Das Werk Blanchots und die Beziehung zu seiner Biographie


Seminararbeit, 2007

21 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung:

2. Der Zusammenhang zwischen den frühen und den späteren Werken Blanchots

3. Literatur und Politik

4. Das „Schweigen“ bei Blanchot in Literatur und Biographie

5. Der Begriff des „Todes“ in der Literatur Blanchots:

6. Der Begriff „Schreiben“ bei Blanchot

7. Der Begriff der „Sprache“ bei Blanchot

8. Fazit

9. Literatur- und Quellenverzeichnis:

1. Einleitung:

Maurice Blanchot ist einer der wenigen Schriftsteller der europäischen Moderne, die sich selbst hinter ihrem Werk fast völlig zum Verschwinden gebracht haben. Somit hat er den „Tod des Autors“ wahr gemacht. Nur ein einziges Bild von ihm ist bekannt geworden. Er trat selten öffentlich auf und auch in den Medien war er so wenig wie möglich präsent. Private Aufzeichnungen von ihm mussten vernichtet werden und selbst sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt.[1] Neben dem Tod gilt ein großer Teil von Blanchots Interesse dem „Schweigen“ welches er in der Literatur sucht.[2] Die These dieser Hausarbeit ist nun, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Werk und der ungewöhnlichen Biographie Blanchots gibt. Blanchot hat sich nämlich in den 1930er Jahren in zahllosen Presseartikeln für ein völkisch gesundes Frankreich stark gemacht und ist dabei auch nicht vor antisemitischen Ausfällen nicht zurückgeschreckt. Später dann ist er zur Linken übergeschwenkt und ist sogar in die Résistance übergetreten. Über seine „antisemitische Vergangenheit“ hat er nicht mehr gesprochen. Andererseits kreisten in den letzten dreißig Jahren die meisten seiner Werke um den „Holocaust“.[3]

Im ersten Kapitel wird der Zusammenhang zwischen den frühen und den späten Werken Blanchots untersucht werden. In einem nächsten Kapitel soll geklärt werden, wie Blanchot die Beziehung zwischen Literatur und Politik sieht. In den vier letzten Kapiteln wird gezeigt, wie Blanchot die Begriffe „Schweigen“, „Tod“, „Schreiben“ und „Sprache“ definiert.

Zum Forschungsstand ist zu sagen, dass der unmittelbaren Wirksamkeit Blanchots zunächst so gut wie keine akademische Rezeption entspricht. Erst in den 70er Jahren beginnt mit der Monographie von Francoise Collin eine kritische Aufarbeitung.[4] Zumal in den USA ist Blanchot im Umfeld des Dekonstruktivismus eine wichtige Referenzfigur geworden. Von einer deutschen Blanchot-Rezeption zu sprechen ist so gut wie kaum möglich. Friedrich Wolfzettels Artikel Maurice Blanchot und der monographische Abriß von Karl Hölz bilden eine der wenigen und kaum zur Kenntnis genommenen Ausnahmen.[5] Im Jahr 1993 ist in den Untersuchungen zu den romanischen Literaturen der Neuzeit ein Band von Gerhard Poppenberg[6] erschienen, der sich mit den Begriffen „Schreiben“, „Lesen“ und „Werk“ nach Blanchot auseinandersetzt. Schließlich ist als eine der neusten Studien die des Frankfurter Komparatisten Andreas Gelhard[7] zu nennen, die sich bemüht die philosophische Dimension von Blanchots Werk ernst zu nehmen. Zu den politischen Schriften Blanchots ist erst 2007 ein Band von Diaphanes[8] erschienen.

2. Der Zusammenhang zwischen den frühen und den späteren Werken Blanchots

Steven Ungar vertritt in seinen Untersuchungen zu Blanchots politischen Schriften[9] die Meinung, dass die vorgenommene Trennung zwischen politisch-journalistischen Artikeln der 30er Jahre und den literarischen und literaturkritischen Werken der Nachkriegszeit als hinfällig zu betrachten ist. Es gebe literarische und reichlich literaturkritische Arbeiten der 30er Jahre sowie politische Texte und Engagement in der Nachkriegszeit. In Faux Pas[10] (1943) sind ein großer Teil jener Texte gesammelt. und die erste Version des Romans Thomas l`obscur[11] sowie zwei Erzählungen stammen aus den dreißiger Jahren. Es gebe also bei aller Diskontinuität eines Bruchs mit der Vergangenheit auch deutlich ein Moment der Kontinuität.

Ab 1958 beginnt Blanchot im Zusammenhang der Algerien-Proteste, sich auch wieder manifest politisch zu artikulieren. In diesen Kontext gehört auch sein Engagement für eine Revue Internationale nach 1960, die ein übernationales intellektuelles Forum bilden sollte, aber seinerzeit nicht zustande gekommen ist. Für Ungar ist dabei entscheidend, dass der Ton, mit dem, und der Ort, von dem aus gesprochen wird, derselbe wie in den 30er Jahren ist:

„abject dissidence“: „the post-1958 writings contained enough traces of abject dissidence to question the common belief that Blanchot emerged from the war as though converted. It was almost as if the apparent progression from right to left were less meaningfull than the force of commitment to an oppositional stance whose evolution remains to be recognized in its full trajectory”[12].

