Rebellion in Zeiten der Globalisierung

Unter Einbeziehung der Sichtweisen von Merton, Ziegler und Sennett


Seminararbeit, 2006

26 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Robert King Merton
Kurzbiographie
Aus seinem Werk

Jean Ziegler
Kurzbiographie
Aus seinem Werk

Richard Sennett
Kurzbiographie
Aus seinem Werk

Formen des Widerstandes
...aus der Sicht von Jean Ziegler
...am Beispiel von Attac

Abschließende Betrachtungen

Schlusswort

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Arbeit nimmt ihren Ausgang bei Robert K. Merton und einem von ihm formulierten Anpassungstypus. Merton hat die Rebellion als mögliche Form der Anomie, der Abweichung von gesellschaftlich anerkannten Zielen und Normen genannt. Zwei weitere Autoren, Richard Sennett und Jean Ziegler habe ich daraufhin gelesen, um mir anzusehen, wie diese beiden das Potenzial an Rebellion in unserer von Kapitalismus und Erfolgszielen geprägten Gesellschaft ansehen.

Die Basis meiner Überlegungen stellen die Themen Globalisierung, Armut und Unterdrückung dar. Dabei verwundert es mich immer wieder, dass Menschen auf der ganzen Welt scheinbar hilflos mit ansehen müssen, wie sie ausgebeutet und von den Entscheidungen der Wirtschaft abhängig gemacht werden und man ihnen zunehmend den sozialen und materiellen Boden unter den Füßen wegzieht. Egal, wo man hinschaut: Ob nach China mit seinen zahlreichen „Sonderproduktionszonen“, nach Ostdeutschland, das mit schwindelerregenden Arbeitslosenzahlen und Neonazihochburgen zu kämpfen hat oder nach Afrika mit abertausenden an hungernden und gewaltsam niedergedrückten Menschen. Überall scheint die Hoffnung zu schwinden, jemals ein besseres Leben führen zu können. Die einen werden ausgepresst von habgierigen Firmen und deren Schlägertrupps, die anderen sehnen sich zurück nach den vermeintlich besseren Zeiten in der Diktatur. Wieder andere sind durch den täglichen Kampf ums nackte Überleben aufgrund von Hunger und Bürgerkriegen dermaßen geschwächt, dass sie für niemanden mehr eine ernstzunehmende Bedrohung darstellen könnten.

Und wenn man dann versucht ist zu glauben, es gibt keine Möglichkeiten für die Menschen, aus dieser Hoffnungslosigkeit zu entfliehen, hört man schon wieder die nächste Meldung von einem jener Großkonzerne, die weltweit agieren und in der über die neuesten astronomisch hohen Gewinne berichtet wird. Meist handelt es sich just um einen jener Konzerne, die noch vor einigen Wochen von der Regierung irgendeines Landes gefordert hatten, diese möge doch bitte die Rechte der ArbeitnehmerInnen einschränken und die Lohnnebenkosten senken, da man sich sonst aus Spargründen gezwungen sähe, in ein anderes Land abzuziehen. Dann fragt man sich natürlich, warum all das Geld und all der Wohlstand in den Händen so weniger sein können und den vielen anderen nichts bleibt.

Immer wieder frage ich mich, wie man dieser neuen Arroganz des kapitalistischen Systems begegnen kann. Ich frage mich auch, warum es den Menschen so schwer fällt, sich zur Wehr zu setzen und gemeinsam gegen die Unterdrücker und Ausbeuter zu kämpfen. Und ich frage mich, warum die Politik nicht mehr in der Lage ist, den Menschen ein sicheres soziales Netz bereitzustellen. Warum kommt es in beinahe allen Gesellschaften auf der Welt zu solchen starken Erosionserscheinungen, die sich ausdrücken durch Armut, Arbeitslosigkeit, Hunger, Unterdrückung, Fremdenhass, Süchten und Krankheiten, Kriegen, Verbrechen etc. etc.

Einige Antworten habe ich durch das Studium jener drei Autoren bekommen, auf die ich mich im Folgenden beziehen werde.

Robert King Merton

Kurzbiographie

Robert K. Merton wurde am 5. Juli 1910 in Philadelphia, Pennsylvania, USA, unter dem Namen Meyer R. Schkolnick geboren. Seine Eltern waren osteuropäische jüdische Einwanderer. Als Jugendlicher erlernte er das Zauberhandwerk und legte sich dazu den Künstlernamen Robert King Merlin und später Robert King Merton zu. Da er schließlich nur mehr unter diesem Namen bekannt war, entschloss er sich, diesen offiziell anzunehmen.

