Kampf an der Heimatfront

Über Probleme militärischer Öffentlichkeitsarbeit in Demokratien am bundesdeutschen Beispiel


Hausarbeit, 2009

16 Seiten, Note: 1,16


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Geflecht der differenzierten Gesellschaft
2.1 Demokratie und Öffentlichkeit
2.2 Demokratie und Militär
2.3 Militär und Öffentlichkeit

3. Die Bundeswehr im Rampenlicht
3.1 Mittel und Strategien der Öffentlichkeitsarbeit
3.2 Wahrnehmung in der Bevölkerung

4. Fazit: Erfolgreich gescheitert

Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Demokratie lebt von Öffentlichkeit. Traf man sich in den griechischen Polis – dem allgemein anerkannten Urahn der Volksherrschaft – noch auf Marktplätzen und Fel-dern zur gemeinschaftlichen Problembearbeitung, so ist der gleiche Prozess in mo-dernen und demokratischen Verfassungsstaaten um ein Vielfaches komplexer. Schon praktisch erscheint eine entscheidungsfähige Vollversammlung aller Bürger im Sinne des zielorientierten Diskurses zu scheitern, von der kollektiven Problemwahrneh-mung ganz zu schweigen. Dennoch sind auch in hoch differenzierten Gesellschaften schwierige Entscheidungen zu treffen, können verfassungsstaatliche Demokratien ebenso Akteure von Kriegen sein, wie Stadtstaaten. Doch wie ringen sie sich dazu durch? Wie überzeugen sie die Massen vom militärischen Einsatz und dessen Kos-ten? Überzeugen sie überhaupt oder entscheidet lediglich eine kleine, repräsentative Elite über zwischenstaatliche Gewaltanwendung? Wie erreicht man das Staatsvolk, ohne direkten Zugriff auf Medien und Meinungen zu haben? Welche Rolle spielt das Militär bei der Vermittlung von Ansprüchen und Inhalten?

Eben jenes grob umrissene Gebilde soll Sujet der folgenden Seiten sein. Besonde-re Aufmerksamkeit erhält dabei nicht nur der klassische Konflikt zwischen Demokra-tie und Militär, sondern insbesondere jener zwischen Militär und Öffentlichkeit. Zu-vor muss jedoch grundlegend geklärt werden, wie Öffentlichkeit in der liberalen Volksherrschaft überhaupt funktionieren kann, wie sie gebildet wird und was sie cha-rakterisiert. Zum Abschluss richtet sich der Blick dann in die Praxis. Am Beispiel der Bundeswehr und ihrer immer zahlreicher werdenden Auslandseinsätze, soll geprüft werden, ob und wie militärische Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland funktioniert und ob es ihr möglich ist, die Bürger vom Einsatz in weit entfernten Regionen zu ü-berzeugen. Diese Prüfung orientiert sich dabei hauptsächlich an den zuvor erarbeite-ten Ergebnissen bezüglich demokratischer Öffentlichkeitsarbeit.

Dass bei einer solchen Gesamtheit an Fragen nicht jedes Detail in Gänze analy-siert werden kann, versteht sich von selbst. Dennoch soll diese Hausarbeit die Zu-sammenhänge darstellen, auf denen die Beziehung von Militär und Öffentlichkeit in freiheitlichen Demokratien basieren. Wie bereits erwähnt, ist dazu ein grundlegendes Verständnis demokratischer Öffentlichkeit von Nöten.

