Jungfräulichkeits- und Keuschheitsideal
2.2. “mulier naturaliter est minoris virtutis”
2.2.1. ratio inferior
2.2.2. Geist und Körper
2.3. Sündhafte Lust
2.4. Asketisches Leben und Begehren

3. Reproduktion

4. „Min name were eins mannes name“ – Der Mönch Pelagius

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt. Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.“ (Matthäus 5,3-12) (1079)

Das Festhalten am Glauben gegen jegliche Anfeindung, trotz der den Leib marternden heidnischen Ungläubigen oder andere Christen, die Hingabe an Gott bis zur Aufgabe der eigenen irdischen Existenz in Erwartung des Heils durch Gott sind Charakteristika von christlichen Märtyrern wie sie in den mittelalterlichen Heiligenlegenden dargestellt sind. Nicht immer nimmt das Martyrium ein den Leib zerfleischendes Ausmaß an, nicht jede Märtyrergestalt stirbt tausend Tode bevor die Erlösung, die Heiligung durch Gott erfolgt. „Seit alters her boten asketische Praktiken eine alternative Möglichkeit.“[1] In deren Rahmen kann „Jungfräulichkeit als Ersatzmartyrium“[2] fungieren. An der Figur der heiligen Margareta[3], die sich der von den Eltern verfügten Eheschließung entzieht und unter Namen und Maskerade eines Mannes in ein Kloster eintritt, wird eine solche Art des Martyriums, in Form von selbstgewählter Enthaltsamkeit zusätzlich einer von außen aufgezwungenen Askese, vorgeführt. Margareta, die sich Pelagius nennt, wird von den Klosterbrüdern für würdig befunden, dem anliegenden Frauenkloster vorzustehen. Nach einer Zeit frommen Lebens und Lehrens wird sie unter der Anschuldigung eine Frau geschwängert zu haben, zur Buße in einen Kerker geworfen, wo sie, ihre Identität als Frau verbergend, im Tod die Erlösung durch Gott findet.

Ingrid Kasten bezeichnet „die Unterscheidung in einen reproduktiven 'weiblichen' und einen nicht 'reproduktiven' männlichen Körper“ als für die Gattung der Legende konstitutiv.[4] Daher richte sich das Virginitätsideal, wie es auch von Margarete/Pelagius verkörpert wird, in erster Linie an den weiblichen, durch die Fähigkeit zur Reproduktion markierten Leib, der sich durch Jungfräulichkeit eben dieser entzieht. „Paradox“ wirke daher vor diesem Hintergrund „Virginität (...) als Lebensentwurf für Männer, die sich zwecks Heiligung der – sexuelle Enthaltsamkeit einschließenden – Askese verschrieben haben“[5]. Männliche Virginität sei gleichsam stets eingebunden in die Abwehr und Kontrolle des Weiblichen als dem Reproduktiven und in „die Vergewisserung männlicher Omnipotenz“[6]. Diese Einschätzung folgt dem Dualismus von Weiblichkeit/Leib und Männlichkeit/Geist. So nennt sie denn auch als „Maßstab des Heiligen (...) eine von Körperlichkeit, von Geschlechtlichkeit, von 'Weiblichkeit' gleichsam 'gereinigte' spirituelle 'Männlichkeit'.“[7] Während dieser Ansatz seine Berechtigung verdient, möchte ich in dieser Arbeit eine abweichende Herangehensweise an das Jungfräulichkeitskonzept der Margareta vorschlagen und diskutieren. Meines Erachtens verbirgt sich hinter dem Virginitätskonzept und der Performanz der männlichen Geschlechtsidentität der Figur eben nicht vorrangig die Eliminierung des reproduktiven weiblichen Körpers mit dem Ziel einer der Reproduktion entzogenen Männlichkeit um so Heiligung zu erreichen. Neben der Jungfräulichkeit nennt die Bibel gerade die Fähigkeit zur Reproduktion als eine Möglichkeit, ein zur Vollkommenheit gereichendes Leben zu führen, die Schuld der Erbsünde zu tilgen. Denn für die Frau heißt es doch in den Pastoralbriefen der Bibel: „Sie wird aber dadurch gerettet werden, dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie in Glaube, Liebe und Heiligkeit ein besonnenes Leben führt.“[8] Warum jedoch schlägt Margareta einen solchen Weg aus? Weshalb entscheidet sie sich für ein klösterliches Leben und warum nicht für eines in einem Frauenkloster?