Merton nahm zunächst ein akademisches Studium an der Temple University auf und bewarb sich, nachdem er Pitirim Sorokin, den Direktor des damals neu gegründeten Department of Sociology kennen gelernt hatte, um einen Studienplatz an der Harvard University. Merton arbeitete zuerst eng mit Sorokin zusammen, wandte sich dann aber bald Talcott Parsons zu, der ebenfalls ein Mitglied der Fakultät war. Die erste Universitätsstelle bekam Merton an der Tulane University in New Orleans, später wechselte er an die Columbia University in New York, an der er jahrzehntelang eine Professorenstelle inne hatte.

Merton war nie bestrebt, eine allumfassende Großtheorie wie Parsons zu entwerfen. Er wollte sog. middle range theories entwickeln, „Theorien mittlerer Reichweite“, die klar abgegrenzte Aspekte der sozialen Realität erfassen sollten. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählt „Social Theory and Social Structure“, eine Aufsatzsammlung von 1949.

Robert King Merton starb am 23. Februar 2003 in New York. (Coser in Kaesler 2003, S 152)

Aus seinem Werk

Zunächst möchte ich darauf eingehen, von welchen Voraussetzungen er in seinen Untersuchungen ausgegangen ist. Als Grundlage dazu diente mir das Buch „Soziologische Theorie und soziale Struktur“, das 1995 als deutsche Übersetzung erschienen ist und das 1949, 1957 und 1968 erschienene Fassungen seiner klassischen Aufsatzsammlung enthält. Merton betrachtet in seinen Ausführungen die US-amerikanische Gesellschaft und deren Streben nach Erfolg, Geld und Macht. Der sog. „Amerikanische Traum“ und das damit verbundene Streben nach sozialem Aufstieg bilden die Basis seiner Untersuchungen.

Merton betrachtet nun zwei Elemente der sozialen und kulturellen Struktur, die ihm dazu geeignet erscheinen, die Formen der Anomie zu erklären. Eines dieser beiden Elemente sind „die kulturell definierten Ziele, Zwecke und Interessen, die allen Mitgliedern der Gesellschaft, oder solchen in bestimmten Positionen, als legitim vor Augen stehen“. Diese Ziele sind das, was gemeinhin als „erstrebenswert“ gilt und was man als „Muster für das Gruppenleben“ ansehen kann.

Das zweite Element bezeichnet die Regeln, die die zulässigen Formen des Strebens nach diesen Zielen bestimmen und regulieren. Diese Regeln drücken sich in den Sitten oder Institutionen aus, die festlegen, welche Mittel zulässig sind, um die erstrebenswerten Ziele zu erreichen.

Allerdings handelt es sich dabei nicht nur um technische Normen oder jene, die am effizientesten erscheinen. Manche Verfahren, die aus Sicht einiger am effizientesten erscheinen, wie zB. die Ausübung von Gewalt oder Betrug, gehören nicht zu den als legitim erachteten Mitteln. Ob ein Mittel zulässig ist oder nicht, wird auch durch Werte bestimmt, die die meisten Gesellschaftsmitglieder teilen bzw. die diejenigen Mitglieder der Gesellschaft, die dazu in der Lage sind, durch die Verbindung mit Macht und Propaganda zu solchen Werten erheben.

In jedem Fall aber stehen die Mittel zur Erreichung der kulturellen Ziele nicht uneingeschränkt zur Verfügung, sondern sie sind durch bestimmte institutionelle Normen eingegrenzt. (Merton 1995, S 128 f)

Betonen möchte ich an dieser Stelle auch, dass Merton das Zusammenspiel von Zielen und Mitteln als nicht konstant ansieht. Die Ziele zB. können sich ändern, während der Änderung der Mittel, die notwendig sind, um die neuen Ziele zu erreichen, kaum Beachtung geschenkt wird. In diesem Fall wäre wohl bald ein Extremfall erreicht, sprich alle möglichen Mittel wären erlaubt, um die Ziele zu erreichen. Ein Beispiel vielleicht, um die ganze Sache etwas anschaulicher zu machen: Das Streben nach Erfolg, Macht und Geld könnte solche Ausformungen annehmen, dass schließlich jedes Mittel recht erscheint, also auch illegale Praktiken und Gewalt. Dies würde durch ein Zusammenbrechen bzw. Korrumpieren der regulierenden und kontrollierenden Institutionen wie zB. Staat, Justiz, Polizei, Familie, Schule etc. und einer Auge – um – Auge – Mentalität möglich.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Arbeit Mertons ist, dass er die verschiedenen Typen der Anpassung an die gesellschaftlich akzeptierten Ziele nicht als Ausdruck der Persönlichkeit der einzelnen Menschen sieht. Diese Anpassungstypen sind für ihn Rollenverhalten, das allenfalls wieder geändert werden kann, je nach dem, wie „erfolgreich“ sich eine bestimmte Form der Anpassung für den/ die Einzelne/n erwiesen hat. So kann jemand zB. das Streben der Mehrheit nach finanziellem Erfolg teilen. Erreicht er/ sie dieses Ziel jedoch nicht, kann sein/ ihr Verhalten entweder „innovativ“, d.h. kriminell werden oder aber er/ sie zieht sich frustriert und angewidert ob der Diskrepanzen zwischen Zielen und Möglichkeiten, diese zu erreichen, zurück. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass er/ sie an den Mitteln dermaßen festhält, obwohl das Ziel schon längst verloren gegangen ist. Man spricht in diesem Fall von Ritualismus. (Merton 1995, S 136)