Das Geflecht der differenzierten Gesellschaft 6

2. Das Geflecht der differenzierten Gesellschaft

2.1 Demokratie und Öffentlichkeit

„Öffentlichkeit ist an und für sich nichts weiter als ein leeres Feld, dessen Besonder-heit darin besteht, frei zugänglich zu sein für alle, die etwas sagen oder das, was an-dere sagen, hören wollen.“1 Doch dieses Charakteristikum ist keineswegs selbst-verständlich. Zwar gibt es das Phänomen politischer Öffentlichkeit mit ihren zahlrei-chen Funktionen in jeder Staatsform, aber ihre konkrete Gestalt variiert von System zu System und von Staat zu Staat. Öffentlichkeit als leeres Feld mit allgemeiner Zugänglichkeit zu bezeichnen, kann daher einzig für demokratische Systeme und selbst hier nicht für ausnahmslos alle gelten. Um jedoch die Herrschaft des Volkes auch in entwickelten Flächenstaaten zu gewährleisten, ist Öffentlichkeit unumgäng-lich. Ihre Herstellung ist die Primärfunktion von Massenmedien, die es dem Staats-bürger ermöglichen an Ereignissen teilzuhaben, die ihm ansonsten unbekannt blieben.2 Damit bilden die Medien eine von drei Akteursklassen, die im Grundmodell politischer Öffentlichkeit agieren: Sie sind Vermittler. Ihre Eigenart ist das Verbinden von Sprechern und Publikum, also das Verbinden von jenen die etwas sagen und je-nen die zuhören.3 Dadurch werden sie zu einer Plattform, auf der Neuigkeiten publi-ziert und politische Akteure kontrolliert werden. Ergänzt werden diese Sekundär-durch Tertiärfunktionen, welche den Massenmedien eine Rolle bei der politischen Sozialisation und Integration, der politischen Bildung und Erziehung, aber auch der politischen Meinungs- und Willensbi]ldung innerhalb der Bevölkerung einräumen.4

Alle bisher genannten Attribute beschreiben die Bedeutung des Öffentlichen im emphatischen Sinne, also als „ [...] eine Art Kollektiv, das auf einer bestimmten Kommunikationsstruktur beruht, oder [als] eine Sphäre kommunikativen Handelns, in der sich eine ‚öffentliche Meinung‘ [...] bilden kann.“5 Doch der Öffentlichkeits- begriff hat zwei weitere Bedeutungen. Zum einen beschreibt er institutionalisierte Handlungssphären, die eine Grenzziehung zwischen öffentlichem und privaten Handlungs- und Verantwortungsbereich darstellen. Zum anderen bezieht er sich auch auf die Kommunikations- und Wissensdimension. Hier existieren gleich drei Gegen-begriffe: Privat, vertraulich und geheim. Es geht also darum, ob die Möglichkeit bes-teht, sich über Gegebenheiten frei zu informieren und sich an der zugehörigen Kommunikation uneingeschränkt zu beteiligen.6 „Privat, vertraulich oder geheim sind entsprechend Sachverhalte oder Aktivitäten, die abgeschirmt sind gegenüber Beobachtung oder Kenntnis von Unbefugten; ebenso Wissensbestände oder Kom-munikationen mit eingeschränkten Zugangsbedingungen.“7 Geheimhaltung und Pri-vatheit sind immer intentional begründet oder verfügen über eine normative Kompo-nente. Privat gilt dabei als rein positiv konnotiert, wohingegen geheim entweder als legitim-positiv, oder illegitim-negativ aufgefasst werden kann. Gemein haben jedoch alle Formen das aktive Bestreben ihrer Träger, bestimmtes Wissen aktiv gegenüber potentiellen Interessenten zu verbergen. Gerade in demokratischen Systemen bedür-fen sie deshalb grundsätzlich besonderer Rechtfertigung.8

Aufgrund fehlender Maßstäbe, sind undogmatische Gesellschaften darauf ange-wiesen, jene selbst zu erzeugen. Dies geschieht durch Konsens, der wiederum durch Kompromiss erreicht wird. Kompromiss entsteht durch öffentliche Meinungen, dem möglichen Ergebnis des öffentlichen Diskurses. Als Kern breiter Prozesse der Wil-lensbildung erfüllt er nach Neidhardt drei wichtige Funktionen. Er sammelt und ver-arbeitet Informationen, bevor er sie weitergibt – bietet also eine Beobachtungs- eine Kritik- und eine Orientierungsfunktion.9 Werden relevante Kenntnisse jedoch von Wissensträgern verheimlicht, so gelangen sie nicht in die Öffentlichkeit und können dadurch weder verarbeitet noch weitergegeben werden. Der Staatsbürger nimmt Probleme also entweder nicht wahr, oder er übt die Herrschaft über sich selbst ohne vollständige Sachkenntnis aus. Folglich obliegt die Qualität von demokratischen Ent-scheidungsprozessen immer auch der Qualität der zugehörigen Öffentlichkeit.

