Stationenlernen im Sachunterricht. Eine Unterrichtseinheit zum Thema „Wasser“ im 4. Schuljahr


Examensarbeit, 2009

100 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen des Offenen Unterrichts
2.1 Ursprung und aktuelle Bedeutung
2.2 Begriffsbestimmung
2.3 Unterricht öffnen
2.4 Dimensionen und Formen des Offenen Unterrichts

3. Stationenlernen als offene Form des Unterrichts
3.1. Ausgangssituation
3.1.1 Verändertes Lernen in der Grundschule
3.1.2 Argumente für das Lernen an Stationen
3.2 Ursprung und Entwicklung des Stationenlernens
3.2.1 Begriffsklärung
3.2.2 Grundidee der Arbeitsform
3.3 Chancen, Möglichkeiten und Risiken beim Lernen an Stationen
3.4 Die Phasen des Stationenlernens
3.5 Zur Organisation von Stationsarbeit
3.5.1 Das Material
3.5.2 Kinder in die Planung einbeziehen
3.5.3 Die veränderte Rolle des Lehrers
3.5.4 Erfolgskontrolle und Leistungsbeurteilung
3.6 Qualitätskriterien für das Lernen an Stationen
3.6.1 Ziele
3.6.2 Kriterien für ein qualitativ gutes Lernen an Stationen
Eignung des Themas
Stellung der Stationsarbeit im Unterricht
Ökonomie
Inhaltliche Struktur
Didaktisch-methodische Gestaltung der Arbeitsstationen
Differenzierung
Äußere Form
Sozialformen
Rolle des Lehrers

4. Ein Praxisbeispiel: Stationsarbeit zum Thema „Wasser“
4.1 Legitimation des Themas
4.1.1 Bezug zum Lehrplan
4.1.2 Begründung der Themenwahl
4.2 Zur Situation der Lerngruppe
4.3 Sachanalyse
Das Wasser
Der Wasserkreislauf
Das Vorkommen von Wasser
Das Wasser als Trinkwasser
Der Wasserverbrauch
Die Wasserverschmutzung
4.4 Didaktische Analyse (nach Klafki)
4.5 Methodische Überlegungen
4.6 Die Unterrichtseinheit „Rund ums Wasser“
4.6.1 Planung
4.6.2 Einführung
4.6.3 Die einzelnen Stationen
Station 1: Der Wasserkreislauf am Computer
Station 2: Der ewige Weg des Wassers
Station 3: Vorkommen von Wasser
Station 4: Woher kommt unser Trinkwasser?
Station 5: So kann ich Wasser sparen
Station 6: Wo entsteht Wasserverschmutzung?
Station 7: Bau eines Wasserfilters
Station 8: Zusatzstation
4.6.4 Auswertung
4.7 Reflexion und Evaluation

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

8. Anhang

1. Einleitung

„Die Ordnung des Denkens wird nicht durch Disziplin in Form dogmatischer Wiedergabe von Wissen herbeigeführt, sondern sie ergibt sich ganz natürlich, wenn der Erzieher versteht, daß bei der Entwicklung der Intelligenz eine Atmosphäre der Freiheit herrschen muß.“[1]

Der heutige Grundschulunterricht kann noch immer als überwiegend lehrerorientiert beschrieben werden. Die Erwartungshaltung an die Lehrerinnen und Lehrer ist groß: Einerseits müssen sie bestimmten Vorgaben gerecht werden, wozu unter anderem ein möglichst vollständiges und tiefgründiges „Abarbeiten“ des Lehrplans gehört. Andererseits ist da die Forderung nach einer Vermittlung zusätzlicher Fähigkeiten, wie beispielsweise Selbstständigkeit, soziale Kompetenz und Kreativität, die über die bloße Wissensvermittlung hinaus gehen. Zudem müssen die individuellen Voraussetzungen und das unterschiedliche Leistungsniveau der Schüler berücksichtigt werden. Viele Lehrer sind deshalb auf der Suche nach Alternativen zu den üblichen Unterrichtsmethoden.

Das Stationenlernen als offene Form des Unterrichts kann den genannten Ansprüchen gerecht werden und sich den in der Schule vorhandenen Gegebenheiten annehmen. Es bietet nicht nur Lehrern die Gelegenheit für neue Erfahrungen, sondern es ermöglicht auch in größeren Klassen die individuelle Beschäftigung mit einzelnen Schülern. Darüber hinaus können die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, das unterschiedliche Arbeits- und Lerntempo sowie die Interessen der Kinder berücksichtigt werden.

Im Rahmen dieser Arbeit wird das Stationenlernen in seinen wesentlichen Gesichtspunkten vorgestellt. Zielsetzung ist es dabei, die notwendigen Voraussetzungen, die Aspekte der inneren und äußeren Organisation sowie die qualitativen Anforderungen dieser Arbeitsform zu ergründen. Anschließend werden die aufgeführten Merkmale und Kriterien anhand einer eigenständig entworfenen Unterrichtseinheit exemplarisch dargestellt und auf ihre praktische Realisierbarkeit hin geprüft. Zu diesem Zweck werden zunächst die theoretischen Grundlagen des Offenen Unterrichts erläutert.

Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich ausführlich mit dem Lernen an Stationen als eine Form des Offenen Unterrichts. Dabei erfolgt zunächst eines intensive Auseinandersetzung mit den Ursprüngen, der Begrifflichkeit und der Grundidee dieser Arbeitsform. In diesem Zusammenhang werden die Chancen, Möglichkeiten und Risiken – allgemein und in Bezug auf den Sachunterricht – untersucht und analysiert. Anschließend werden die aufeinander aufbauenden Phasen, die organisatorische Umsetzung und die Qualitätskriterien des Stationenlernens beleuchtet.

Im dritten und letzten Teil der Arbeit erfolgt eine umfassende Darstellung der Unterrichtseinheit „Rund ums Wasser“ in ihrer Planung, Durchführung und Auswertung. Dabei gilt es zu veranschaulichen, wie die theoretischen Richtlinien in einer vierten Klasse praktisch umgesetzt werden können.

Es sei darauf hingewiesen, dass bei der Benennung von Personen, aus Gründen der besseren Lesbarkeit, vornehmlich die neutrale oder nur eine geschlechtliche Form verwendet wird.

2. Theoretische Grundlagen des Offenen Unterrichts

2.1 Ursprung und aktuelle Bedeutung

In den 60er und 70er Jahren wurde in England und den USA eine praxisorientierte Bewegung ins Lebens gerufen, die sich „Open Education“ oder „The Open Classroom“ nannte. Lehrerinnen und Lehrer fanden sich zusammen und griffen Gedanken auf, die bereits in der deutschen Reformpädagogik der 20er und 30er Jahre begründet wurden. Hauptsächlich ging es dabei um eine Veränderung der Schulwirklichkeit (DICK 1991, S.31).

Hinweise auf die aktuelle Bedeutung des Offenen Unterrichts finden sich bei Jörg Ramseger. Er formuliert die lern- und bildungstheoretische Konzeption des Offenen Unterrichts im Gegensatz zu der traditionellen Annahme, die besagt, dass sich der individuelle Erfahrungszuwachs in gemeinschaftlichen Belehrungssituationen besonders effektiv erzeugen lässt. Demgegenüber greife der Offene Unterricht auf einen aktiven Lernbegriff zurück: „Lernen ist nicht passiver Nachvollzug fremder Gedanken, sondern aktive Erzeugung eigener Sinnstrukturen. Lernen vollzieht sich nicht in der Übernahme von Gedanken, sondern in der selbsttätigen Differenzierung […] der schon vorhandenen Erfahrungen, Gedanken, Fertigkeiten und Strukturen.“. Die Aufgabe des Lehrers bestehe hier in der Bereitstellung ausreichend anregender Lernumwelten (vgl. RAMSEGER 1985, S.7).