Was versteht nun aber Merton unter Rebellion?

Rebellion als eine Form der Anpassung geht vom Entwurf und der Begründung einer neuen, stark veränderten Sozialstruktur aus. Dazu muss aber zuerst eine Entfremdung von den herrschenden Zielen und Normen gegeben sein, und diese müssen als etwas willkürlich festgesetztes erscheinen, dem man jegliche Legitimität abspricht und daher die Gefolgschaft aufsagt. Merton meint, dass es „in unserer Gesellschaft ... den organisierten Rebellionsbewegungen offenkundig um die Einführung einer Sozialstruktur [geht], in der ganz andere kulturelle Normen für den Erfolg gelten und für eine engere Entsprechung von Leistung, Mühe und Lohn gesorgt würde“. (Merton 1995, S 150) Nach meiner Interpretation bedeutet das, dass das Ziel des Erfolges zwar nicht aufgegeben, die Verteilung der zur Erreichung der Erfolgsziele notwendigen Mittel aber gerechter erfolgen sollte.

Um aus der Rebellion ein politisches Handeln entstehen zu lassen, muss die herrschende Gesellschaftsstruktur in Frage gestellt und durch andere Strukturen ersetzt werden. Dazu sieht er die Entwicklung neuer „Mythen“ als Voraussetzung, die die Aufgabe haben, den Menschen den Ursprung von Frustrationen in der herrschenden Gesellschaftsstruktur vor Augen zu führen und eine neue Struktur auszumalen, in der das Bemühen nicht mehr mit Frustration belohnt wird. Bei diesem Mythos handelt es sich schlichtweg um ein Aktionsprogramm. Andere Mythen, die dem Rebellionsmythos entgegenwirken können, sind zB. jene, dass in einem Land wie Amerika jeder kriegt, was ihm zusteht, und falls nicht, müsse er ein Versager sein. Mit diesem Mythos wird die Vorstellung bedient, bei sozialem Aufstieg handle es sich ausschließlich um Anlagen, die in der Persönlichkeit des Menschen zu finden sind und nicht in der sozialen Struktur.

Eine revolutionäre Kraft entsteht aber erst dann, wenn die Rebellion in wesentlichen Teilen der Gesellschaft auftritt und nicht bloß in kleinen, relativ machtlosen Gruppen, die vom Rest abgeschottet sind. Dieses Revolutionspotenzial arbeitet auf die Umgestaltung der normativen und sozialen Struktur hin und versucht einen grundlegenden Wandel herbeizuführen. (Merton 1995, S 151)

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Rebellion in Zeiten der Globalisierung
Untertitel
Unter Einbeziehung der Sichtweisen von Merton, Ziegler und Sennett
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz  (Institut für Soziologie)
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V129710
ISBN (eBook)
9783640362790
ISBN (Buch)
9783640363155
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit behandelt Globalisierung, Armut und Unterdrückung als potentielle Auslöser von Rebellion. Sichtweisen zeitgenössischer Autoren werden dabei ebenso miteinbezogen wie eigene Überlegungen zum Thema. In Anbetracht der herrschenden Finanz- und Wirtschaftskrise und weltweit spürbarer Unzufriedenheit mit dem System des Kapitalismus ist diese Arbeit von dauerhafter Aktualität.
Schlagworte
Rebellion, Zeiten, Globalisierung, Unter, Einbeziehung, Sichtweisen, Merton, Ziegler, Sennett, Sehr
Arbeit zitieren
Magistra Bettina Lanzenberger (Autor:in), 2006, Rebellion in Zeiten der Globalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129710

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