Stadt, Raum und Geschlecht


Hausarbeit, 2008

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Definitionen
1.1. Definition Raum
1.2. Definition Geschlecht und Gender
1.3. Definition Stadt/Urbanität/Öffentlichkeit – Privatheit

2. Historische Entwicklung des Zusammenhangs von Stadt und Geschlecht

3. Feministische Forschung/Genderforschung

4. Aktuelle Ergebnisse der Genderforschung zum Thema „Frau und Stadt“
4.a Raum und Geschlecht
4.b Mobilität
4.c Angsträume
4.d Zeitmanagement

5. Maßnahmen zur Verbesserung der Aneignung des Stadtraums durch die Frau
5.a Hilfe zur Selbsthilfe
5.b Umsetzung der Erkenntnisse (Gender Maintreaming)

6. Schluss

7. Literaturverzeichnis

8. Internetquellen

0. Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit der Bedeutung des Raumes in Wechselwirkung mit dem Geschlecht. Beides sind Themen die so alt wie die Menschheit selbst sind. Die Verknüpfung der beiden in der wissenschaftlichen und besonders der soziologischen Betrachtung ist im Gegensatz dazu noch ziemlich jung. Dies lässt sich wahrscheinlich auf die Alltäglichkeit und Allgegenwärtigkeit der beiden Themenkomplexe zurückführen. Bei genauerer Betrachtung ist die Beschäftigung mit diesen Forschungsgegenständen jedoch genau aus diesem Grund unerlässlich, um vorhandene gesellschaftliche Strukturen besser verstehen zu können. Dieses Verständnis ist die Grundlage, um im Bedarfsfall Verbesserungen und Änderungen dieser Strukturen vornehmen zu können.

Diese Abhandlung soll nun die bisher gewonnen Erkenntnisse in kurzer Form skizzieren. Aus diesem Grund sollen zunächst die verwendeten Begrifflichkeiten, wie Stadt, Land und Geschlecht, in der allgemeinen soziologischen Verwendung erläutert werden. Darüberhinaus soll die historische Entwicklung der Wechselbeziehung zwischen den Begriffen dargestellt, sowie die wissenschaftlichen Betrachtungsweisen, bis hin zu ihrer Verbindung, veranschaulicht und nachvollziehbar gemacht werden. Vor allem soll dargelegt werden, wie sich die moderne, industrielle Großstadt des 19. Jahrhunderts erstmalig zum Emanzipationsraum der Frau entwickelt und wie sich gleichzeitig an dieser Stelle die Grundlagen einer, bis in die 1960er Jahre andauernden Repression herausbilden. Desweiteren ist es Ziel der Arbeit, die ersten Ansätze der Frauenforschung mit Blickpunkt „Stadt“ aufzuzeigen. Demfolgend soll der moderne Wissenschaftsdiskurs dargelegt und die darin festgestellten Probleme offenbart werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Angsträume, das individuelle Zeitmanagement und die Mobilität gelegt. Die weitere Zielsetzung besteht darin mögliche Lösungsansätze, zu den sich ergebenden Problemen des Verhältnisses zwischen Stadt und Geschlecht, zu präsentieren. Schließlich sollen im Fazit die wichtigsten Erkenntnisse noch einmal knapp zusammengefasst und mögliche Kritikpunkte angemerkt werden.

1. Definitionen

1.1. Definition Raum

Im Allgemeinen wird die Beschreibung von Raum auf einem von zwei Wegen begangen. Der eine beschreibt in einer euklidischen Tradition eine absolute Sichtweise des Raumes, während auf der anderen Seite seit Einstein auch eine relative Sichtweise möglich ist.

Die absolutistische Raumvorstellung kann bis zu Aristoteles zurückverfolgt werden. Raum ist hierbei vorstellbar als „eine Schachtel oder ein Behälter, [welcher] die Dinge, Lebewesen und Sphären umschließt“ (Löw 2001: 24) und wird vor allem von Isaac Newton im 17. Jahrhundert in der westlichen Welt naturwissenschaftlich etabliert. „Der absolute Raum, der aufgrund seiner Natur ohne Beziehung zu irgendwas außer ihm existiert, bleibt sich immer gleich und unbeweglich.“ (Newton 1988: 44)

Geisteswissenschaftlich ist es Immanuel Kant, der Raum zum ersten Mal losgelöst von der Physik betrachtet. „Der Raum ist eine notwendige Vorstellung, a priori, die allen äußeren Anschauungen zum Grunde liegt.“ (Kant 1996:72)

Gemeinsam ist diesen Perspektiven, dass sie, wie schon erwähnt, eine euklidische Raumkonstruktion anstreben. Aber seit Anfang des 18. bis hinein ins 20. Jahrhundert werden diese Annahmen in Frage gestellt.