Die wirklich spannende Frage aber ist, welche Beziehung zwischen diesen politischen und den zur gleichen Zeit und später geschriebenen literaturkritischen Artikeln besteht; welcher Weg zum Beispiel von dem Artikel La France: nation à venir[13] (November 1937) zu dem Buch Le livre à venir[14] (1959), welcher Weg vom politischen Kommentar zur literarischen Kritik führt- und was dabei die Rede von den „ faux pas“ zu bedeuten hat. Ein weiterer Text von 1937: De la révolution à la littérature[15] ist dazu von Belang. Ungar setzt ihn ausdrücklich zu späteren programmatischen Texten in Beziehung. Dieser Text manifestiere Blanchots Wunsch, „ to theorize literature through politics“[16], wobei der Begriff der Revolution – einer konservativ-reaktionären, nationalen Revolution- als Bindeglied fungieren soll. Ungar verfolgt die Spur bis in die späten 40er Jahre und stellt schließlich fest:

„What Blanchot had come to call litterature`s „different game“ extended the logic of double negation in the Combat and L`Insurgé articles. It transposed onto literature the capacity to negate ad change that Blanchot had ascribed a decade earlier to revolution in the name of an new French nation”.[17]

Solche Kontinuität führt zu der “most unsettling thesis”:

“that Blanchot`s postwar theorizing of literary space followed a substantial interwar practice that placed literature openly alongside a corollary vision of politics at odds with what the postwar fiction and essays might lead one to expect.”[18]

Das heißt nicht nur, dass die Trennungslinie zwischen Vorher und Nachher, einem politisch-reaktionären Frühwerk und einem literaturkritisch-libertären Spätwerk nicht streng zu ziehen ist, sondern dass die zentralen Gedanken der Konzeption des „ espace littéraire “ gerade aus den 30er Jahren stammen und als Ergänzung, als die andere Seite der politischen Gedanken konzipiert worden sind. Die Nachkriegsliteraturtheorie Blanchots „is grounded on a displacement of his dissident writings of the mid-1930s“ (134).

Auch Andreas Gelhard vertritt die These, dass die Gründe für den Rückzug aus den Kreisen der Rechten in Blanchots Denken liegen und dass diese Auffassung des Schreibens und der Literatur von Blanchot nicht erst in den Jahren 1958[19] und 1968[20] entstehen. Er macht dies vor allem an Blanchots Auseinandersetzung mit Sartres Qu`est-ce que la littérature[21] und den Schriften von Heidegger, die er in den dreißiger Jahren verfasst hat, fest.[22]

3. Literatur und Politik

Mesnard spricht von „doublé engagement/retrait-engagement/retrait, wenn er die Frage der Politik und des Politischen im Werk von Blanchot beschreibt. Nach Jean-Philipe Miraux[23] zeichnet diese doppelte Abfolge zwei bedeutsame Perioden im Leben von Blanchot nach. Die erste ist die seines Engagements für die Rechte. Die Nachkriegsperiode, in der er bis ca. 1958 viele seiner wichtigsten Werke schreibt, bezeichnet Mesnard als „ retrait littéraire “ Blanchots. Die zweite Phase der Abfolge beginnt dann während der Ereignisse des Algerienkrieges und der Revolte im Mai 68. Anfang 69 zieht sich Blanchot wieder zurück und veröffentlicht Texte der „ l`écriture fragmentaire “ und des Schreibens über das „Desaster“. Diese doppelte Dichotomie im Leben und Werk Blanchots zeige jedoch nur teilweise eine konstante Beschäftigung von Blanchot mit dem Politischen, da er alles was die Regierung, die soziale Organisation und die Beziehung zwischen den Menschen betreffe, als gegebene Ordnung bezeichne und so die Frage über die Beziehung zwischen der Philosophie, der Literatur, dem Werk und der sozialen Organisation die diese stützt, stelle. Diese Frage nach den Grenzen und den Beziehungen zwischen der Politik und der Literatur ist grundlegend. Dazu Philippe Mesnard:

Les différents parcours de Blanchot conduisent à interroger les notions d`engagement et de responsabilité sous cette forme: y a-t-il une responsailité littéraire et une responsabilité politique telles que l`une ne prend effet qu`en gageant la réalité de l`autre? Témoignant des limites communes à la littérature et au politique, la réflexion de Blanchot souligne l`importance du questionnement des limites qui est celui de la conscience moderne, mais la mesure de ce questionnement ne peut être évaluée qu`en considérant l`ambiguité de la notion même de limite et du questionnement qu`elle suscite. Ce qui renvoie l`interrogation sur la limite de la fiction et sur la limite comme fiction”.[24]

So eröffnet diese Frage nach dem Engagement und dem stillen Rückzug die Problematik der Beziehung zwischen dem geschriebenen Wort im historischen Feld und dem literarischen Schreiben.