2.2 Begriffsbestimmung

Der Begriff „Offener Unterricht“ ist nicht klar einzugrenzen, es ist vielmehr ein Sammelbegriff unterschiedlicher Reformansätze „mit dem Ziel eines veränderten Umgangs mit dem Kind auf der Grundlage eines veränderten Lernbegriffs“ (WALLRABENSTEIN 1994, S.54).

Es geht um ein pädagogisches Verständnis und eine pädagogische Haltung gegenüber Kindern und Jugendlichen; d.h. Offenheit

- für Veränderungen der Lebenswelt und der Lebenssituation der Kinder,
- für neue Konzeptionen und Erkenntnisse vom Lernen,
- für individuelle Interessen und Erfahrungen und
- für die Freiheit der Kinder, ihre eigenes Lernen und folglich auch Entscheidungen im Unterricht mitzubestimmen und mitzutragen (vgl. EBD.,S.54).

Dies setzt auch Offenheit bei Eltern und Lehrern in ihrem Verhältnis zu Kindern voraus.

Die Öffnung von Unterricht meint in erster Linie ein „Offenwerden“ gegenüber kindlichen Neigungen und Interessen. Dem Lernprozess wird dabei die gleiche Bedeutung beigemessen wie den zu erreichenden Ergebnissen (DICK 1991, S.31).

2.3 Unterricht öffnen

Ein elementares Ziel von Bildung und Erziehung besteht darin, Kindern durch individuelle Lernwege und gemeinsame Unterrichtsarbeit die handelnde Teilnahme am notwendigen gesellschaftlichen Wissen und den damit verbundenen Erfahrungen zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist eine Öffnung des Unterrichts, die die Schule – wenn sie sich selbst als Teil einer gesellschaftlichen Kultur von Lernen und Leben versteht – zu ihrer Aufgabe machen sollte (WALLRABENSTEIN 1994, S.57).

Eine Öffnung des Unterrichts bedeutet im Wesentlichen, Kindern ganzheitliche Erfahrungen in der Wechselbeziehung von Schule und Umgebung zu gewähren und ihnen Zugänge aus der Schule heraus zu Natur- und Alltagsgegenständen zu eröffnen. Für den Lehrer werden dabei Handlungsspielräume geschaffen, die er auf vielfältige Art und Weise nutzen kann. Gleichzeitig halten offene Unterrichtsformen für die Schüler eigenständige Entscheidungen über Arbeits- und Sozialformen sowie abwechslungsreiche Arbeitsmöglichkeiten bereit (EBD., S.69-70).

Wulf Wallrabenstein hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass sich „die Schule als Teil einer 'Risikogesellschaft' nicht nur auf Kinder mit veränderten Lernfähigkeiten und Lernansprüchen einstellen [muss], sondern auch auf nicht vorausplanbare Veränderungen in den Lebensbedingungen“ (EBD., S.59).

Offener Unterricht kann dabei als 'Lehr- und Lernstück' für eine Veränderung von Schultradition verstanden werden.

2.4 Dimensionen und Formen des Offenen Unterrichts

Der Grad der Offenheit von Unterricht wird durch die Öffnung der Schule nach außen (institutionelle Öffnung) und nach innen bestimmt. Die Öffnung nach innen schließt sowohl die methodische als auch die inhaltliche Öffnung ein (WALLRABENSTEIN 1994, S. 55).

Inhaltliche Offenheit bedeutet, dem Lernenden ein hohes Maß an Mitbestimmungsmöglichkeiten bezüglich der Themen- und Inhaltswahl zu geben. Die Berücksichtigung der Schülerinteressen tragen zu ihrer Motivation bei und damit auch zu mehr Aufmerksamkeit und größeren Lernerfolgen.

Um inhaltliche Offenheit zu gewährleisten, sollten sich die thematischen Inhalte zudem auf die außerschulische Wirklichkeit des Lernenden beziehen und gleichzeitig vom ihm beeinflusst oder verändert werden können. Um diesem Kriterium gerecht zu werden, muss der Lehrer unterschiedliche Schlussfolgerungen, Lösungswege, Herangehensweisen und Auslegungen zulassen. Dadurch wird den Schülern einerseits eine individuelle Schwerpunktsetzung ermöglicht und andererseits die Gelegenheit geboten, etwas auszuprobieren, ohne Angst vor Misserfolgen oder Sanktionen haben zu müssen (BAUER 2003, S.16). Dabei gilt als wesentlicher Grundsatz: „Offener Unterricht ist nicht planungsfrei, sondern relativiert den Verbindlichkeitscharakter der Planung durch die Lehrkraft bzw. bezieht die Schülerinnen und Schüler in die Planung ein“ (BAUER 2003, S.16).

Methodische Offenheit impliziert in erster Linie, vielfältige Möglichkeiten der Bearbeitung von Lerninhalten anzubieten und diese im gleichen Atemzug möglichst offen zu gestalten. Das Kind gestaltet dabei seinen Lernprozess größtenteils selbst. Es erlernt bestimmte Fähigkeiten, die es in die Lage versetzen, Informationen effektiv zu verarbeiten und zusammenzufassen. Den Kindern muss dafür die Möglichkeit gegeben werden, bestimmte Methoden der Gewinnung, Bearbeitung und Vertiefung von Informationen praktisch anzuwenden und zu verinnerlichen (EBD., S.16).

Institutionelle Offenheit zeichnet sich im Wesentlichen durch eine Öffnung des Unterrichts für außerschulische Gegebenheiten aus. Dabei wird auf ein für alle Schüler einheitliches Curriculum verzichtet (EBD., S.16).

Als „offen“ werden in der Regel Unterrichtsformen bezeichnet, die auf unterschiedlichen Ebenen Offenheit zulassen oder sogar einfordern. Im vorgegebenen Gesamtrahmen besteht Offenheit dabei meist in der Abfolge der zu erledigenden Arbeiten und in der Gestaltung und Einteilung der Zeit, die für einzelne Aufgaben aufgewandt wird (BAUER 2003, S.43).

Eine Form des Offenen Unterrichts ist die Arbeit mit Tages- und Wochenplänen. Hier erhalten die Schüler für einen Tag bzw. eine Woche eine Zusammenstellung der zu bearbeitenden Themeninhalte und im Idealfall auch die zugehörigen Ziele.

Auf Tages- und Wochenplänen werden zusätzlich Informationen über den zur Verfügung stehenden Zeitrahmen, Hausaufgaben und Zusatzübungen vermerkt. In den dafür vorgesehenen Unterrichtszeiten können die Aufgaben von den Schüler selbstständig und eigenverantwortlich in ihrer individuellen Zeiteinteilung und selbst gewählten Reihenfolge bearbeitet werden (EBD., S.42).

Ein weitere Form des Offenen Unterrichts ist die Freiarbeit. In seinem Praxishandbuch „Offenes Arbeiten in der Sekundarstufe I“ verdeutlicht Roland Bauer die Mehrdeutigkeit dieses Begriffes: „Freiarbeit ist ein Modewort geworden, unter dem alles Mögliche zusammengefasst wird, was im engeren und weiteren Sinne mit Freiheit im Unterricht und in der Schule zu tun hat“ (EBD., S.44). Vordergründig sei Freiarbeit seiner Ansicht nach schulische Arbeit, die sich durch Lernen, Erarbeiten, Festigen, und Üben auszeichnet.