So ist es vor allem Albert Einstein, mit seinen Annahmen über den Aufbau des Universums, der eine euklidische Sicht auf den Raum maßgeblich beeinflusst und die Grundvorstellung eines relativen Raumes in den Naturwissenschaften etabliert. (vgl. Löw 2004) „Raum wird hier nicht als unabhängig und absolut gegeben angenommen, sondern ist immer gebunden an körperliche Objekte und nur relativ zur Körperwelt d]enkbar. Raum ist somit auch abhängig vom Menschen und vom menschlichen Handeln.“ (Ruhne 2003: 60)

Soziologische Perspektiven auf den Raum sind selten, trotzdem lassen sich mehrere Ansätze ausfindig machen. So wird Raum bei Berger und Luckmann (1972) mit dem konkreten Ort gleichgesetzt. Im Allgemeinen wird jedoch ein Ansatz ähnlich dem von Anthony Giddens gewählt, wenn Raum überhaupt als Kategorie beschrieben wird. Giddens sieht Raum als ontologisch gegeben an (vgl. Löw 2001), was ihn für soziologische Analysen in dieser Form fast vernachlässigbar macht (vgl. Konau 1977). In manchen Schriften findet sich sogar eine gänzliche Ablehnung der Kategorie Raum. (vgl. Luhmann 1997)

Neuere Ansätze gehen, hauptsächlich inspiriert von anglo-amerikanischen Arbeiten, kritisch mit dieser Vernachlässigung ins Gericht. (vgl. Löw 2004, Ruhne 2004, Läpple 1991). Diesen, am relativen Raumverständnis angelehnten, Vorstellungen geht einher, vom Raum als „menschliche Konstruktionsleistung“ (vgl. Bourdieu 1991) auszugehen. Raum kann dementsprechend, im Gegensatz zur kantschen Perspektive, nicht als eine „apriorische Naturgegebenheit“ (Läpple 1991: 36) gesehen werden.

Eher wird Raum im Verhältnis und damit relational zu Komponenten wie Macht oder Zeit gesehen. So ist „die Durchzogenheit des Raumes mit Macht“ (Ruhne 2004: 70) ein wichtiger Ausgangspunkt für Forschungsansätze (auch für unser Thema) und speziell Norbert Elias verdeutlicht den Prozesscharakter und somit die Relativität des Raumes in Verbindung mit Zeit. „Jede Veränderung im Raum ist eine Veränderung in der Zeit, jede Veränderung in der Zeit ist eine Veränderung im Raum. Man lasse sich nicht durch die Annahme irreführen, man könne im Raum stillsitzen, während die Zeit vergeht: man selbst ist es, der dabei älter wird. Das eigene Herz schlägt, man atmet, man verdaut; die eigenen Zellen wachsen und sterben ab. Die Veränderung mag langsam sein, aber man verändert sich kontinuierlich in Raum und Zeit - als ein Mensch, der älter und älter wird, als ein Teil einer sich verändernden Gesellschaft, als Bewohner der sich rastlos bewegenden Erde“ (Elias 1994: 74f.).

Raum kann infolgedessen nicht mehr mit einer absoluten Behälter-Metapher beschrieben werden, sondern muss als soziale Konstruktion angesehen werden, welche durch gesellschaftliche Prozesse entsteht und somit aufs Engste mit diesen verknüpft ist. (vgl. Ruhne 2004)

1.2 Definition Geschlecht und „gender“

Der Begriff „gender“ hat in den letzten Jahren den Begriff „Geschlecht“, der sich vor allem auf den Unterschied der Geschlechter Mann und Frau und damit verbundenen Ausprägungen der Sexualrollen bezieht zum Teil verdrängt. In den 1970er Jahren haben die Frauenforschung und der Feminismus die Differenzierung von „sex“, dem biologischen Geschlecht und „gender“ durchgesetzt, „um das sozial Konstruierte des Geschlechtlichen hervorzuheben“ (Ostner 2006), d.h. geschlechtsspezifische Rollenerwartungen, Verhaltensweisen und soziale Positionierungen.