In der vorliegenden Legende werden Sexualität als Sünde und Jungfräulichkeit als eine der christlichen Lebensweise vorbildlich entsprechende Tugend exemplarisch vorgeführt, eine Tugend, die höher zu bewerten ist, als die eheliche Gemeinschaft, höher als die Zeugung von Nachkommen durch Mann und Frau. Dem entsprechend erweisen sich Jungfräulichkeit und sexuelle Enthaltsamkeit als auch für Männer geltende Leitlinien. Daher ist Sexualität hier nicht nur vor dem Hintergrund der Reproduktion zu betrachten. Zu fragen ist wie Sexualität durch das Christentum und die Kirche und die mittelalterliche Gesellschaft gewertet wird und welche Charakteristika dem Wesen der Frau und des Mannes sowie ihren Körpern zugeschrieben werden. Schließlich gilt das Interesse auch den Körpern in ihrer Fähigkeit zur Reproduktion.

2. Christentum, Kirche und Sexualität

„Ir reinliche kuschheit
Dachte sie behalden
Gote und dar an alden

Das sie des blibe sunder schame.“[9]

Sexualität wird im Text schon früh verbunden mit schame. Gewichtiger jedoch ist die folgende Gleichsetzung von Sexualität durch Margareta mit „der werlde unvlat“[10] vor dem sie bewahrt werden will. Sexualität ist im gesamten Text negativ besetzt. Sie lässt sich nicht einfügen ein Gott geweihtes Leben, wie es Margareta vorschwebt. Das christliche Ideal, das jedoch nicht von allen Menschen erfüllt werden kann, ist die Jungfräulichkeit.[11] Dieses gilt für Frauen als auch für Männer, denn es heißt, „es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren.“[12] Das Jungfräulichkeits- und Keuschheitsideal ist eingebettet in das Verständnis von Sex als sündhafter und weltlicher Handlung, als Kontrollverlust und Grund für die Entfremdung vom Herrn. Daher ist Margareta bereit das „joch“ zu tragen, sich Gott vertrauend zu ergeben, wenn er ihr helfe

„Daz ihres herzen kusche wat
Unbesult in erden blibe
Und daz sie alle ire zit vertribe
Mit kuschheit untz an den tot.“[13]

2.1. Jungfräulichkeits- und Keuschheitsideal

„Der Leib ist aber nicht für die Unzucht da, sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib. (...) Wer sich (...) an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm.“[14]

Sexualität ist zwar verbunden mit Zeugung, Geburt und patriarchalen Rollenzuweisungen, jedoch nicht ausschließlich in diesem Kontext zu betrachten. Meines Erachtens entzieht sich Margareta der beschlossenen Ehe, um das christliche Jungfräulichkeitsideal für sich zu verwirklichen. Verständlich wird das, wenn auf Ehe und Jungfräulichkeit verweisende Bibelstellen herangezogen werden. So heißt es beispielsweise neben der Eingangs genannten Feststellung:

[...]


[1] Kasten, Ingrid: Gender und Legende. Zur Konstruktion des heiligen Körpers, in: Bennewitz, Ingrid/Kasten, Ingrid (Hrsg.): Genderdiskurse und Körperbilder im Mittelalter: Eine Bilanzierung nach Butler und Laqueur, Bamberger Studien zum Mittelalter:1 (LIT Verlag, Münster: 2002), S. 202.

[2] Müller, Maria E.: Jungfräulichkeit in Versepen des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Bumke, Joachim/Cramer, Thomas/Grubenmüller, Klaus/Kaiser, Gert/Wenzel, Horst (Hrsg.): Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur: 17 (Wilhelm Fink Verlag, München: 1995), S. 23.

[3] Von der hl. Margareta, in: Reissenberger Karl: Das Väterbuch. Aus der Leipziger, Hildesheimer und Straßburger Handschrift, 2. unveränderte Auflage (Dublin, Zürich: 1967), S. 518-525.

[4] Kasten, Ingrid (2002), S. 203.

[5] ebd.

[6] ebd.

[7] Kasten, Ingrid (2002), S. 205.

[8] Timotheus 2,8-15, S. 1326 in Die Bibel. Vollständige Ausgabe des Alten und des Neuen Testaments in der Einheitsübersetzung, 2. Auflage

(Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart: 1998)

[9] Von der hl. Margareta, V. 3584-3587.

[10] ebd., V. 35845.

[11] vgl. Müller, Maria E. (1995), S. 10.

[12] Korinther 7,1-40, S. 1272.

[13] Von der hl. Margareta, V. 35846-35849.

[14] Korinther 6,12-20.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Sexualität und Jungfräulichkeit in der Legende "Von der heiligen Margareta"
Untertitel
Tabus in der Literatur des Mittelalters
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Philosophie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V130197
ISBN (eBook)
9783640362004
ISBN (Buch)
9783640362332
Dateigröße
428 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sexualität, Jungfräulichkeit, Legende, Margareta, Tabus, Literatur, Mittelalters
Arbeit zitieren
Katja Losensky (Autor:in), 2007, Sexualität und Jungfräulichkeit in der Legende "Von der heiligen Margareta", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130197

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