Zwei Aspekte können an dieser Stelle unterschieden werden – einerseits Freiheit in der Auswahl der Übungsart und der Arbeitsweise; andererseits Freiheit bei der Auswahl der zu bearbeitenden Inhalte. In beiden Fällen sollte die Förderung des eigenverantwortlichen und selbstständigen Lernens im Mittelpunkt stehen (BAUER 2003, S.44-45).

Bei der Projektarbeit ist es hauptsächlich die Aufgabe der Schüler, gemeinsame Inhalte zu bestimmen, selbstständig Arbeitsphasen zu gestalten, eigenverantwortlich Arbeitspläne zu erstellen und schließlich die Ergebnisse zu präsentieren. Die Projektidee stammt dabei üblicherweise aus dem erlebten Umfeld. Ausreichend Zeit und Raum für die Bearbeitung der Themeninhalte sind im Rahmen von Projekten unerlässlich (EBD., S.51).

Neben der Tages- und Wochenplanarbeit, der Freiarbeit und dem Projektunterricht (unter anderem) gehört auch das Stationenlernen zu den verschiedenen Formen des Offenen Unterrichts. Die Bezeichnung unterstreicht, was bei dieser Arbeitsform prägend ist: Die Schüler arbeiten an verschiedenen Materialstationen, die ein selbstständiges Üben oder Erarbeiten bestimmter Inhalte ermöglichen. Das Lehrangebot wird hierbei zumeist von der Lehrkraft bereitgestellt und damit auch bis zu einem gewissen Grad in seinem inhaltlichen Rahmen eingegrenzt (BAUER 1997, S.27).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass offene Unterrichtsformen vielfältige Anlässe zum Tätigsein in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bieten. Kennzeichnend für offene Formen ist zudem der strukturierte Wechsel von individuellen mit gemeinsamen und vom Lehrer angeleiteten Lernphasen.

Wulf Wallrabenstein sieht in offenen Unterrichtsformen vor allem den Vorteil der „unaufdringlichen Erziehung zum Handelnkönnen durch Einsicht in den Sinn des Tuns“ (WALLRABENSTEIN 1994, S.53).

Im folgenden Verlauf der Arbeit wird die methodische Unterrichtsform des Stationenlernens, in der sich die theoriegeleiteten Begründungen, Ziele und Merkmale des Offenen Unterrichts konkretisieren, in den Blick genommen.

3. Stationenlernen als offene Form des Unterrichts

3.1. Ausgangssituation

3.1.1 Verändertes Lernen in der Grundschule

Das Lernen und das Miteinander in der Schule hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Erzieher und Lehrer werden mit Problemen – wie unter anderem intensivem Medienkonsum, veränderten Familienstrukturen (Alleinerziehende) und ungünstigen Wohnverhältnissen – konfrontiert, die es ihnen erschweren, Kinder entsprechend ihrem Auftrag zu erziehen und zu unterrichten (BAUER 2000, S.12).

Zudem wird die Vermittlung zusätzlicher Fähigkeiten und Kompetenzen gefordert, die über bloßes Faktenwissen und kognitive Lernaspekte hinausgehen – soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Verantwortlichkeit, Kreativität, Selbstständigkeit und Flexibilität sind nur einige davon (KLAFKI 1996, S.259).

Den komplexen Zusammenhängen zwischen den Lernenden, den Lerninhalten, den Vermittlungsformen und den Leistungserwartungen begegnen Lehrkräfte heute, angesichts der verschiedensten Lebensstilen und Kindheitsmustern, immer häufiger über Formen der Differenzierung und Individualisierung. Besonders in der Grundschule suchte man deshalb Alternativen zum Frontalunterricht. Offenen Unterrichtsformen, wie das im Rahmen dieser Arbeit behandelte Stationenlernen, gewannen dabei zunehmend an Bedeutung.

Nach Wulf Wallrabenstein können offene Unterrichtsformen helfen, die gegenwärtigen Probleme und Herausforderungen des Unterrichtens zu bewältigen: „Lehrerinnen und Lehrer müssen heute in der Schule psychisch, kulturell und sozial in einem nie gekannten Ausmaß integrativ arbeiten, um gemeinsame Grunderfahrungen im Sinne gesellschaftlicher Verantwortung zu ermöglichen. Die heterogene Zusammensetzung der Schulklassen aufgrund kultureller und sozialer Vielfalt, aufgrund der großen Entwicklungsdifferenzen, der unterschiedlichen Kindheitsmuster und Erziehungsstile erfordert verstärkte Individualisierung und sinnvolle Differenzierungs- und Fördermaßnahmen.“ (WALLRABENSTEIN 1994, S.69).

Maßgeblich ist demnach die Erkenntnis, dass aus den unterschiedlichen Erfahrungen eines Kindes unterschiedliche individuelle Voraussetzungen resultieren. Diese sollten nicht nur berücksichtigt werden, sondern sie müssen sich auch konsequent auf die Unterrichtsgestaltung auswirken.

3.1.2 Argumente für das Lernen an Stationen

Das Stationenlernen als offene Form des Unterrichts kann die aktuelle schulische Situation annehmen und das Lernen im Rahmen der bestehenden Gegebenheiten optimieren (BAUER 1997, S. 9). Insbesondere in der Grundschule geht es um das Erlernen und Festigen grundlegender Kenntnisse und Fertigkeiten. Aber auch hier spielt die Aneignung von fachorientierten Wissensinhalten eine wesentliche Rolle. Roland Bauer betont deshalb die Wichtigkeit der Vermittlung grundlegender Kompetenzen: „Für die Zukunft wird die Förderung von Handlungskompetenz entscheidend sein. Diese Aussage trifft bereits heute für das Leben in Familie, Gesellschaft und selbstverständlich im Beruf zu.“ (EBD., S.123).

Astrid Kaiser hebt darüber hinaus die Notwendigkeit einer bewussten Weiterentwicklung der Kinder hervor, indem sie anführt: „Sie erfahren, dass sie etwas leisten können. Diese Könnenserfahrungen haben einen sehr positiven Einfluss auf die Entwicklung der Lernmotivation und wecken die Bereitschaft zu einem lebenslangen Lernen“ (KAISER 2006, S.221).

Ein qualitativ „gutes“ Stationenlernen ermöglicht nicht nur ganzheitliche Betrachtung der Themenbereiche, sondern stellt auch die Lebenswirklichkeit der Schüler in den Vordergrund. Die individuellen Voraussetzungen der Kinder können berücksichtigt und ein selbstständiges Arbeiten in unterschiedlichen Arbeits- und Sozialformen ermöglicht werden. Sowohl den Schülern als auch dem Lehrer bietet es daher optimale Einstiegsmöglichkeiten in offene Arbeitsformen (BAUER 2003, S.99).

3.2 Ursprung und Entwicklung des Stationenlernens

Für das Stationenlernen finden sich in der Literatur Bezeichnungen wie „Lernzirkel“, „Lernen an Stationen“ oder auch „Lerntheke“, die durchaus synonym verwendet werden können. Ihr Ursprung liegt bereits in der Arbeit der Reformpädagogen zu Anfang des 20. Jahrhunderts. So führt auch Roland Bauer an, „dass die amerikanische Pädagogin Helen Parkhurst […] schon Anfang unseres Jahrhunderts in Anlehnung an Maria Montessori den Lernzirkel als Arbeitsform praktizierte“ (BAUER 2000, S.57).