2.2 Demokratie und Militär

Charakteristisch für das internationale System ist die ihm eigene Anarchie, welche einen jeden Staat dazu veranlasst, ganz allein für seine Sicherheit zu sorgen – es fehlt demnach an einer zentralen Autorität, die diese Strukturen überwinden kann.10 Wich-tigstes Organ der daraus resultierenden Machtpolitik ist das Militär. Selbst die gene-rell als friedfertig angesehenen, demokratischen Staatsformen können darauf nicht verzichten, möchten sie ihre Gegenüber zur Befolgung der üblichen Normen und Regeln bewegen und als vollwertiger Akteur des Systems anerkannt werden.11

Ist das Volk der Souverän, muss es die eigenen Streitkräfte akzeptieren. Das ist nicht selbstverständlich, gelten Militär und Krieg doch gerade in der bürgerlichen, wissenschaftlich orientierten Gesellschaft als überholt und überflüssig. Begründet wird dieses Inkompatibilitäts-Theorem durch hoch entwickelte Industrie, verstärkten Handel und verbesserte Lebensumstände. Die Hemmschwelle einer liberalen, in Wohlstand lebenden Gemeinschaft, sich zum Kampfeinsatz durchzuringen, ist dem-nach deutlich höher, als die autoritärer oder verarmter Staaten. Gleichzeitig ist die Beziehung von Demokratien zu ihren Streitkräften häufig problematisch und von po-tentiellem Misstrauen geprägt. „Es kommt also darauf an, dieses Verhältnis mittels Regeln, Institutionen und Leitbildern so zu gestalten, dass die Streitkräfte ein wirk-sames Instrument in der Hand der politisch legitimierten Regierung bleiben und we-der absichtlich noch unabsichtlich eine Schwächung der demokratischen Grundsätze und Willensbildung in der Gesellschaft bewirken können.“12 Dies leistet das Konzept der demokratischen Kontrolle. Es setzt voraus, dass sich das Militär innerhalb der Hierarchie des politischen Systems jederzeit höheren Instanzen unterordnen muss. Außerdem kontrolliert die Gesellschaft ihre Streitkräfte selbstständig durch politi-sche Integration der Soldaten und Offiziere, also durch deren Identifikation mit den Normen und Werten, auf denen das System der Volkssouveränität beruht.13

[...]


1 Neidhardt, Friedhelm: Jenseits des Palavers. Funktionen politischer Öffentlichkeit, in: Wunden, Wolfgang [Hrsg.]: Öffentlichkeit und Kommunikationskultur, Seiten 19 - 30, Hamburg 1994, hier S. 19

2 Vgl. Strohmeier, Gerd: Politik und Massenmedien. Eine Einführung, Baden-Baden 2004, S. 71 ff

3 Vgl. Neidhardt: Jenseits des Palavers, S. 19 ff

4 Vgl. Strohmeier: Politik und Massenmedien, S. 71 ff

5 Peters, Bernhard: Der Sinn von Öffentlichkeit, in: Weßler, Hartmut [Hrsg.]: Der Sinn von Öffent-lichkeit, Frankfurt am Main 2007, S. 59

6 Vgl. Peters: Der Sinn von Öffentlichkeit, S. 55 ff

7 Peters: Der Sinn von Öffentlichkeit, S. 57

8 Vgl. Peters: Der Sinn von Öffentlichkeit, S. 55 ff

9 Vgl. Neidhardt: Jenseits des Palavers, S. 19 ff

10 Vgl. Zangl, Bernhard / Zürn, Michael: Frieden und Krieg. Sicherheit in der nationalen und postna-tionalen Konstellation, Frankfurt am Main 2003, S. 25 ff

11 Vgl. Bredow, Wilfried von: Militär und Demokratie in Deutschland. Eine Einführung, Wiesbaden 2008, S. 22 ff

12 Vgl. Bredow: Militär und Demokratie in Deutschland, S. 41

13 Vgl. Bredow: Militär und Demokratie in Deutschland, S. 33 ff

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Kampf an der Heimatfront
Untertitel
Über Probleme militärischer Öffentlichkeitsarbeit in Demokratien am bundesdeutschen Beispiel
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten. Öffentliche Kommunikation, Medien und Demokratie.
Note
1,16
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V129990
ISBN (eBook)
9783640361236
ISBN (Buch)
9783640360857
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kampf, Heimatfront, Probleme, Demokratien, Beispiel
Arbeit zitieren
Florian Philipp Ott (Autor:in), 2009, Kampf an der Heimatfront, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129990

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