Jean-Philippe Miraux[25] ist der Meinung, dass Blanchots Rückzug aus der Welt der Menschen nie als Ziel hatte seine Zugehörigkeit zur sozialen Welt der Menschen zu leugnen. Im Gegenteil sei sein Rückzug grundlegend für seinen politischen Wunsch sich um seine Zeitgenossen zu kümmern.

Ab dem Zeitpunkt, an dem das Werk veröffentlicht wird, es also der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, überschreite es die Grenze des inneren Nachdenkens um sich dem Druck des Draußen auszuliefern. Dadurch werde es von der sozialen Ordnung beeinflusst und gleichzeitig würde diese ihm einen Raum zu fragen eröffnen. Blanchot betrachtet den Schriftsteller, laut Miraux, als ein Individuum, das einerseits in die Gesellschaft integriert ist, sich aber von ihr zurückzieht um sie zu befragen. Der Schriftsteller müsse sich einen Raum außerhalb der Gesellschaft vorstellen um es dem Werk möglich zu machen die Welt zu befragen aus der er sich zurückgezogen hat. Dieser Raum könne sich nur durch das Schreiben realisieren und diesen Raum nenne Blanchot dann l`espace littéraire. Die Literatur gebe so, über den Umweg des Rückzugs, auch die Möglichkeit um einige reelle Phänomene in Erinnerung zu rufen, die die Geschichte unserer Reflexion überließ.

So zum Beispiel auch in dem Buch von Robert Antelme über das Blanchot schreibt:

[...]


[1] Felix Philipp Ingold: Der Dunkle. Der Schriftsteller und Philosoph Maurice Blanchot wurde vor hundert Jahren geboren, in: http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/der_dunkle_1.558666.html [Stand: 13.7.08].

[2] Stefan Ripplinger: Noli me legere. Maurice Blanchots Schweigen über seine faschistischen Schriften, in: http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_98/17/27a.htm [Stand: 13.7.08].

[3] Ebd.

[4] Francoise Collin: Maurice Blanchot et la question de l`écriture, Paris, Gallimard 1971.

[5] Friedrich Wolfzettel: „Maurice Blanchot“. In: Wolf-Dieter Lange (ed.), Französische Literaturkritik der Gegenwart, Stuttgart 1975, S.27-46; und Karl Hölz: „Blanchot- Die Umgrenzung des Ursprungs“. In: idem, Destruktion und Konstruktion, Frankfurt a.M., Klostermann, 1980, S.117-158.

[6] Gerhard Poppenberg: Ins Ungebundene. Über Literatur nach Blanchot, Tübingen 1993.

[7] Andreas Gelhard: Das Denken des Unmöglichen. Sprache, Tod und Inspiration in den Schriften Maurice Blanchots, München 2005.

[8] Maurice Blanchot: Politische Schriften 1958-1993. Übers. von: Marcus Coelen, Zürich/Berlin 2007.

[9] Steven Ungar: Scandal and Aftereffect. Blanchot and France since 1930, Minneapolis 1995.

[10] Maurice Blanchot: Faux Pas, Paris 1943.

[11] Maurice Blanchot: Thomas l`obscur, Paris 1941.

[12] Steven Ungar: Scandal and Aftereffect. Blanchot and France since 1930, Minneapolis 1995, S.138.

[13] Maurice Blanchot: La France, nation à venir. In: Combat, Nr. 19, November 1937, S.131-32.

[14] Idem: Le livre à venir, Paris 1959.

[15] Idem: De la révolution à la littérature. In: L`insurgé, Nr.1, Januar 1937: 3.

[16] Steven Ungar: Scandal and Aftereffect. Blanchot and France since 1930, Minneapolis 1995, S.114.

[17] Ebd.: S.123.

[18] Ebd.: S.124.

[19] Blanchots “Rückkehr zur Politik”.

[20] Die Zeit des Engagements gegen de Gaulle und des Algerienkrieges.

[21] Jean-Paul Sartre: Qu`est-ce que la littérature. In: Situations II., Paris 1948, S.55-330.

[22] Andreas Gellhard: Das Denken des Unmöglichen. Sprache, Tod und Inspiration in den Schriften Maurice Blanchots, München 2005, S. 26/27.

[23] Jean-Philippe Miraux: Maurice Blanchot. Quiétude et inquiétude de la littérature , Paris 1998, S.112.

[24] Philippe Mesnard: Maurice Blanchot, le sujet de l`engagement, Paris, éd. L`Harmattan, 1996, S.11.

[25] Jean-Philippe Miraux: Maurice Blanchot. Quiétude et inquiétude de la littérature, Paris 1998, S.113.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Werk Blanchots und die Beziehung zu seiner Biographie
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (romanisches Seminar)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
2
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V129970
ISBN (eBook)
9783640366958
ISBN (Buch)
9783640367207
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werk, Blanchots, Beziehung, Biographie
Arbeit zitieren
Stefanie Schmidt (Autor:in), 2007, Das Werk Blanchots und die Beziehung zu seiner Biographie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129970

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