Der Begriff „Zirkeltraining“ wurde erstmals von der Lehrerin Ilona Gnoth geprägt, die zu dieser Zeit an der Schallenberg-Grundschule in Aidlingen unterrichtete. Im Rahmen eines Seminars im Sommer 1980 präsentierte Arno Piechorowski den Lehrerinnen und Lehrern dieser Schule Arbeitsmaterialien für einen abwechslungsreichen Leseunterricht. Diese Materialien wurden anschließend den Schülern als Lernstationen im Unterricht zur freien Bearbeitung zur Verfügung gestellt. Die Aidlinger Grundschule baute diese Form des freien Lernens in den folgenden Jahren aus und verfeinerte sie (BAUER 1997, S.26).

Auch vom Sport ist die Idee des Zirkels bekannt. Das 1952 von Morgan und Adamson in England entwickelte „Circuit-Training“ bietet den Sportlern unterschiedliche Übungsformen an, die sie in einer bestimmten Reihenfolge oder in freier Auswahl durchlaufen können. Bei der Gestaltung der ersten Lernzirkel diente dies als Orientierung (WALLASCHEK 1989, S.56). Für ein effektives Üben und tiefgründiges Bearbeiten von Inhalten mussten jedoch die aus dem Sport bekannten Rahmenbedingungen modifiziert und verbessert werden. Um sich vom reinen Übungsgedanken zu distanzieren, hat sich die Arbeitsform unter dem Begriff „Lernen an Stationen“ etabliert (vgl. BAUER 2003, S.100).

3.2.1 Begriffsklärung

Schlägt man den Begriff „Stationen-Modell“ im „Lexikon Sachunterricht“ von Astrid Kaiser nach, so finden sich folgende Informationen: „Ende der 80er Jahre entwickelte, zirkeltrainingsähnliche Lehrmethode reformpädagogischer Prägung. Meist durch Lehrer zu einem Thema vorbereitete Anordnung einzelner Lernstationen unter Berücksichtigung verschiedener Sozialformen, Lernmethoden, Zugangsweisen und Ausdrucksformen.“ (KAISER 1997, S.207). Durch das bereitgestellte Material soll den Ansprüchen eines mehrkanaligen ganzheitlichen Lernens mit allen Sinnen und einem handlungsorientierten Erfahrungslernen durch Originalbegegnung Rechnung getragen werden. Um die aufgeführten Ziele im Rahmen einer Stationenarbeit realisieren zu können, ist eine offene Gestaltung der Stationswechsel, der Gruppeneinteilung, der Bearbeitungszeit und der Stationswahl sinnvoll. Nur so ist ein lehrerunabhängiges, eigenverantwortliches und selbstständiges Lernen möglich (vgl. EBD., S.207).

Gabriele Faust-Siehl prägte den damals noch neuen Begriff „Lernen an Stationen“ in einem unter diesem Titel erschienenen Aufsatz in Heft 3/1989 der Zeitschrift „Grundschule“ und wollte damit die Assoziation zum sportlichen Leistungsgedanken beim Zirkeltraining vermeiden (FAUST-SIEHL 1989, S.23). Im Rahmen dieser Arbeit werden daher hauptsächlich die Bezeichnungen „Stationenlernen“ und „Lernen an Stationen“ verwendet.

3.2.2 Grundidee der Arbeitsform

Beim Stationenlernen als spezifische Form des differenzierten Unterrichts wird das vom Lehrer geleitete schrittweise Unterrichten der Inhalte vorübergehend aufgehoben. Während in der Regel die einzelnen Aspekte eines Unterrichtsthemas schrittweise und in mehreren Einzelstunden behandelt werden, wird den Kindern hier ein gleichzeitiges Zugreifen ermöglicht (FAUST-SIEHL 1989, S.22).

An die Stelle von Unterrichtsgesprächen und Erklärungen, die vom Lehrer geleitet sind, tritt das Erarbeiten des Lerninhaltes durch ein umfangreiches Angebot von Lernmaterialien. Dabei arbeiten die Kinder über mehrere Unterrichtsstunden hinweg selbstbestimmt in einem vom Lehrer gestellten zeitlichen und organisatorischen Rahmen (EBD., S.22).

Für Herbert Hagstedt werden beim Stationenlernen „zu einem bestimmten Rahmenthema […] gezielt sehr unterschiedliche Materialien vorausgewählt und in einem didaktischen Arrangement zusammengestellt“ (HAGSTEDT 1994, S. 56). Er hebt zudem hervor, dass es von Vorteil ist, wenn es mehr Stationen als Kindergruppen und damit in gewisser Weise einen Überhang an freien Arbeitsplätzen gibt. So könne sich der Schüler auf unterschiedlichen Wegen und in beliebiger Reihenfolge durch das Gesamtangebot „hindurcharbeiten“ (vgl. EBD., S. 56).

Roland Bauer betont außerdem die freie Wahl der Sozialform und den geordneten Aufbau der Arbeitstationen. Diese können sowohl im Klassenzimmer als auch außerhalb als Arbeitsanweisungen, Versuchsbeschreibungen, Kopiervorlagen oder als Hinweise auf Buchseiten ausliegen.

Die Auswahl der Angebote orientiert sich dabei vor allem

- an den Möglichkeiten und Vorerfahrungen der Kinder;
- an den Möglichkeiten des Lehrers;
- an den (materiellen) Möglichkeiten der Schule;
- an den stofflichen Bedingungen und
- an den Notwendigkeiten schwacher Lernleistungen und an den Anforderungen lernhungriger und lernfähiger Kinder (vgl. BAUER 1997, S.27-28).

Das höchste Ziel sollte es in jedem Fall sein, den Kindern ein optimales Lernen zu ermöglichen, indem die Aktivität beim Lernen auch von den Lernenden, also von den Kindern ausgeht (vgl. EBD., S.28).

Grundsätzlich gibt es zwei Arten beim Lernen an Stationen, die jeweils auf unterschiedliche inhaltliche Herangehensweisen abzielen: Der Übungszirkel und der Thematische Zirkel. Beim Übungszirkel (z.B. zum Einmaleins). werden den Kindern zu einem bestimmten Thema die Übungsangebote umfassend und komplett angeboten. Kopiervorlagen, Buchseiten sowie Spiele, die sich als versteckte Aufgabensteller anbieten, sind hier vorrangig im Einsatz (BAUER 1997, S.82).

Im Kontext des Thematischen Zirkels haben die Schüler die Möglichkeit, über verschiedene Arbeitsangebote ein Thema selbstständig zu erarbeiten. Hier wird die Konzentration auf einen Themenbereich in Verknüpfung mit fächerübergreifenden Aspekten zum pädagogischen Prinzip (vgl. WALLASCHEK 1996, S.89). Ein Beispiel für einen Thematischen Zirkel stellt die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellte Unterrichtseinheit „Rund ums Wasser“ dar.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch die Vielseitigkeit dieser Arbeitsform, auf die beispielsweise Ursula Wrede in ihrem Artikel „Lernen an Stationen im Sachunterricht“ hinweist: „Verknüpft mit speziellen Inhalten eines Unterrichtsvorhabens können Stationen sicher auch dem Einüben bestimmter spezieller Techniken und Verfahren dienen, wenn es beispielsweise um den Umgang mit der Lupe, dem Anlegen von Tabellen oder dem Dokumentieren von Versuchsergebnissen geht“ (WREDE 1996, S. 3).

3.3 Chancen, Möglichkeiten und Risiken beim Lernen an Stationen

Das Lernen an Stationen eröffnet eine Vielzahl von Chancen und Möglichkeiten. Es kann verschiedenen Lernschwerpunkten gerecht werden, indem es einerseits durch Experimentier-, Konstruktions- und Beobachtungsaufgaben ein entdeckendes und problemlösendes Lernen verfolgt und andererseits durch Üben und Wiederholen das Festigen bestimmter Themenbereiche anstrebt. Voraussetzung dafür ist, dass das didaktische Arrangement vielfältige Wege durch das Gesamtthema offeriert (MILLER 2003, S.275).