Diese strikte Trennung von „sex“ und „gender“ wird Mitte der 1980er Jahre jedoch wieder hinterfragt. Das anatomisch-biologische Geschlecht existiert zwar, aber der Umgang mit ihm und jegliche Wesenszuschreibungen sind gesellschaftlich vermittelt (vgl. Butler 1991). Wichtig ist diese Betrachtungsweise deswegen, weil sie besonders darauf hinweist, dass jegliche Blickwinkel auf Geschlecht auf scheinbar "natürlicher" Basis doch letztlich auf gesellschaftlichen Zuschreibungen beruht.

1.3. Definition Stadt/Urbanität/Öffentlichkeit - Privatheit

Stadt kann grundlegend als Leben in einer Ansiedlung definiert werden (vgl. Bahrdt 1998). Wenn „Stadt“ soziologisch definiert werden soll, ist es anfänglich am einfachsten auf die Gegenkategorie „Land“ zurückzugreifen, denn Städte „repräsentieren eine andere gesellschaftliche Realität - insbesondere die mit der Industrialisierung entstehenden Großstädte“ (Häußermann 2004: 33). Diese unterschiedlichen Lebensweisen in der Stadt und auf dem Land sind somit Ausgangspunkt wissenschaftlicher Betrachtungen, die sich in dem Begriff der „Urbanität“ manifestieren. Unterschiedlichste soziologische Schriften wie Georg Simmels 1903 veröffentlichtes Essay „Die Großstädte und das Geistesleben“ oder die Chicago School of Sociology beschäftigen sich mit diesem Phänomen.

Für Simmel ist Urbanität durch neue Kommunikationsformen und neue beschränkte „Verkehrskreise“ (Häußermann 2004: 35) gekennzeichnet. Großstädter haben demnach eine individualisierte, unpersönlichere Lebensweise in Differenz zur Kleinstadt oder dem Dorf. Gleichzeitig wird somit der Raum für „akzeptierte Differenz“ (Häußermann 2004: 36) geschaffen und es entsteht der ideale Raum für die Integration von Fremden. Es ist also erstmals in der Großstadt möglich eine funktionale Beziehung zu Personen aufzubauen, ohne diese als solche kennenzulernen. Somit birgt die Großstadt gleichzeitig ein enormes Potential für neue Darstellungsformen für den Einzelnen.

„Urbanität als Ergebnis und Ort der Kultivierung enthält von Anfang an ein emanzipatorisches Element, zunächst von Natur, später aus gesellschaftlichen Zwängen: Urbanität beinhaltet auch Befreiung von etwas, eine Perspektive der Emanzipation. Stadtluft macht frei“ (Häußermann 1987: 262).

Dieser Punkt wird vor allem bei der historischen Betrachtung der Entwicklung der Frau in der Stadt von großer Bedeutung sein.

Ein Missverhältnis der Betrachtungen Simmels liegt in der Einseitigkeit jener. So spiegeln sich in seiner Beschreibung des Großstadtlebens nur die „öffentlichen Aspekte“ wieder. Hans Paul Bahrdt setzt dem, in seinem Buch „Die moderen Großstadt“ (1981), die „Polarität zwischen Privatheit und Öffentlichkeit als zentrales Merkmal von Urbanität“ (Häußermann 2004: 55) gegenüber.

Diese Sphären müssen sowohl als sozial, als auch räumlich verstanden werden. Beispielhaft gibt es eine räumliche und auch eine soziale Komponente der Privatheit. „Je stärker Polarität und Wechselbeziehung zwischen öffentlicher und privater Sphäre sich ausprägen, desto städtischer [, auf europäischer Ebene,] ist, soziologisch gesehen, das Leben einer Ansiedlung“ (Bahrdt 1998: 83f.).

Hinzu kommt das Nichtvorhandensein eines vorgegebenen sozialen Bezugssystems in den neu entstehenden Großstädten der 19. Jahrhunderts. Somit liegt es im Machtbereich jedes Einzelnen, wie er sich öffentlich darstellen möchte. (vgl. Goffman 2003) Bahrdt beschreibt dies auch als „Distanznormen“ (1998: 93) der Stadt, welche in den Anfängen der Industrialisierung und der damit einsetzenden Verstädterung über die Geschlechter hinweg genutzt werden.