Uta Wallaschek konstatiert, dass beim Stationenlernen jedes Kind so intensiv tätig sein kann, wie es im Moment vermag. Dabei können die Schüler ihre Möglichkeiten erproben und „sich so selbst bestätigen und in ihren Leistungsmöglichkeiten immer wieder neu erfahren“ (WALLASCHEK 1989, S.56).

Herbert Hagstedt hebt dagegen vor allem die zeitliche Flexibilität und die inhaltliche Variabilität hervor. Durch die Vielfalt an Materialien sehen sich die Kinder nicht in direkter Konkurrenz zueinander und stellen so auch keine Leistungsvergleiche an. (vgl. HAGSTEDT 1994, S.56-57).

Ursula Wrede sieht den Vorteil des Stationenlernens vor allem im kindangemessenem Lernen, dass „ohne Zeitdruck, unter Berücksichtigung des individuellen Lernmusters, eigener Lernwege und des kindbezogenen Lerntempos stattfinden“ kann (WREDE 1996, S.3).

Auch für den Lehrer das das Lernen an Stationen Vorteile. Da er nicht mehr im Mittelpunkt des unterrichtlichen Geschehens steht, hat er die Gelegenheit, seine Schüler distanziert und intensiv zu beobachten. Des Weiteren hat er mehr Gestaltungsmöglichkeiten für produktive Arbeiten der Kinder, die dann wiederum als Aufträge für neue Lernstationen einbezogen werden. So können die Kinder ihre Arbeitsergebnisse in ihren eigenen Lernprozess und in den ihrer Mitschüler integrieren (BAUER 1997, S. 28).

Gleichzeitig verringert sich die direkte Beanspruchung und der direkte Handlungsdruck im Unterricht, denn Unterhaltungen und Gespräche der Kinder gelten nicht mehr als Störungen, sondern sind ein Teil der Stationsarbeit und in einem gewissen Rahmen auch erwünscht (EBD., S. 28).

Das Stationenlernen bietet vor allem auch für den Sachunterricht und seine grundlegenden didaktischen Ansprüche besondere Chancen, da es eine selbstbestimmte, mehrperspektivische, entdeckende, handlungs- und erfahrungsorientierte sowie produkt- und interessenorientierte Auseinandersetzung ermöglicht (MILLER 2003, S.275). Dass diese Möglichkeiten mit dem Stationenlernen ausgeschöpft werden können, geht unter anderem bereits aus der Begriffsklärung hervor.

Im Sachunterricht sind Lernstationen seltener Übungszirkel, wie sie in Mathematik und Deutsch üblich sind, sondern überwiegend Thematische Zirkel mit konkreten Handlungsangeboten. Hier bieten sich beispielsweise Themen, wie „Die menschlichen Sinne“ oder „Schwimmen und Sinken“ an. Dazu können die Kinder im Rahmen der Stationsarbeit Untersuchungen anstellen, sich durch Texte und Bilder informieren, darüber sprechen, experimentieren oder Produkte herstellen (WREDE 1996, S.3).

In der Regel sind Lernstationen im Sachunterricht dem entdeckenden Lernen vorbehalten. Sie können zum Einarbeiten in ein Thema dienen, vertiefendes Lernen ermöglichen oder auch Gelerntes spielorientiert überprüfen sowie produktorientiert anwenden (WREDE 1996, S.3).

Vor allem sachunterrichtliche Themen sind offene thematische Felder, „in denen jeder einzelne Aspekt das Ganze des Themas aufscheinen läßt“ (FAUST-SIEHL 1989, S.23). Oftmals ist hier konzeptionell nur ein Teil der zu bearbeitenden Themenbereiche vorbestimmt; andere Teilthemen sind variabel. Zusätzlich könnten Sachbezüge aus der naturwissenschaftlichen, ethischen, geografischen, geschichtlichen und technischen Perspektive miteinander verknüpft werden (vgl. EBD., S.23). Am Beispiel des Stationsbetriebs „Rund ums Wasser“, dessen Durchführung im praktischen Teil dieser Arbeit beschrieben wird, soll dies veranschaulicht werden.

Neben den umfangreichen Möglichkeiten und Chancen birgt das Stationenlernen natürlich auch Risiken und Schwierigkeiten. Die Vorbereitung wird von Lehrern meistens als sehr aufwendig und zeitintensiv empfunden. Roland Bauer, der jahrelange Erfahrungen mit dieser Arbeitsform vorweisen kann, merkt jedoch diesbezüglich an, dass „der höhere zeitliche Aufwand auch nur subjektiv so empfunden [wird], weil mit der Vorbereitung eines Lernzirkels eine komplette Unterrichtseinheit oder Übungssequenz vorbereitet wird“ (BAUER 1997, S.29). Im Gegensatz dazu werden üblicherweise nur einzelne Stunden für den folgenden Tag vorbereitet. Dafür verringert sich jedoch die direkte Beanspruchung im Unterricht (vgl. EBD., S.29).

Auch eine unmittelbare Kontrolle und dauernde Überprüfung der Kinder ist nicht mehr möglich. Zumindest vorübergehend könnte der Überblick über den Leistungsstand verloren gehen. Auch die Leistungsmessung wird (zumindest scheinbar) schwieriger. Hinzu kommt, dass der Lehrer Aktivität und Verantwortung über eine längere Zeit hinweg abgeben muss und eventuell gerade aus diesem Grund nach längerer Arbeit mit dieser Methode Schwierigkeiten hat, sich in einem eher lehrergeleiteten Unterricht wieder durchzusetzen (EBD., S.29).

3.4 Die Phasen des Stationenlernens

Das Stationenlernen gliedert sich in vier typische Phasen:

(I) Das Anfangsgespräch: Hier wird die Orientierungsgrundlage für das Lernen an Stationen geschaffen. Der Lehrer stellt mit den Schülern die inhaltliche Verknüpfung zur Stationsarbeit her. Dafür gibt es die Möglichkeit, Texte und Abbildungen einzubeziehen, eine Problemstellung anzuführen oder einen stillen Impuls zu geben.

In einigen Fällen genügt es auch, das Thema anzukündigen, Neugier zu wecken und die Schüler zu motivieren. Schließlich ist es ratsam, auf bestimmte Arbeits- und Verhaltensregeln hinzuweisen, die sowohl den Umgang der Schüler untereinander als auch das Verhalten an den einzelnen Stationen eindeutig regeln (WREDE 1996, S. 4).

(II) Der Rundgang: Ein Rundgang entlang der Stationen bietet nach Ansicht von Gabriele Faust-Siehl dem Lehrer die Gelegenheit, seinen Schülern die einzelnen Stationen und ihre Besonderheiten vorzustellen. Um bei den Kindern ein sicheres Gefühl und Selbstvertrauen für ihre folgende Arbeit zu erreichen, genügend oftmals schon kurze Erläuterungen. Ein sichtbar im Klassenzimmer aufgehängter Stationsplan kann den Schülern als zusätzliche Orientierung dienen. Kindern, die mit dieser Arbeitsform noch gar keine Erfahrungen gemacht haben, sollte dabei eine Anfangsstation zugeordnet werden (vgl. FAUST-SIEHL 1989, S. 22).

Roland Bauer ist diesbezüglich anderer Ansicht. Für ihn ist es nicht sinnvoll, dass die einzelnen Stationen vom Lehrer vor Beginn der Stationsarbeit vorgestellt werden. Nach drei Erklärungen sei seiner Ansicht nach die Aufnahmefähigkeit der Kinder höchstwahrscheinlich überfordert und wer sich nach der ersten Erklärung für eine bestimmte Station entschieden hätte, hörte anschließend sowieso nicht mehr zu. Aus diesem Grund schlägt Bauer vor, die Stationen schon einige Tag zuvor bereitzustellen, um so die Neugier der Kinder zu wecken (vgl. BAUER 1997, S.72).

(III) Die Arbeit an den Stationen: Zu Beginn des Stationsbetriebs ordnen sich die Schüler den Stationen zu. Um zu verhindern, dass eine bestimmte Station „überlagert“ wird, ist es von Vorteil, wenn die Kinder an ihren eigenen Gruppentischen oder mit einer Station in ihrer Nähe beginnen. Nachfolgend können die Schüler die Reihenfolge, in der sie die Stationen durchlaufen, jedoch selbst bestimmen. Nicht jedes Kind muss dabei jede Station bearbeiten. Die Lehrerin sollte aber eine Mindestanzahl zur Pflicht erklären (WREDE 1996, S.4).

Ursula Wrede schlägt außerdem aus Gründen der Übersichtlichkeit vor, dass die Kinder einen Laufzettel oder auch Stationspass bei sich führen. Besonders gekennzeichnete Stationen sind als Pflichtaufgaben zu erledigen, andere wiederum als Wahlaufgaben. Durch den Laufzettel haben die Kinder nicht nur einen Anreiz, möglichst viele Stationen zu bearbeiten, sondern gleichzeitig auch eine Form der Kontrolle über ihre geleistete Arbeit. Zusätzlich gibt ein solcher Laufzettel der Lehrerin Aufschluss über die Interessen und die bevorzugten Lernwege der einzelnen Schüler (vgl. EBD., S.4).

(IV) Das Schlussgespräch: Die Stationsarbeit wird von einem Schlussgespräch endgültig oder vorübergehend abgeschlossen. Da das Lernen an Stationen mehrstündig angelegt ist, kann die Arbeit zu einem anderen Zeitpunkt oder am nächsten Tag erneut aufgenommen werden. Es ist nicht sinnvoll, auf Vollständigkeit zu pochen. Das Schlussgespräch erfüllt auch nicht zwangsläufig eine Kontrollfunktion, denn der Lehrer sollte vorher die Möglichkeit der Selbstkontrolle eingeräumt haben (FAUST-SIEHL 1989, S. 22).

Ein abschließendes Gespräch dient vor allem dem Austausch von Informationen, Vorlieben sowie Schwierigkeiten. Es kommen einzelne thematische Aspekte zur Sprache, wie beispielsweise besondere Einfälle der Schüler. Darüber hinaus können Produkte wie Zeichnungen, Modelle oder Ähnliches gezeigt werden. Um die Geduld der Schüler nicht unnötig zu strapazieren, sollte dabei nur eine gezielte Auswahl vorgestellt werden (WREDE 1996, S.5).

Je nach Intention und Dauer der Stationenarbeit enthält das abschließende Gespräch Anregungen und Impulse für die weitere Arbeit oder motiviert die Kinder, sich beim nächsten Stationenlernen auch an schwierigere Aufgaben zu wagen. Entscheidend ist letztendlich, dass die Kinder das Lernen an Stationen als positives Lernerlebnis in Erinnerung behalten (EBD., S.5).

3.5 Zur Organisation von Stationsarbeit

Die Organisation von Stationsarbeit setzt sorgfältige Überlegungen voraus, die sowohl die äußeren Bedingungen als auch die innere Struktur einbeziehen sollten. Im Folgenden werden die wohl wichtigsten Planungspunkte vorgestellt.

Am Anfang der organisatorischen Überlegungen steht die Frage nach der Gestaltung des Klassenraums. Nach Roland Bauer ist eine grundsätzliche Veränderung der räumlichen Situation nicht zwangsläufig notwendig. Die Schüler sollen selbst entscheiden, ob sie an einem Gruppentisch zusammenarbeiten oder sich an einen Einzeltisch zurückziehen wollen, um sich in Ruhe mit dem Lerngegenstand auseinander setzen zu können. Durch individuelles Umstellen der Tische können sich die Schüler damit selbst die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Es können natürlich auch Arbeitsaufträge außerhalb des Klassenraumes, z.B. in der Schulbibliothek oder im Computerraum, bereitgestellt werden (vgl. BAUER 2000, S.68).

Die nächste Überlegung bezieht sich auf die Gestaltung der einzelnen Arbeitstationen und die Bereitstellung der Materialien. Voraussetzung für ein sinnvolles Lernarrangement ist eine übersichtliche Anordnung der Materialien (WREDE 1996, S.3). Dabei empfiehlt sich eine Nummerierung der einzelnen Lernstationen in Form von Hinweisschildern. Dies können Karten mit einem gut lesbaren und von der Ferne erkennbaren Aufdruck der jeweiligen Ziffer oder Überschrift sein. Dadurch wird sowohl dem Kriterium der Übersichtlichkeit Rechnung getragen als auch die Orientierung für die Schüler erleichtert (BAUER 1997, S.48).

Bauer schlägt vor, die Stationen nicht auf den Schülertischen aufzubauen – zum einen da dies den täglichen Auf- und Abbau erfordert und zum anderen weil sonstige Materialien (z.B. Federmappen oder Hefte) auf den Tischen eine Beeinträchtigung darstellen. Aus diesen Gründen sollten Pinnwände, überzählige Stühle, die Tafel oder andere Ablageflächen für die Bereitstellung der Arbeitsmaterialien genutzt werden (EBD., S.71). Ursula Wrede hingegen findet es durchaus legitim, die Stationen auf den Schülertischen, die zu großflächigen Gruppentischen umfunktioniert werden können, aufzubauen. Eine DIN A5 Stellkarte, die die jeweilige Station bezeichnet, hilft den Schülern dabei, sich zu orientieren (vgl. WREDE 1996, S.3).

Während der Bearbeitungsphase ist es ratsam, den Schülern verschiedene Arbeitsweisen zu ermöglichen. So können sie einen Teil der Aufträge an ihrem Arbeitstisch und einen anderen wiederum an der jeweiligen Station erledigen. Ebenso sollte es den Schülern – wie bereits erwähnt – erlaubt sein, an anderen Plätzen (wie z.B. in der Bibliothek) zu arbeiten, wenn es die Situation erfordert (BAUER 1997, S.51).

Auch die Sozialformen sollten weitestgehend freigestellt werden. Roland Bauer führt dafür folgende Begründung auf: „Warum soll ein Kind unbedingt in der Form arbeiten, die aus meiner Sicht die beste ist, für das Kinder aber unter Umständen nicht taugt? Wenn mir daran gelegen ist, dass Kinder auch mal mit einem Partner arbeiten oder sich einer Anforderung selbst stellen sollen, begründe ich dies in einem direkten Hinweis an das Kind bzw. in einem Gespräch mit ihm“ (EBD., S.51-52).

Ein weiterer wichtiger Planungspunkt ist die Integration von Gesprächsphasen. Diese dienen dem Informationsaustausch, der Besprechung eventueller Schwierigkeiten oder der Vorstellung und Dokumentation von Lernergebnissen. Hauptsächlich sollen sie aber zur Motivation der Schüler beitragen und Aussprachen über Lernformen, Lernwege und Erfahrungen ermöglichen. Dadurch wird der Lernprozess neben dem bloßen Lernprodukt aufgewertet. Der Lehrer kann Gesprächsphasen beliebig in die Stationsarbeit integrieren, wenn die Kinder daraufhin an ihren Stationen weiterarbeiten können (BAUER 2003, S.106).