Jürgen Habermas schildert in seinem Buch „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (1961) Öffentlichkeit und Privatheit nicht nur als Charakteristikum der bürgerlichen, europäischen Großstadt, sondern als „historische Kategorie“ (vgl. Habermas 1991: 51) der gesamten bürgerlichen Gesellschaft. „Die Privatsphäre umfasst die bürgerliche Gesellschaft im engeren Sinne, also den Bereich des Warenverkehrs und der gesellschaftlichen Arbeit; die Familie mit ihrer Intimsphäre ist darin eingebettet. Die politische Öffentlichkeit geht aus der literarischen hervor; sie vermittelt durch öffentliche Meinung den Staat mit Bedürfnissen der Gesellschaft“ (Habermas 1991: 90).

Daraus wird deutlich, wie sehr diese Begriffe mit den bürgerlichen Idealen der Zeit behaftet sind und wie sehr sich somit auch die geschlechtsspezifischen Anforderungen in ihnen widerspiegeln. Nimmt man hierzu noch die „Zulassungskriterien“ (Habermas 1991: 157), d.h. die Exklusivität der Öffentlichkeit, so wird deutlich, dass man es mit einem „fundamentalen gesellschaftlichen ‚Ordnungsprogramm‘ “(Habermas 1991: 142) zu tun hat.

2. Historische Entwicklung des Zusammenhangs von Stadt und Geschlecht

Um heutige Verhältnisse zwischen Stadt, Raum und Geschlecht besser zu verstehen ist es sinnvoll, dieses soziologisch-historisch zu rekonstruieren.

Geschlecht und Stadt gelten schon in der Antike als wechselseitige Ordnungsfaktoren der Gesellschaft, d.h. die Stadt ordnet die Bewohner „sozial-räumlich als auch sittlich-moralisch“ (Frank 2003: 15). Diese Ordnung ist ergo untrennbar mit einer Geschlechterordnung verbunden und die Einhaltung der Ordnung schafft dementsprechend nichtkongruente Sozialräume. So wird in der Antike der Unterschied zwischen „öffentlich und privat, zwischen dem Raum der Polis und dem Bereich des Haushalts und der Familie, schließlich zwischen den Tätigkeiten, die der Erhaltung des Lebens dienen und denjenigen, die sich auf einen allen gemeinsame Welt richten“ (Arendt 1967: 31) etabliert.

Diese unterschiedlichen Verantwortungsbereiche der Geschlechter sind dementsprechend mit bestimmten städtischen Räumen eng verknüpft. So sind nicht nur die Tätigkeitsbereiche, sondern auch einige räumliche Bereiche, die mit Öffentlichkeit verknüpft sind, für Frauen nicht zugänglich. Die Stadt und damit immer auch das Gegenkonzept Land/Natur gelten also seit jeher als „geschlechtlich definierte und mit sozialen, kulturellen und moralischen Normen und Werten aufgeladene Konzepte“ (Frank 2003: 15).

Mit dem Aufkommen moderner Großstädte im 19. Jahrhundert ändert sich nichts an diesem Ausgangskonzept, jedoch werden die Qualitäten alteingesessener Ordnungen und somit auch die starren Ansprüche an die Geschlechter im Wandel der Zeit verändert. „In der mit der Industriegesellschaft entstehenden modernen Großstadt konnten Frauen einerseits mit Geschlechterrollen experimentieren [...] andererseits und zugleich begann aber auch der Prozess der systematischen Verdrängung von Frauen aus der Stadt“ (Häußermann 2004: 200, vgl. List 1993: 144).

Somit geraten auch die „etablierten Beziehungen zwischen ‚männlichen‘ und ‚weiblichen‘ Räumen ins Wanken [und] die vormalige Bedeutung der Stadt, ein stabiles gesellschaftliches Ordnungssystem der Zeit zu sein [verkehrt sich] in der vorherrschenden Wahrnehmung der Zeit in ihr Gegenteil: In der modernen Großstadt droht die ganze Gesellschaft dem Chaos anheimzufallen und schließlich in den Untergang gerissen zu werden“ (Frank 2003: 16).

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Stadt, Raum und Geschlecht
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,0
Autoren
Jahr
2008
Seiten
26
Katalognummer
V129992
ISBN (eBook)
9783640361243
ISBN (Buch)
9783640360864
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stadt, Raum, Geschlecht
Arbeit zitieren
Reem Kadhum (Autor:in)Robert Pelz (Autor:in), 2008, Stadt, Raum und Geschlecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129992

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