Zusätzlich ist es gerade für Grundschulkinder erfreulich, eine Rückmeldung über ihre geleistete Arbeit zu erhalten. Es bietet sich daher an, kleine Zettel in die Stationshefte der Kinder zu legen, die beispielsweise wie folgt formuliert werden können: „Herzlichen Glückwunsch, du hast in den folgenden Teilgebieten … schon alle Pflichtaufgaben erledigt. Ich freue mich sehr darüber. […] Weiter so!“ oder „Du warst fleißig und hast schon einige Aufgaben erledigt. Allerdings hast du aus meiner Sicht noch nicht alle Aufgaben gemacht, die in diesem Bereich für dich notwendig wären. [...] Ich bin sicher, dass du noch einige der Pflichtaufgaben erfüllen kannst oder gemeinsam mit mir Lösungen findest. Ich würde mich freuen!“ (BAUER 1997, S.62-63).

In einem nächsten Schritt sollte der Zeitrahmen festgelegt werden. Die Gesamtarbeitszeit ergibt sich beim Stationenlernen aus der benötigten Zeit für die gewünschten Mindestleistungen und aus der Anzahl der zur Verfügung stehenden Stationen. Inhaltlich orientiert sich der Zeitrahmen zudem an den Vorstellungen des Lehrers und an den Vorgaben des Lehrplans. Die Bearbeitung von Lernstationen im Rahmen einer Einheit kann sich also durchaus auf zwei bis drei Unterrichtswochen erstrecken (BAUER 1997, S.61).

Bauer hält es für unsinnig, das Stationenlernen auf enge Zeiträume zu begrenzen und stellt diesbezüglich fest: „Die großen Vorteile dieses Lernens liegen ja gerade darin, dass jedes Kind in seinem Tempo die Mindestanforderungen erfüllen kann […] und dass durch die längerfristige Anlage erst ein gegenseitiger Ansporn, gegenseitige Hilfe und das Entwickeln von Interessen möglich werden“ (EBD., S.61).

In Bezug auf die Anzahl der Stationen ist es von Vorteil, mehr Arbeitsaufträge bereitzustellen, als von den Kindern mindestens bearbeitet werden müssen. So können nicht nur die unterschiedlichen Zugänge der Kinder berücksichtigt werden, sondern auch eine qualitative Differenzierung erfolgen. Außerdem können die Schüler sich gezielt Stationen auswählen (BAUER 1997, S.53). Uta Wallaschek gibt jedoch auch zu bedenken, dass ein zu großes Angebot an Stationen das Lernarrangement für Kinder unübersichtlich und undurchsichtig werden lässt. Es führt ihrer Ansicht nach „zu hektischem Sammeln und flüchtigem Erledigen der Aufgaben“ (WALLASCHEK 1996, S.105).

Zu jedem Teilgebiet bzw. zu jeder Station sollte der Lehrer des Weiteren Mindestanforderungen nennen, die folgendermaßen lauten könnten: „Aus jedem Teilgebiet sind mindestens zwei Aufträge zu erledigen, ansonsten so viele, bis du dich sicher fühlst!“ (BAUER 2003, S.105-106).

In diesem Zusammenhang bietet ein Laufzettel sowohl den Schülern als auch dem Lehrer die notwendige Orientierung über die Struktur der Stationen und den aktuellen Bearbeitungsfortschritt. Auf einem solchen Laufzettel sind die einzelnen Stationen mit der jeweiligen Stationsnummer oder einem Symbol übersichtlich dargestellt. Bereits bearbeitete Stationen können ausgemalt oder angekreuzt werden (WREDE 1996, S.4).

Kindern macht es Spaß, sich gegenseitig Inhalte zu erklären und da sich ihre Denkweisen sehr ähneln, sind sie dazu teilweise besser in der Lage, als die Lehrkraft. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, im Rahmen des Stationsbetriebs ein Helfersystem aufzubauen. Jürgen Reichen bevorzugte im Werkstattunterricht dafür das sogenannte „Chefsystem“: Jeder Schüler bekommt dabei eine Station zugewiesen, in die er sich einarbeitet. Der Schüler kann dann als „Chef“ seinen Mitschülern die Station erklären oder ihnen bei Unklarheiten behilflich sein. Es ist jedoch anzumerken, dass dieses System nicht in jeder Klasse funktioniert und höchstwahrscheinlich erst nach einiger Erfahrung mit der Arbeitsform des Stationenlernens umsetzbar ist (BAUER 1997, S.63).

Anschließend sollte noch die Erarbeitung und Festlegung von Arbeits- und Verhaltensregeln in den Blickpunkt gerückt werden. Einige Regeln sollten dabei schon im Vorfeld vom Lehrer festgelegt werden – zum Beispiel, dass eine angefangene Arbeit beendet werden muss, bevor eine neue begonnen wird; dass die Arbeitsstationen ordentlich zu verlassen sind oder dass andere Schüler bei der Bearbeitung ihrer Aufgaben nicht gestört werden dürfen.

Andere Regeln können gemeinsam mit den Schüler in der Einführungsphase entwickelt werden und später durch Erfahrungen erweitert werden. Bestimmte Regeln werden für die Schüler auch erst einsichtig und in ihrer Notwendigkeit erkannt, wenn sie situationsbedingt während des Stationsbetriebs auftreten. Einige Dinge erübrigen sich auch, da sie gar nicht erst als Problem auftreten (BAUER 1997, S.52-53).

3.5.1 Das Material

Das Materialangebot für den Stationsbetrieb muss mehreren Anforderungen gerecht werden. Es sollte grundsätzlich

- so gestaltet sein, dass es die Schüler zu einem selbstständigen und von der Lehrperson unabhängigem Arbeiten befähigt;
- so aufbereitet sein, dass es keine langen Einführungen erfordert;
- verständlich sein, durch kurze mündliche bzw. schriftliche Erläuterungen verständlich werden oder den Schülern bereits bekannt sein;
- Selbstkontrolle bieten und ein differenziertes Arbeiten nach Interesse und Niveau ermöglichen;
- methodisch abwechslungsreich sein und verschiedene Sozialformen erlauben;
- sorgfältig hergestellt sein und
- ästhetischen Ansprüchen genügen (vgl. WALLASCHEK 1989, S57).

Um dem kindlichen Lernen entgegen zu kommen, sollte ein tätig-handelndes Lernen mit spielerischen Formen verknüpft werden. Was die einzelnen Aufgaben betrifft, ist auf eine geordnete Lernumgebung und einen klar geregelten Arbeitsablauf zu achten. (WALLASCHEK 1996, S.90)

Ursula Wrede gibt außerdem zu bedenken, dass das Lernen von Grundschulkindern an ihren elementaren Grunderfahrungen orientiert ist. Aus diesem Grund sollte das Stationsmaterial möglichst viele Sinne ansprechen. Und damit jedes Kind seinem individuellen Lernmuster folgen kann, müssen das unterschiedlichen Lernleistungsniveaus und die verschiedenen Lerneingangskanäle berücksichtigt werden (vgl. WREDE 1996, S.4).

Wenn also ein und dieselbe Aufgabestellung für unterschiedliche Lerntypen gelten soll, ist eine Bearbeitung auf der auditiven (Hören und Sprechen), der visuellen (Sehen) und der kinästhetischen (Handeln und Bewegen) Ebene anzustreben. Bücher und Arbeitsblätter präsentieren sich zumeist auf der visuellen Ebene. Kindern, die einen ausgeprägten auditiven Lernzugang haben, wird hier kaum eine Chance gegeben, sich auf das Lernen einzulassen. In diesem Fall könnten Kassetten oder Tonbandgeräte einbezogen werden. Schülern, die wiederum dem kinästhetischen Lerntypen zuzurechnen sind, könnten verschiedene Spielformen und Rollenspiele angeboten werden (BAUER 1997, S.85).

Ein weiteres Kriterium hinsichtlich der Materialienwahl ist die Berücksichtigung der Brunerschen Repräsentationsebenen. Nach Jerome Bruner durchläuft der Mensch beim Lernen drei Repräsentationsebenen, auf denen er jeweils Einsicht erreicht. Es handelt sich dabei um die enaktive (Handlungsebene), die ikonische (bildliche Darstellung) und die symbolische (Darstellung mit Hilfe von Symbolen wie Buchstaben, Zahlen und Rechenzeichen) Ebene. Ein Fortschritt im Lernprozess wird nach Bruner erst dann möglich, wenn diese Ebenen der Reihe nach durchlaufen werden und in der jeweiligen Ebene Verständnis entwickelt wurde (vgl. BRUNER 1974).

Bauer veranschaulicht dies am Beispiel von naturwissenschaftlichem Unterricht, in dem das Experiment die enaktive Ebene, die dazugehörige Skizze die ikonische Ebene und das schriftliche Festhalten eines Ergebnisses die symbolische Ebene repräsentiert (BAUER 1997, S.86).

3.5.2 Kinder in die Planung einbeziehen

Wenn es gilt, neue Inhalte und Stoffgebiete einzuführen, setzt man sich als Lehrer oft schon Tage oder Wochen zuvor intensiv mit dem jeweiligen Thema auseinander. Selbst nach jahrelanger Erfahrung ist eine längerfristige Einstimmung und Vorbereitung auf ein Thema – gerade wenn es um die didaktischen und methodischen Aspekte geht – unerlässlich. Den Kindern sollte diese Möglichkeit ebenfalls gegeben werden, denn für sie sind die meisten Unterrichtsinhalte neu und fremd. Aus diesem Grund sollten sie die Gelegenheit haben, sich auf ein Thema einzulassen und sich damit auf ihre eigene Art und Weise auseinanderzusetzen (BAUER 1997, S.73).

Sehen wir die Interessen und die Lebenswelt der Kinder als festen Bestandteil des Unterrichtsgeschehens an, so müssen sie in die Vorbereitung einbezogen werden. Klafki führt diesbezüglich als essentielles Ziel des Unterrichts an, die Schüler bei der Entwicklung ihrer Solidaritäts- und Mitbestimmungsfähigkeit zu unterstützen. Der Lernprozess soll für die Lernenden „in zunehmendem Maße mit ihnen zusammen – eben im Sinne des Selbstbestimmungs- und Solidaritätsprinzips – diskursiv gerechtfertigt und geplant werden“ (KLAFKI, 1996 S.256). Verwirklichen lässt sich dies nur, wenn die Schüler sich an der Planung sowohl aktiv beteiligen als auch kritisch einbringen können (EBD., S.256).

Die Umsetzung in der Praxis könnte beispielsweise durch ein Planungsgespräch erfolgen, dass ungefähr eine Woche vor Beginn geführt wird. In einer offenen Fragerunde könnten die Schüler dabei Fragen zum Thema „loswerden“ und bereits vorhandenes Wissen einbringen. Natürlich ist es auch denkbar, den Schülern bereits einen Tag vorher aufzutragen, sich einige Fragen zu überlegen und diese eventuell auch schriftlich festzuhalten. Für die Gesprächsrunde ist anschließend sinnvoll, die Fragen an der Tafel zu strukturieren oder ein Plakat mit der Überschrift „Die Kinder der Klasse X interessiert zum Thema X ...“ zu gestalten. Darauf kann nun jederzeit zurückgegriffen werden. Es dient den Schülern zum einen als Ausblick auf das neue Thema und zum anderen als Übersicht. Von Vorteil ist es, wenn das Plakat so konzipiert ist, dass Fragen, die sich den Schülern möglicherweise in der Erarbeitungsphase stellen, ergänzt werden können (BAUER 1997, S.73).

Gemeinsam erarbeitete Fragen sind möglicherweise auch als Themenschwerpunkte bzw. Überschriften an den Stationen denkbar. Zusätzlich bildet eine derartige Fragensammlung die Grundlage für das spätere Auswertungsgespräch. Die Beantwortung der Fragen erfüllt hier die Funktion der Ergebniskontrolle und ermöglicht gleichzeitig eine Überprüfung des Lernerfolgs (EBD., S.74).

3.5.3 Die veränderte Rolle des Lehrers

Beim Stationenlernen als Form des Offenen Unterrichts unterscheidet sich die Rolle des Lehrers in einigen wesentlichen Aspekten von der in lehrerzentrierten Phasen. Er verlässt die bisher zentrale Anweisungs- oder Vermittlerrolle. Von den Schülern fordert dies wiederum eine direkte Auseinandersetzung mit den Unterrichtsinhalten, die in ihrer Vielfalt und ihren Angeboten so aufgearbeitet sein müssen, dass möglichst alle Lerntypen und Leistungsniveaus berücksichtigt werden (BAUER 1997, S.132).

Offensichtlich wird das neue Rollenverständnis während des eigentlichen Unterrichts: Im herkömmlichen und zumeist auch sehr stofforientierten Unterricht steht der Lehrer im Mittelpunkt des unterrichtlichen Geschehens und die Kinder sind auf ihn fixiert. Beim Stationenlernen steht nun die Persönlichkeit des Kindes im Vordergrund (WREDE 1996, S.4).

Das Heraustreten des Lehrers aus dem Zentrum der Aufmerksamkeit bedeutet jedoch keinesfalls, dass er überflüssig wird. Ihm werden zahlreiche andere Aufgaben zuteil, denn selbstverantwortliches Lernen bedeutet vom Lehrer im Detail organisiertes Lernen. Dieses ermöglicht es ihm letztendlich auch, während der Aktivitätsphase den entstandenen Freiraum für Kontakte mit einzelnen Schülern zu nutzen (EBD., S.4).

Roland Bauer sieht die Lehrkraft eindeutig als Initiator, Moderator, Berater und Beobachter, der sich nun seltener an die ganze Klasse und dafür häufiger einzelnen Kindern zuwendet, die zu diesem Zeitpunkt Hilfe benötigen. Sie kann einzelne Kinder intensiv beobachten und bei der Erarbeitung von neuen Sachverhalten unterstützen (vgl. BAUER 1997, S.133).

Auch Ursula Wrede sieht die Lehrerin in die Position einer Beobachterin und Anregerin versetzt und führt diesbezüglich an: „ Sie bestärkt die Kinder in ihrem Handeln und ermutigt sie, den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung zu tun. Durch die abwechslungsreichen Lernangebote an den Stationen ist sie selten in der Rolle, Kinder zum Arbeiten anhalten zu müssen. Es geschieht durch ihre Verordnung ohne ihr Zutun im Handlungsvollzug.“ (WREDE 1996, S.4). Das Zurücktreten des Lehrers in eine passive Rolle ist dabei für ein aktives Entfalten der Kinder unerlässlich.

[...]


[1] Krishnamurti 2006, S.163

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Stationenlernen im Sachunterricht. Eine Unterrichtseinheit zum Thema „Wasser“ im 4. Schuljahr
Hochschule
Universität Leipzig  (Erziehungswissenschaftliche Fakultät)
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
100
Katalognummer
V129696
ISBN (eBook)
9783668207257
ISBN (Buch)
9783668207264
Dateigröße
2592 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
stationenlernen, wasser, sachunterricht, grundschule
Arbeit zitieren
Sophie Männel (Autor:in), 2009, Stationenlernen im Sachunterricht. Eine Unterrichtseinheit zum Thema „Wasser“ im 4. Schuljahr, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129696

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